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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 141-152 (2. Dezember - 30. Dezember)
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Erscheint wöchentlich dreimal: Disnstag,
Donnerstag und Samstag.

Preis vierteljährlich 40 kr. »hm
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

1869.

Dienstag den 14. December

M146.

Kammerverhandlungen.
Karlsruhe, 7. Dec. (Fortsetzung des Berichts des Abg.
Schupp, die Gemeindereform betr.)
Die Kammer ging darauf zur Specialdebatte über. In der-
selben wünschte zu 8 10 Staatsminister Jolly die Wiederherstel-
lung des Regierungsentwurfs in Betreff der Zahl der Mitglieder
des Gemeinderaths und der Bestätigung der jeweiligen Zahl durch
die Regierung, wogegen Berichterstatter Schupp die Fassung des
Commissionsberichts: „6 bis 18", jedoch mit Vorsetzung der Worte
„in der Regel", rechtfertigte und die Regierungsbestäügung
verworfen wissen wollte.
Abg. Lamey ist für das Bestätigungsrecht der Regierung
und stellt ferner den Antrag: „Bei Gemeinden unter 24 Bürgern
könne die Zahl der Gemeinderäthe bis auf 3 herabgesetzt werden."
Dieser Antrag wird angenommen.
Zu ß 12 stellt Roder den Antrag, Octroyirungen des
Bürgermeisters durch die Regierung sollten nicht für 3 Jahre,
sondern nur für 1 Jahr gelten.
Abg. Lindau möchte wissen, ob der Regierung das Recht
der Einsetzung zustehe, wenn ein Drittel der Wahlberechtigten nicht
erschienen sei.
Abg. Frank stellt den Antrag, es solle der Bürgermeister
„nur aus den activen Gemeindebürgern" gewählt werden.
Abg. Schupp hält ein Jahr für zu kurze Zeit.
Abg. Lindau beantragt, daß wenn auch weniger als ein
Drittheil der Stimmberechtigten erschienen sei, gleichwohl der Ge-
wählte der Minorität erwählter Bürgermeister sei.
Staatsminister Jolly: Man solle nicht meinen, daß man
der Regierung eine große Concession bei Octroyirung von Bürger-
meistern mache oder daß darin ein Machtzuwachs der Regierung
zu suchen sei. Es liege das lediglich im Interesse der Gemeinde
selbst, welche bei innerer Zerklüftung den Vortheil erhalte, daß
ein ui.parteiischer Dritter, die Großh. Staatsregierung, einen Mann

ernenne, der über den Parteien stehe und dadurch den Frieden
in die Gemeinde znrückführe. Die Regierung werde dabei stets be-
dacht sein, ihr Augenmerk auf einen Mann zu lenken, der sich nicht
zu weit in's Parteileben einlasse und durch seine Persönlichkeit
eine Garantie der Besserung des Gemeindelebens gewähre. Für
diese Aufgabe reiche aber die Dauer eines Jahres nicht aus, drei
Jahre seien mindestens erforderlich.
Nachdem noch eine Reihe von Rednern für und gegen die
gestellten Anträge sich mehr oder minder kurz geäußert hatten,
werden sammtliche Anträge verworfen und die Commissionsfassung
angenommen.
Darauf Schluß der Sitzung.
* Karlsruhe, 9. Dec. In der heutigen Sitzung der II. Kam-
mer, die von 9 Uhr Morgens bis nach 1 Uhr Nachmittags und
von 4 Uhr bis 7 Uhr Abends währte, wobei man auf der Galerie
„hinwiederum Viele sehen konnte, welche nicht da waren", sand
die Fortsetzung der Debatte über den Bericht des Abgeordneten
Schupp statt.
Zunächst handelte es sich um tz 13. Der Regierungsvorschlag
wollte die Wahlberechtigten „für die Wahl der Gemeinderäthe"
nach Maßgabe der in den Gemeindekataster gehörigen Steuerkapi-
talien in 3 Klaffen (die erste, die Höchstbesteuerten V«, die zweite,
die Mittelbesteuerten ^/s, die dritte, die Niederftbesteuerten ^/g)
eingetheilt haben, die Commission dagegen wollte Vie relative Stim-
menmehrheit der Erschienenen bei der Wahl des Gemeinderaths
entscheiden lassen.
Staatsmimster Jolly: Die Regierung müsse dringend wün-
schen, daß nicht blos für den großen Ausschuß, sondern auch für
den Gemeinderath das Dreiklassensystem maßgebend sei.
Abg. Holtzmann: Er habe bei der Berathung vorliegen-
den Gesetzentwurfs nicht sprechen wollen, allein der Nationalliberale
Verein in Heidelberg, in dessen letzter Verhandlung er anwesend
gewesen, habe ihn beauftragt, in dieser Sachs dessen Ansicht zu

Der schwarze Däman.
Eejähtung aus dem Seemannstebeu von P. Henry,
(Alte und Neue Welt.)

(Schluß.)
Die Fregatte lavirte quer an seinem Stern vorüber, nahm eine beherr-
schende Stellung ein und fegte das Piratendeck mit Kartätschen. Es war eine
Schlächterarbeit.
Mittlerweile war unser Schiff nahe gekommen. Ich ließ ein Boot aus-
setzen und langte bei dem Schooner gerade mit den Booten von der Fregatte
an. Wir nahmen nun Besitz von dem Piratenschiff. Ein schrecklicher Anblick
an dessen Bord. Das Deck war mit Todten und Verstümmelten übersät; das
Schiff selbst glich einem mastlosen Floß, so schrecklich hatte das Geschützfeuer
es zerstört. Den Blick abwendend, von einer Ahnung getrieben, eilte ich in
die Kajüte des Piratenhäuptlings. Ich vermuthete, dort die unglücklichen
Töchter des Capitäns vom „Nordstern" zu finden; und wirklich, als ich die
Thüre öffnete, erblickte ich das eine Frauenzimmer, aber Himmel! in welchem
erbarmungswürdigen Zustande!
Die Kajüte war auf's Kostbarste geschmückt. Die Möbel und die ganze
Einrichtung waren mit verschwenderischem Luxus ausgewählt. Ein feiner, dicker,
reichgestickter Teppich bedeckte den Fußboden, die Wände strahlten mit goldum-
rahmten Spiegeln; an den Wänden her zogen sich weichgepolsterte, breite Di-
van's mit prachtvollen Decken. In eine Ecke derselben geschmiegt, saß .das
unglückliche weibliche Geschöpf, ihre langen dunkeln Haare hingen aufgelöst
ÜZacken, ihre Augen starrten in unnatürlicher Wildheit, die geister-
hafte Blaffe ihres Antlitzes wurde noch hervorgehoben durch das weiße Ge-
wand, das ihren schlanken Leib umhüllte.
Ich näherte mich und sprach beruhigende Worte — die Unglü ckliche zuckte
plötzlich auf, schaute mich starr an, stieß einen gellenden Schrei aus und er-
hob bre Hande abwehrend gegen mich. Sie war wahnsinnig.
Da das Piratenschiff zn sinken begann, ward sie an Bord der Fregatte
gebracht; dorthin kamen auch die noch lebenden Seeräuber in Ketten. Bon
?^n wir, daß die jüngere Tochter des amerikanischen Capitäns sich
des Ni" besser m die Brust gestochen hatte, bald nachdem sie in die Gewalt
Prratenhauptlings gekommen. So war sie der Entehrung entgangen,
uns anschickten, den Schooner zu verlassen, fehlte Amos. Er
darauf weilen, denn er war mit mir au Bord gekommen. Jede
re k n uns nut dem Schiffe in den Abgrund zu
Deck rie^ wollte ich ihn zu finden suchen. Ich eilte athemlos unter
Keine Antwort. Nur das Rauschen des Was-
c durch die Locher ur den Schiffsraum eindrang, schlug an mein Ohr
graben we?^^lltd^^^^^ Wellen xin , in denen es für immer be-

Schon wollte ich, auf meine eigene Rettung bedacht, an das Deck zurück-
kehren, als ich einen tiefen langen Seufzer zu hören glaubte. Ich stürzte nach
dem Platze — und da an der Lucke, die hinab in den untersten Raum führte,
wo sich die Pulverkammer befinden mußte, lagen zwei menschliche Körper aus-
gestreckt. Ich bückte mich über sie und erkannte Amos und meinen Kaffeehaus-
bekannten in Havanna, neben ihm eine zerfetzte, schwarze Gesichtsmaske. Das
war also der gefürchtete Pirat, der „schwarze Dämon." Beide waren todt,
beide von vielen Messerstichen durchbohrt. Der letzte Seufzer des Obersteuer-
manns hatte mich zu seiner Leiche geführt.
Die Wasser im Schiffbauche rauschten drohender, das Schiff sank mit
todtbringender Schnelligkeit, ich stürzte mit einem frommen Spruch für den
todten Seemann auf das Deck. Es war die höchste Zeit. Das letzte Boot
hielt noch in der Nähe des Wrackes, auf mich «artend. Ich fiel gleichsam
hinein. Die Matrosen ruderten aus allen Kräften und kaum legte das Boot
am Fallreep des „Nordstern" an, so versank das Piratenichiff. Ein wirbeln-
der Schlund klaffte für einige Sekunden da, wo das Raubschiff gelegen; jetzt
begegneten sich die rückkehrenden Wellen, schlugen zusammen uno rollten ruhig
fort über dem verschlungenen Fahrzeug. Das war der große Sarg eines un-
glücklichen Seemanns und eines großen Verbrechers. Die scheidende Abend-
sonne warf blutrothe Strahlen auf ihr nasses Grab.
Wahrscheinlich hatte uns Amos das Leben gerettet, indem er den Piraten
im Augenblick angriff, als dieser in die Pulverkammer gehen und Freund und
Feind mit dem Schiffe in die Luft sprengen wollte. Der Kampf war sicher
ein furchtbarer gewesen.
Nachdem ich dem Fregattenkapitän über unsere Erlebnisse Bericht abge-
stattet hatte, führte ich den Nordstern unter dem Geleite der Fregatte nach
Jamaika. Dort wurden die gefangenen Piraten gerichtet und gehängt. Die
unglückliche Wahnsinnige übergab man daselbst der Pflege ihrer Verwandten:
— sie ist bald gestorben. Ich aber ward nach dieser Piratenjagd zum ersten
Lieutenant auf der Fregatte ernannt.

Herzensgüte. Dem im Jahre 1845 verstorbenen Erzbischof von Bor-
deaux wurde einst eine arme Frau gemeldet, die seine Güte in Anspruch neh-
men wollte. „Wie alt ist sie?" fragte der Erzbischof. „Siebenzig Jahre."
„Ist sie wirklich in einer bedrängten Lage?" „Allem Anscheine nach." „Nun,
so gebt ihr fünfundzwanzig Francs." Das ist wohl zu viel, gnädigster Herr;
die Frau ist überdieß eine Jüdin!" „Eine Jüdin? Lieber Gott!" „Ja, ja.
Euer Gnaden!" „Nun, das ist etwas anders, gebt ihr fünfzig Francs, das
verdient ihr Zutrauen."
(Ein bescheidener Lebensretter.) Bei dem letzten Meeting des
Verwaltungsrathes des Rettungsbootsfonds für den Tynefluß wurde einem
Veteranen der Tyne - Piloten, welcher 25 Jahre Oberaufseher über die Ret-
rungsbote gewesen war, eine Adresse und eine Börse mit 70 L. in Gold als
Zeichen der Anerkennung für die von ihm während genannter Zeit geleisteten
Dienste. Während dieser Zeit hatte der wackere Seemann nicht weniger denn
207 schiffbrüchigen Fahrzeugen mit eigener Lebensgefahr Hülfe gebracht und
bei der Rettung vor 1001 Menschenleben thätigen Antheil genommen.
 
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