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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 141-152 (2. Dezember - 30. Dezember)
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und Land.

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Trägerlohn und Postaufschlsg.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile/

Samstag den 25. December

1869.

Der hohen Weihnachtsfeiertage wegen wird unser
Blatt erst bis Donnerstag den 30. d. wieder
erscheinen._Die Redaction.
Kammerverhandlungen.
* Karlsruhe, 21. Dec.*) In der gestrigen Sitzung der II.
Kammer kam das Militärbudget und das Contingentsgesetz zur
Verhandlung. Die Debatte war sehr lang, im Ganzen aber we-
niger erregt als bei anderen Gelegenheiten, wo principielle Gegen-
sätze auf einander platzten. Die Ursache größerer Mäßigung mag
wohl darin ihren Grund haben, daß der Kriegsminister mit mehr
Takt und Anstand zu verkehren weiß, als sein College Jolly, und
die Opposition nicht reizt wie Letzterer. Wie wenig von einzelnen
Oppositionsversuchen der Mehrheit zu erwarten ist, zeigte sich am
glänzendsten bei dieser Gelegenheit, wo einige Abgeordnete der
Offenburger Richtung sich ein Herz fassen und gegen die Militär-
überlastung austreten wollten, im entscheidenden Augenblicke aber
entweder ganz schwiegen oder, wie der Abg. Eschbacher, nach
einer guten Rede matt schlossen und sich bei der Abstimmung wie
immer unter den Jasagern befanden.
Zur Verhandlung selbst wollen wir uns kurz fassen, da auch
wir mit den Kammerberichten über Weihnachten Ferien machen
möchten.
Als erster Redner trat der Kriegsminister v. Beyer auf,
der in der Form sich sehr wenig gewandt zeigte, der Sache nach
aber von seinem preußischen Standpunkte aus sich als ein routi-
nirter Militär erwies, der seines Gegenstandes Meister ist und die
Lichtseiten seiner neuen Organisation möglichst plausibel zu machen
verstand. Er suchte namentlich darzuthun, daß er bei dem von
ihm durchzuführenden preußischen System mit einer kürzeren als
der vorgeschlagenen Dienstzeit nicht auskommen könne. Die preu-
ßischen Militäreinrichtungen wurden als unübertroffenes Muster
in der Weltgeschichte dargestellt und eine Vorlesung über das preu-
ßische Zündnadelgewehr selbstverständlich nicht gespart.
Abg. Eschbache r hielt darauf eine Rede, wie wir sie oben
schon gekennzeichnet haben, in welcher er besonders „wünschte",
daß die Präsenzzeit auf 2 Jahre gemindert werde. Er stellte zu-
erst einen Antrag auf Erleichterung in der Dienstzeit und hin-
tennach, als die Abstimmung kam, begnügte er sich mit einem
Wunsch zu Protokoll, der natürlich nichts weiter als eine
papierne Schanze bleiben kann.
Abg. Kayser dagegen ging weiter in dem Antrag: beide
Vorlagen an die Commission zurückzuweisen, um das Budget auf
der Grundlage einer Friedensstärke von 10,500 Mann und einer
Präienzzeit von 2 Jahren von neuem aufzustellen. Ferner möge
die Regierung, so viel in ihrer Macht liege, den andern Regie-
rungen die militärische Abrüstung empfehlen.
Baumstark hält es für überflüssig, in diesem Hause noch
lange Reden zu halten, da die Mehrheit doch Alles schon vorher
ausgemacht habe. Der Kriegsminister habe von seinem Stand-
punkt Recht, wenn er so große Anforderungen an die Kammer
richte und ebenso müßten Diejenigen, welche das „Ziel" wollten,
auch die „Mittel gewähren. Redner aber will dieses „Ziel" nicht,
die großen Opfer müßten dem Wohlstand des Landes scbaden, —
er gewähre keine Mittel und unterstütze Kayser's Antrag.
Mühlhäusser hält dem Norddeutschen Bund und der jetzi-
gen badischen Kriegsverwaltung eine Lobrede.
Kirsner entschuldigt die Büdgetcommission als deren Vor-
stand für die großen Geldbewilligungen.
v. Feder behandelt die Frage vom europäischen Gesichtspunkt
und verlangt von den Volksvertretungen das Einstehen für den
Frieden.
Staatsminister Jolly empfiehlt die Commissionsvorschläge
vom großpreußischen Gesichtspunkte aus und sucht Baumstark's und
Feder's Einwendungen zu widerlegen.
Friderich entschuldigt gleichfalls die Büdgetcommission und
behauptet, es sei durchaus kein Rückgang im Volkswohlstand vor-
handen. (Wahrscheinlich nahm dies der Herr Abgeordnete von sich
*) Ein von unserem Herrn Correspondenten bereits für die letzte Nummer
d. Bl. über diese Verhandlung eingesandter Artikel ist aus Versehen nicht zum
Abdruck gekommen.

ab, da der Herr Gast- und Gesetzgeber bekannlich ein reicher Mann ist.)
Der Abg. Tritscheller hat den frommen Wunsch, es
möchte die durchschnittliche Dienstzeit für Alle gleichheitlicher werden.
Auch der Abg. Roder hat tief im Innern den geheimen
Wunsch, es möchte ein Dragonerregiment aufgehoben werden. Er
hätte vielleicht weniger gegen die Dragoner auf dem Herzen, wenn
sie statt auf Pferden, auf Farren beritten gemacht würden.
Abg. Bifsing zieht einen Vergleich mit dem Militärbüdget
vor 25 Jahren, welches nicht die Hälfte des jetzigen betragen
habe. Die Regierung habe sich damals hinter den Bundestag
verschanzt, eine Entschuldigung, die jetzt wegfalle. Redner klagt über
die ungeheure Höhe der Militärpensionen; wir hätten 26 active
und pensionirte Generäle, also so viele, daß man mit ihnen auf
Eroberungen ausgehen könnte. Er tadelt, daß das Contingentsgesetz
innerhalb des Büdgets behandelt sei, darin liege keine Offenheit
und das Volk werde sagen, man sei auf Umwegen gegangen. Die
Offenburger hätten selbst gesagt in der Schrift: „Woher die Oppo-
sition", man solle nicht zu viele Opfer für's Militär auflegen,
man werde sonst dem Eintritt in den Nordbund eher schaden. Red-
ner erklärt, wenn schon von jener Seite aogecathen werde, habe er
um so weniger Lust zu arbeiten xour Is roi äs kru88S.
Bei dem ironischen Citat der erwähnten Schrift rief Lamey
zwischenhinein: das stehe nicht so in der Schrift, wie Bifsing gesagt
habe; Letzterer zeigte ihm aber auf S. 14, daß es genau so dort
siehe, worauf Vater Lamey sein Kind nicht weiter verläugnete.
Kiefer hält eine begeisterte Rede für die neuen preußischen
Einrichtungen und findet kaum Worte genug, um die „Opfer"
für das „Ziel" zu befürworten. Dabei gibt er jedoch dem Abg.
Bifsing Recht wegen besten Klagen über den übermäßigen Pensions-
stand. Endlich kommt als unvermeidliches Dessert ein Losfahrcn
auf die Mtramonlanen; er aber werde für bessere Belehrung des
Volkes sorgen und dann werde es auch bester gehen.
Roß Hirt hält die großen Militärlasten dem Volkswohl für
nachtheilig; auch sie Allianzverträge machten ein so hohes Büdget
nicht nothwendig. In der Präsenzzeit sei große Ungleichheit, —
er stimme deßhalb um so mehr gegen das Büdget.
Abg. Lender hält die Friedenspräsenzstärke bei uns für
viel höher als in andern Ländern. Die Lösung der nationalen
Frage habe überdies mit der badischen Heerssorganisation nichts
zu schaffen. Uebrigens lobt Redner den Kriegs.-M. auf Kosten Jolly's.
Lindau stimmt um so mehr gegen das Büdget, wenn unsere
Geldbewilligungen dazu beitragen sollten, uns in den norddeutschen
Bund zu bringen. Redner erwidert dem Abg. Kiefer, er habe
nichts dagegen, wenn dieser das Volk vor der kathol. Volkspartei
warne und in seinem Sinne belehre; wie viel das nütze, habe
man ja gesehen: das Volk habe den Abg. Kiefer bei den Zollpar-
lamentswahlen trotz Belehrung glänzend durchfallen lasten. Schließ-
lich befürchtet Redner, unsere Truppen könnten im Fall eines
Krieges auswärts verwendet werden.
Letzterer Befürchtung wird von Kriegsminister v. Beyer
widersprochen.
Abg. Eckhard hält eine überlange Rede zu Gunsten des Kriegs-
büdgets, wobei er jedoch im Einzelnen einige fromme Ersparungs-
wünsche hegt, um nicht für ganz ministeriell verzollt zu werden.
Der getreue Eckhard spricht dabei wie immer viel von sich
selbst und sucht sich als ein Opfer der ultramontanen Presse hin-
zustellen, — als ob die Presse seiner Partei die Gegner mit
Glacehandschuhen behandelte!
Nachdem noch der Kriegsminister alle Befürchtungen wie die
Sonne den Nebel zerstreut und der Abg. Lamey eine ebenso in-
haltlose wie langweilige Rede als Berichterstatter zum Besten ge-
geben harte, wurden Kayser's Anträge verworfen, dagegen Esch-
bacher's frommer Protokollwunsch angenommen. Bei namentlicher
Abstimmung stimmten gegen das Contingentsgesetz nur die Abgg.
Bifsing, Lender, Kayser Lindau und Roßhirt; die
Abgg. Baumstark und v. Feder waren bei der Äbstimmuug im
Hause nicht mehr anwesend. Baumstack ist unbedingt der Minder-
heit zuzuzählen, v. Feder scheint durch das Verlassen des Saales
die Absicht gehabt zu haben, sich der Abstimmung zu enthalten.
Wir übergehen die Specialberathung.
In der ersten Kammer kam tue Berathung desselben Gegen-
standes heute vor; da wir jedoch keinen besonderen Berichterstatter
 
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