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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 26-37 (2.März - 30. März)
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Samstag den 20. März

1869.

Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag.
Donnerstag und 8amstag. ß " tz. tz.

Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
NN Eß NNE!» und Postaufschlag.
J„s.,Geb 2 kr. die Spaltzeile.

Einladung zum Abonnement.
Mit dem 1. April beginnt das II. Quartal für 1869 auf
den Pfälzer Boten. Wir ersuchen daher unsere auswärtigen
Abonnenten ihre Bestellungen bei der Post rechtzeitig zu erneuern.
Für Heidelberg, Neuenheim und Schlierbach nimmt Anmeldungen
entgegen die Expedition von L. Schweiß dahier.
Bestellungen in Paketen (nicht unter 10 Exemplaren), wobei
wir je ein Freiexemplar gewähren, wolle man gleichfalls an die Ex-
pedition des Blattes richten, und ersuchen wir besonders die seit-
herigen Empfänger, uns baldigst die Zahl der gewünschten Exemplare
mitzutheilen.
Inserate, L 2 kr. die Spaltzeile, ein äußerst wohlfeiler Ansatz,
erfahren bei der großen Auflage unseres im ganzen Lande gelesenen
Blattes die beste Verbreitung.
Wie der Preis des Blattes — 40 kr. ohne Postaufschlag —
so bleibt auch die Tendenz des Boten unverändert, durch die er
sich so viele Freunde unter dem Volk erworben hat. Wir zweifeln
nicht, daß auch im neuen Quartal unsere Leser uns treu bleiben
werden. Die Redaktion.
SüödeutschLsnd.
* Heidelberg, 17. März. Wir lasen dieser Tage einen
Artikel im Mannheimer Journal über die nationalliberalen Ge-
sinnungen der Deutschen im Ausland, insbesondere in Rußland
die mit der größten Bewunderung auf Preußen und den Nord-
deutschen Bund blickten. Sonderbar, daß Vas Mannheimer Journal
und andere gesinnungsverwandte Blätter so weit gehen müssen
wie nach Rußland, um die großpreußischen Zustände bewundern
zu lassen! Wir erlauben uns daher, dem Mannheimer Blatte
mit dem Dichter zuzurufen:
„Warum schweifst du in die Ferne,
Sieh das Schöne liegt so nah'",
d. h. man hat vor den Thoren die annectirten deutschen Staaten
liegen, man muß also die Leute da hören, wo die preußische
Glückseligkeit bereits eingetreten und fühlbar geworden ist, nicht
die Leute in nebelgrauer Ferne, dis mit fchwachen, Fernrohr.n
die Einzelheiten, aus denen das Ganze sich zusammenfügt, nicht
zu schauen vermögen. Fragt die Hannoveraner, die Frankfurter,
die Nassauer, die Kurhessen fist doch eine neue kurhessische Frage
entstanden, aber diesmal zu Gunsten des Kurfürsten!j, was sie
von dem preußischen Glück halten und schreibl's denen in Ruß
land! Verehrte Schöne aus Mannheim! in Hannover, in Frank-
furt u. s. w. da gilt's, da ist Rhodus! Aber noch etwas! Die

nationalliberalen Blätter berufen sich so oft auf Hecker, den sie
zu einem der Ihrigen machen. Nun, Hecker ist für uns keine
Autorität, er war es auch früher niemals für die National-
liberalen, weil Jedermann die Unreife seines politischen Verstandes
im Jahr 48 bedauern mußte, aber die Nationalliberalen machen
die Zeche ohne den Wirth, wenn sie meinen, Hecker sei zum
Schwärmer für die preußische Spitze geworden. Gerade das Gegen-
theil ist wahr. Während die Nationalliberalen vor dem Throne
der Hohenzollern im Staube liegen, ist Hecker für den Einen
in Deutschland, weil er meint, daß der „Eine" leichter fortzujagen
sei als einige 30. Thörichte Verblendung des Mannes, der immer
ein politisches Kind bleibt; denn der Eine wird so stark und all-
mächtig werden, daß alles Ankämpfen gegen feinen Absolutismus
ein bis zur Lächerlichkeit vergebliches Bemühen sein wird. End-
lich aber, verehrte Mannheimerin, wenn dis Begeisterung so groß
Jt für den preußischen — Adler wollten wir sagen, warum
mehren sich denn die Desertionen in Norddeutschlaud in so unge-
heurem Maßstab, warum ist Preußen genöthigt Maßregeln gegen
aas erschreckende Ueberhaudnehmen der Auswanderung junger
preußischer Militärpflichtiger zu ergreifen; warum, fragen wir, ist
das Desertion und Auswandern in Süddeutschland seu den
Allianzverträgen mit Preußen förmlich Mode geworden? Oder
sollen wir, was Baden allein betrifft, die Beilagen dec Karlsr.
Zeitung hervorholen? Das Alles kommt daher, daß für Preußen
und dessen egoistische Hauspoliük nirgends lodernde Begeisterung
herrscht, — für Deutschland, das ganze Deutschland bleibt
Keiner zurück, aber für Preußen und seine Kasernenglückseligkeiten
will kein Annectirter, will kein Süddeutscher sich todtschießen
lasten!
* Heidelberg, 18. März. Der stets seyr wohlunterrichtete
ff Correspondeut der Karlsr. Zeitung aus Wien berichtet von
dort, daß daß preußische Cabinel nach verschiedenen Richtungen
hin Verhandlungen eröffnet habe. Dieselben seien aber nichts
weniger als kriegerischer Art, sondern vielmehr darauf berechnet,
„gewisse schwebende und'noch nicht acut gewordene Differenzen"
auszugleichen. Dies ist sehr leicht möglich, da die gegenwärtige
Lage Preußens durchaus keine behagliche ist, seitdem sich das Bünd-
niß zwischen Oesterreich und Frankreich als Thatsache her-ausge-
stellt hat und der Beitritt Italiens und einiger kleinen Staaten
beim Ausbruch des Krieges als gesichert anzunehmen sein dürfte.
Der Czar ist weit und die russische Armee in schlechter Verfassung,
— Preußen hätte also die Wucht des Krieges fast ganz allein
auf seinen Schultern zu tragen und dabei ist seine Küste möglichst

Aus dem Reiche der Verwesung.
Lmer mähren Geschichte nacherzahti von H. Böhler.

(Fortsetzung.)
Ich hielt sie zuerst für zwei Engel, bis ich mich erinnerte, die liebens-
würdigen Kinder, welche Doktor Bartolini gehörten, bei meinem Eintritt in
dessen Haus gesehen zu haben. Sie knreeten nahe an der offenen Thüre nieder,
blickten mit ängstlicher Scheu und tiefem Mitleid nach mir hin und beteten
mehrere Vaterui s r und Ave Maria. Dann erhoben sie sich, traten furchtsam
etwas näher, bespritzten mein Gesicht mit einigen Trop en Weihwasser und
entfernten sich rasch.
„Diese Tropfen Weihwasser fielen kalt auf meine Stirne, Wangen und
Mund; und doch war es mir, als wäre es eine Berührung mit glühendem
Eisen. Ich hatte gesehen, daß man für meinen Diener im Spitale diese Ge-
bete verrichtet und ihn mit Weihwasser bespritzt hatte; man that dies nur den
Tobten — man hielt mich offenbar für todt — und die beiden schönen Engels-
kinder schienen vom Schicksale bestimmt, mir das unglücklichste, das schauerlichste
Loos, das ein vernunftbegabtes Wesen tr-ffen kann — lebendig begraben zu
werden — in ihrer Unschuld und Einfalt anzuzeigen! —
„Während mich dieser schreckliche Gedanke bestürmte, trat der Doktor mit
semem Diener und einem Manne in das Zimmer, der einen schwarz und weiß
angestrichenen Sarg trug. Man denke sich mein Entsetzen, die fürchterliche
Angst, die mein sonst so furchtloses und starkes Gemüth erfaßte, als ich mich
aus dem Bette gehoben und von den drei Männern in den Sarg gelegt fühlte!
— Den Doktor schien eine gewisse Unsicherheit zu quälen. Er schaute ernst u.
bekümmert zu, wie der Mann, der den Sarg getragen, einen Rosenkranz um
meine starren, gefalteten Hönde schlang, ein kleines Cruz'fix zwischen meine
Finger stecfte — und den Sargdeckel aufhob, um ihn aut mich zu legen. In
diesem Augenblicke winkte er ihm noch zu warten, trat zu mir, befühlte mir
nochmals den Puls und die linke Brust und brachte Wange und Ohr nahe
an meinen lerchtgeoffneten Mund. Mein Gemüth war in fieberhafter, äußer-
ster Aufregung; die Gedanken drehten sich im Kreise, das Gehirn wirbelte —

ich strengte alle Kräfte an, um das grauenhafte Scheinbild des Todes, den
furchtbaren Starrkrampf, in dessen eisernem Griffe ich ohnmächtig lag, von
mir abzuwälzen und durch irgend ein Zeichen das mir innewohnende Leben
zu bezeugen. Umsonst! — Ich rief in tiefster Seelenangst zu dem höchsten
Herrn und flehte um Errettung! — Der gule Doktor mochte immer noch
Zweifel fühlen; er flüsterte einige Worte dem Schreiner italienisch zu, welche
ich nicht verstand. Dieser wendete sich zu mir, schaute mir in die halbgeöffne-
ten, starren Augen, befühlte mit rauher, schwieliger Hand meine Wangen,
schüttelte den Kopf und sprach mit einer, mir schauerlich klingenden Stimme:
„„idio ckuddio, morto! morto!!"" — Mit diesen Worten legte er den bereit-
gehaltenen Deckel aus den Sarg — Nacht und Fmsterniß umgaben mich —
rch hörte die Schläge, mit welchen der Deckel an den Schrein genagelt wurde
— fühlte mich bald darauf ergriffen und davon getragen. Es überkam mich
ein erdrückendes Gefühl der Schwäche und Ohnmacht, das an Verzweiflung
grenzte. Mein letzter Gedanke war, daß mich Gott durch den wirklichen Tod
von meinen Leiden erlösen möge — und dann versank ich wieder in völlige
Bewußtlosigkeit."
„War es meiner Jugend starke, ungeschwächte Kraft, — war es die späte
Wirkung der von Doktor Bartolini angemendeten Mittel — das Besprengen
mit Weihwasser oder eine zufällige Nachlässigkeit des Schreiners, der meinen
Sarg gefertigt, deren sich die allwaltende Vorsehung bediente, um mich wieder
zum Leben zu erwecken — genug, ich erwachte wieder! — In den
ersten Augenblicken muß ich noch in den Fesseln des Starrkrampfes gelegen
haben; ich erinnere mich nur dunkel einer Ungeheuern Beklemmung in der
Brust, einer zum Aeußersten gesteigerten, plötzlichen Anstrengung meiner innern
Lebenskraft, sich Bahn zu brechen und die fürchterlichen Bande, welche sie starr
gefesselt hielten, zu zersprengen. Es gelang! — Mft diesem Siege kehrte das
volle Bewußtsein, die Kraft, nicht nur Wahrnehmungen durch tue Sinne zu
empfangen, sondern auch dieselben und meinen ganzen Körper wieder zu ge-
brauchen, zurück, — damit aber ebenfalls das volle Bewußtstem meiner schreck-
lichen, verzweifelten Lage!
(Fortsetzung folgt.)
 
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