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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 38-50 (1. April - 29. April)
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.N 40.

Dienstag den 6. April

1869.

§ Die Schattenseiten der Demokratie
mögen nun gerade bei uns und in unserer Nähe sich mehr geltend
machen, als in besser disponirten Ländern, dieselben sind aber so
schwarzdunkelsinster, daß einem Manne, der ehrlich die Freiheit
sucht, schwer wird, sie im Lager der Demokraten zu finden. Unsere
badischen Blätter, die sich einer freisinnigen volksthümlichen Rich-
tung rühmen, sind offenbar nichts Anderes, als radikal gefärbte
Judenblätter. Kein einziges bekennt stichhaltig Farbe, sie lieb-
äugeln alle mehr oder weniger mit der Gewalt und besonders ist
M der ultramontane Wauwau, vor dem sie männiglich die Ohren
spitzen und gegen den sie gelegentlich ächtliberale Bellproben zum
Besten geben, wie Möpse, die vor einem Mausloch stehen. Wo
ist da ein Blatt, das die Treibjagd auf dem Lindenberg miß-
billigt hätte, und doch ist die Art und Weise, wie das Hausrecht
beobachtet wird, eine Sache von allgemeinem ächt demokratischem
Interesse. Wir haben die Entfernung Kiefers nie gebilligt, ob
wohl der Mann uns sammt der ganzen Offenburgerei anwidert
wie ein zu lange in der Jagdtasche gelegener Imbiß, einfach, weil
wir die Gewaltthätigkeit überhaupt mißbilligen, mag sie an Freund
oder Feind geübt werden. Einer gleichen Unparteilichkeit haben
wir uns von Seiten der jordandemokratischen Blätter Badens
nicht zu erfreuen. Statt Recht und Gleichheit haben sie für uns
nur Spott und Hohn. Sie würden besser daran thun, sich einfach der
Partei der Liberalen anzuschließen, es würde dann doch Niemand
durch den Aushängeschild der Demokratie zu der Annahme verleitet
werden, daß die Verspottung der Religion und die Unbilligkeit
gegen die Kirche L tont xrix zur Freisinnigkeit gehören. So
aber berauben sich diese Blätter selbst ihrer Wirksamkeit, denn sie
werden von dem Gros des Volkes mit dem liberalen Plunder
in einen Topf geworfen, und die durch sie vertretene Demokra
tie mit dem Scheinliberalismus auf eine Linie gesetzt. Es ist

wahrlich Schade, daß auch dieser Name seinen ehrlichen Klang
verliert durch den Mißbrauch, den der Scheindemokratismus mit
ihm treibt.
So hat, um nur noch ein Beispiel aus unfern „Demo-
kratenblättern" anzuführen, die Neue Badische Landeszeitung sich
neuerdings nicht geschämt, aus der Frankfurter Zeitung einen Ar-
tikel abzudrucken, der sich über die evang. Landessynode in Stutt-
gart also vernehmen läßt: „Am 17. März wurde der Circus
Golther geschlossen .... In 21 Sitzungen hat dieses Institut
sich abgemüht, alle erdenkbaren verstaubten und vergessenen Kirchen-
maschinen wieder an's Tageslicht zu ziehen . . . Verbot des aka-
demischen Frühschoppens, spätere Confirmationszeit, liturgische Zu-
sätze zu dem Gottesdienste, Verbot des Viehtrerbens am
Sonntag, namentlich auch für die Juden, solche und
ähnliche heroische Mittel, die kranke Zeit zu heilen und das Reich
Gottes auf Erden zu kräftigen, wurde in endloser Pastoralbreite
debattirt." Die Württemberger Landessynode athmete einen frischen
christlichen Geist, Namen vom besten Klang waren auf ihr ver-
treten und vereinigten ihre ThätigkeiL zur Hebung und Festigung
des in diesem Lande ganz anders wie in Baden (und Hessen)
blühenden, von keiner Staatsgewalt geknechteten und von keinen
Protestantenvereinsfreimaurern icregeführten und zersetzten kirch-
lichen Lebens, der edle Schwabenkönig wohnte der mit feierlichem
Gottesdienst endenden Schlußsitzung an, und diese Versammlung
stellt ein demokratisches Blatt mit einer Kunstreitervorstelluug auf
eine Linie! Das demokratische Herz, dem der angeführte Artikel
entströmt ist, würde freilich durch Ab Würdigung christlicher Feier-
tage und durch möglichste Ausdehnung des jüdischen Viehhandels
fröhlicher angemuthet worden fein. Uns aber, obwohl wir weder
mit dem Schenkelchristlichen Protestantenverein, noch mit der Knack-
schen Orthodoxie fympathisiren und überhaupt außerhalb des Protest.
Lagers stehen, eckelt diese Sprache an, wie Brod ohne Salz und

Aus dem Reiche der Verwesung.
Emer wahren Geschichte nacherzähtt van H. Böhler.

(Schluß.)
„Ein kalter, frischer Luftzug strömte mir entgegen; ich mußte bald aus
dem entsetzlichen Gefängniffe, aus dem Grabe mich befreien können, bald wie-
der den Lebendigen angehören. — Der bloße Gedanke war so überwältigend,
die Empfindung des Entzückens bestürmte mein Gemüth mit solcher Macht u.
meine Nerven waren so lange bis zur höchsten Potenz aufgeregt und ange-
spannt gewesen, daß ich ohnmächtig wurde und rücklings, ohne Bewußtsein,
auf den feuchten Boden niedersank.
„Als mir Besinnung und Kraft wiederkehrten, erhob ich mich schwach und
zitternd. Durch die geöffnete Thüre drang zwar ein kalter Luftstrom, aber
kein Licht herein. Nach vieler Ueberwindung vermochte ich es über mich, einige
der Knochen und Schädel, welche den phosphorischen Schein verbreiteten, mit
dem Fuße in die Nähe der Thüre zu rollen. Die leuchtenden, hohlen Todten-
schädel schienen mich fragend anzugrinzen, wie ich mich erfrechen könnte, sie
aus ihrer stillen Ruhe zu stören und gewaltsam herauszureißen.
„Meine bereits an Nacht und Dunkel gewöhnten Augen entdeckten außer-
halb der Thüre eine steinerne Treppe, die vom Todtengewölbe aufwärts führte.
Ich ging langfam und mit schotternden Knieen die feuchte, finstere und enge
Treppe hinauf, bis ich an eine Platte kam, welche das Ganze verschloß. Von
meiner Kraft, diese abzuheben, hing nun wahrscheinlich alles ab. Leben war
darüber — Tod darunter. Ich stemmte meine Schulter dagegen und drückte
mit aller Gewalt aufwärts. Barmherziger Gott! Sie bewegte sich nicht.
Mein Urtheil schien gefällt. Ich stieß einen wilden, durchdringenden Schrei
aus und sank verzweiflungsvoll zurück — das unglückseligste aller menschlichen
Wesen! —
„So lag ich wohl eine Stunde auf den naßkalten, feuchten Stufen. Der
Frost durchschauerte mein Gebein; eine Todesangst bemächtigte sich meiner,
welche mein glühendes Gehirn der Vernunft zu berauben drohte. — Plötzlich
glaubte ich in einiger Entfernung Schritte zu hören. Sie näherten sich —
ich hörte sie über mir — dann entfernten sie sich wieder. Wie ! — Leben und
Menschen so nahe und ich sollte zum Tode in einem Grabgewölbe verurtheilt
sem? Der Gedanke war unerträglich. Das konnte, das durfte nicht sein! —
Ich sprang auf mit der wilden Entschlossenheit eines Wahnsinnigen. Ich
stemmte nochmals meine Schulter gegen den Stein — ich drückte mit der
Kraft der Verzweiflung. Er gab nach — ich fühlte, daß er wich und stieß
ihn nun m»t solcher Gewalt hinauf, daß er krachend umgekehrt niederfiel und
zersprang.
„Jetzt strömte zum ersten Male wieder frische, balsamische Luft und
heiteres, belebendes Licht des Himmels mir entgegen. Ich blickte auf u. sah, daß
Kirche über mir wölbte. Mit einem Satze hinaufspringend aus meinem
Grabe, schne ich laut auf vor Freude — fiel auf die Kniee nirderund dankte
dem Ewigen für meine Rettung. «

„Es war früh am Morgen. Die Schatten der Dämmerung schwebten
noch in dem langen Schiff der Kirche, während die Sonne die hohen Fenster
derselben mit ihren ersten Strahlen begrüßte. Mit welchem Entzücken be-
grüßte ich das göttliche Himmelslicht! Wie fühlte ich Wonne und Seligkeit
durch meine Adern strömen, als ich durch die geöffneten Thüren den Blick in
Gottes schöne, freie Natur warf!
„Der Küster befand sich im Chor der Kirche, um Mancherlei in Ordnung
zu bringen und die Frühmette zu läuten. Als er mich aus dem Grabgewölbe
herausspringön sah und meinen lauten Schrei hörte, floh er voll Schrecken u.
sich bekreuzigend von dannen. Er kehrte indessen bald zurück, von einer Schaar
aufgeregter Zuschauer begleitet, welche mich noch aus meinen Knieen fanden,
Gott für meine wunderbare Rettung dankend.
„Ich brauche wohl kaum hinzuzufügen, mit welchem außerordentlichen
Staunen Doktor Bartolini und feine Familie mich als Lebenden zurückkom-
men sahen. Obschon über die Maßen abgespannt und erschöpft, war ich von
meiner Krankheit völlig hergestellt und ohne eine Spur von körperlichen Leiden.
Dagegen fühlte ich mein Nervensystem von den auf einander folgenden schreck-
lichen Aufregungen erschüttert und eine gewisse Betäubung des Gehirns, welche
jedoch durch ruhigen Schlummer, kräftige Nahrung und einige Flaschen ächten,
alten Veltliners, welche ich im Laufe des Tags und Abends mit dem über
meine Rettung und Wiedergenesung hocherfreuten Doktor ausstach, bald ge-
hoben wurde.
„Den folgenden Tag hatte ich die Freude, meinen Jugendfreund Sheri-
dan zu begrüßen und persönlich ihm einen Bericht von meinem Tode, meinem
Begräbniß und meiner Wiederauferstehung zu geben. Von ihm und Doktor
Bartolini begleitet, kehrte ich nach dem Grabgewölbe zurück, um ihnen die
Art und Weise meiner Befreiung aus der grauenhaften Unterwelt zu veran-
schaulichen. Das sehnlichst gewünschte Wiedersehen meines Jugendfreundes,
seine und des guten Doktors warme Theilnahme an meinem Schicksale und
die Zerstreuungen einiger fröhlichen Tage vollendeten meine Wiederherstellung
und verscheuchten die letzten trüben Erinnerungen an diele Schreckenszeit
meiner Jugend.
„Ehe ich das Städtchen verließ, in dessen Mauern sowie in der Umgegend
meine Geschichte eine außerordentliche Sensation erregte, ordnete der Doktor
auf meine besondere Verwendung an, daß das Grab meines treuen Ellis ge-
öffnet und die Leiche nochmals besichtigt wurde. Sie war bereits in völlige
Verwesung übergegangen. Beruhigt reiste ich andern Tags mit Sheridan
nach Mailand und Florenz ab.
„Doktor Bartolini schrieb mir später, daß die Stadtbehörden wegen ihrer
gesetzwidrigen Anordnungen von der Regierung einen strengen, aber wohlver-
dienten Verweis erhalten und daß ein Collegium von Aerzten, denen er die
Sache vorgetragen, nach einer weisen Consultation meinen Zustand des Schein-
todes als einen eigenthümlichen Anfall von Starrkrampf erklärt hätten, der
sich vom wirklichen Tode kaum unterscheiden lasse. Die Wissenschaft ist durch
diesen Ausspruch allerdings nicht bereichert worden."
 
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