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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 26-37 (2.März - 30. März)
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und Land.

Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

M 29.

Dienstag den 9. März

1869.


Süddeutschland.
* Heidelberg, 6. März. So ist denn jetzt der Norddeutsche
Reichstag wieder beisammen, bis er von der Zoll- und Steuer-
schraube abgelöst wird. Gleich die erste Sitzung bot ein kostbares
Bild von Verlegenheiten einerseits und Rücksichtslosigkeit auf der
andern. Als man nämlich mit den Berathungen beginnen wollte,
zeigte sich, daß die Versammlung nicht einmal vollzählig war. Die
Köln. Volkszeitung bemerkt hierüber mit Recht: „Sagen wir es
geradezu: Die Diätenlosigkeit trägt einen guten Thei! der Schuld
an dieser Lässigkeit, für die nur die Regierung felbst verantwortlich
ist. Mit den zwei Thronreden innerhalb dreier Tagen können die
Erwählten des Volkes ihre Gasthausrechnungen nicht bezahlen."
Es war also an dem Tage nichts zu machen und der Präsident
schlug vor, die Eröffnungssitzung bis nächsten Montag auszusetzen.
Verwundert sahen sich die Neichstagsabgeordneten an, weil man sie
mehrere Tage unbeschäftigt das Berliner Pflaster treten läßt ohne
Rücksicht darauf, daß jeder Tag sie Geld genug aus eigener Tasche
kostet. Der Abg. v. Wedemeyer meinte Venn auch, man solle
am folgenden Tag nochmals eine Sitzung zu halten versuchen,
weil sonst Viele wieder Heimreisen würden noch vor Anfang der
Session, worauf große Heiterkeit folgte. Derselbe sah aber den
Präsidenten ganz erstaunt an, wie es in dem Berichte der Volks-
zeitung heißt, als dieser erwiderte, eine Sitzung könne am folgen-
den Tag nicht abgehaltcn werden, weil das Lokal erst bis Mon-
tag frei werde, invem oas Herrenhaus noch im Besitze desselben
sei. Also man ruft den Reichstag ein und hat dann nicht einmal
ein Beruthungslokal für denselben! Das ist Btsmarck'scher Parla-
mentarismus ' Das war es denn auch was der Abg. Twesten
in sehr übler Laune dem Bundeskanzler Bismarck vorhielt, worauf
dieser sich erhob und in bekannter gereizter Manier über Twesten
herfiel, den er beschuldigte, daß er, wo es immer angehe, Angriffe
gegen seine (Bismarck's) Person loslasst. Als Twesten darauf
antworten wollte, schloß der Vorsitzende rasch die Sitzung, ----- eine
Art Mundfaustrecht, womit mau unliebsame Gegenreden kurzer
Hand abschneidet. Der Löwe'sche Antrag wegen der russischen Cartell-
convenüon ist, wie wir neulich mitrheilten, im Abgeordneteuyause
vertagt worden, weil der „verehrte Herr Graf" nervös-gereizt
war und dieser Unpäßlichkeit wegen nicht in die Sitzung der Ab-
geordneten kommen kann, aber in die erste Reichslagssitzung ist
er gegangen und hat, wie wir ffhen, gesprochen. „Einen Tag
krank, einen Tag gesund", sagt dre Köln. Volkszeitung, — „nun
kenne man doch seine Krankheit, sie sei das Wechselfieber, meinen
Manche."
* Heidelberg, 5. März. Die Augsburger Postzeilung schreibt:
„Christ und Heide! Hr. Dr. Völk Hut in der öffent
lichen Sitzung der Kammer der Abgeordneten vom 23. Febr. aus-
gerufen, daß nur jener Geistliche zum Unterricht der Jugend will-
kommen sein werde, welcher nicht sagt: „man müsse Gott
mehr gehorchen als den Menschen."
Sophocles läßt in der gleichnamigen Tragödie die Antigone,
welche dem ungerechten Verbote des Fürsten Kreon trotzend, den
Leichnam ihres Bruders Polyneikes begraben und dadurch die
Todesstrafe verwirkt hatte, sprechen:
Kreon: Und wagtest dennoch (obwohl sie gestand, das Verbot gekannt
zu haben) wider mein Gebot zu thun?
Antigone:
Nicht Zeus ja war es, weicher mir's verkünden ließ.
Noch hat das Recht, das bei Len Todesgöttern wohnt,
Solch' eine Satzung für die Menschen aufgestellt.
Auch nicht so mächtig achtet' ich, was Du befahlst,
Daß Dir der Götter ungeschrieb'nes ewiges
Gesetz sich beugen müßte, Dir, dem Sterblichen."
' Heidelberg, 0. Marz. Tue von uns in der letzten Num-
mer erwähnte Schrift des Hrn. Prof. Dr. Brück in Mainz über
dre Freiburger Erzmfchvfswahl und die badische Negierung ist
hauptsächlich eine Widerlegung des von Geh. Rath Herrmann
vercheibigten Regierungsstanvpuuktes. Dieselbe ist ebenso ruhig
nue einschlagend ausgefallen und sind wir begierig, wie der Herr
Geh. Rath die ihm uachgewiesene Oberflächlichkeit seiner Dar-
stellung zu ergänzen versuchen wird. Wir können in diesem Blatte
nicht ta'nünrsches Recht docuen und müssen daher auf dre Einzel-
heiten der Ausführung Verzicht leisten. Am Schluffe kommt tnr
Verfasser aus die verschiedenen Ergebnisse zu sprechen, die sich für
u,n und Gey. Rath Herrmann in dieser Sache bieten. Er sagt:

„Das Domcapitel hat die Pflicht, dem Landesherrn eine Liste
mit den Namen der Bisthumscandidaten vorzulegen und dabei
besonders Acht zu haben , daß es keine dem Fürsten mit Recht
mißfällige Persönlichkeit auf dieselbe setzt. Es wird daher, wenn
Capitel und Regierung loyal handeln und ihrer Pflicht genügen,
kaum der Fall sich ereignen, daß ein Name auf der Liste figurirt,
welcher dem Landesherrn mißliebig ist. Da es jedoch ausnahms-
weise vorkommen könnte, daß wirklich solche Kandidaten auf der
Liste stünden, so wird dem Landesherrn das Recht zugestanden,
die ihm mißliebigen Personen zu streichen, jedoch so, daß noch
eine zur freien Wahl hinreichende Anzahl übrig bleibt. Wie die
Geschichte bezeugt, haben die Regierungen von diesem Rechte seit
dem Bestehen der oberrh. Klrcheuprovinz nur äußerst selten Ge-
brauch gemacht; eine Ausnahme fand nur bei der Wahl Deme-
ters statt, wo das Ministerium alle Candidaten bis auf drei
strich.
Sollte aber doch, wie jetzt, der Fall vorkommen, daß Re-
gierung und Domcapitel sich nicht einigen können und jene alle
Candidaten oder alle bis auf einen als mißfällig bezeichnet, so
kann die Ursache hiervon sowohl am Domcapitel, als auch
an der St aat sregierung liegen. Es kann nämlich sein, daß
das Capitel lauter mit Recht dem Fürsten mißfällige Personen
auf die Liste gesetzt hat; aber auch das Umgekehrte kann ein-
treten, daß eine Regierung ohne allen Grund die Candidaten recu-
sirt, oder daß gerade die innere Tüchtigkeit derselben für die
Staatsbehörde den Grund ihrer Verwerfung abgibt. Die Möglich-
keit beider Fälle kann wohl nicht in Zweifel gezogen werden. Was
ist nun in einem solchen Falle zu thun? Wer hat das Recht der
Entscheidung?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wrr uns nur klar-
machen, welche Pflichten das wählende Domcapitel nach der Bulle
und dem Brev hat. Der Regierung, resp. dem Landesäerrn gegen-
über hat es nur die Wahlliste innerhalb der bestimmren Zett vor-
zulegen, sonst ist mm keine weitere Verpflichtung auferlegt; dem
Oderhaupte der Kirche gegenüber hat das Cap'.tel die Pflicht, nur
solche Persönlichkeiten auf die Liste zu setzen, welche dre canoni-
schen Eigenschaften besitzen und dem Landesherrn nicht mißfällig
sind. Wegen Verletzung der ersten Pflrcht kann das Capitel also
auch von der Regierung, wegen Verletzung der zweiten aber nur
vom Papste zur Rechenschaft gezogen werden. Daher ergibt sich
oie Antwort auf die Frage, welche Schritte die Regierung zu
thun habe, wenn sie glaubt, daß die Domherren keine Rücksicht
auf den Befehl des Papstes hinsichtlich der psrsovue xriveipi wivus
Tratg.6 genommen? Sie hat sich an den apostolischen
Stuhl zu wenden und mit diesem die Sache auszu-
machen. Dagegen steht ihr nicht das Recht zu, die ganze Liste
des Domcapitels ohne weiteres zu recusiren. Tües wäre eine
positive Betheiligung und Beherrschung der Wahl, eine Vernich-
tung der Wahlfreiheit und damit der Selbstständigkeit der Kirche.
Herr Geheimrath Herrmann begeht in dieser Begehung zwei große
Fehler: erstens daß er der Regierung einseitig das Recht zuspricht,
die ganze Lifte zu verwerfen und zweitens, daß ec von der Vor-
aussetzung ausgeht, daß diese loe dem Domcapitel gegen
über stets im Rechte sei. Den Fall aber, daß die Aus-
schließung ohne allen Grund oder gar wegen persönlicher Tüchtig-
keit und kirchlicher Gesinnung stattfiuden könnte, läßt er ganz
außer Acht. Und doch kommt derselbe, wie die Erfahrung lehrt,
viel häufiger als der entgegengesetzte vor. Soll nun die Kirche in
diesem Falle ganz rechtslos fern? Das wäre sie, wenn das päpst-
liche Breve den Sinn Hütte, den Herr Geheimrctth Herrmann ihm
unterlegt, der aber nach allen Regeln der Interpretation falsch und
gezwungen ist. So wie der Staat gegen etwaige Uebergriffe der
Capitel geschützt sein muß, so auch die Capitel gegen Sie
Uebergriffe des Staates. Und beides geschieht durch das
schon öfters berührte Breve, welches Kirche und Staat hinreichende
Garantie bietet.
Es sei noch schließlich gestattet, den (peciellen Fall in's Auge
zu fassen, welcher die jetzt immer mehr um sich greifende Con-
iromise hervorgerufen hat.
Das Domcapitel von Freiburg hat dem Ministerium eine
Wahlllüe p-.äsentirt, welche Namen zieren, die im ganzen katholi-
schen Deutschland und noch über oesscn Gränzen Humus berühmt
 
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