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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 14-25 (2. Feburar - 27. Februar)
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Samstag den 13. Februar

1869.

:: Der Criminalproceß gegen unfern Weihbischof
zeigt uns, wohin unser reich gesegnetes Heimathsland gebracht
worden ist. Für die Demokraten und Ultramontanen nichts als
Preßprocesse. Statt der Gemeindefreiheit — Meister der Bürger
und Diener der Beamten. Ein Heer von Verwaltungsbeamten
sorgt für die Selbständigkeit auf allen Lebensgebieten. Und dazu
haben diese verbündeten Volksbeglücker noch die Steuer- und Mili-
tär- und obendrein die neuen Schullasten gebracht. Und dies
Alles nur, um uns der preußischen Kaserne anzugliedern! Doch,
nicht genug, die „achtbarsten und intelligentesten Bürger" wollen
den s. g. aufgeklärten Absolutismus eines russischen Peter, Fried-
rich II. und Louis XIV. wieder einführen. rsM, illius
religio. Das Volk soll dasselbe denken, dieselbe Religion wie die
„Achtbarsten" re. haben. Das ist der Kern des Schul- und Kirchen-
streits. Deshalb sind die „liberalen" Stroh- und andere Maier
„Arm in Arm" mit den Büreaukraten, Absolutisten, den vom
Norden re. bezogenen Hofcanonisten und dem servilen Schweif —
die Gegner der Kirchen- und Unterrichtsfreiheit.
Der alte deutsche Görres hat auf seinem Todbette gesagt, als
er die vormärzliche, polizeiliche Bevormundung des Volks und der
Kirche sah: „Der Staat regiert, die Kirche protestirt. Betet für
die Völker, die nichts mehr sind!" So lange aber die Kirche
noch protestirt, io lange sie ihre Religions-, Ueberzeugungs- und
Vereinsfreiheit noch nicht aufgeben muß, sind die Rechte des Volkes
nicht unrettbar verloren.
Die Katholiken und Ultramontanen haben durch bittere Er-
fahrung aus der Geschichte des Absolutismus, insbesondere in den
süddeutschen Staaten, eine große Lehre gezogen. Die Verbindung
der Kirche und dieser modernen Staaten ist unmöglich und un-
natürlich, weil diese keine kirchlichen Staaten mehr sind und ihrer
Verfassung nach nicht mehr sein können. Sie wissen, daß die
Kirche, um existiren zu können, nichts bedarf als — der Freiheit
und daß die Freiheit solidarisch ist. Sie verlangen deshalb reli-
giöse, politische und sociale Freiheit für Alle, aber deßhalb auch
für die Kirche. Sie wissen, der große Kampf unserer Zeit dreht
sich nur darum, ob wir den freien Staat und die freie Kirche er-
ringen, oder im Cäsaropapismus der russischen Universal-
monarchie der Barbarei in die Arme fallen. Die Religions-
und Unterrichtsfreiheit ist das Losungswort der einen, die staat-
liche Allgewalt und die Staatskirche das Feldgeschrei der andern
Partei.
Diese Partei will, daß das Volk in den Staatsschulen und
durch staatlich bestellte und geprüfte Geistliche im Geiste der
Regierung herangebildet werde. Durch dieses einfache Mittel und
— die heilige Synode ist ja ein Peter oder Alexander der Selbst-
herrscher aller Reußen. Der Bischofsstuhl, die Kircheubehörde soll
nach dem Willen der Regierung besetzt und geleitet werden. Die
Katholiken sollen nur die polizeilich erlaubten religiösen Bedürf-
nisse und deßhalb keinen „Durst nach Klöstern" haben. Die reli-
giöse Erziehung soll im Einklang mit der staatlichen d. h. mini-
steriell vorgeschriebenen Bildung sein. So wurde ja dieser Tage
ein von der Kirchenbehörde eingeführtes Religionshandbuch (Martin)
vom Ministerium abgeschafft, weil jene es der Regierung nicht
vorlegte, sondern meinte, nach tz 12 des Gesetzes vom 9. Oct.
habe die Kirche allein den Religionsunterricht zu besorgen. Eine
erhebliche Anzahl katholischer Stiftungen und die kath. Schulfonds
hat die Regierung unter ihre ausschließliche Leitung gestellt. Wenn
alle ihre Handlungen unangreifbar sind, dagegen die Ausnahms-
strafgesetze gegen Geistliche in dem Sinne zur Anwendung kommen,
daß der Bischof seine kirchlichen Bestimmungen und Gerichtsbar-
keit in religiösen Angelegenheiten entweder nach dem Willen der
Regierung richten, oder ein Verbrecher sein muß — dann kann
es keine freie, kath. Religionsübung mehr geben.
Der Grund und der Zweck der gegen unfern Bisthumsver-
weser eingeleiteten Untersuchung ist klar. Zur Zeit der ersten
Christenverfolgung wurden bekanntlich Diejenigen, welche mit der
Kirche zerfallen waren oder sich nicht entschieden als Christen be-
kannt hatten, von der christlichen Gemeinschaft ausgeschloffen;
schon, weil man im eigenen Lager keine — halben oder ganzen
Feinde dulden kann. Kein noch so strenger römischer Imperator
kümmerte sich um diese christliche Hausangelegenheit. Jetzt wird

unser Bischof als Verbrecher behandelt, weil er den Strohmeier,
der von der Kirche nichts wissen will, von der kath. Gemeinschaft
ansschließt. Und der Zweck — eine gefügige Kirchenregierung zu
erlangen, wird so wenig erreicht werden, als daß die unabhängi-
gen badischen Gerichte einen Bischof, der seine Pflicht erfüllt, die
Kirche vor innerem Zerfall schützt und die Existenz der kath.
Religion vertheidigt, zum Verbrecher machen.
Aber auch das kathol. Volk weiß, daß sein Bischof es nicht
ist, welcher „öffentliche Gewaltthätigkeit" ausübt, sondern daß Er
einfach feine heiligsten Güter, die Bewahrung feiner Religion schützt.
Wir Katholiken wissen daher, was wir hierüber zu denken und
auf welche Seite wir uns zu stellen haben. Wir Katholiken wissen,
daß es sich jetzt um unsere religiösen Güter handelt, welche selbst
die Garanten des R ei ch sd eputa t io n s - Hau pt s chlusses
zu schützen versprochen haben. Wir schaaren uns um
unfern Bischof und wir schließen die Halben und die
Ueberläufer aus unfern Reihen aus. Wir wollen unsere
Pflichten als Staatsbürger erfüllen, aber wir verlangen auch
Achtung für unsere Dreiheit, Achtung für unsere Kirche und Schule.
Ein übermüthiger Büreaukrat hat dieser Tage gesagt: die Frage
ist, ob Staat oder Kirche. Soll das heißen, fragen wir ihn: ob
wir uns die Unterdrückung der Freiheit und unserer katholischen
Ueberzeugung gefallen lassen — dann werden wir Katholiken die
Antwort auf diese Frage geben.

Die E^communicationsbefugniß nach der
protestantischen Kirchenverfassung.
-s- Bruchsal, 9. Febr. Man bemerkt, daß zu den Unter-
schriften der Adresse an den excommunicirten Max Stromayer nebst
Juden und Auch-Katholiken die Protestanten besonders sehr
geschäftig sich herbei lassen und in die aufgestellte liberale Urne
ihren Antheil der bekannten „Entrüstung" rc. ob der ausgespro-
chenen kirchlichen Strafe abgeben, wohl meinend, daß so etwas auf
protestantischem Gebiete rein unmöglich sei. Der übergroße Eifer,
womit gegen die kathol. Kirche aufgetreten wird, läßt sie Alles ver-
gessen und keiner der Eiferer hat ja auch nur im geringsten daran
gedacht nachzusehen, ob nicht auch in der neuen 1861 zu Stande
gekommenen protestantischen Kirchenverfassung Grund-
sätze sich vorfinden, nach denen eine Excommunication unter be-
stimmten Verhältnissen verfassungsmäßig gegen Protestanten
als zulässig erkannt ist.
Wir haben uns die Freiheit genommen, die protestantische
Kirchenverfassung vom Jahr 1861 in Nummer 8 des Verordnungs-
blattes*) für die ev. prot. Kirche vom 27. Sept. 1861 nachzule-
sen und wollen hier nur auf einige Bestimmungen derselben auf-
merksam machen, unter gleichzeitiger Vergleichung dessen, was
Bisthumsverweser Kübel nach der katholischen Kirchenverfas-
sung gegenüber dem Katholiken Max Strohmeyer gethan hat.
Aus den der Excommunication vorausgegangenen Verwar-
nungen geht hervor, daß Bisthumsverweser Kübel von Stromeyer
verlangte, er möge der kirchlichen katholischen Ordnung gemäß sich
verhallen und von den Agitationen oder Umtrieben gegen die In-
teressen der kathol. Kirche Massen. Ist das vielleicht eine Geistes-
knechtung, eine Gewissenstyrannei oder ein fanatischer Zelotismus,
wie die Addreffen an Stromeyer meinen? Nun dann können wir
uns trösten, daß es anderwärts auch so geschieht, heißt doch in der
protestantischen Verfassung der
§ 9. „Jedes Gemeindeglied hat die Pflicht, sich
der kirchlichen Ordnung gemäß zu verhallen."
Weil der verwarnte Max Stromeyer beharrlich sich weigerte,
der kirchlichen Ordnung gemäß sich zu verhalten, so schloß ihn
Bisthumsverweser Kübel von denkir chlich en Gemeinschafts-
rechten und dem Empfange der heiligen Sacramente
a ns.
Dieses kirchliche Strafurtheil hat die sogenannten liberalen
Geister furchtbar aufgeregt und Protestanten haben es als
mittelalterlichen Spuck mit Hohn und „sittlicher Entrüstung" aus-
genommen und beantwortet. Wie wäre es nun, wenn solch' mit-
*) Ist auch im Regsbl. 1861 No. 43 abgedruckt.
 
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