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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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- 'd


Samstag den 23. Januar

1869.

Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.

«M 10.

Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
H «8 Trägerlohn und Postaufschlag.
Jnsf^Geb 2 kr. die Spaltzeile.



Süddcutschland.
* Heidelberg, 21. Jan. Die Thronrede Napoleons wird
sehr verschieden irtterpretirt; denn während die Einen nichts als
Friedenssehnsucht darin erkennen wollen, wittern die Andern den
baldigen Krieg heraus im Hinblick auf dis stolzen Worte, die der
Kaiser über die Vortrefflichkeit von Heer und Flotte und seiner
Rüstungen überhaupt gesprochen hat. Wir maßen uns nicht an,
die Hintergedanken des französischen Herrschers zu kennen, aber
was er wirklich sagte ist sehr einfach und läßt keine andere
Deutung zu: ich greife, erklärt Napoleon, Niemand an, aber wehe
dem der Frankreichs Ehre und Einfluß zu schädigen wagt! Es
hängt also blos von den andern Mächten ab, ob der Krieg oder
Friede in Europa walten soll.
In Frankreich gilt unter Politikern vielfach die Meinung,
daß vor den Neuwahlen im Mai kein Krieg von europäischer Be-
deutung zu erwarten sei, wenn auch die Aussichten am politischen
Horizont jetzt schon keine allzu rosiger! genannt werden können, be-
sonders im Hinblick auf die Konferenz der Mächte über den griechisch-
türkischen Conflict. Es ist hier allerdings ein Abkommen getrof-
fen worden, aber keineswegs fo wie man es erwartet hätte. Die
Diplomatie hat hier einmal wieder ein Flickwerk zum Besten ge-
geben, das auch dem ungeübtesten Auge nicht ihre völlige Ohn-
macht zu verhüllen vermag. Namentlich hat England eine große
Schwäche an den Tag gelegt, indem es sich eventuellen Zwangs-
maßregeln gegen Griechenland widersetzte, weil es dabei europäische
Verwickelungen besorgt, die der Welt die militärischen Blößen
Großbritanniens noch in höherem Grade darlegen könnten, als dies
schon im Krimmfeldzuge der Fall war. Und doch können diese
Verwickelungen ja nicht lange mehr ausbleiben! Hat man ja doch
Rußland durch diese Schwäche nur übermüthiger gemacht, werden
doch dadurch seine Ansprüche und Hetzereien, wenn erst der russische
Winter vorüber ist, in's Maßloseste gesteigert worden! Es kann
gar keinem Zweifel unterliege», daß trotz allen Conferenzbeschlüssen
die Wühlereien in Griechenland und an der Donau fortdauern
und über kurz oder lang den so ängstlich vermiedenen Zusammen-
stoß herbeiführen werden.
Wenn auf diese Weise die orientalische Frage in den Vorder-
grund geschoben ist, so bieten doch auch die deutschen Dinge einen
nichts weniger als beruhigenden Anblick. Die Auseinandersetzun-
gen der preußischen und österreichischen officiellen Presse haben
eine solche Bitterkeit und Gereiztheit an den Tag gelegt, daß man
keine Nacht sicher schlafen kann vor dem Wiederaufleben kriege-
rischer Neigungen. Graf Bismarck hat Oesterreich in einem Tone

vor ganz Europa angeschnaubt, der höchstens gegen einen völlig
heruntergekommenen Mittelstadt erlaubt sein könnte, der aber zu-
gleich die äußerste Wuth verräth, daß dieses Oesterreich immer
noch nicht sterben will, ja daß es ganz gegen alles Erwarten sich
aus endlosen Schwierigkeiten herauSarbeitet und namentlich seine
Armee wieder auf einen respectablen Fuß gebracht hat.
So zeigt sich denn auch die französische Presse keineswegs be-
ruhigt über die Vorgänge in Deutschland und die herausfordernde
Haltung Preußens. Man weiß nur zu gut in Paris, daß Bis-
marck eine große Schaar geheimer und offener Agenten nicht blos
in Rumänien, sondern auch in ganz Oesterreich und Süddeutsch-
land unterhält, die Alles ausbieten zur Durchführung seiner ehr-
geizigen Absichten, und daß von Berlin aus die zahlreichen bettel-
preußischen Blätter auf Commando ihre Artikel schreiben und ein-
gehende Instructionen und Mitcheilungsn von dorther empfangen.
Aber ganz besonders ist es Baden, das durch seine unbedingt
preußische Haltung Anlaß zu manchen ernsten Besorgnissen geben
muß; es ist das „rheinische Rumänien", ruft der Avenir national
aus, — es gibt daher ebenso gut eine i ndische wie eine rumänische
Frage, behauptet sein Korrespondent Seinguerlet. Nur besteht der
Unterschied zwischen den beiden preußischen Vorposten Rumänien
und Baden darin, daß in ersterem das ganze Volk für die preußen-
freundliche Agitation eingenommen ist, indem es durch Preußen
seine völlige Unabhängigkeit und Größe erwartet, während das
Volk in Baden den preußischen Bestrebungen abgeneigt ist, weil
es das Gegentheil von Rumänien, — das Aufhören der eigenen
Existenz, das Aufgehen in Preußen selbst zu befürchten hat. Sehr
richtig ist er daher, wenn Seinguerlet nirgends in Baden eine be-
sondere Begeisterung für Preußen beobachtet hat: „man kann nicht
sagen", urtheilt er, „daß das Land die Hingebung seiner zum größ-
ten Theil vor den Ereignissen von i866 gewählten Vertreter
theilt." Aber noch mehr: selbst Treitschke, der eingefleischteste
Preuß, gibt, wie er früher schon gethan, von neuem in den Preu-
ßischen Jahrbüchern das Nichtvorhandensein preußischer Sympa-
thien in Baden vollkommen zu. Indem er nämlich dort über die
Offenburger losfährt, erklärt er rund heraus: „Den Freunden im
Norden, die bisher von den politischen Kräften des badischen Libe-
ralismus eine glänzende Vorstellung halten, empfehlen wir die
Schrift des Herrn Lamey: „„Woher die OppositionSie wird
ihnen Anlaß bieten, das Ideal mit der Wirklichkeit zu vergleichen.
Will man gewissenlos verfahren und die von Herrn Lamey vor-
geschlagenen verführerischen Klänge lauter ertönen lassen, so wird
es ein Leichtes sein, die Massen der Wählerschaft gegen das Mini-

Die Herbstfeier.
Erne Erzählung von L. M. F.
(Fortsetzung.)

„Ja, mein sohn", sagte der Greis; „da hast du das rechte Wort ge-
sprochen. Und nächst ihm, der dich auf deinen Schwindelpfaden fest erhielt
U.N ferner Hand, ja dich mit seiner Macht und Weisheit nur noch inniger an
sich zu knüpfen wußte, — nächst ihm danke diesen schönen Augenblick dem
Engel von Weibe dort, der mir aus deinen Briefen einen Strom" von Freud'
und Fneden durch die Seele goß."
.^n unaussprechlichen Gefühlen neben seinem Vater knieend, zog der junge
Knegsmann das herrliche Weib in seine Arme. Der kleine Florentin, völl
heitrer Ahnung Alles aus den zerstreuten Worten und fast wie aus den auch
eben von ihm geschiedenen Träumen errathend, schmiegte fick liebkosend den
Beiden an.
Der Greis aber, den Drang und die Wichtigkeit des Augenblickes ermes-
sens, wollte seinen Sohn mit einer Soldatenfrage aus der fast zu weichen
Rührung aufrütteln. — „War es nicht dein Regiment" , sprach er, „welches
gestern in der Ebene unter dem Windmühlenberge stand, mit dem rechten
Flügel an den Gränzgraben gelehnt?" — Heißerröthend Hub sich Fritz aus
den Armen seiner Lieben empor, und sagte: „Drei vergebliche Angriffe machte
braves ^nfanterie-Regiment. Ich hoffe, es war das Ihrige, mein
Eer dann tue Erinnerung nicht mehr so herbe fühlen, als bisher."
- „Nrmm von deinem Gefangenen eine Lehre an, mein Sohn;" sagte der
,7 Cavallerie auf Infanterie ansprengt, kommt sie entweder gleich
7 ^7/ ^lnhauen und Ueberreiten, oder gar nicht. Jeder nach-
folgende Angriff wird matter, als der vorherige, und das Fußvolk mit jed-
7^ Gegners kälter und kühner. Dann lieber gleich ein
""^77^'^Wment für dasmal vor, oder abgelaffen. Auch kamt Ihr viel
zu langem angetrabt. Gegen Infanterie kann der Reiter nickt leicht zu rasch
"^geschlossen bleibt. Aber freilich, wi/mir? vorka!?
Uebri7,7" ^7- 77 77 sonderlich raschreitenden Stallmeister." —
„Uebrigens setzte er begütigend hinzu, „mögen sie recht brave Kerle sein, und

zum gründlichen Cavallerie-Exerciren lassen Euch die fortdauernden Kriege
wohl wenig Zeit."
Aber die Röthe auf des jungen Kriegers Wangen glühte nur flammender
auf. „Ich hoffe. Ihnen noch eines Tages melden zu können, mein Vater,
daß ich meine Chasseurs gut zum Einharien gebracht habe. Ach, wäre es
nur gegen einen andern Feind!"
„Es ist jetzt nicht an der Zeit, das Unabänderliche zu beseufzen;" sagte
der alte Greifenhorst. „Zudem sah ich wohl, — rittest du nicht einen Apfel-
schimmel ? — ja, ich sah es wohl, wie du nach dein letzten Angriffe nicht zu-
rück wolltest, sondern eine Zeitlang dein Roß ganz allein im Feuer tummeltest,
und dann erst im langsamen Trabe folgtest, Der Colonel ist doch ein braver
Kerl!" dachte ich, „und hatte Gottlob Recht. Reite mit Gott. Der wird
schon Alles zum Besten lenken und zur unaussprechlichen Freude für Alle, die
an ihn glauben; auch für dis, welche auf Irrwege gerathen sind. Darauf
traue du recht fest, recht fest, mein Fritz; recht fest im Leben und im Sterben.
Hörst du wohl?"
Noch einmal drückte er den geliebten Sohn inbrünstig an seine Brust;
noch einmal umarmte dieser voll unaussprechlicher Rührung Weib und Kind;
schnell ward Alles wegen des Alten Aufenthalt und Sicherheit geordnet, und
hin sprengte Fritz durch die dunkle Nacht, seinem dunkleren Beruf entgegen.
Der alte Greifenhorst wohnte nun schon einige Wochen lang nut Elisa-
beth und dem Knaben in einem Städtchen, wohin auf des Sohnes Rath und
Anordnung Zwei Chasseurs ihn am Morgen nach jenem wehmttthig schönen
Zusammentreffen auf die möglich bequemste Weise geleitet hatten. Die Zeit
war in ernster, stiller Sammlung der mannigfach bewegten Gemüther hinge-
gangen, ohne daß Nachricht von dem jungen Kriegsmanns einlief. Der Greis
beruhigte seine und Elisabeths aufsteigende Sorgen mit der Unmöglichkeit des
Briefwechsels in einem so schnellen, oftmals den Postenlauf gänzlich hemmen-
den Feldzuge, der noch jetzt in den streng aufgestiegenen Winter' voll kühner
Wildheit hineinraste. — Da trat eines Abends nach leisem Klopsen ein kriegs-
gefangener Reiterofficier vaterländischen Heeres mit ehrerbietigem Gruß in das
Zimmer, und bat um die Erlaubniß, den Obristen allein sprechen zu dürfen.
(Schluß folgt.)
 
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