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131. Dienstag den 9. November
1869.
Rede des Abg. Roßhirt in der Wahlreformdebatte
am 28. Octover.
Redner begrüßt das Gesetz zunächst um deßwillen,
weil es, wie der Commissions-Bericht sage, die Actionsfähig-
keit der Kammern erhöhe, den bisherigen schleppenden Gang der
Landtage zu beseitigen verspreche und dadurch auch die einjährige
Budgetperiode ermögliche. Man habe zwar stets auf den Landta-
gen gearbeitet, in Folge des verzögernden Geschäftsganges sei aber
das Volk häufig aus den Gedanken gekommen, daß dies nicht der
Fall sei. Das nun vorgeschlagene Verfahren habe sich auf dem
norddeutschen Reichstage eingebürgert. Es mache dasselbe entschie-
den höhere Anforderungen an jedes einzelne Kammermitglied, da
die Vorbereitung in Commissionen wegfalle, sichere aber dem Ein-
zelnen auch einen höhern Einstuß auf den Gang der Berathungen.
Jeder Badener habe Ursache, für die im Jahre 1818 gegebene Ver-
fassung dankbar zu sein, ein hochherziger Fürst habe sie erlassen,
als die Verfassungszustände vieler anderer Länder noch im Argen
gelegen, sie sei auch von den hochherzigen Nachfolgern jenes Für-
sten stets aufrecht erhalten worden, Baden kenne keinen eigentlichen
Verfassungsstreit. Die Verfassung habe, wie der Commissionsbe-
richt sage, zu vollkommeneren constiturionellen Zuständen geführt;
ob zu vollkommenen sei eine andere Frage; die Gelehrten seien
häufig nicht einig darüber, was vollkommen constitutionelle Zustände
seien; in einem unter v. d. Pfocdten's Regiment in München ge-
schriebenen berühmten staatsrechtlichen Buche sei die Behauptung
ausgestellt worden, die Regierung, welche gar keine Partei in der
Kammer für sich habe, fei auch constitutione!!, welchen Satz König
Max durch den bekannten Ausspruch: „er wolle in Frieden mit
seinem Volke leben" Lügen gestraft habe. Die Behauptung des
Commissionsberichtes, daß die Verfassung sich in großen Krisen
bewährt habe, sei eine etwas gewagte, da die auf die Verfassung
basirte Volksvertretung des Jahres 1849 den Stürmen jenes Iah-
res gegenüber auf sehr schwachen Füßen gestanden habe. Schon
damals, und noch mehr nach weiteren zwanzig Jahren habe sich
das Bedürfniß nach einer bessernden Hand gezeigt. Die Commis-
sion hätte zu untersuchen gehabt, was nöthig sei, um dem gesumm-
ten Volke den gebührenden Einfluß zu sichern. Das habe die
Commission aber nicht gethan, der Grundgedanke ihres Berichtes
sei Vielmehr der: „Wir wollcn unser Programm durchführen, wir
wollen mit Sack und Pack, mit Mann und Maus und allem Bal-
last in den rettenden Hafen des norddeutschen Bundes einlaufen.
(Mit besonderem Nachdruck.) Alles was uns daran hindert, muß
beseitigt bleiben". Umgekehrt hätte man sagen müssen: „Wir
wollen vor Allem eine aufrichtige Aeußerung des Volkswillens".
Dem Souverän sei es selbstverständlich vorbehalten geblieben, nach
Anhörung jener Aeußerung des Volkswillens Entschließung zu fas-
sen. Gewiß sei es auch Sein Wille, des ganzen Volkes Meinung
zu vernehmen, die brennende politische Frage zu entscheiden, bestehe
ja mehr, als ein Weg, der des Eintritts unter die Hegemonie, in
das Vasallenthum, der eines Benehmens mit den Nachbarstaaten
über den Eintritt in den, in einen wahren Bundesstaat umzubil-
denden Nordbund. Auch gebe es jetzt schon gar Viele, die — des
kleinlichen Parteitreibens in Gesetzgebung und Verwaltung des Lan-
des satt — eher unter das schützende Dach der preußischen Ver-
fassung sich zu begeben gedächten. Ueber solch' wichtige Entschei-
dung, wie sie zu geben sei, solle nun nach Ansicht der Commission
eine Volksvertretung entscheiden, die halb vor 1866, dem Jahre
der Entstehung aller streitigen Fragen, und im Ganzen auf viel
zu enger Grundlage gewählt sei. Hier helfe nur das allgemeine
directe Wahlrecht. Die gegen dasselbe von der Commission vorge-
brachten Gründe seien ganz hinfällig.
Wenn man sage, nur der Wahlmodus sei gut, der zur Er-
wählung der Einsichtsvollsten und Gewissenhaftesten führe, fo sei
dieser Standpunkt gar zu ideal. Wer sei denn der Einsichtsvollste?
Die Einen hielten den dafür, die andern jenen. Die Wähler
des Herrn Berichterstatters Näf hätten diesen dasür gehalten; da-
gegen schmeichle Redner sich, daß seine Wähler ihn dafür gehalten
— und doch ständen er und Herr Näf auf ganz verschiedenem
Standpunkte. — Die Gebildeten, nicht die Massen, sagt man, sol-
len wählen. Dieß beweise zu viel, also nichts, sonst müsse man
die Wenigergebildeten auch von den Urwahlen ausschließen, oder
Gesetzentwurf,
die Rechtsverhältnisse und die Verwaltung der Stiftungen betreffend,
II. Von den für die örtliche Stiftungsverwaltung
zu ernennenden besonderen Behörden.
(Fortsetzung.)
§ 25. Unabhängig von den Anordnungen der Stifter und den Beschlüs-
sen betheiligter Confefsionsangehöriger kann endlich auch der zur Verwaltung
des Stlftungsvermögens berufene Gemeinderath (§ 13) die Einsetzung eines
besonderen Stistungsraths nach Vorschrift des § 21 beschließen:
1) in allen Gemeinden von mehr als 3000 Einwohnern,
2) überall da, wo der jährliche Ertrag des unter seiner Verwaltung stehen-
den Stlftungsvermögens die Summe von 1000 fl. erreicht oder über-
steigt, und
3) für diejenigen von den seiner Verwaltung unterstehenden Stiftungen
welche m der in § 20 bezeichneten Weise mit einer Anstalt in Verbin-
dung stehen. Die von dem Gemeinderath beschlossene besondere Ver-
waltung kann nur mit Genehmigung der vorgesetzten Staatsbehörde
wieder aufgehoben werden. '
Die »ach den Bestimmungen des § 20 Zisf. 2 ernannten Mitglie-
der des stistungsraths und die m den letzteren oder in die gesetzliche Ver-
waltungsbehörde (§ 13 und 15) nach Maßgabe des 8 21 Abs. 2 berufenen
wetteren Mitglieder sind zur Annahme des Amtes nicht verpflichtet und be-
dürfen auch keiner staatlichen Bestätigung.
Gegen dieselben kann wegen dienstwidriger Handlungen die Entlassung
ausgesprochen werden und die vorgesetzte Staatsbehörde ist außerdem berechtigt
von den nach § 20 Ziss. 2 ernannten Mitgliedern Einzelne aus dem Stif-
tungsrathe zu entfernen, wenn ihnen die gesetzlichen Bedingungen für die Auf-
nahme m die Vorschlagsliste abgehen oder sofern sie zu andern Mitgliedern
m auf- oder absteigender Linie oder im zweiten oder dritten Grad der Seiten-
linie verwandt sind.
^2/- ^ber das Vorhandensein der Voraussetzungen für die Bestellung
eines besondern Stlftungsrathes entscheidet, soweit dieselbe von der verwalten-
den Gemeindebehörde selbst oder von den Angehörigen einer Confession bean-
tragt wurde, die zunächst vorgesetzte Staatsbehörde.
Wird den Anträgen der betheiligten Confessionsangehörigen wegen Be-
stellung emes besonderen Stiftungsraths von der vorgesetzten Staatsbehörde
die Folgerung deßhalb verweigert, weil letztere in Hinsicht auf die in Frage
stehenden Stiftungen den Nachweis einer confessionellen Beschränkung des
Genußrechts nichtals geliefert erachtet, so bleibt den Confessionsangehörigen
halten^ Auftrag dieser Frage vor dem Verwaltungsgerichtshofe vorbe-
III. Allgemeine VeftirmMngrn über die Verrmütungsführung.
§ 28. Die örtlichen Stiftungsbehörden haben für die von ihnen zu ver-
waltenden Stiftungen regelmäßig Voranschläge aufzustellen, welche zur staat-
lichen Genehmigung vorzulegen sind.
Innerhalb der Grenzen dieser Voranschläge sind die Stiftungsbehörden
zur selbstständigen Verfügung über die Stiftungserträgnisse berechtigt, wenn
und soweit nicht dieses Verfügungsrecht ausdrücklich einer anderen Behörde
eingeräumt oder für einzelne Fälle durch den gesetzlichen Vorbehalt einer be-
sonderen staatlichen Zustimmung beschränkt ist.
Für kleinere Stiftungen kann die Ausstellung von Voranschlägen von den
Aufsichtsbehörden erlassen werden.
8 29. Neben dem Voranschlags bedürfen einer besonderen staatlichen Ge-
nehmigung alle Beschlüsse der örtlichen Stistungsbehörden:
1) über Veräußerung, Vertauschung oder Verpfändung des liegenschaft-
lichen Stiftungsvermögens, über Waldausstockungen und außerordent-
liche Holzhiebe und über Verwendungen von Grundstocksvermögen zu
laufenden Bedürfnissen;
2) über die Erwerbung unbeweglicher Güter und liegenschastlicher Rechte
und ebenso über Neubauten und Hauptausbesserungen, wenn die Mittel
dazu nicht den ordentlichen Einkünften der Stiftung entnommen wer-
den können;
3) über die Eingehung von Rechtsstreiten und Vergleichen über liegen -
schaftliche Rechte;
4) über Nachlässe von Forderungen;
5) übes neue Festsetzungen und Erhöhungen der Bezüge von Stiftungs-
beamten und endlich
6) über alle in Angelegenheiten einer Ortsstiftung mit der Gemeinde,
welcher die Verwaltung derselben übertragen ist, einzugehenden Rechts-
geschäfte.
ß 30. Weitere Bestimmungen über das Formelle der Verwaltungs - und
Rechnungsführung, über die Aufstellung und Genehmigung der Voranschläge,
die Cautionsleistung des Stiftungsrechners und die Art und Weise der Rech-
nungsführung bleiben der zu diesem Gesetze zu erlassenden Vollzugsverordnung
vorbehalten.
(Fortsetzung folgt.)