Kammerverhandlungen.
* Karlsruhe, 16. Nov. (Fortsetzung der gestrigen Sitzung.)
Berichterstatter Kiefer rechtfertigt die Commission gegen
einzelne Bemerkungen Lender's und wird persönlich, indem er
dem Abg. Lender die Beschuldigung der Feigheit entgegenschleu-
dert, weil dieser, obgleich man ihn von allen Seiten dazu aufge-
sordert, nicht offen mit der Sprache herausgetreten sei.
v. Gulat sucht Lender zu widerlegen, indem er ausführt,
die Ehe älter fei als das Christenthum. Redner erläutert
dies vom historischen Standpunkt und rechtfertigt die obligatorische
Civilehe von seiner juristischen Anschauung aus. Für seine Auf-
fassung beruft er sich dabei auf oie Vorgänge in Preußen und
Oesterreich. Die prägnanteste Stelle aus dieser Rede war die:
Redner schwärmt so sehr für die obligatorische Civilehe, daß er
einmal darüber in der Kirche dem Volke predigen möchte, wo-
bei es ihm einerlei wäre, ob an der Kanzel der heilige Joseph
oder Luther geschnitzelt wäre. Er wünsche, daß die Geistlichen sich
und das Volk mit dieser Ehe versöhnten.
Baumstark: Nach den glänzenden Ausführungen Lender's
und Mühlhäusser's bleibe ihm nicht mehr viel zu sagen übrig. Der
Aba Kieser sei sehr leidenschaftlich gewesen, er habe selbst den be-
leidigenden Ausdruck „Feigheit" gebraucht, eine Beschuldigung, die
er energisch zurückweisen müsse. Die Behauptung des Berichts,
auch die kath. Kirche habe die Ehe nur als Vertrag aufgefaßt, sei eine
durchaus irrige. Der Consens sei allerdings das wesentliche Mo-
ment aber von der Civilehe habe man damals noch keine Ahnung
aebabt Der Geist der Civilehe lasse sich dahin präcisiren: wenn
zwei Menschen dasselbe thun, sei es noch nicht dasselbe. Es sei
daher auch etwas ganz Anderes, wenn die obligatorische Civilehe
durch die französische Revolution und wenn sie heute eingeführt
werde Die französische Revolution habe die Gesellschaft niederge-
worfen als aber die Ordnung wieder eingetreten sei, Habs man
den kleinen Rest revolutionärer Ueberlieferung bestehen lassen, was
man auch thun konnte, da Frankreich nicht paritätisch sei. Die
Civilehe werde von den Anhängern der Affentheorie verlangt, —
Grund genug dagegen bedenklich zu werden! Die katholische Kirche
verlange eine untheilbare Lebensgemeinschaft, die Schrift
Gneist's spreche nur von einer Geschlechtsgemeinschaft, die er nicht
anders als mit dem Wort eoneudinutus in's Lateinische über-
setzen könne. Er wolle rasch zuvor noch die obligatorische Civilehe
mit Kem Ausdruck Concubinat bezeichnen, weil der Herr Staats-
minister erklärt habe, daß dies nachher bei Strafe verboten sei.
>Der Abg. v. Gulat u. A. hätten auch den norddeutschen Bund
!in die Discussion hereingezogen, — er begreife nicht, warum diese
Herren nicht warten wollten, bis jene Ehe dort gesetzlich eingeführt
sei. Er stimme gegen den Gesetzentwurf um so mehr, als das
Volk von einem solchen Institut durchaus nichts wissen wolle, und
weil man das, was das Volk hasse, niemals demselben aufdringen
dürfe.
Abg. Tritscheller schließt sich an die Rede des Ministers
Jolly an und lobt die Auffassung der Civilehe Seitens der Bevöl-
kerung in Frankreich. Bei uns würden dem Volke falsche Begriffe
über die Cwilehe durch die Herren von der katholischen Volkspar-
tei beigebracht, Begriffe, an die sie selbst nicht glaubten und nicht
glauben könnten. Er rathe dem Abg. Lender in Verbindung
mit seinen Collegen vom Clerus das Volk zu besänftigen und ihm
den Widerwillen gegen die Civilehe zu benehmen.
Abg. Lindau: Der vorliegende Gesetzentwurf sei nicht in
Uebereinstimmung mit dem Volkswillen und kein Bedürfniß für
den Staat. Der Abg. Lender habe im Gefühle, daß er schon lange
gesprochen habe, sich nicht veranlaßt gesehen, auf einem Gebiete
dem Herrn Staatsminister mit derselben Offenheit wie dieser ge-
than zu erwidern, welches Redner jetzt betreten wolle. Die obli-
gatorische Civilehe werde vom Volk durchaus verworfen; man
könne dem christlichen Volk nicht vormachen, es sei nur etwas Un-
bedeutendes um die Civilehe. Das Volk fühle Liefer in dieser Be-
ziehung als der Herr Staatsminister. Der Gesetzentwurf sei nur
ein Glied in der ganzen Kette von Maßnahmen, die die Frage zur
Entscheidung bringen sollten, ob die Kirche durch den Staat und
dessen Einrichtungen vernichtet werde»» könne oder ob sie noch ein
Recht auf ihre Existenz habe und ob es den Bürgern noch gestattet
sei, in Uebereinstimmung mit den Vorschriften der Kirche leben
zu dürfen. Er glaube, der Staat habe bei neuen Einrichtungen
vor allem die Pflicht, auf die religiöse Auffassung des Volkes Rück-
sicht zu nehmen. Daß dies aber bei uns nicht geschehe, das be-
weise vor allem der Gesetzentwurf über das Stiftungswesen. Es
bestehe bei uns auf staatlicher Seite die Absicht, die confessionelleu
Gemeinden zu zerstören und der Herr Staatsminister ziele mit
seiner Förderung der Cultur lediglich auf die deutsche National-
kirche hin, womit er die deutsche Einheit auf dem Gebiete der Reli-
gion herbeiführen wolle.
Staatsminister Jolly: Er habe niemals von einer deutschen
Nationalkirche gesprochen.
Lindau: Meine Auseinandersetzungen führen zu solcher
Der schwarze Dämon.
krzähtung au8 dem 8eemann8leken von D, Henry,
(Alte und Neue Welt.)
Die Nacht war finster und stürmisch. Ein schweres Gewitter entlud sich
über den Gewässern des Golfs von Florida, in dem die britische Fregatte
„Der Blitz" kreuzte, um die damals zahlreichen westindischen Seeräuber rveg-
zufiaen und die Sklavenschiffe abzufangen. Ich war zu jener Zeit Unterlieute-
nant auf diesem Kriegsschiffe, welches eine der leichtesten und schnellsegelnsten
Fregatten war, die je die Meereswoqen durchfurchten.
Nach Mitternacht hatte ich die Wache auf dem Hinterdeck. Der Gewitter-
sturm tobte in seiner ganzen furchtbaren Majestät. Die Fregatte arbeitete schwer
gegen die See, deren schwarze Sturzwellen mit den weißen Schaummähnen
mie beutegierige Ungeheuer häufig über das Vor- und Mitteldeck hereinbrachen.
Unaufhörlich zuckte Blitz auf Blitz aus den tief niederhangenden Wetterwolken
und die ro^nden Donnerschläge schienen die Erde in ihren Grundvesten zu er-
schüttern.
Plötzlich erbebte die Fregatte in allen ihren Fugen, ein furchtbarer Donner-
schlag folgte unmittelbar, ein Blitzstrahl hatte die Fregatte getroffen. Zugleich
wurden die S^el von einem heftigen Windstoß von der Seite gefaßt, so daß
das Schiff Och unnulegen drohte. Den vereinten Anstrengungen der Matrosen
gelang es sedoch. die Topsegel schnell zu reffen; und da der Blitzstrahl ein
kalter Schlag »xwesen war. so kamen wir glücklich davon.
Doch hatte der Nordost das große Stagsegel weggeblasen, wie ein Blatt
Panier, und die Ob-rbramstange des Großmastes, sowie mehrere Raaen waren
genickt, wie dünn? Gerten. Gegen Morgen legte sich der Wind und wir konn-
ten den Schaden ausbeffern.
Der schönste Tag fglqte der stürmischen Nacht. Bei zunehmender Helle
gewahrten wir ein großes Schiff. Es hatte seinen Hauptmast verloren und
bing wie ein Wrack aus die Seite. Von ihm hinweg segelte unter dem Winde
ein anderes Iahrwttg. Es war ein Schooner m't niedrigem schwarzem Rumpf
und er hatte alle seine Segel gesetzt, um das Weite zu suchen.
Dieser Anblick verursachte keine kleine Aufregung unter der Schiffsmann-
schaft, vorzüglich als der Ruf: „Der schwarze Dämon!" ertönte. Mit
diesem Namen wurde eben sowohl das Raubschiff als der Kapitän bezeichnet,
von dem die wunderlichsten Sagen in Umlauf waren.
Alle, welche seinen Händen je entkommen — ihre Anzahl war übrigens
klein — versicherten, daß er, ohne ein Wort zu sprechen, lediglich durch Zeichen
commandire, Gericht halte, das Urtheil fälle und vollstrecke. Zugleich schilderten
sie ihn als sehr häßlich von Ansehen, grausam und blutgierig von Natur.
So klein auch der „Dämon" auf dem Ocean erschien, so wußte man doch,
daß er zwölf Kanonen, worunter einen langen Zweiundreißigpfünder führte,
und seine Mannschaft aus etwa 70 Köpfen bestand. Ich eilte in die Kajüte
des Kapitäns.
„Es sind zwei Segel in Sicht, Sir!" rief ich, die Kajütenthüre öffnend;
„eine halbe Seemeile entfernt ein Schiff ohne Hauptmast."
„Ei Sir", erwiederte der Kapitän mürrisch, „deßhalb hättet Ihr mich
immerhin ungestört lassen können. Geht hinauf, ruft das Fahrzeug an und
laßt mich wissen, was es ist. Die ganze Nacht habe ich nicht fünf Minuten
geschlafen und war gerade ein wenig eingeschlummert, als Ihr mich mit Euerer
Meldung —"
„Sir, auch der „schwarze Dämon" ist da unter dem Winde, ungefähr
fünf Meilen entfernt", bemerkte ich zu meiner Rechtfertigung, indem ich ihn
ohne Umstände unterbrach.
„Was sagt Ihr, Sir? Wirklich?" stieß er hervor, aus der Hängmatte
springend. Er warf seinen Rock über und eilte mit seinem Fernglas auf das
Verdeck.
Der erste Blick auf den Schooner verrieth, zu welchem Gewerbe dieser
ausgerüstet sei. Das verkrüppelte fremde Schiff war augenscheinlich von dem
Dämon gekappert und ausgeplündcrt worden. Die Ankunft unserer Fregatte
hatte sein Werk unterbrochen und ihn zur Flucht gezwungen.
„Laßt vollbraffen!" befahl der Kapitän dem Quartiermeister. „Dis Wache
um den Haupmast heraus — herunter mit dem Bote." Ich selbst ward be-
ordert, mit zwölf Mann in dem Boote an das beschädigte Schiff zu rudern
und an dessen Bord zu gehen.
(Fortsetzung folgt.)