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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 115-127 (2. Oktober - 30. Oktober)
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Donnerstag und Samstag.






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Trügerlohn und Postausschla^.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

121

Samstag den 16. October

1868.

Kammerverhandlungen.
Karlsruhe, 5. Okt. (Berathung über die Antwortsadresse
auf die Thronrede in der zweiten Kammer. Schluß.)
Nach Vissing erhielt der Abg. Eckhard das Wort zu
einem langen Vortrage. Bezüglich der deutschen Frage, der Ver-
einigung des Südens mit dem Nordbunde, vertritt Hr. Eckhard
denselben Stauopunkt, wie Herr Kiefer, und bewegt sich auch deß-
balb in ganz gleichen Argumenten. Wir würden Oftgehörtes nur
wiederholen, wollten nur diesen Thell seiner Rede mittheilen. —
Wie in den Anschauungen, so auch in der Durchdrungenheit der
Ueberzeuaung steht Hr. Eckyard mit seinem Freunde Kiefer auf
ganz gleicher Höhe. Beider Abgeordneter politische Anschauung
hängt innig mit ver Auffassung zusammen, die sie über den Katho-
licismus, die Kirche, über das Verhältniß der Kirche zum Staaie,
über den Einfluß des Kaiholicismus auf Freiheit und Culturent-
Wickelung haben. Herr Eckhard sah es offenbar für den wichtigeren
Theil seiner Rede an, das ganze Arsenal seiner Voreingenommen-
heiten gegen den Katholicismus, die Kirche und die kath. Volks-
partei spielen zu lassen. Ec wurde in dieser Beziehung sehr breit,
überbot sogar noch Herrn Kiefer, da er anscheinend glaubte, Alles
erschöpfen zu müssen, was der Katholicismus seiner Ansicht nach
Schauerliches, Freiheit und Menschenwohl Gefährdendes an sich Hai.
Aus dec nachstehend folgenden Entgegnung des Abg. Lender
können die Leser Manches ersehen, was von Hrn. Eckhard gegen
die Kirche und die Katholiken vorgebracht wurde. Von einem ge-
wissen Wecthe dürfte es erscheinen, daß Herr Eckhard in
Gleichnißform das Bekenntniß abgegeben hat, daß die Ver-
söhnung vom 23. Mai mit Rücksicht auf die kathol. Bewegung
vorgegangen sei, da auf unserer Seite der Zusammenhang sofort
in dieser Weise ausgesaßt worden war.
Abg. Lender: Hochgeehrteste Herren! Ich werde mich be-
mühen, mit Mäßigung und leidenschaftslos zu sprechen. Denn wenn
irgend Jemand in diesem hohen Hause veranlaßt sem könnte, er-
regt zu sein, so wäre ich es, vermöge des Standes, dem ich ange-
höre. Mehrere Redner haben versichert, daß in diesem Hause nicht
Katholikin, sondern Staatsbürger seien, und immer wurde bisher
das Steckenpferd gegen den Kaiholicismus geritten.
Ich wende mich zunächst gegen den Hrn. Staatsminister; ich
bedauere, den kath. Priesterstand aus seinem Munos als eine Kaste
bezeichnet gehört zu haben; denn wenn von einer Kaste in der
katholischen Kirche die Rede ist, so kann nur der Priesterstand ge-
meint sein. Die Katholiken wissen indeß schon lange, was sie von

der wohlwollenden Gesinnung des Herrn Siaatsministers zu halten
haben.
Ebenso bedauere ich, daß der Hr. Staatsminister von einer
fremden Gewalt gesprochen hat in der kath. Kirche. Er hat damit
jeden Katholiken verletzt, der sich seines Dogmas bewußt ist und
sich dessen nicht schämt. Der Primat ist nicht etwa blos eine Or-
ganisation ; er ist für den Katholiken äs üäs. Uebrigens, meine
Herren, können wir uns gegenüber diesen Auffassungen damit trösten,
daß es stets Männer von bedeutenderer Stellung und bedeutenderem
Talente gegeben hat, und daß es noch solche gibt, welche den römi-
schen Stuhl als das zu würdigen wußten, was er in der Weltge-
schichte war und ist.
Ich wende mich nun zum Hrn. Abg. Kiefer, der folgende
Thesen aufgestellt hat:
1) Die ultramontane Richtung könne nie und nimmermehr
eine nationale fein; 2) wir wollten dis Verbindung mit Preußen
nicht, weil es ein protestantischer Staat sei; 3) wir zögen es vor,
in kleinen Verhältnissen zu leben; 4) es sei unmöglich, daß ein
Ultramontaner liberal sei.
M. H.! Das sind dis Thesen des Hrn. Abg. Kiefer! Ich
hätte gewünscht, daß Hr. Kiefer, der offenbar in der Geschichte
schon viele Studien gemacht hat, auch eingekehrt wäre bei den
Scholastikern des Mittelalters, um dort zu lernen, daß es nicht
genügt, Thesen aufzustellen, sondern daß man sie auch beweisen
muß. Den Beweis aber ist er schuldig geblieben.
M. H.! Was ist die ultramontane Richtung? Ich sage:
Es ist jene Ueberzeugung, welche in Rom den Mittelpunkt des
Katholicismus erkennt, und sie ist es, welche die völkerrechtlichen
Verträge und die Verfassung allein als die Quelle des Rechts für
die katholische Kirche erkennen. Einen andern Katholicismus gibt
es nicht als in Vereinigung mit Rom. Wenn aber der Hr. Abg.
Kiefer behauptet, daß dies die Nationalität beeinträchtige, dann
möchte ich ihn cinladen, am 8. Dez. nach Rom zu gehen, um zu
sehen, daß Rom die Nationalist durchaus nicht be. inträchligt,
sondern jede Nation nach ihrer Individualität schützt und werth-
schätzt. Hr. Kiefer hat gesagt, der protestantische Beruf oder das
protestantische Prinzip sei es, das uns mißstimme gegen Preußen
und die Vereinigung mit dem Nordbunde.
M. H.! Ich will den Beweis liefern, daß es nicht wahr ist.
Ich meine, Wilhelm Emanuel v. Ketteler, Bischof von Mainz, ist
gewiß einer der hervorragendsten Führer oer Ultramontanen in
Deutschland. Bischof v. Ketteler har im Jahr 1866 ein Buch ge-
schrieben „Deutschland nach dem Krieg von 1866", und auf der

Eine Wiener Redactions-Glocke.
Wie! Ich traute meinen Augen nicht, putzte meine Brillengläser, las
wieder und sah, daß da deutlich aus dem Papierbogen unter der Klingel stand -
„Der Gebrauch dieser Glocke ist Bettlern, Hausirern und Klosteraeschichten-
Verfassern ausdrücklich untersagt!"
Ich zog lächelnd die Glocke und stand bald dem gestrengen Herrn Redak-
teur gegenüber, zu dessen Gemächern der Leitungsdraht der mit diesem merk-
würdigen Avis versehenen Glocke sührte.
Nachdem ich meine Angelegenheiten mit ihm geordnet, konnte ich nicht um-
hin, auf die eigentümliche Jnschrist an seiner Thüre hinzudeuten. Er lächelte,
dann aber legte sich sein Gesicht in ernstere Falten, und er sagte:
„Was haben Lie an meinem stummen Portier auszusetzen?"
„Daß er den Bettlern und Hausirern, diesem zahlreichen, irregulären Plaae-
geister-Corps Wiens, den Gebrauch der Glocke verbietet, finde ich ganz natür-
lich. Doch weshalb sich die Klostergeschichten-Versasser den Bettlern und Hau-
sirern anreihen auf dem Plakat unter ihrer Glocke nämlich — das bleibt
doch noch-ein Räthsel. Ich glaubte anfangs, irgend ein Spaßvogel
hatte Ihnen den Streich gespielt und die Klostergeschichten-Verfasser Ihrem
stummen Portier nachträglich angehängt."
^ser Anhang stammt aus meiner höchsteigenen Feder, und ich
kann Ihnen dle Versicherung geben, daß er von ausgezeichneter Wirkung gewe-
sen Während ich vorher von Klostergeschrchten-Versassern geradezu sanitäts -
und polizeiwidrig bedrängt wurde, habe ich bis jetzt Ruhe, Ruhe wie nach ei-
Gewitter das sich ausgetobt. Ich sage Ihnen, wie Pilze nach dem Re-
gen tauchten hier die Klostergeschichten - Schreiber auf feit der Barbara-Ubryk-
mir die Augen krank gelesen an den zu Dutzenden eingehen-
den Klostergeschichten, bis ich endlich dahinter kam, daß alles nur an den Haa-
ren herbeigezogenes Machwerk war. Sehen Sie, da liegt noch ein Stoß von
wenigstens zwanzig Manuskripten — alles Klostergeschichten und sind wahr-
fchemlich alles Klostergeschichten mit jahrelangen Einmauerungen und endlichem
Wlederansüchtzlehen. Ich muß Mich durch den Stoß noch durcharbeiten: denn
ich sage vielleicht, ist doch noch eine brauchbare Arbeit dabei. Hier
chtt/T t"" ^glster gemacht von den eingegangenen Klostermysterien und

Bei den Worten schlug der Redakteur ein Buch aus, deutete aus gewisse
Spalten und fuhr fort:
„Es gingen unter andern ein: fünf Klostergeschichten, die in der Loretto-
kapelle der Augustinerkirche spielten — in jeder wurde eingemauert —, drei
Klostergeschichten aus dem Kloster der sogenannten Schwarzspinner in der Alser-
vorstadt, drei Geschichen aus dem Carmeliternonnenkloster zu den „sieben Bü-
chern", drei Geschichten aus dem Paulanerkloster auf der Wieden — in allen
wurde wiederum eingemauert. Nun sehen Sie hier diese Titel der folgenden
Klostergeschichten: „Geheimnisse der Chorherren bei St. Dorothea in Kloster-
neuburg." „Rache eines Mönches zu St. Jakob", „Was in den Katakomben
zu den sieben Zufluchten im Altlerchenfeld passirte." „Franziskanerrache bei
den Carmelitern auf der Laimgrube." „Mysterien des Margarethenklosters im
Sonnenhof." „Lebendige Einmauerung in der Josephstadt bei den Piaristen,
an's Licht gezogen von ..., „Und so geht das Spalten lang fort, eine Geschichte
ist haarsträubender als die andere, aber fämmtlich sind sie erfunden . . ."
„Woher wissen Sie das?"
„Weil ich die Verfasser gründlich auf den Zahn fühlte und sie um die
Quellen befragte, aus denen sie geschöpft. Da stellte es sich denn regelmäßig
heraus, daß ihre eigene Phantasie die Urkunde war. Viele hatten über Klö-
ster geschrieben, von denen sie nicht einmal wußten, daß sie längst eingegan-
gen, daß Zinswohnungen, Gärten, Leihhäuser, Stapelplätze für Kaufmanns-
güter, Tabak - und Stempelgefäll-Administrationslokale daraus geworden. Als
endlich durch das Auspacken der immer zahlreicher eingehenden, versiegelten
Klostergeschichten - Manuskripte mein Bureau einer kaufmännischen Packkammer
glich, da zwang mich die Nothwehr, meinen Portier zu verbessern und ihn also
reden zu lassen: „Der Gebrauch dieser Glocke ist Bettlern, Hausirern und
Klostergeschichten-Verfassern ausdrücklich untersagt." Haben Sie nun noch et-
was gegen meinen stummen Portier einzuwenden?!
„Durchaus nicht! Er verdient vielmehr Nachahmung in Norddeutschland,
dahin sich die Fluth der in Wien abgewiesenen Klostergeschichten vermuthlich
wälzen wird."
(Aus dem Daheim.)
 
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