und Land.
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Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.
91. Samstag den 7. August 1869.
Katholische Volkspartei.
Das Treiben des Protestantenvereins.
11.
Weitere Adressen an S. Kgl. Hoheit den
Großherzog mit der
dringenden Bitte um Kammerauflösung
sind abgegangen:
Von Kappel von
35 Staatsbürgern.
„ Littenweiler
85
„ Osterburken
137
„ Todtmoos und Filialen
217
Uebertrag von letzter Nummer
67,102
Uebertrag:
67,576
Staatsbürgern.
Aus der Pfalz, im August. Wie über die Processionen
der Katholiken, so fällt der Protestantenverein in gleichem Ingrimm
über die zur katholischen Kirche Uebergetretenen her, besonders über
die Veröffentlichung dieser Uebertritte. Das heißt der Protestanten
verein „ein Ausposaunen", „ein großes Geschrei machen", „den
Leichtgläubigen Sand in die Augen streuen; sie täuschen; geheime
Zwecke, heiligende Mittel des modernen Jesuitismus" ; niit sitt
licher Entrüstung und entsprechender Verachtung werden solche Con-
vertiten „derartige Menschen" genannt. Was berechtigt denn die
Partei des Prolestantenvereins zu solchen Ausfällen gegen die
Katholiken? Die freie Wahl irgend einer bestimmten Confession ist
ein heiliges Recht der religiösen Ueberzeugung und der Gewissens-
freiheit, und Niemand ist berechtigt dem Convertilen daraus einen
Vorwurf zu machen, oder ihn deßhalb zu verdächtigen oder zu
beschimpfen, wenn nicht unsittliche Motive des Neligionswechsels
zu Tage liegen. Gerade der Protestantenverein sollte dieses Recht
der freien Confessionswahl am kräftigsten vertheibigen oder wenig-
stens unbemäkelt lassen. Denn was sind denn sämmtliche Anhänger
der Partei des Prolestantenvereins anders als Convertiten, die von
dem Christenthum, wie es seither in den p.otestantischen Landes-
kirchen gelehrt und bekannt wurde, abgefallen sind, die zwar An-
spruch machen noch zur jeweiligen Landeskirche zu gehören, aber
trotzdem, selbst in Baden, noch keine officielle Anerkennung oder
Gleichberechtigung für ihre Lehren und Grundsätze erlangen konn-
ten, ja in vielen andern Ländern und Gegenden von ihren srühern
Kirchengenossen ausgestoßen und mit Acht und Aberacht belegt
werden? Unter diesen Umständen erscheint es doch gar zu postirlich,
wenn der Protestantenverein sich auf's hohe Roß setzt und gegen
die katholischen Convertiten einsprengt, da doch diese für sich von
dem nämlichen Rechte Gebrauch gemacht haben, wie die Partei des
Protestantenvereins an ihrer Grelle. Beide haben die seitherige
protestantische Landeskirche verlassen, freilich nach verschiedenen
Richtungen: die Einen zur Einkrhr im gut fundamentirten, starken,
sichern Hause, die Andern zum Schweifen auf dürrer Haide, wo
zur Ehre des „Nichts" Altäre errichtet und ihm Hekatomben
von Jesuiten, Ultramontanen und Römlingen geschlachtet werden.
Wir Katholiken lasten der Secte des Protestantenvereins ihre Lieb-
haberei, wir haben sie ruhig gewähren lasten, als sie in Worms
die Posaunen gegen uns geblasen, wir haben mit Gleichmuth
ihrem Uebermuth zugeschaut, als sie dort der katholischen Kirche
ihre ehrwürdigen Gewänder vom Leibe gerissen und sie zum Buben-
spott gemacht, das Oberhaupt von 200 Millionen katholischer
Christen, katholische Ehre und katholisches Gefühl im Koth herum-
geschleift und mit Füßen getreten hat, und das Alles auf offenem
Markte unter fanatischem Jubel und prahlerisch herausfordernden
Posauncnklängen! — Wir haben uns bei Allem dem ruhig ver-
halten, denn wir sind auf's Warten eingeübt und „können warten",
tue Reihe zum Posaunenblasen kommt wohl auch einmal an uns,
und dann wollen wir des Textes und der Noten des Tages von
Worms eingedenk sein. Wir vergönnen auch der Secte die „Be-
kehrungen" nicht, die sie damals an Katholiken gemacht haben will
und worüber großes „Gejauchze im Herrn" erhoben wurde, nur
haben nur uns gewundert, daß alle „Bekehrungen" bis jetzt un-
sichtbar geblieben sind, und die dort ausgestreckte Bruderhand des
Protestantenvereins katholischer Seils heute noch unberührt ist, da
sich die erforderlichen Druck-Objecte nicht einstellen wollten. Da
wir also dem Protestantenverein bis jetzt gar nichts in den Weg
gelegt haben, warum in aller Welt ist die Secte so bitterböse auf
uns, wenn auch wir einmal einem Protestanten, der bei uns ein-
kehren und bleiben will, die Hand drücken? Das Protestantenver-
einsblatt Nr. 30 gibt Antwort: „Aber könnten wir Protestanten
nicht eben so gut von „Bekehrten" reden? Freilich; doch wir
machen kein Geschrei davon. Und wir wissen wohl warum. Liegt
uns ja nichts ferner als Propaganda zu machen.
Also wir sollen keine Proselyten machen, weil der Protestan-
tenverein auch keine macht; „nichts liegt ihm ferner als Bekehrun-
gen zu machen!" Das ist ein stolzes Wort, man sollte glauben,
alle Welt sei schon zum Protestantenverein bekehrt oder werde es
durch die Kraft des Geistes, der von ihm ausstrahle, ohne daß
deßhalb die Heidelberger Truppe einen Fuß auszuheben oder einen
Finger krumm zu machen brauche. Wenn dem aber so ist, warum
sind denn die Musterreiter des Protestantenvereins, Bluntschli,
Schenkel, Nippold unaufhörlich auf Reisen zu Vorträgen und Ver-
sammlungen in Städten und Städtchen, von einem Ende des lie-
ben Vaterlandes bis zum andern, um für die neue „Cultur-Reli-
gion" zu werben; wozu die Protestanteuvereinstage mit solchem
Eclat da und dort mit den wüthendsten Ausfällen gegen Alle, die
Widerspruch zu erheben wagen, wozu die überaus thättge Pamphle-
tirerei der genannten Reisenden und Consorten, um der Secte
weitere Wege zu bahnen? Das alles ist also keine Propaganda,
sondern etwa nur ein Privatvergnügen der betreffenden Industriel-
len, oder Ausarbeitung eines inwendig rumorenden Reise-, Sprech-
und Schreibfiebers. So so! Und doch hinwiederum will der Prote-
staittenverein eben so gut von Bekehrungen sprechen können wie
Katholiken! Nun wenn die Bekehrten von der protestantischen
Landeskirche sein sollen, haben wir gegen die behauptete Errungen-
schaft nichts einzuwenden, denn in der gemeinsamen Arbeit des
Protestirens, Negirens und Ruinirens kommt es auf ein Mehr
oder Weniger nicht an, und mögen die desfallsigen Berührungs-
punkte zwischen Protestantismus und Protestantenverein nicht weit
auseinander liegen; aber wenn unter den Bekehrten des Prote-
stantenvereins abtrünnige Katholiken gemeint sein sollen, wovon
man kein „Geschrei" machen wolle, so „wissen auch wir wohl
warum"; es gibt eben Leute, über die eine Partei froh ist, wenn
sie sie los wird, und mit denen die andere keinen Staat machen
kann; oder mit diesen Katholiken Convertirten sieht es aus, wie
jener Mannheimer Professor zu sagen pflegte, wenn er Lücken in
seinem Auditorium wahrnahm: „Ich sehe hinwiederum Einige die
nicht da sind"; und würde ein „Geschrei" darüber das Trommeln
und Blasen von Tambour und Trompeter ohne Mannschaft sein.
Der Protestantenverein mit seiner Betheuerung von Nichtpropa-
gandamachenwollen kommt uns vor wie jener historisch gewordene
elastische Fuchs, der Tag und Nacht nach süßen Trauben gesprun-
gen, um sich dieselben zu convertiren, beziehungsweise zu annexiren,
dieselben aber schließlich, da er nicht zum Zweck kommen konnte,
wegen der bekannten „Säuerlichkeit" hängen ließ.
Der Protestantenvereinsartikel erklärt die angebliche Nichtpro-
paganda in großartiger, brillanter Weise: „Wir legen keinen allzu-
großen Werth auf die Angehörigkeit zu unserer äußerlichen Kirchen-
gemeinschaft, weil wir dieselbe weder für irrthumfrei noch für
alleinseligmachend halten, wohl aber eine höhere Gemeinschaft kennen,
uämlich die unsichtbare geistige Gemeinschaft", d. h. Jeder aus
allerlei Volk, er sei Christ ooer Heide, Türk oder Jude ist Mit-
glied des Protestantenmreins, wenn er nur unsere Grundsätze
theilt, die kurz beisammen und leicht zu handhaben sind, nämlich:
es gibt keine andere Religion, als wie sie aus dir herauswächst;
wie du dir deine Religion machst, so ist sie recht; was man seit-
her, ehe der Protestantenverein die Allerweltsreligion entdeckt, für
Religion ausgegeben und den Leuten vorgemacht hat, ist eitel
Humbug.
In diesem Sinne, glauben auch wir, hat der Protestantenver-
ein eine erkleckliche Anzahl aus allen Zungen nnd Sprachen in seiner
„geistigen Gemeinschaft", von dem weintrinkenden Türken bis zum
schweinefleischeffenden Juden, von Freund Garibaldi, dem hoch-
geehrten Liebling des Protestantenvereins, und seinen mit Dolch,
Gift und Mordschlägen arbeitenden Gesellen bis zu den katholischen
Neformabfällen in Pforzheim und anderwärts. Auch das glauben
wir gern, daß der Protestantenverein auf eine äußerliche Ktrchen-
gemeinschaft keinen allzugroßen Werth legt, denn die Kunst mit
Nichts etwas zu gründen oder auf's Nichts zu verpflichten, muß
vom Protestantenverein noch erfunden werden, und in einer Ver-