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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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Donnerstag den 28. Januar

Preis vierteljährlich 40 lr. ohne
INisl p slllü Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.°Geb 2 kr. die Spaltzeile.


Bestellungen auf den Pfälzer Boten für
die Monate Februar und März können bei allen
gr. Postanstalten und Landpostboten gemacht werden.
* Der preußische Schutz.
Die Allianzverträge der süddeutschen Staaten mit Preußen
versprechen den gegenseitigen Schutz. Wie dieser von Seite
Preußens verstanden wird, darüber belehren uns jetzt die national-
liberalen Blätter. Sie stellen nicht im Mindesten in Abrede, daß
Preußen und der norddeutsche Bund, wenn sie in einen Krieg
mit Frankreich verwickelt werden, am Oberrhein kein so starkes
Armeecorps aufstellen können, um das Eindringen der Franzosen
abzuwehren; der Schutz, der uns gewährt werden könne, sei nur
ein indirekter d. h. wenn die ganze Macht Preußens zwischen
Mainz und Aachen entfaltet würde und von dort einen Stoß in's
Herz von Frankreich vollführe, so könne zwar der deutsche Süd-
westen von den Feinden besetzt und ausgesogen werden, allein die
stramme Kriegführung käme ihm doch schließlich wieder zu statten.
Wir möchten wissen, ob in den Unterhandlungen, welche Hr.
v. Freydorf mit Bismarck oder einem seiner Untergebenen über
den Allianz-Vertrag geführt hat (n. K. vorausgesetzt, daß über-
haupt Verhandlungen geführt wurden) dieser „indirekte" Schutz
zur Sprache kam. In diesem ^alle brauchte Hr. v. Freydorf nicht
einmal seine bewährte diplomatische Feinheit, sondern nur seine
historischen Kenntnisse zur Hilfe zu rufen, um gegenüber Preußen
einen sehr vortheilhaften Standpunkt einzunehmen. Er durfte
nicht allein an die bekannte Geschichte des Baseler Friedens er-
innern, sondern auch auf neuere Thalsachen abheben, woraus er-
sichtlich, wie Preußen seine Verträge erfüllt, insbesondere in Be-
zug auf Baden. Da wurde z. B. im Jahr 1849 ein Vertrag
zwischen Baden und Preußen abgeschlossen, wornach preußische
Truppen in Baden und badische Truppen in Preußen für eine
gewisse Zeit verbleiben sollten und ihr Rückzug nur nach Kündi-
gung innerhalb einer festgesetzten Frist geschehen durfte. Allein
wir wissen nur allzugut, daß Preußen sich um letztere Bestimmung
nichts kümmerte und seine Truppen so eiligst aus Baden zurück-
zog, daß man dies eher mit einer Flucht, als einem Marsche ver-
gleichen konnte. Die Gefahr für Baden war damals so groß,
daß es ohne die geringste Gegenwehr innerhalb 12 Stunden von
Basel bis Mannheim vom Feinde besetzt werden konnte.
Hr. v. Freydorf konnte auch mit feiner Ironie, die ihm doch
wohl zu Gebote steht, auf die Prätensionen Preußens bezüglich
des Besatzungsrechts der Festung Rastatt aufmerksam machen / die
nicht unwahrscheinlich einst unter die Fastnachtspossen des seligen
deutschen Bundes einregistrirt werden; denn Preußen hatte mit
großem Eclat das Mrtbesatzungsrecht von Rastatt nur für die
Friedenszeit (natürlich auf Kosten des deutschen Bundes) zur
Geltung gebracht; beim Krieg sollte es aufgegeben werden.
Hr. v. Freydorf konnte ferner die Opferwilligkeit Badens bei
Gelegenheit des preußisch-neuenburger Handels in ein glänzendes
Licht stellen, denn Baden weigerte sich nicht, wie Württemberg, ein
preußisches Heer durch sein Land nach der Schweiz ziehen zu las-
sen, so daß es nothwendig zum Kriegsschauplatz ausersehen worden
wäre. Als es dagegen im Jahre 1859 während des österreichisch-
französischen Krieges, an dem (wie sich erst später herausgestellt
hat) Preußen gegen den Willen des übrigen Deutschlands sich
niemals zu betheiligen gesonnen war, in dem Augenblicke, als man
an dem Ausbruch eines deutschen Krieges mit Frankreich kaum
mehr zweifeln konnte, gemäß der deutschen Bundesakte um den
Schutz seiner Grenze bat, da ward ihm preußischer Seits ein noo
xo88umu8 zu Theil und als es seine Bitte bis zur Besetzung der
Neckarlinie herabstimmte, so wurde es abermals mit einem aoa
PO88UMU8 abgefertigt.
Wir könnten noch andere Dinge in's Gedächtniß zurückrufen,
wober dre eigenthümliche Vertragstreue Preußens beleuchtet würde,
z^B. die Geschichte des preußisch-französischen Handelsvertrages.
Doch wollen wir hierauf verzichten.
Hat Hr. v. Freydorf derlei Thatsachen bei den Verhandlun-
gen über den Allmnzvertrag nicht vorgebracht, so ließe sich an-
nehmen, daß er als großer Diplomat einen ganz feinen Hinter-

gedanken gehabt hätte. Wir sollten eigentlich hievon keine Er-
wähnung thun; allein da wir wissen, daß selbst die Hintergedanken
in Berlin ebenso bekannt sind wie die Hinterlader, so wollen wir
unsere Vermuthung dem Publikum nicht vorenthalten. LK bi«n,
wie wäre es, wenn bei drohendem Kriege Hr. v. Freydorf die
vorgehaltene Pistole des Grafen Flemming entzündnadelte mit den
stolzen Worten: „Wurst wider Wurst" ?
Doch abgesehen von allen Vorverhandlungen, Baden kann
nach der Natur der Sache und nach dem Wortlaut des Vertrags
einen wirksamen Schutz verlangen und ein solcher ist kein
indirekter, sondern ein direkter. Insbesondere ist dies auch
bei Bayern der Fall, denn dieses kann mit Recht behaupten, daß
die Angriffslinie aus Rheinbayern gegen Frankreich viel wirksamer
ist als solche von Trier. Zugleich wäre damit bei weitem eher
eine Invasion der Franzosen in Baden verhindert.
Wäre Baden von Preußen annexirt oder wäre es in den
norddeutschen Bund ausgenommen, was Beides Gott sei Dank!
nicht der Fall ist, so müßte es sich als Glied des großen Ganzen
gefallen lassen, die höchsten Opfer für das Allgemeine zu bringen,
also auch die Überschwemmung seines Landes durch Feindes
Truppen, so wie Brandschatzung und Verheerung hinnehmen. Da-
bei stände ihm jedoch das Recht zu, seinen Kriegsschaden in An-
rechnung zu bringen und müßte rhm vollständiger Ersatz zu Theil
werden. Dies letztere Recht kann aber Baden in keiner Weise
beanspruchen, ja es steht ihm noch in Aussicht, daß es für den
indirekten Schutz, nachdem es seine Söhne und Habe geopfert, an
den Kriegskosten seinen Arttheil zahlen muß, wenn es nicht, was
wahrscheinlicher ist, als Compensationsobject behandelt wird.
Baden ist ein selbständiger Staat, ausdrücklich nach dem
Prager Frieden nur auf einen Bund mit den andern süddeutschen
Staaten angewiesen. Wenn nun im Kriegsfall trotz des Allianz-
vertrags ihm von Preußen kein wirksamer d. h. direkter Schutz
verbürgt werden kann, so steht dis Grundbedingung des Vertrages
in der Luft. Damit ist denn auch der Rücktritt Badens vom
Allianzvertrag vollständig gerechtfertigt.
In der Geschichte steht dieser Allianz-Vertrag als ein IllniouW
da. Sollte ein Nationalliberaler einen ähnlichen Vertrag aufzu-
weisen im Stande sein, so bitten wir inständigst darum. Bis
dies geschehen ist, wollen wir uns aller satyrischen Bemerkungen
über den kranken Mann am Bosporus enthalten; denn wir sind
viel kränker, als er. Darf er doch nur die Hände um Hilfe-
leistung erheben und sie wird ihm zu Theil. Aber wir —-?
Schließlich die Anfrage, ob sich fraglicher Allianz Vertrag
nicht dazu eignet, in jeder Gemeinde des Landes gründlich durch-
sprochen zu werden. Wenn die Oberamtmänner hiezu nicht die
Anregung geben wollen, so werden vielleicht die Offenburger da-
für sorgen; und wenn auch diese sich dagegen sträuben sollten, so
werden wir bei den Ultramontanen sicherlich keine Fehlbitte thun.
Süddeutschland.
* Heidelberg, 26. Jan. Der verehrte Herr A Correspon-
dent von Freiburg im heutigen Bad. Beobachter scheint eine Stelle
im Pfälzer Boten, welche in wegwerfender Weise von den Offen-
burger Bestrebungen spricht, mißverstanden zu haben; er meint
nämlich — und mit Recht — man dürfe niemals einen Feind zu
gering achten und müsse daher auch den Offenburgern eine einge-
hende Beachtung zu Theil werden lassen. Wir bestreiten dies
durchaus nicht, und der Pfälzer Hal gewiß in ausgiebigster Weife
das Seinige gethan, um die Offenburger Herren zu befehden. Aber
die Offenburger als Partei haben keine Bedeutung mehr, ihre
Organisation zieht nicht ohne die Beamten und sie haben alle Feind-
seligkeit gegen Jolly deßhalb bereits eingestellt. Um sich mit ihm
zu versöhnen und ihre Unart bei ihm in Vergessenheit zu bringen,
bieten sie ihm jetzt um so eifriger ihre Dienste gegen die „Ultra-
montanen" an und werden demnächst gegen Letztere gemeinsam mit
Jolly und dessen Beamten auf die Jagd ausziehen. Wir haben
es also nicht mit zwei verschiedenen Parteien zu thun — der mi-
nisteriellen und der Offenburger —, sondern das Verhältniß bleibt
immer dasselbe wie vor dem offenburger Putsch. Herr Jolly steht
fester als je und wenn Bluntschli ausrief: „Wen hat Er denn
noch hinter sich?" so kann Jolly fragen: „Wen habt denn Ihr
noch hinter Euch, wenn ich Euch meine Beamten entziehe? „Und
 
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