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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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1111» LtlH-tt. Trägerlohn und Postaufschlaz.
tt-Ir-V Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzcile.

für SIM

1869.

Dienstag den 26. Januar

M 11.

Grs^eint wöchentlich dreimal: Dienstag,
Donnerstag und Lamstag.

Bestellungen auf den Pfälzer Boten für
die Monate Februar und März können bei allen
gr. Postanstalten und Landpostboten gemacht werden.
Ein unverdächtiges Zeugniß
bringt uns die „Pfälzer Zeitung", indem sie sagt:
„Es gehört einige — Kühnheit dazu, heute noch, Angesichts
der Gesammtzustände des norddeutschen Bundes, insbesondere der
fast unerschwinglichen Steuerlast desselben, immer noch für den
Eintritt Bayers und Badens in jenen Bund zu plaidiren. Dies
thut neuerdings die, von dem hohen Negierungspräsidium der
Oberpfalz zur Anschaffung aus bayerischen Staatsgeloern empfohlene
Augsburger Abendzeitung. Sie schreibt: „Man säume ja nicht
länger, zu thun, was Ehre und Interesse gleichmäßig gebieten,
(d. h. in den norddeutschen Bund einzutreten) und lasse sich von
der preußenfeindlichen undeutsch gesinnten Partei in Süddeutsch-
land nicht so lange aufhalten, bis es zu spät ist."
Ohne die Phrasen von dem Gebot der „Ehre" und des
„Interesses", so wie von der „undeutsch gesinnten Partei" auch
nur eines Wortes zur Entgegnung werth zu halten, fragen wir
einfach: Kann Jemand zu behaupten wagen, daß nur der sechste
Theil des bayerischen Volkes ernstlich den Wunsch hegt, seine freie,
autonome, auch materiell viel günstigere Stellung aufzugeben, um
sich in den nordischen Bund einkaserniren zu lassen, dessen un-
geheure, noch fortwährend zunehmende Lasten mit tragen zu Hel
fen und endlich ganz in dem militärischen Einheitsstaat aufzu-
gehen? Sollen nun aber die andern fünf Sechstheile des bayri-
schen Volkes gegen ihren Willen zum Eintritt in den Nordbund
gezwungen werden? Ihr Herren Großpreußen wollt „liberal"
fein: wäre es liberal, den Volkswillen in einer so wichtigen Sache
zu mißachten, ja, ihm Gewalt anzutbun? Wie kann man daher

Die Herbstfeier.
Eine Erzählung von L. M. F.

(Schluß.)
Er trug einen großen, schöngearbeiteten Säbel in der Hand; Elisabeths
Seele bebte vor dieser Waffe in schmerzlich süßen Erinnerungen und furcht-
barer Ahnung zusammen; rasch eilte sie aus der Thüre, und sah heißweinend
aus dem Fenster einer entfernten Kammer, wie der kleine Florentin mit an-
dern Knad.n auf dem zugefrornen Gartenteiche schlitterte. —
„Armes Kind!" seufzte sie in das vorgehallene Tuch hinein; „ach armes
Kind, nun haft du gewiß keinen Vater mehr auf Erden!" —
Es war geschehen, was sie befürchtete. In einem der Gefechte zwischen Ver-
folgern und Verfolgten hatte der lühne Chasseurobrist Florentin auf ein Dra-
gonerregiment eingehauen; unter einem Schwertstreiche des Ossiciers, welcher
jetzt seinen Säbel brachte, war er tödtlich verwundet gefallen. Späterhin ge-
rieth der Sieger durch eine Capitulatwn in Kriegsgefangenschaft. Da traf er
aus dem trüben Heimwege in einem adelichen Schlosse den sterbenden Floren-
tin. Einander alsbald wieder kennend, stierten die zwei muthigen Kämpfer
ihre Verhöhnung, und ward der Dragoner Bote an den alten Greifenhorst.
-- „Sage meinem Vater, Kamerad", hatte Fritz Greifenhorst noch dicht vor
seinem letzten Entschlummern gesprochen, „daß ich im Glauben sterbe und in
fester, freudiger Hoffnung. Und sage ihm auch, daß ich meine Chasseurs recht
gut zum Einhauen gebracht habe. N.cht wahr, sie hieben brav? — Wenn
auch freilich das Reiten hätte besser sein können! — Und dann bring' ihm
meinen Säbel. Der liebe Greis bot mir einmal als Kriegsgefangener seinen
Degen dar. Nun soll er meinen Säbel wirklich nehmen und ihn ausheben
für meinen Knaben, daß dem in einer Hellern und beglückter» Zeit schönere
Thaten damit gelingen, als mir es vergönnt ward zu leisten." — Noch einige
Worte der süßen Lieb' und ewigen Treue für Elisabeth waren den bleichen
Lippen entquollen. Dann hatte der schwergeprüfte, vielgeläuterte Fritz seine
Augen zu-nthan, und war im freundlichen Lächeln verschieden. — Unter seinem
Nachlasse sand sich noch ein beschriebenes Platt, worin er den Besitzer des
Schlosses um einen Piatz in der Erbgruft, deren verwesunghindernde Kraft
er zufällig hatte rühnnn hören, für seinen Leichnam ersuchte, bis sein Vater,
iwd wenn es sein tönne — sein Weib und sein Knabe kämen, um die
blasse Hülle zu einem Begräbnitz in der Nähe des DorseS abzuholen, wo er
die lieben Dreie zum Letztenmale wiedersah. — Der Schloßherr hatte voll tiefer
Rührung eingewilligt, und so wartete nun Fritz unter den Särgen der alten
Ritterhelden und Frauen auf seine Geliebten.
... nicht lange warten. Nach wenigen Wochen schon hatten die
lyeuern Gestalten sich um sein irdisches Bette gereiht, und weinten ihm ihre
stlllfrommen Tbränen nach. Aber die edle Leiche mit von hinnen zu führen
an den ersehnten Platz, war unter den jetzt waltenden Krieqsverwirrunqen
unmog. ch. oder doch manch einer entweihend-n Störung ausaesttzt. „Lag
ihn enNlweUen h'er suchen, Großvater;" sagte der kl.ine Friedrch Florentm.
„Er hat einen gar schonen Ruh.piatz, und die freundlichen L.ute, nurt' ich
wohl, goniun es ihm von Herzen gern. Auch feunn schönen Säbel laß ihm

bei der notorischen Stimmung des bayerischen Volkes gegen den
Nordbund unserer Regierung den Eintritt in denselben zumuthen?
Zu den verpreußungssüchtigsten Schriftstellern gehört bekannt-
Hr. v. Treitschke. Nun, in dem neuesten Jahresheft der „Preuß.
Jahrbücher" macht derselbe folgende merkwürdige Geständnisse: „Wir
vermögen mit unbewaffnetem Auge von dem gepriesenen bundes-
staatlichen Charakter des Nordbundes nichts zu entdecken. ... Hier
ist nur ein Wille, der Wille des preußischen Staats, der das Ganze
beseelt und auf Umwegen seine Absicht erreicht. Von einer gleich-
mäßigen Unterwerfung Preußens unter die Bundesgewalt sollten
politische Männer nicht sprechen, denn die Bundesgewatt ist im
G^nde — Preußen selber. Dem Wesen nach ist der norddeutsche
Bund ein werdender Einheitsstaat."
Dies sagt Hr. v. Treitschke, hierin gewiß der unverdächtigste
Zeuge, den man finden kann. Wenn nun aber der Norddeutsche
Bund kein Bund, sondern gleich ist Preußen; unvermeidlich in
den Einheitsstaat ausläuft; wie können Solche, welche vorgeben,
Bayern nicht preußisch machen zu wollen, unfern Eintritt in jenen
Bund verlangen, ohne sich entweder als beschränkte und kurzsichtige
Politiker zu erweisen, oder einen Verrath an der Freiheit und der
Verfassung unseres Landes zu begehen? Ein Drittes gibt eS in
dieser Sache nicht. Wer aber wissen will was es heißt, die Frei-
heiten seines Landes mit der Ehre der preußischen Unterthanen-
schaft zu vertauschen, der frage in Frankfurt, Nassau, Kurhessen
und Hannover, und frage vor Allem Diejenigen, welche im Jahre
des Unheils 1866 von Bayern losgetrennt und Preußen einver-
leibt worden sind.
Süddeutschland.
* Heidelberg, 23. Jan. Die Offenburger Mißgeburt hat
gleich nach ihrem unberechtigten Eintritt in's irdische Dasein ein
klägliches Ende genommen. Waren ja doch die meisten Acteure
nur aus der Bühne erschienen, um zu erklären, daß sie eine un-
hier, damit kr nicht unbewaffnet zwilchen den braven Rittern liegt, die seine«
Gleichen sind, und Jedweder fein Schwert auf dem Sarge liegen habe, oder
an der Mauer aufgehängt. Er hat ja feines auch so braf geführt, als sie.
Mir ist es vor der Hand noch ohnehin viel zu schwer; kaum daß ich's nur
aus der Scheide bringen kann. Wann's aber 'mal so weit mit mir gekom-
men ist, und es gibt wieder einen schönen Krieg für uns, wie die Kriege,
von denen du bisweilen erzählst, dann komme ich her, und hole mir Vaters
Klinge ab."
Der Greis nickte dem Kinde bejahend zu, und hing den Säbel an einen
ehernen Haken loch über des erschlagenen Kriegsmannes Sarg. — „Recht,
Großvater;" sagte Florentin Friedrich. „Wenn ich da hinauslangen kann,
bin ich gewiß zum Kriege groß genug."
Es waren sieben verhängnißvolle Jahre über die Erde hingezogen; da
standen der Großvater und sein Enkel und Frau Elisabeth von Greifenhorst
wieder an dieser Stätte. Friedrich Florentin hatte jetzt ein Jägercollet an.
Er streckte sich nach der schönen Waffe empor, vermochte aber noch nicht, sie
zu fassen; endlich wagte er einen kühnen Sprung, und es gelang.
„Recht, mein Sohn;" sagte der Alte. „Man muß sich strecken und et-
was dran wagen in dieser großen Zeit, um mit hineinzukommen, wenn man
auch nicht von Alters wegen drinne steht. Die Knaben sollen Jünglinge
werden und die Greife Männer."
Frau Elisabeth segnete die zwei Lebenden ein, Und küßte die Ruhestätte
des Todten, und hinaus dann ging es in die frühlingshelle, vor dem Be-
geisterungsschlage vieler tausend glühenden Herzen wieder jung gewordene
Welt. —
Die herrlichen Gewitterjahre wurden durchdrungen. Großvater und Enkel
kehrten mit Ehren heim, und Elisabeth trat ihnen selig lächelnd entgegen aus
den Kammern, wo sie der Verwundeten und Kranken gepflegt hatte mit Engels-
klarheit und Engelsgeduld. — Da ward auch des tapfern Chasseur-Obristen
Fritz Greifenhorst irdische Hülle aus dem Gewölbe geholt, und mit kriegerischen
Ehren zu Grabe gebracht auf dem Anger der Dorfes, wo damals Florentin
Friedrich als Knabe zum Herbsttanze hatte gehen wollen. Jetzt war es auch
wieder Herbst, und der edle Jüngling senkte das rühmlich geführte, mit der
vaterländischen Degenquaste prangende Schwert seinem edlen Vater in das
stille Ruhebette feierlich nach.
„Ja wohl!" seufzte er; „nun ist es ein rechtes Herbstfest geworden für
uns auf diesem Anger."
„Die Ackerleute bei mir zu Land", sagte Elisabeth, „nennen das Acrndten
oftmals auch Herbsten. Ja, der liebe Gott hat geherbstet! Und ist denn
unsre ganze Lebensbahn etwas anderes, als ein Wachsen zu diesem Aerndte-
fest?" —
„Amen!" sagte der alte Obrist. Als er die Kriegsleute, welche seinen
Sohn beerdigt hatt.n, zum ernsten Leichenmahle ordnete, hob er, zwischen
Tochür und Enkel stehend, seinen Becher voll rheinischen Wernes hoch empor,
sprechend:
„Auf eine stille, selige Herbstfeier für uns Alle, und einen reichen, ewig
blühenden Aerndtekranz!"
 
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