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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 89-101 (3. August - 31. August)
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Mr Stadt

Donnerstag und Samstag.

1869.

Donnerstag den 12. August

M 93.

^2 Das Treiben des Protestantenvereins.
m.
Was der Protestantenverein von den Katholiken und ihrer
Kirche hält, welche Maßregeln er der Staatsgewalt gegen sie zu
ergreifen anräth, findet sich deutlich ausgesprochen in der neuesten
Broschüre Bluntschli's: „Character und Geist der politischen Par-
teien", aus der wir kürzlich einige Auszüge mitgetheilt haben. Wir
eignen diese Aussprüche dem Protestantenverein zu, denn Blunt-
schli ist das Haupt und der Führer desselben, und was er hier
ausgesprochen, verwehrten die Redner und Blätter der Partei bei
jeder Gelegenheit. Bluntschli spricht zwar mit der bekannten Taktik
des Protestanlenvereins immer nur von Ultramontanen, Ultra-
montanismus und Jesuiten, wo er die katholische Kirche meint,
denn wenn man diese (d. h. den katholischen Glauben) direct an-
griffe, „Seite 44", würden dann auch viele seiner Gegner dem
Ultramontanismus zu Hilfe kommen. Es würden ihm alle die
thatsächlich beistehen, denen die Religion als ein unschätzbares
Gut theuer ist. ... Die katholische Kirche ist noch auf lange Zeit
hin eine Weltmacht, welche auf viele Millionen Menschen, auf
Hohe und Niedere einen mächtigen Einfluß übt. Die politischen
Parteien müssen daher in ihrem Kampfe gegen den Ultramontanis-
mus sogar den Schein mit äußerster Sorgfalt vermeiden, daß sie
die Religion antasten und den Katholicismus vernichten wollten
. . ." d. h. der Protestantenverein findet es noch nicht an der
Zeit gegen den Riesen, katholische Kirche genannt, offen los zu
gehen, man geht ihr also auf Schleichwegen, unter trügerischer
Piratenfahne zu Leibe, um alle Philister und Auchkatholiken einst-
weilen als Bundesgenoffen gegen das Gespenst des Ultramontanis-
verbrauchen zu können. Der Protestantenverein ist sich
dieser Unredlichkeit klar bewußt, er weiß, daß er
unter dem Phantom des Ultramontanismus einzig
und allein die gesammte kath. Kirche bekämpft;
Bluntschli hat dies S. 45 genannter Broschüre deutlich ausge-
sprochen, wo er zugibt, daß gegenwärtig „auf dem ganzen Kampf
felde die legitimen Vertreter der katholischen Kirche, Papst und
Bischöfe sich mit der ultramontanen Partei indenlificiren." Die
Katholiken erfahren daraus, daß der Protestantenverein und die
Loge, wenn sie von Ultramontanen und Ultramontanismus sprechen,
darunter das Oberhaupt der katholischen Kirche, sümmtliche Bi
schöfe und Priester der katholischen Kirche und alle kirchlich gesinn-
ten Katholiken, d. h. die katholische Gesammtkirche meinen. Von
dieser also gelten die Aeußerungen Bluntschli's, wenn er vom Ultra-
montanismus und von den Ultramontanen spricht; sie ist das häß-
liche Zerrbild, die gräuliche Gemeinschaft, der Ausbund von Lüge,
Verdummung und Gmeingefährlichkeit als welche die Loge, der
Protestantenverein und deren gedankenlose Nachbeter unter dem
Namen Ultramontanismus die katholische Kirche bekämpfen.
Man höre:
„Der Ultramontanismus unternimmt es, die moderne Welt
wieder zurückzutreiben und zurückzuführen in die kirchlich politi-
schen Zustände des Mittelalters. Ebendeßhalb ist er unverträglich
mit der ganzen Geistesbildung der Neuzeit . . . Heute ist die Er-
neuerung jener Macht erfüllt von dem Geiste des Hasses gegen
allen Fortschritt der Zeit, der Reaction in ein entschwundenes
Zeitalter und der Unterdrückung aller freien Regung . . .ein
Gespenst, das die Welt erwidert . . . mit Vernunftgründen nicht
zu überzeugen ... sogar die Gesetze und Pflichten der Sittlich-
keit und Humanität gelten der ultramontanen Partei wenig, wenn
ihre Interessen damit in Conflict kommen. Jeder Sieg der ultra-
montanen Partei bedeutet eine Niederlage der menschlichen Cultur-
entwickelung und der Civilisation . . Das (ultramontane d. h. kath.)
Volk verarmt, verdummt und der Staat versinkt. Der Ultramon-
tanismus ist das größte Hinderniß der deutschen Einigung und
der fröhlichen Entfaltung des deutschen Geistes."
Kann man ein scheußlicheres Bild von der katholischen Kirche
aufstellen? Muß nicht jeden ehrlichen Katholiken Zorn und Ab-
scheu ergreifen über diese Besastmpfung seiner Kirche und somit
über seine eigene Herabwürdigung? Aber nur gemach, es kommt
noch besser, nicht bloß der katholischen Kirche in ihrer Gesammt-
heit geht man zu Leibe, nein, man will auch jedem einzelnen Katho-
liken an den Kragen: „Vorsicht ist geboten bei der Besetzung

der öffentlichen Aemter mit ultramontangefinnten Personen. Der
moderne Staat macht den Bock zum Gärtner, wenn er die poli-
tische Leitung den Ultramontanen überläßt. ." Also keinem Katho-
liken soll mehr ein Dienst, eine Anstellung, ein Amt vom modernen
Staate übertragen werden, vom Nachtwächter und Todtengräber
an bis hinauf zum Oberhofrichter, sie müssen als mundtodt, als
Poria's und Heloten behandelt werden, dann werden sie schon in's
Protestantenvereinslager in Schaaren gelaufen kommen und um
Aufnahme bitten, um wieder rehabilitirt zu werden. Und wenn
die Quertöpfe auch dann noch nicht sich geben wollen, wohlan, der
moderne Staat hat noch andere Mittel! Sehr schädlich wirkt in
dem Kampfe mit dem Ultramontanismus jede Zaghaftigkeit und
jede Unsicherheit in der principiellen Haltung der Staatsgewalt
. . . Deßhalb bedürfen die Ultramontanen gar sehr vorerst der
strengen und strammen Rechtszucht des modernen Staates, welcher
sie mit starker, eiserner Gewalt zwingt, der gesetzlichen Ordnung
auch dann Folge zu leisten, wenn sie in Folge ihrer kirchlich -
religiösen Vorurtheile derselben abgeneigt sind" d. h. Ausnahms-
gesetze, Preßprocesse, Consiscationen kirchlichen Eigenthums und
ultramontaner Privatrechte, strafloses Gewährenlassen aufgehetzter
Rotten bei Wahlen und Versammlungen der Katholiken, Rastatter
Kaffematten und Bruchsaler Zellenhaft, Kreisgefängniffe und
Arbeitshäuser für die Nlchtanbeter des modernen Staates, für wel-
chen Geheimerath Bluntschli im „destregierten Staate diesseits des
Oceans" die Programme schreiben und mit seinen Affilirten auch
die Execution besorgen möchte.
Von der „Verbannung" und Landesverweisung der Ultra-
montanen will Bluntschli vor der Hand noch absehen, S. 38, ob-
gleich sie diese Austreibung wohl verdienten, „da sie selber heute
noch alle Ketzer ausrotten" wollten. Wir glauben, daß diese Milde
des Hrn. Geheimeraths und Stuhlmeisters Bluntschli dem katho-
likengünstigen Umstande zu danken ist, daß es doch eine gar um-
ständliche Sache wäre z. B. eine halbe Million badischer Katho-
liken etwa nach Ostpreußen zu transportiren und die dortigen
preußischen Hungerleider in die gesegneten Gefilde unseres nicht
umzubringenden Culturstaates, als Material für den Protestanten-
verein zu versetzen; auch dürfte die Austreibung der zwei Drittel
Ultramontanen, wenn sie wie voraussichtlich nicht freiwillig gehen
wollten, durch das übrige Drittel eine wenig Erfolg versprechende
Operation sein, wenn man nicht gerade freundnachbarliche Hilfe
von dem Manne aus Blut und Eisen oder von den gesinnungs-
verwandten Trägern des modernen Staates in Polen und den
Ostseeprovinzen dafür verwenden wollte. Hr. Bluntschli weiß als
Staatsrechtslehre:: vielleicht auch, daß frühere Culturstaaten z. B.
der weiland egyptische Staat nichts von Verbannung wissen wollte,
sondern die müßliebigen Individuen schon in ihrer Jugend ersäu-
fen ließ, um sie nicht zu alten Bösewichten heranwachsen zu lassen,
und die Arbeitskraft der ausgewachsenen Juden sehr nützlich ver-
wendete, indem sie umsonst Ziegeln brennen und beinevst noch
Material- und Betriebskosten übernehmen mußten, während die
egyptischen Junker und Mastbürger und Götzenanbeter sich güt-
lich thaten und vergnüglich zuschauten, und mitunter zum Zeit-
vertreib die armen Teufel auch todtschlugen.
Nichts Neues unter der Sonne; wer weiß was geschieht,
wenn die Saat reif geworden, die dermalen und seit langer Zeit
in den Hörsälen der Universität Heidelberg und von den Kanzeln
des Protestanlenvereins gegen die Ultramontanen ausgestreut wird,
und Superlativ Bluntschli nach Comparativ Jolly die „strenge und
stramme Rechtszucht" mit „starker eiserner Gewalt" ohne „Zag-
haftigkeit und Unsicherheit" zur Anwendung bringt. Einstweilen
wissen wir nur, daß die Juden an's Ufer und weiter kamen,
Pharao, mit feinen Getreuen im rothen Meer begraben liegt. —

Süddeutsch! Md.
* Heidelberg, 10. Aug. kur nobile Irutruru — ein edles
Brüderpaar, so heißt es, wenn man den Artikel m dem heutigen
Emmerlina'schen Käseblatte über die Prozeßverhandlung in Sachen
Schmieder oorUru Vissing liest. Ein edles Brüderpaar, — Lang
und Emmerling! Wie diese Würdigen es nämlich treiben, davon
nur ein Pröbchen. Emmerling schreibt in das Lang'fche Amts-
 
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