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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 63-74 (3. Juni - 29. Juni)
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M 66.

Erscheint wöchentlich dreimal:

Donnerstag und Samstag.

Constitutionelle Zustände.
Man meldet aus Neckargemünd: Officielle Versammlung der
Regierungspartei auf dem Nathhause durch die Schelle zu
sammengeiäutct unter Vorsitz des Herrn Amtsrichters Beck.
Beschluß: die Jollyadresse an die Bürgermeister des Bezirks zu
senden.
Von Klepsau: Die Regierungspartei suchte die Bürger vom
Unterzeichnen der katholischen Adresse dadurch abzuhalten, daß sie
aussprengte, die Adressen würden von Karlsruhe nach Berlin ge
schickt und dann kämen Strafpreußen in's Land. Die Drohung
erregte ein Lächeln des Mitleids.
Das bewußte Pamphlet „an die Katholiken" wurde unter dem
Poststempel Neckargemünd (Hr. Amtsrichter B.ck?) an das Bürger-
meisteramt gesendet? Es zieht aber nicht; man merkt den
BocksfußI

Katholische Volkspartei.
Weitere Adressen an S. Kgl. Hoher! den Großherzog mit der
dringenden Bitte um Kammerauflösung sind abgegangen:
Von Plankstadt von 140 Staatsbürgern.

„ Brühl
67
--
Billigheim „ i
Sulzbach „ s
192
Oberwittstadt
168
Ntttersbach „
54
Auerbach „
41
Großsichslzheim
18
Schönfeld von
51
Klipsau „
161
--
Ettenheim „ s
--
EUenheimweiiers
400
Seelbach von
135
--
Wittelbach „
53
--
Griesheim „
145
Windschläg „
114
--
Oberwinden „
58
N-ch
74
Heimbach „
41
--
Bretten „
94
ö?
Ebnet „
136
K-
Kirchen „
58
Ettlingen „
307
--
Ottenhofen „
210
Stupferich „
LIO
Königshöfen „
133
E ommersdorf
1l7
--
Tiefenbronn „
80
Oberwittighausen 63
--
Eubigheim von
60
--
Hohenstadt „
12
--
Stadt Bühl „
265
--
Eichtersheim „
33
--
Hatzenweier „
34
--
Hochdorf „
115
Altdorf „
94
z?
Bollschweil „
133
--
Ludwigshafen
66
Z?
Wagenstadr „
57
Zunsweier „
179

Ueberlrag von letzter Nummer 22,689
_Ueberlrag: 26^7 Staatsbürger.

Süddeutschlünd.
§ Bom Lande, 6. Juni. Angenommen die Ministeriellen,
Ai, "en die Offenburger gegenwärtig^us einem Trog- f.essin,
hüllen Recht mtt der Behauptung, daß die Führer der kathol,scheu
hinter sich hätten, als das Landvolk, das
„tünollche Summvieh", wie die Gebildeten der N°stoenz sich aus
drücken wurden und daß Alle, die durch Rang und Bildung her
vorragen, der ^ahne des Nationalliberalismus folgten, was märe
damit gewonnen? ' '

„Die größten Fehlgriffe, sagt W. H. Riehl in seinem be-
herziaenswerthen Buch: „die bürgerliche Gesellschaft", Stuttgart
1861, die größten Fehlgriffe, welche der büreaukratische Staat seit
fünfzig Jahren begangen, wurzeln darin, daß er das Wesen des
deutschen Bauern ganz falsch aufgefaßt und den obersten Grund-
satz vergessen hat, daß die conservative Macht des Staates im
Bauernstands beruht. Die Revolution von 1848 zeigte uns that-
sächlich, wie falsch jene Auffassung gewesen . . . . Ein Volks-
führer, welcher der Bauern sich zu bemeistern verstünde, würde
wahrhaft ein fürchtenswerther Volksführer sein, er hätt^e die
wirkliche Mehrheit des Volkes auf seiner Seite,
nicht blos der Kopfzahl nach, sondern auch nach der
materiellen und moralischen Macht."
Wenn man nun die Thatsache in's Auge faßt, daß der mo-
derne Büreaukratismus, weit entfernt den Bauernstand zu heben
und zu schonen, denselben vielmehr durch alle erdenkbaren Lasten
ausmergelt und, so viel an ihm liegt, ihn seines Selbftbewußt-
seins und seiner Selbstständigkeit entkleidet und sogar bei der Ver-
tretung in dm Kammern ihn der Städtebevölkerung gegenüber
verkürzt hat, daß man gleichsam zum höhnenden Lohne dafür sein
religiöses Gefühl in den Staub tritt und alles, was ihm lieb u.
chcuer ist, dem offenen Gespötts preisgibt, kann man da in Ab-
rede stellen, daß der in seiner Exrstenz bedrohte Stand der Bauern
geneigt ist, einem bewährten Führer die Vertheidigung seiner
Sache anZumrtrauen und diesem die ganze Wucht seines nume-
rischen und moralischen Gewichtes zur Verfügung zu stellen? .Und
wenn man hiezu die weitere Thatsache in Betracht zieht, daß die
j tzigen Führer der katholischen Volkspartei erneu ganz respektablen
Lyerl des Bauernstandes auf ihrer Seite haben, weil, sie dessen
Sache zu der ihrigen machen, und wenn man gestehen muß, daß
gewisse Namen heute schon eine ganz slectrischs Wirkung auf das
Landvolk üben, was, fragen wir, hat dann der Liberalismus ge-
wonnen mit der Behauptung, daß dis Führer der kath. Volkspar-
lei Niemand als das Landvolk hinter sich hätten?
Diese Frags möchten wir gewissen Leuten zur ruhigen Er-
wägung vor Augen halten. Würde mau sie bei nüchternem Geiste
schon längst erwogen haben, gewiß — mancher beschämende Schritt
würde erspart worden sein.
X Aus dem Amtsgerichtsbezirk Neckargemünd, 8. Juni.
Langeweile für einen Beamten taugt in der Regel nichts, denn sie
führt auf Aowege. Aber es gibt auch Ausnahmen, denen die
Langeweile erst recht die Kraft verleiht, dem Staatswohl Dienste
zu leisten. Dies ist bei unserem Amtsrichter Beck der Fall. In Er-
mangelung gehöriger Beschäftigung hat sich der Mann auf die
Politik geworfen, treibt solche aber, und dies sei ihm zur Ehre
gesagt, m harmloser Weift. Denn er ist nichts weniger als ein
Schnauzmeier; gutmüthig von Natur kann er auch Gegenreden
vertragen. Aber trotz Rundreisen, Bürgerabenden, Bürgerversamm-
lungen, Landesbaseanikeln hat es der Strebsame noch nicht zum
Agitator des Bezirks bringen können; ja es läßt sich sogar nach-
weisen, daß gerade in den Orten, wo seine Geistesfunken zünden
sollten, mehr wie je ein nasses, für Feuer nicht empfängliches
Stroh vorhanden ist. Nun treibt er seit Offenburgs „frohem Ge-
denktag" in loeo Neckargemünd hohe Politik, nicht die Amtsschelle,
wohl aber die Rathsschelle wird in Bewegung gesetzt, denn der
Bürgermeister ist ja gesinnungstüchtig von Kopf bis zum Leist
und wenn er auch nicht sprechen kann, so hat ihm der Amts-
richter dieses Geschäft freundlichst abgenommen. Doch zur Sache.
Dre Nathfchelle war am letzten Sonntag erklungen, bedächtigen
Schrittes zogen die Leuen aufs Gemeindehaus, die Zahl wollte
nicht groß werden, Auch-Beck hielt einen Vortrag, Mancher lief
fort und am Schluß Unterzeichnung der Adresse für das Jolly-
Regrment pur korco. Noch zwei solcher Versammlungen und
Neckargemünd ist geheilt.
1^. Von der Kinzig, 8. Juni. Auf die Empfehlung des
Pfälzer Boren habe ich nur die Broschüre des Hrn. Th. Hilgard:
„Wer soll über Krieg oder Frieden entscheiden?" angeschafft und
brn ganz mtt der Ansi.!,t einverstanden, daß das Recht der Ent-
scheidung über Krieg oder Frieden der Zustimmung der Volksver-
tretung bedarf. Ebeudeßhatb bin ich aber auch weiter mit dem
Vorschlag eiuverstunoen, daß dieses Verlangen unter die Forde-
rungen der VolkeparLeL ausgenommen werden soll. Zur
 
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