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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 115-127 (2. Oktober - 30. Oktober)
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und Land.

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Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

124.

Samstag den 23. October

1869.

Die bürgerliche Zwangsehe und die öffentliche
Sittlichkeit.
d. Aus der Pfalz. Das neue Schulgesetz, die dazu ge-
hörigen Vollzugsverordnungen, der neue Lehrplan nebst andern
dabin zielenden Erlaße und Kundgebungen sprechen von der sittlichen
Erziehung und Bildung, vom „sittlichen Ernst", der unter dem
Volke herrschen und deßhalb gepflegt werden soll. Die obliga-
torische Civilehe oder bürgerliche Zwangsehe soll offenbar zur Er-
reichung dieses Zweckes behülflich sein; steht sie doch in Einklang
mit allen übrigen Erzeugnissen der neuen Aera. Wir wollen die
Sache einmal näher prüfen.
Bei Gelegenheit der Adreßdebatte in der I. Kammer sagte
der Herr Staatsminister auf die Rede des hochw. Hrn. Bisthums-
verweiers über die Grenzregulirung zwischen Kirche und Staat
Folgendes:
„Als die Gesichtspunkte, nach welchen bei der Grenzregulirung
„zu verfahren sei, bezeichnet er (der Herr Bischof) das Recht, die
„Natur der Sache und geeignete Rücksichtsnahme auf feste und
„liebgewonnene Sitten des Volkes. Damit kann ich meinerseits
„mich vollkommen einverstanden erklären."
Wenden wir die letzten Worte des ersten Satzes einmal auf
die Civilehe an. Die kirchliche Trauung resp. die kirchliche
Eingehung der Ehe ist in den Sitten des Volkes ge-
gründet, gehört zu steinen lie bgewonn e nen Gew o hn-
heiten, die Civilehedagegen widerstreitet de »reli-
giösen Anschauungen, den frommen Gefühlen des
Volkes, seinen guten Sitten.
Zu allen Zeiten und bei allen Völkern der Welt wurde die
Ehe unter den Schutz und die Anspielen ihrer Priester gestellt,
und ihr eine religiöse Weihe zu verleihen gesucht. Bei den Juden,
Griechen, Römern, Aegyptern, Indiern, den Barbaren, wurde sie
unter religiösen Sitten und Cermonien eingegangen, als ein heili-
ges, religiöses und göttliches Institut angesehen. Bei den
Christen war es von Anfang an bis heute der Fall. Die Defini-
tion des 60I-PN8 ^nris oiviÜ8 sagt von der Ehe: sie sei vaari8 6t
kevainW eongunetio, inäiviänkin vitss eon8U6tuäin6va oootin6N8,
ovani.8 vitss 6ON8ortiuio äivini 6t blurnLni guri8 oomronnieutioi-
Die Civilehe dagegen benimmt der Ehe ihren religiösen Charakter,
negirt ihn vollständig, macht sie zu einer reinen bürgerlichen
Standesfache, „zur weltlichen Hartthierung" — aber eben dadurch
schädigt sie die guten Sitten des Volkes. Wir fragen: wird viel-

Ein Frühstück in Malmaison
Von L M Oettinger.
Josephine, der Glücksstern Napoleons, war eine Sonne strahlender Tugen-
den, die blendend aus den Wolken hundert kleiner Fehler durchschimmcrte; die
Kaiserin hatte ein edles Herz, erfüllt von jener seltenen Menschenliebe , die an
der Wimper eines Andern keine Thräne sehen kann, ohne das Bedürsniß zu
fühlen, diese Thräne, das sichtbare Zeichen eines unsichtbaren Gram's, zu stillen.
Die Kaiserin war einer jener irdischen Engel, welche den Haß, diese häßlichste
aller Leidenschaften, nur dem Namen nach kennen. Sie war versöhnlich, groß-
müthig und wohlthätig, ein Vormund der Waisen, eine Mutter der Armen.
Sie besaß, wie gesagt, tausend liebenswürdige Eigenschaften, aber auch, ich
wiederhole es, hundert kleine Schwächen; sie war abergläubisch, leichtsinnig,
verschwenderisch, prunksüchtig und wie Rousseau's Julie, ein wenig eine-Gut-
schmeckerin.
An einem Tage^ an welchem die Nachricht von einem gelungenen Unter-
nehmen des Kaisers eingetrosten, war der Glücksstern- Napoleons ganz außer
sich vor Freuden und bei so gutem Appetit, daß er dieses glänzende Ereigniß
in der Zurückgezogenheit Malmaison's, in einem kleinen Eirkel vertrauter
Freunde, so recht ovu umorn zu feiern beschloß.
Der Zufall hatte es gewollt, daß sie Nachts vorher, vor dem Einschlafen,
I. P. Lhaustard's ttoloMbalo ou L^uisse moräle ckre lu äissülutidn romaine
Kons los Lmp6reur8 (Paris, 1802) gelesen. Der genäschigen Creolin war das
Wasser im Munde zufammengelaufen, als sie darin die Beschreibünq feiner
luxiöser Gastmähler gefunden.
Sie hatte sich todtlachen wollen, als sie an die Stelle gekommen war, in
der er,ählt wird, Heliogabaküs; welcher in dem Glauben gelebt, daß der Wunder-
vogel Phönix keine Fabel sei, sondern wirklich existire, habe seinem Mundkoch
den Befehl ertheilt, ihn zu fangen und an den Bratspieß zu stecken, um zu
wissen, ob ein Phönixbraten bester schmecke, als Pfauen - und Nachtigallenzun-
gen, als Papageien- und Fasanengehirn, als Straußen - und Flamingosteisch,
die bekanntlich die Lieblingsbraten dieses großartigen Verschwenders waren.

leicht die Sittlichkeit gefördert, wenn das Aufgebot vom Fenster
des Rathhauses aus durch den Bürgermeister oder Ortsbüttel statt
von der Kanzel durch den Geistlichen verkündet wird und die
Trauung vor dem Amtmann, dem Notar und einigen Schreibern
in der Amtsstube statt vom Seelsorger vor dem Altar in der
Kirche geschieht? Treffend sagte deßhalb der Abgeordnete Reichen-
sperger in der preußischen Kammer: „mit Entrüstung wird eine
„christliche Jungfrau, wenn ihr Gatte, der ihr nur civilrecht^
„lich angetraut und durch den Schulzen mit ihr verbunden ist,
„den Vorschlag, als seine Frau ihm in seine Wohnung
„zu folgen, von sich weisen." Die Ehe verliert durch solche Ex-
perimente offenbar an ihrem Werth und Wertschätzung in den
Augen des gläubigen Volkes und schon eben deßhalb widerstreitet
sie der öffentlichen Sittlichkeit.
Die Civilehe ist verwerflich, weil sie Gelegenheit zum
unsittlichen Handeln bietet, den Menschen Mittel und Wege zeigt,
um dem Sittengebot auszuweichen. Die Kreuzzeitung, Organ des
seligen Hengstenberg, sagte vor mehreren Jahren ganz zutreffend:
„Jede Mißstimmung gegen den Pfarrer, jede Unzufriedenheit mit
„der Kirche und ihren in manchen Fällen so unbequemen und
„lästigen Geboten und Vorschriften, sie sei begründet oder unbe-
gründet, jede kleinliche Zwistigkeit, jede wirkliche oder eingebildete
„Bequemlichkeit, jedes Gelüste mit einer frivolen Gesinnung Auf-
sehen oder Scandal zu machen, ja der boshafte Zweck den Pfar-
ger zu kränken, genügt, um die kirchliche Ttauung auszuschlagen
„und sich mit der staatlichen Form zu begnügen." Indem der
Staat auf die kirchliche Seite der Ehe keine Rücksicht nimmt, son-
dern dem Gewissen der Einzelnen es überläßt, ob und wie weit sie
dem Gebote der Kirche nachkommen wollen und seine Eheform für
genügend erklärt, duldet er selbst den Ungehorsam gegen die kirch-
liche Autorität und untergräbt zugleich auch die Achtung vor
den staatlichen Gesetzen. Heißt das die Sittlichkeit befördern,
sittlich handeln? Wo bleibt da der „sittliche Ernst"? Wir wol-
len nicht davon reden, daß der kirchliche Ungehorsam leicht in
einen staatlichen umschlagen, sich wie gegen den Altar so gegen
den Thron wenden kann. Unsere Staatsmänner spielen hier mit
der Flamme, die viel leichter den Thron und die Staatsgeoäude,
als die Felsen der Kirche verschlingen wird.
Die Civilehe schädigt die öffentliche Sittlichkeit, weil sie zum
Satz führt: „Wer das Recht hat die Ehe zu schließen, hat auch
das Recht sie zu öffnen d. h. zu scheiden. Nichts ist consequerfler;
denn zur Ehegesetzgebung gebürt sowohl die Eingehung als Äuf-
Jofephine hatte es verzeihlich gefunden, daß jedes der gewöhnlichen Diners
dieses Kaisers 50,000 Drachmen gekostet!
Ich beneide diesen Helwgabal, hatte sie ausgerufen und ein Ohr in's Buch
gemacht, um mit all diesen Genüssen einzuschlafen. Ihre durch die Lesung
dieses Buches aufgeregte Phantasie war so galant gewesen, alle die schönen
Dinge, wovon sie gelesen, ihr im Traume noch einmal vorzusühren. Sie hatte
eine Phalanx goldener Schüsseln gesehen, worauf Straußen - und Flamingo-
fleisch, Papageien - und Fasanengehirn, Pfauen- und Nachtigallenzungen fo
appetitlich zubereitet lagen, daß sie träumend sich das Versprechen abgenom-
men, sobald als möglich ein Diner ü In ttelioZndalö zu veranstalten.
Als sie am Morgen erwacht war und die frohe Nachricht erhalten hatte,
beschloß sie, das, was sie sich träumend versprochen hatte, sogleich auszu-
führen.
Zehn Minuten später stellte sich der Intendant der kaiserlichen Küche in
Galauniform im Arbeitscabine-t der Kaiserin ein. —
„Wissen Sie, Laguipierre, warum ich Sie habe rufen lassen ?"
„Nein, Majestät!"
„Ich habe Sie rufen lassen, um Ihnen bittere Vorwürfe zu machen."
„Kaiserliche Majestät!" stotterte der Koch, der vor Schreck so weiß wie
sein Vatermörder wurde.
„Erschrecken Sie nicht! so ernst war es nicht gemeint; Sie sind ein aus-
gezeichneter Koch, dessen Verdienst Niemand am Hofe der Tuilerien bester zu
würdigen versteht als die glückliche beneidenswerthe Gemahlin des Kaisers.
Aber dennoch habe ich die- Bemerkung gemacht, daß sich in unsern Küchenzettel
eine gewisse Einförmigkeit eincjeschlichen hat, die aufrichtig gesagt, mir allen
Appetit benimmt. Das ewige Rindfleisch, das Wildpret habe ich satt, Lagui-
pierre. Sie kennen däs Sprichwort : Dotstvurs porärir! Ich wünsche endlich
einmal etwas Anderes als das ewig wiederkehrende Einerlei zu geniesen."
„Ich bitte Euere kaiserliche Majestät, mir zu sagen, welche Speisen Ihren
Appetit reizen . . ."
„Laguipierre, darf man Ihnen ein Geheimniß anvertrauen?"
„Majestät, mehr als eins", erwiederte der Intendant, der'den Sinn ihrer
Rede nicht begreifen konnte.
„Nun denn, so will ich Sie in ein Geheimniß einweihen, das Sie Keinem
verrathen dürfen. Gestern Nacht habe lch dort in jenem Buche eine pikante
Sittenschilderung des römischen Hofiebens zur Zeit des Kaisers Heliogabalus
 
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