Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

DOI Kapitel:
Nr. 141-152 (2. Dezember - 30. Dezember)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43880#0595

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext




vlertetMyrUch 40 kr. ohn«
Trägerlohn und PostaufschlLg.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzsile.'

M 148.

Samstag den 18. December
Illl l I m iVM».»—'li» nr-—


Einladung zum Abonnement
auf den
^Pfälzer Bolen",
GrgM der kaHMschen MslkspEtei.
Auf das mit dem 1. Januar 1870 beginnende neue Quartal
laden wir ergebenst ein.
Bestellungen für Heidelberg, Neuenheim und Schlierbach wollen
bei der Expedition von L. Schweiß dahier gemacht werden.
Bestellungen in Paketen von mindestens 10 Exemplaren, wobei
wir je ein Freiexemplar gewähren, werden ebenfalls von der Exped.
entgegengenommen, und erfuchen wir um rechtzeitige Anmeldung der-
selben.
Inserate, ä 2 kr. die Zspalt. Petitzeile, finden bei der großen
Auflage unseres im ganzen Lande gelesenen Blattes die beste Ver-
breitung.
Wie der Preis des Blattes — 40 kr. ohne Postaufschlag —
so bleibt auch die Tendenz des Boten, durch die er sich so viele
Freunde unter dem Volke erworben hat, unverändert.
Heidelberg, im Dec. 1869. Die Redaktion.
Kammerverhandlungen.
* Karlsruhe, 10, Dec. (Fortsetzung von Schupp's Bericht
über die Gemeindereform.)
Wiedereröffnung der Sitzung Nachmittags 4 Uhr.
Abg. v. Feder beantragt einen Zusatz zu Z 28, wodurch
die Gemeinderathsversammlungen öffentlich gemacht werden sollen;
dies sei auch in Bayern der Fall. Die Verhandlung werde mit
größerer Würde bei der Oeffentlichkeit stattsiuden. Wenn das In-
teresse der Gemeinde es verlange, könne für den einzelnen Fall
gleichwohl die Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden.
Dieser Antrag wird von Staatsminister Jolly und Abg.
Kölle bekämpft. Letzterer meinte, die Sitzungen seien so lang-
weilig, daß Niemand erscheinen werde; schon bei den großen Aus'
schußsitzungen kämen keine Zuhörer, um so viel weniger werde dies
bei Gemeinderathsverhandlungen der Fall sein.
Abg Huffschmidt ist anderer Ansicht wie der Vorredner
und unterstützt Feder's Antrag.
Abg. Kiefer will nichts von der Oeffentlichkeit wissen und
beruft sich dabei auf Dahlmann, der die Gemeindeversammlungen
nicht zu „Dorfparlamenten" habe erniedrigt sehen wollen.
Nachdem noch eine Reihe van Abgeordneten sich gegen Feder's
Antrag ausgesprochen hatten, wird derselbe bei der Abstimmung
mit allen gegen 5 oder 6 Stimmen verworfen.
Abg. Kölle beantrag: zu § 33: es solle den Gemeinden von
80 bis 150 Bürgern blos gestattet sein, einen Ausschuß zu wäh-
len, und erst solchen über 150 Bürgern soll die Wahl eines Aus-
schusses auferlegt werden. Der Antrag wird von Roßhirt
unterstützt.
Dagegen stellt Lindau den Antrag: „In Gemeinden unter
300 Bürgern soll kein großer Ausschuß mehr bestehen, und die
Bürger in Gemeinden über 300 Bürgern sollen darüber entschei-
den dürfen, ob ein großer Ausschuß geschaffen werden solle; alle
12 Jahre soll dann wieder darüber abgestimmt werden, ob der
große Ausschuß abgeschafft, bezw. eingeführt werden solle." Redner
erläutert, daß das Verlangen nach Beseitigung der Ausschüsse em
allgemeines sei. Letztere sollten nur da eingeführt werden, wo es
absolut nothwendig sei. Es könne sein, daß sie in großen Städ-
ten unvermeidlich seien; man könne dort nicht leicht die Gemeinde-
versammlungen an deren Stelle fetzen.
Abg. Paravicinbekämpft diesen Antrag als zu weit gehend.
Abg. Husfschmid stellt den Antrag: Gemeinden von weni-
ger als 300 Bürgern seien nur berechtigt, einen großen
Ausschuß einzusetzen, welcher Antrag von Lichtenberger unter-
stützt wird.
Abg. Bis sing schließt sich dem Antrag des Abg. Lindau an.
Man habe die Gemeinden nicht blos von der Beamtendevormun-
düng zu befreien, sondern auch von dem Coteriewesen, das durch
einzelne Familien in denselben herrsche. Er wolle dieGefammt-
gemeinde in ihre ursprünglichen Rechte eingesetzt haben. Der
Grundsatz der Vertretung sei von emer gesunden Politik über-

all da verurtheilt, wo die Gesammtheit selbst ihren Willen geltend
machen könne. Daher kämen das Mißtrauen und die Gleichgültig-
keit gegen die großen Ausschüsse, wovon die Herren Kölle und
Paravicini — wohl gegen ihre eigentliche Absicht — ein so er-
schreckendes Bild entworfen hätten. Aber auch die Ausschutzsitzun-
gen selbst könnten nur durch Strafandrohungen zu Wege gebracht
werden. Man solle nur die wichtigsten Gegenstände der Gesammt-
gemeinde übertragen, so daß diese nicht zu häufig berufen werde;
die übrigen aber dem Gemeinderath überlassen. Man wende ein:
in größeren Städten werde die Gemeindeversammlung den erreg-
ten Charakter einer Volksversammlung annehmen und es sei kein
Lokal da in hinlänglicher Größe, um alle Bürger aufzunehmen.
Trotzdem sei er auch hier für die Gemeindeversammlung und gehe
hierin weiter als Lindau. Er begegne beiden Einwürfen dadurch,
daß man die Stadt in Sectionen oder Viertel eintheile, so daß
die Zahl der Bürger keine allzu große zumal sei und Lokalitäten
genug zu diesen nicht allzu großen Versammlungen in Städten
vorhanden wären. Das Gesammtrssultat der Districte xsr vauzoru
fei dann sür die betr. Stadt maßgebend. An die Spitze dieser Sec-
tionen seien Viertelsmeister zu stellen, die sich auch anderwärts erprobt
hätten. Diese hätten oie Versammlungen zu leiten und seien in
allen Angelegenheiten die Vertrauensmänner der Bürger als Rath-
geber und Friedensrichter. Eine große Autorität (Bülau) sage:
„Die Tyrannei in der Gemeinde durch die Herrschaft Einzelner ist
viel schlimmer und gehässiger als im Staat", — es fei dies natür-
lich, denn die Berührung der Einzelnen sei näher und die Gegen-
stände des Streits seien meist materieller Natur, — sie gingen an
den Geldbeutel. In den Landgemeinden sei besonders die Herr-
schaft einzelner Familien bis zur Unverträglichkeit ausgebildet,
denen stets nur ihr eigener Vortheü maßgebend sei. Redner zeigt
nun, wie diese Herrschsucht im Einzelnen geübt werde. Auch die
Rollen, wie die Beschlüsse des Ausschusses ausfallen müßten,
feien vorher schon vertheilt. Die Lokalpresse preise dann jeden
Beschluß als Meisterstück und tadle Diejenigen, welche dagegen
oppomrt hätten. Das Schlimmste sei, daß die Ausschußherren
meinten, ihr Sitz sei in der Familie erblich. Wäre er heute
humoristisch aufgelegt, so würde er Diejenigen, die das Wesen
dieser Vetterschaften näher kennen lernen wollten, auf Nadler's
„Brand im Hutzelwald" verweisen; dort sei treffliches Material
zu finden. Der Abg. Roder habe in einer vorhergehenden Sitzung
einen ähnlichen Antrag wie der Llndau's in Aussicht gestellt, jetzt
aber auf's Wort verzichtet; er (Redner) fordere ihn auf, standhaft
zu bleiben, — der Abg. Rover werde seinem Namen große Ehre
im Lande machen, wenn er mithelfe, den abgestandenen Hutzel-
wald auszuroden. (Heiterkeit.)
Staatsminister Jolly: Der Vorredner zerstöre seine eigene
Gemeindeversammlung dadurch, daß er sie wieder in Atome auf-
löse. Von eurer geordneten Berathung könne in solchen Versamm-
lungen keine Rede sein.
Abg. Lamey unterstützt Kölle's Antrag. Es könne keine
Rede sein von vollständiger Abschaffung der großen Ausschüsse. Das
neue Gesetz solle keine Schule sein sür das Gememdeleben, sondern
es handle sich hier vor allem um eine gute Verwaltung. Man
möge nicht zu weit gehen in der Reform, sonst werde diese an
ihrer eigenen Schrankenlosigkeit scheitern.
Nachdem Kölle, Kirsner uno Kiefer kurze Bemerkungen
gemacht, empfiehlt Lindau nochmals eindringlich seinen Antrag.
Baumstark: Ich will mit wenigen Worten den Antrag
meines Freundes Lindau unterstützen, um einem mir besonders
ertheilten Auftrag zu genügen, einem Auftrag, welcher zugleich mit
meiner innersten Uederzeugung übereinftimmt. Ich bin der Frage,
welche uns so eben beschäftigt, mit einer gewissen Scheu entgegen-
getreten, weil ich nicht sagen kann, daß ich dieselbe im Verlaufe
meines Lebens praktisch m studiren Gelegenheit hatte. Nachdem
ich aber in dieses Haus gewählt war, habe ich in den beiden Be-
zirken, welche mir diese Ehre erwiesen, mit meinen Wählern und
überhaupt mit Männern aus dem Voike mich über diese Fragen
besprochen. Das waren nun lauter Männer, welche in Bezug auf
Gemeindeangelegenheiten ganz den praktischen, vorzugsweise wirth-
schaftlichen und sachlichen Standpunkt verrieten, welchem der Abg.
Lamey so eben mit so lebendigen Worten Ausdruck verliehen hat.
Es waren meistens Männer, welchen eine langjährige Erfahrung
 
Annotationen