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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 38-50 (1. April - 29. April)
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43. Dienstag den 13. April 1869.


Süddeutschland.
* Heidelberg, 9. April. Nach einer Mittheilung des Bad.
Beobachters Vom Neckar, 2. April" wurde am 1. April in
Eberbach ein sogenannter Bürgerabend abgehalten. Gegenstand
der Besprechung war die Einführung gemischter Schulen und traten
als Redner auf der protestantische Abgeordnete Frey von Eberbach,
der Protest. Kreisschulrath Fries von Mosbach und ein Protest.
Pfarrer, Namens Höchstetter. Natürlich waren sämmtliche drei
Redner für Einführung einer solchen Schule in Eberbach, wo die
Katholiken weitaus die Minderzahl bilden, und benützen wir daher
diese Gelegenheit, die stark begründete Vermuthung auszusprechen,
daß Herr Kreisschulrath Fries in dieser Frage nicht so fast einen
prinzipiellen als vielmehr confessionell gefärbten Parteistandpunkt
einzunehmen scheine, indem derselbe die Mischschule nur da empfiehlt,
wo der katholische Theil unter dem Einflüsse der protestantischen
Präponderanz nothwendig nach und nach Schaden nehmen muß,
während derselbe Kreisschulrath für Erhaltung der protestantischen
Schulen unverhohlen selbst da seine Sympathien an den Tag legt,
wo dieselben aus Mangel der Kinderzahl gesetzlich „abgewürdigt"
werden sollten.
Als nämlich die Protestanten einer Gemeinde des Amtes
Sinsheim sich mit Recht bemühten, ihre in letztere Kategorie ge-
hörige Schule zu erhalten, so hat dieser Kreisschulrach einigen
Lehrern gegenüber die Aeußerung gethan: Diese Leute haben ganz
Recht, wenn sie sich nicht wollen „katholisch machen" lassen. Welche
Trost- und Ermuthungsgründe mag dem gegenüber besagter Kreis-
schulrach für die Katholiken in Eberbach gehabt haben?
Ueberhaupt sind uns schon manche Mittheilungen aus dem
Amtsbezirke Mosbach zugeflossen, die auf eine scharfe Unterscheidungs-
gabe gewisser Herrn schließen lassen, wenn es sich darum handelt,
eine katholische oder protestantische Schule „abzuwürdigen", und
wollen wir nur erst unsere Informationen über diese Vorgänge
vervollständigen, um alsdann ein Wörtlein mit gewissen Herrn zu
reden und zugleich dem lesenden Publikum zu zeigen, wie die
Schulreform vielfach gemeint ist und praktisch gemacht wird.
* Heidelberg, 10. April. Wer hat denn auch schon so
etwas gehört? In der amtsverkündigenden hiesigen Zeitung lesen
wir unter den Bekanntmachungen auch folgende:
„Großh. Amtsgericht Sinsheim.
Die Beschlagnahme der Nr. 1649 der
„neuen freien -Presse" datirt Wien,
den 2. April 1869, betreffend.
Nr. 4962. Auf Antrag des Großh. Staatsanwalts und nach Ansicht
der tzß 631 und 607 des Strafgesetzbuches und der 88 19 und 22 des Preß-
gesetzes ergeht:
Erkenntniß:
Der wegen des in obiger Zeitung enthaltenen Artikels „Frankfurt a/M.,
30. Marz (Org.-Corr.) „Einiges über Baden", von Großh. Polizeibehörde da-
hier verfügte Beschlag wird hiemit gerichtlich bestätigt.
Sinsheim, den 7. April 1869.
Mors."
Also die Neue Freie Presse, ein Welt blatt, wird vor ein
hochpreisliches Amtsgericht Sinsheim auf Antrag des Amtmanns
Otto geladen und soll von Amtsrichter Mors vernommen werden.
Zufällig haben wir vor einigen Tagen von einem Herrn aus
Wien erfahren, daß Eigenthümer und Verleger jener Zei
tung, die bereits Millionäre geworden sind, sich neben einander
zwei Paläste in einer der elegantesten Lagen Wiens gebaut haben.
Wir vermuthen, daß sie sich beeilen werden, ihre elegante Luxus-
welt zu verlassen, um vom Amtsrichter Mors in Sinsheim crimi-
nell vernommen und dann von der Strafkammer wegen Störung
der badischen Ruhe in's Loch abgeführt zu werden; denn, ihr lieben
Leute, bei uns versteht man keinen Spaß, vielmehr dürfen wir
mit dem Gaudeamus-Lied der Studenten singen:
„Vernt lVl or s utroeitsv,
Uayit Nos voloeiter,
Uerairn p»ure6b1t."^)
Heidelberg, 10. April. Herr Dr. Reckendorf hat mit
fernem bei einer gemischten Schule vollständig begründeten Vor-
schlag der jüdischen Dabbathberücksichtigung, wie vorauszufehen
war, bei den „Maßgebenden" keinen Beifall gefunden. So ist auch
ein solcher — wir vermuthen Stadtdirektor Stößer — in der säubern
Heidelb. Zeitung dagegen ausgetreten, der den sehr einfach
*) Soll der Herr Pfarrer übersetzen und erklären. Der Bote.

klingenden Vorschlag macht, die Juden könnten ja ihren Sabbath
auf den Sonntag verlegen. Glänzender kann man doch seine
Unkenntniß in religiösen Dingen fürwahr nicht bekunden als es
hier geschehen ist. Uebrigens wundern wir uns nur, daß der Ver-
fasser nicht vorgeschlagen hat, die Christen sollten ihren Sonntag
auf den Schabbes verlegen, — fortgeschritten wären wir ge-
nug dazu!
ffi Rohrbach, Amts Eppingen. Auch ein Stückchen der
neuen Schulära! In dem hier benachbarten Ort Elsenz hat der
kath. Pfarrer W. den Religionsunterricht in der kath. Schule
regelmäßig Montags und Freitags Morgens von 8 bis 9 Uhr
abgehalten. Da aber der Ostermontag ein Feiertag war, so hat
der Herr Pfarrer den Unterricht auf den Dienstag zur selben
Stunde verkündet. Aber was geschah? Als Pfarrer W. in die
Schule kam, war schon der auchkatholische Rathschreiber S., Vor-
sitzender des Ortsschulraths, daselbst und trug den Kindern einen
ganz anderen Unterrichtsgegenstand vor, um damit den Religions-
unterricht zu beseitigen. Als der Pfarrer erklärte, er habe jetzt
Religionsstunde zu geben, erwiderte der Schreiber ganz barsch, das
kümmere ihn nichts, der Pfarrer habe hier nichts zu schaffen, und
führte allerlei beleidigende Reden, wobei er sogar mit dem Stock
drohte. Ueber dieses gemeine Benehmen sind die kath. Bewohner
von Elsenz äußerst erbittert. Der Rathschreiber kommt nie in
die Kirche, ist vielmehr bekannt als Feind derselben, — er will
also auch von einer religiösen Erziehung der Kinder nichts wissen.
Dagegen sieht derselbe andern Schulversäumnissen ganz ruhig und
gelassen zu, so z. B. wenn der Lehrer öfter während der Schul-
zeit sich draußen aufhält oder wenn dis Schulkinder dem Lehrer
häusliche und landwirthschaftliche Arbeiten verrichten müssen, wie
z. B. an dem männlichen Osterdienstag, wo während der Schul-
zeit etliche Knaben das Geschäft hatten, den Garten des Lehrers
zu umzäunen. Was sagen die vorgesetzten Behörden dazu?
— Vom Tauberstrande, 5. April. Bis hierher verbreitet
sich aus Neucapreras Umgebung die Mähr, wie ein Lehrer in
größer Familiarität mit fernen Schulkindern lebt) Einer, der sich
rühmt, mit eine Säule der menschlichen Gesellschaft zu sein. Mit
Frau und seinen eigenen Kindern hauset er in der Schule; es
wird daselbst gekocht, gesotten, gebacken und gebraten. Wahrhaftig
ein nachahmungswürdiges Muster der Sparsamkeit einer cultur-
försterlichen Hauswirthschaft! Die nicht natürlichen Kinder müssen
sich dabei mit dem Gerüche zufrieden geben und wird ihnen nur
das Vergnügen, den Nachtisch aus den Zehen ihres Meisters Her-
auszukruppen. Auch hier bleibt ihnen wiederum nichts Anderes
übrig, als noch lange den Nachgeruch von dem herausgefischteu
Käse an ihren Fingern zu verspüren. Welch' Säu-le der mensch-
lichen Gesellschaft!
X Bruchsal, 8. April. Das muß man sagen, in dem
Bretten drüben ist ein Häuflein Bettelpreußen beisammen, die
ihres Gleichen suchen. Unter Anderem gefallen sie sich auch darin,
hie und da einen Bürgerabend abzuhalten, wobei sie natürlich
höhere Landescultur treiben und eine Ueberschwenglichkeit von
Phrasen entwickeln, wie sie einzig nur auf dem liberalen Grund
und Boden gedeihen. Wenn derlei Bürgerabende das Glück des
Volkes herbeiführen solle-,, dann werden die Männer des Lan-
des noch manchmal von der unerträglichsten Langeweile geplagt
werden. Geradezu eine anmaßende Lächerlichkeit ist es, wenn im
Kraichgauboten sich die beim Bürgerabende Anwesenden als die
„besten Bürger" bezeichnen. Diese Selbstbcräucherung ist zwar
ein stehender Artikel im liberalen Wörterbuch, nichts desto weniger
aber gehört sie bezüglich ihres Wohlgeruchs erbendahin, wo über-
haupt das Selbstlob eingereiht wird. Die Kraichgauer Zeitung
(nicht mehr Kraichgauer Bote) vom 1. April meint, diese Bürger-
abende wurden eigentlich mit Unrecht so benannt, indem dabei
die Büreaukratie das Wort führe rc. Ganz richtig, und das bad.
Volk, soweit dessen Gesinnung nicht durch die liberale Sp egel-
fechterei verdorben ist, hat schon längst die Bürgerabende als das
Stelldichein serviler Seelen quittirt, so daß binnen kurzer Zeit
dieses widerliche Beamtengewächs vollends abgefault sein wird.
Was dann die „besten Bürger" in Bretten und anderswo anfan-
gen werden, aussen wir nicht, sind aber überzeugt, daß auch ohne
sie und ihre norddeutsche Bundesverliebtheit das badische Volk nicht
im Geringsten Schaden leiden wird.
 
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