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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 89-101 (3. August - 31. August)
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Donnerstag den 26. August

Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlas.
* Ins.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag.
Donnerstag und Samstag.

Telegramme.
Baden, 24. Aug. Gewählt v. GulaL mit 18 Stimmen,
Architekt Lang dahier II, Bürgermeister Gaus 1 Stimme.
Offenburg, 24. Aug. Oberhosgerichtsrath Dr. Roßhirt
zum Landtagsabgeordneten gewählt.
Rastatt, 24. Aug. Dekan Lender mit 51 gegen 47
Stimmen gewählt; eine Stimme ungültig.
Freiburg, 24. Aug. Baumstark im Bezirk St. Peter-
Freiburg mit einer Mehrheit von 9 Stimmen gewählt.
Buchen, 24. Aug. Minister v. Dusch mit 34 gegen 25
Stimmen gewählt.
Durlach, 24. Aug. Gewählt Gastwirth Friderich mit 51
von 55 Stimmen.
Säckingen, 24. Aug. Gewählt wurde Kreisgerichtsrath
Baumstark.
Ueberlingen, 24. Aug. Gewählt Minist.-Rath Poppen,
der frühere Abgeordnete, einstimmig.
2. Ein neuer Till Eulenspiegel im Kampf gegen
einen angeblichen neuen Don Quixote.
Der Uebertritt eines angesehenen characterfesten Beamten zur
kathol. Kirche und dessen gediegene Ansichten über kathol. und
Protest. Kirchenthum liegen unseru Gegnern immer noch schwer
im Magen. Deßhalb nehmen sie zu den stärksten literarischen
Erbrechungen ihre Zuflucht, um ihrem leidenden Zustande abzu-
helfen. Aus dem jüngsten derartigen Versuch haben wir eine
Schmähschrift zu bezeichnen, die unter dem erbaulicheu Titel: „Das
neue Nom und sein neuester Dori Quixote" in Lahr
gegen den Herrn Kreisgerichtsrath Baumstark losgelösten wurde.
Schon der Titel ließ uns vermutheil, daß wir es im Verfasser
der Schmähschrift mit einem neuen Eulen spiegel zu thun

haben; unmöglich hätte sonst der angebliche neue Don Quixote
eine so große Anziehungskraft auf ihn ausüben könenn; „gleiche
Geister finden sich."
Der Verfasser jener Schrift, der nach bekannter Art durch
Anonymität seinen Pelz zu schützen sucht, glaubt sein Ansehen zu
erhöhen, wenn er als „Laie, d. h. als Mann aus dem Volke"
schreibt; gerade als „Laie" aber hätte er die wenigste Ursache,
gleich auf der ersten Seite dem Herrn Baumstark „den Beruf",
„das Zeug" und „die begeisternde, religiöse Weise" abzusprechen,
„um über so hochwichtige Dinge zu urtheilen." Ueberhaupt scheint
unser Pamphletist sehr an Gedächtnißfchwäche zu leiden; denn
überall tadelt er an seinem Gegner ohne Grund, was er selbst
sich zu Schuldet! kommen läßt, vor allem eine beispiellos „schmutzige"
Sprache.
Wir müssen uns bei der Beurtheilung des uns vorliegenden
Schriftstücks ganz kurz fassen, theils aus Rücksicht auf den Pfälzer
Boten, theils weil die Schrift bloß die längst widerlegten Vorur-
teile vergangener Jahrhunderte frisch aufwärmt, so daß sich in
letzterer Beziehung gerade das bewahrheitet, was der berühmte
Literarhistoriker Vilmar über die Schwänke Eulenspiegel's äußert:
„Es ist der Witz der Landfahrer und wandernden Handwerksge-
sellen, der nicht gemacht und nicht erfunden, sondern mit dem
Handwerk selbst erzeugt ist und sich in den manichfaltigsten
Gestalten unauflöslich wiederholt." Es hieße in der
That mehr als: „Wasser in den Rhein tragen", wenn man auf
die alten Phrasen von: Jesuitenclerisei, Priesterabsolutisten, vctter-
landslose Römlinge, christuswidriger Nomanismus des Priester-
staats, Scheiterhaufen, pfäffische Volksbethörung, Aberglauben,
Rückschritt, römische Kirchenmafchinerie", re. rc. näher eingehen
wollte. Solche Gespenster existiren nur für den, der daran glaubt
„und sind nach Inhalt und Form einfach der niedersten, frei-
maurerischen und jüdischen Preßtaktik entnommen, die

Confiscirt l*)
Las g'rade vom Könige Pharao,
Wie der in Aegypten regierte
Und durch den Minister Potiphar
Die Presse stets chikanirte
Tagtäglich wurden da confiscirt
Die Blätter und Literaten.
Die „Gutgesinnten" freuten sich sehr
Ob dieser Negierungsthaten.
Unsicher und gefährlich jedoch
Ward jetzt es an allen Orten,
Die Großen sündigten ungenirt
Handgreiflich und mit Worten.
Und so versumpften dann mit der Zeit
Die Menschen und auch die Sitten,
Weil Pharao und Potiphar nicht
Die Freiheit der Presse gelitten.
„Ha!" dacht' ich, „wie leben in Hamburg wir
So glücklich in Preßgefchichten;
Hier schreibt man die Wahrheit ganz ungenirt.
Und ebenso darf man auch dichten."
„Den Lumpen darf man nennen: „„Herr Lump!""
Darf Hieroglyphen entziffern.
Dars sagen: „„Die hohe Polizei schreibt
Jetzt nur in Höllenstein-Chiffern.""
Schon wollte ich rufen : „Mein Hamburg hoch !
Schreit mit mir Ihr Juden und Christen."
Da kam die Polizei und con-
fiscirte den Humoristen!
Moral.
Nicht ist es ersprießlich, o Menschenkind,
Den Tag vor dem Abend zu preisen —
Man kann in Hamburg am Hellen Tag
Von der Eisenbahn entgleisen.
*) Diese dem Hamburger „Humorist" entnommene Satyre hat nicht
blos ^ur die Hansestadt Bedeutung, sondern verdient auch anderwärts
gelesen zu werden. Die Redaktion des Pfälzer Boten.

sDie Preußen in Barcelonas Gustav Rasch schildert in seinem
kürzlich erschienenen Buche: „Vom spanischen Revolutionsschauplatz" das Ge-
bühren derselben in folgender Weise: Alle Preußen, welche ich in Barcelona
sah, waren von der „Preußenseuche" angesteckt. Seit einer dreimonatlichen
Reise in Spanien hatte ich glücklicher Weise von dieser widerlichen Krankheit
nichts gehört. Für Spanien ist die Zeit der Großmachtseuche lange vorüber.
Sie fällt in die Jahrhunderte der spanischen Eroberungskriege in Amerika und
die spanische Freiheit ist im Blute dieser spanischen Großmachtseuche ertrunken,
sowie das ganze Elend, aus dem das unglückliche Land seit Anfang dieses
Jahrhunderts sich zu erheben bestrebt ist, das Resultat dieser Großmachtseuche
ist. Um so widerwärtiger, nachdem ich drei Monate lang nur von der Wieder-
herstellung und Belebung volkswirthschaftlicher Wohlfahrt gehört hatte, war
mir der Eindruck, den meine preußischen Landsleute in Barcelona auf mich
machten. Ich habe keinen einzigen unter ihnen entdecken können, der nicht
von der Preußenseuche behaftet gewesen wäre. Ordentlich aufgedunsen vom
Ruhm der in Böhmen geschlagenen Schlachten und errungenen Siege stolzirten
sie in Barcelona einher, und bildeten sich ein, unter den Völkern Europas
durch den Tod von Hunderttausenden, den Kugeln und den Krankheiten erlege-
ner Menschen Etwas geworden zu sein. Die Einheit der deutschen Nation
könnte nach ihrer Meinung nur aus der Fortsetzung einer solchen blutigen Er-
oberungspolitik, welche sich über ganz Deutschland ausbreiten müßte, hervor-
gehen. Wollten die Süddeutschen nicht auf gütlichem Wege der Vereinbarung
an den Segnungen des norddeutschen Bundes, an seiner Steuer- und Militär-
last theilnehmen, so müßte man sie mit der Kanone und mit dem Säbel dazu
zwingen. Und dann müsse man diese Beglückungstheorie auf alle deutschen
Provinzen ausdehnen, welche ehemals zum deutschen Reiche gehört hätten und
seitdem in Frankreich incorporirt wären. Ob die Elsässer und die Lothringer
Lust und Neigung hätten, einen solchen Nationalitätswechsel mit sich vorneh-
men zu lassen, sei ganz gleichgültig. Macht geht vor Recht. Daß die preußi-
sche Armee die französische Armee zum Frühstück verspeisen würde, erschien
ihnen ganz unzweifelhaft. Von der Freiheit sprachen sie kein Wort. Wenn
ich von dieser Blut- und Eisenpolitik, wo „Macht vor Recht geht", höre, so
fällt mir immer wieder ein, daß mir während meiner Knabenzeit erzählt
wurde, jeder Preuße käme mit einem Ladestock im Leibe auf die Welt.

sVe rbr e ch er statt stik.j Die Direktion der Statistik des Königreichs
Italien hat eine Zusammenstellung der im Jahre 1867 vorgekommenen Morde
veröffentlicht, die sich auf die entsetzliche Höhe von 2626 belaufen, so daß auf
je 100,000 Einwohner 11 Mörder kommen. Italien hält in Europa fort-
während im traurigen Capitel Mord die oberste Stelle aufrecht, während
Spanien auf 100,000 Einwohner nur 8,24, Schweden 2,02, England 1,95
und Belgien nur 0,16 Mörder zählen. Die Zahl der Mörder steigt in Italien
von Norden nach Süden. Im Venetianischen kommt aus 100,000 Einwohner
nur 1,59 Mörder, während in Calabrien das Verhältniß sich auf 30,78 stellt.
Besonders peinlichen Eindruck macht die Wahrnehmung, daß eine große An-
zahl dieser Morde mit großer Gleichgültigkeit uns kaltblütiger Rohheit began-
gen wurde.
 
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