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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 102-114 (2. September - 30. September)
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Donnerstag und Samstag. "'TV

Telegramm.
Tauberbischofsheim, 7. Sept. Glänzendes Wahl-
resultat. Vissing 53, Neumaier 9 Stimmen.
* Das Treiben des Protestantenvereins.
VIII.
(Schluß.)
Unter dem Titel „die Heidelberger Excssse" erdreistet sich der
Korrespondent des „Süddeutschen evangelisch-protestantischen Wochen-
blattes" Alles was über die scandalöse Kapellenversammlung vor
der Heidelberger Schulabstimmung in die Oeffentlichkeit gedrungen
ist, mit eherner Stirne in Abrede zu stellen, sowie die Tyranni-
sirung der freien Abstimmung überhaupt wegzuläugnsn. Wenn
auch dis Absicht dabei klar zu Tage liegt, diese jetzt schon ziemlich
veraltete Scene nochmals dem Publicum vorzuführen, so sind wir
doch im äußersten Maße erstaunt über die Leistungsfähigkeit jenes
Wochenblä^es im Verdrehen des wahren Sachverhaltes, wie er sich
unter den Augen aller Welt zugetragen hat. Das Motiv zu einer
solchen noch nie dagewesenen Kühnheit ist nämlich folgendes. Die
Neue evangelische Kirchenzeitung bringt nämlich aus Baden eine
Korrespondenz, in welcher wahrheitsgetreu der „Heidelberger Scan-
dal", wie die Vorfälle ausdrücklich bezeichnet werden, seine ge-
bührende Verurteilung findet. Die Neue evangelische Kirchen-
zeitung erscheint nun aber in Berlin, und es mußte daher in
den Kreisen des Protestantenvereins sehr unangenehm berühren,
die abscheulichen Scandalscenen, wie sie im Angesichte der ton-
angebenden Heidelberger Größen im protestantischen Lager vorfielen,
an die große Glocks gehängt zu sehen, und obendrein gar noch in
der Metropole des Staates, dem sie alle ihre Huldigungen zu
Füßen legen, obgleich derselbe die Danaergeschenke mit Unwillen
zurückweist und seine Kirchenthüren dem profanen Gerede der Leute
verschließt, die ihren eigenen Gott im Busen tragen, der nicht in
der Außenwelt, sondern in ihnen selbst lebt d. h. die vor dem eigenen
Ich das Weihrauchsaß schwingen, so daß ungefähr der Redner
Bluntschli den Gott Bluntschli verehrt. Ja, fataler konnte es
nicht kommen, daß man in dem ästhetischen Berlin bei Thee und
Butterbömmel die Nase rümpfte ob des plebejischen Treibens im
süddeutsch-evangelisch-protestantischen Neckarthale, — wahrhaftig
„Lynchjustiz", wie sie einem der Führer der katholischen Volks-
partei gedroht wurde, sollte an dem füglich geübt werden, der
das unerhörte Verbrechen begeht, die privaten Streitigkeiten
der Heidelberger Familie einem großdeutschen Publikum zur
Kenntniß zu bringen!

So bricht denn auch die volle „sittliche Entrüstung" überden
indiscreten Korrespondenten des Berliner Kirchenblattes herein:
„Ein „„Scandal"" konnte eine solche Volkserhebung nur für den-
jenigen sein, welcher von einem engherzigen Hasse gegen jedes Volks-
leben überhaupt erfüllt und dem jede große Aeußerung einer Volks-
begeisterung ein Gräuel ist", — schnaubt der süddeutsch-protestan-
tischer Wochenblättler. Worin nun aber die „große Aeußerung der
Volksbegeisterung" in Heidelberg bestanden hat, haben eine Reihe von
Blättern, unter welchen auch der Pfälzer Bote, kundgethan, ohne
daß eine ernste Widerlegung (Schimpfereien kommen nicht in Be-
tracht!) auch nur versucht worden wäre. Wir fragen den Korre-
spondenten des Wochenblattes ob er es vielleicht auch zur „Volks-
begeisterung" rechnet, wenn Bediensteten verschiedener Art die Aus-
sicht auf Entlassung eröffnet wird, im Falle sie sich unterstehen
sollten, mit Nein zu antworten? Wir wollen dem Korrespondenten
gestehen, daß aus diesem Grunde allein schon mehrere Männer
unserer Partei das Resultat der Schulabstimmung hatten anfechten
wollen, von Andern aber überstimmt und zurückgehalten worden
sind, die die Befürchtung aussprachen, daß die aufzurufenden Zeu-
gen wahrscheinlich dann brodlos gemacht werden würden. Oder
will der Korrespondent vielleicht läugnen, daß die Massen terrori-
sirend bis in's Abstimmungszimmer hinein standen, will er läug-
nen, daß der liebenswüroige Jean Jrion auf dem Marktplätze sich
aufspielte und der Gerber Künzle unter dem Eingang des Ab-
stimmungszimmers sich breit machte, von wo er von der Wahl-
commission als unbefugter Eindringling hätte weggewiesen werden
müssen? Oder wagt er es in Abrede zu stellen, daß mehrere an-
gesehene Kaufleute, daß der Marktmeister, daß ein Geistlicher in
Begleitung von Mutter und Schwester durch den hinten herge-
schickten Pöbel straßenweit unter den unfläthigsten Verhöhnungen
verfolgt worden sind? Und was soll man gar dazu sagen, wenn
diejenigen protestantischen Bürger, die mit Nein zu stimmen wag-
ten, ihre Namen an den Straßenecken dem Haß und der Verfol-
gung ihrer andersdenkenden Mitbürger preisgegeben sehen, — wo-
zu, fragen wir, bedarf es da überhaupt noch einer Abstimmung,
wenn Jedem schon bei Vermeidung der Lynchjustiz im Vor-
aus verboten wird, nach seiner Fa^on und Ueberzeugung
sein Votum abzugeben? Und noch mehr. Wir erfahren, daß im
Geheimen auch eine Liste besteht, die die Namen sämmtlicher kath.
Bürger enthält, die nicht mit der gemischten Schule einverstanden
waren. Glaubt der Korrespondent, daß diese Liste absichtslos ver-
fertigt worden ist und absichtslos im Stillen colportirt wird und
daß ihr Zweck der der Beförderung künftiger freier Abstimmun-
gen sei?

Das Lied vom Sabel.
(Nürnb. Anz.)

Betrachtet mir das Ding genau,
Das man den Sabel nennt —
Nur schad', es kostet uns viel Geld,
Dies saubr'e Instrument.
Der Sabel ist das Erste jetzt.
Und wem Das nicht gefällt.
Der geh' und such' ein Vaterland,
Wo's besser ist bestellt! —
Ob auch das Volk schreit Ach und Weh —
Es bleibet stets dabei:
Millionen sind nur Pfifferling
Bei dieser Sabelei.
Der Sabel schneid't das deutsche Reich
In Stücke groß und klein.
Er jagt dazwischen Fürsten fort
Und setzt auch welche ein.
Der Sabel ist's, der uns regiert —
Er schreibt auch Steuern aus;
Und wer sie nicht gutwillig bringt
Dem steigt er gleich in's Haus.
Der Sabel ist die Ruthe, die
Man gern dem Volke zeigt,
Wenn's knurrig wird und protestirt,
Bis es dann endlich schweigt.

O Volk in Waffen — Du bist groß!
Du fühlst das höchste Glück,
Du trägst den Sabel und zugleich
Den — selbstgedrehten Strick!
Und hungert's Einen auch bei Euch,
Daß er gleich liegen bleibt.
Ist es der Sabel, der den Schmerz
Und Hunger ihm vertreibt.
Der Sabel sticht die Hausknecht' todt
Und fragt gar nicht darnach.
Kommt auch sein Herr gleich in Arrest
Vielleicht auf — vierzehn Tag.
Der Sabel, er erobert schnell
Die Mädchenherzen jung;
Denn klappert er nur auf der Straß',
Sind's voll Begeisterung.
Doch ich schweig' von dem Sabel jetzt
Der Alles glücklich macht,
Er hat uns selbst, Du lieber Gott!
Biel Schönes schon gebracht. —
Drum preis' ich ihn im Liede hoch,
Ihn — und die ganze Zeit,
Wo Alles in den Staub sich beugt
Vo: Sabelherrlichkeit!
C. Weiss.
 
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