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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 75-88 (1. Juli - 31. Juli)
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Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

Srscheint wöchentlich dreimal: Dienstag.
Donnerstag und 8amstag.


Dienstag den 27. Juli


Bestellungen auf den Pfälzer Boten für die
Monate August und September können bei
allen Gr. Postanstalten gemacht werden und sind
die Landpostboten ebenfalls verpflichtet, Monats-
bestellungen anzunehmen. Die Expedition.
Constitutionelle Zustände.
Noch nie dagewesen! Der Hr. Caplan von Böhling en
wurde heute (22. Juli 1869) auf Befehl des Bürgermeisters R.
vom Brigadier gewaltsam zum Wahllokal geführt, um zu wählen,
und wieder freigelassen. (Bad. Veob.)
Katholische Volkspartei.

Weitere Adressen an S. Kgl. Hoheit den Großherzog mit der

dringenden Bitte um Kammerauflösung sind abgegangen:
Von Balg von
69 Staatsbürgern.
Nollingen
94
//
//
Glashofen, Reinhardsachsen,
//
Wettersdorf, Gerolzahn,
Kaltenbrunn u. Neusäß
154
//
Wildthal
29
//
Todtnau
172
Oberachern
34
Uebertrag von letzter Nummer
65,804
//
Uebertrag:
66,356
Staatsbürgern.
Süddeutschland.

H Heidelberg, 25. Juli. Der herzogliche einstige Schützen-
könig von Coburg hat doch Pech. Je länger er und seine Tra-
banten die verräterische Rolle, die bei Langensalza gespielt wurde,
ableugnen, desto kräftiger fallen die Hiebe und es ist jetzt Alles
bis auf den letzten Punkt bewiesen. Dr. Onno Klopp hat in
seiner neuesten Broschüre: „die Hannover vor Eisenach am 24.
Juni 1866; offenes Sendschreiben an den koburg. Minister Herrn
v. Seebach, Wien 1866" den letzten Schuß gethan. Er hat nun
aufs Klarste nachgewiesen, daß der Herzog v. Coburg den Durch-
bruch der hannov. Armen bei Eisenach am 24. Juni 1866 in
arglistiger Weise vereitelt hat, daß die an jenem Tage dort
stehenden preußische Truppen nur 2000 Mann betrugen, so daß
sie den Durchmarsch der 18000 Hannoveraner nach dem Süden
und ihre Vereinigung mit den Bayern nicht verhindern konnten;
daß aber das dem hannov. Major v. Jakobi durch den Herzog v.
Coburg abgelockte Telegramm eine Waffenruhe am 24. Juni ver-
anlaßte, die später, nachdem der preuß. Zuzug eingetroffen war,
zur Schlacht von Langensalza und dann zur Capitulation der Han-
noveraner geführt hat. Wenn man diele neueste Broschüre liest,
so sollte man meinen, daß die Verdienste des Herzogs v. Coburg
um Preußen noch nicht gehörig gewürdigt worden sind, denn die
bekannte Schenkung von einigen Tausend Morgen Wald ist gegen-
über dem Herzog!. Meisterstück von Langensalza doch nur eine
Bagatelle.
* Heidelberg, 24. Juli. Hr. Jolly hat auf das erste Offen-
burger Programm bezüglich der Gemeindeordnung erklärt, daß
solche „radical" umgeändert und daß die „Einwohnergemeinde"
eingeführt werden müsse. Er wollte offenbar damit anzeigen, daß
das Programm der Offenburger ihm nicht weit genug gehe. Der
Radicalismus des Hrn. Jolly stellt sich aber nun ganz anders
heraus. Nach der Mannheimer Abendzeitung soll die Regierungs-
vorlage für den bevorstehenden Landtag in dem Hauptpunkte weiter
nichts enthalten, als daß künftig der Bürgermeister direkt von
allen Gemeindebürgern gewählt wird und daß das Bestätigungs-
recht desselben durch die Regierung hinwegfällt. Dagegen sollen
die Gemeinderäthe noch immer durch die drei Klaffen, in welche
die Bürgerschaft getheilt ist, gewählt werden. Es scheint, Hr. Jolly
hat ein Haar in der Einführung der Bürgergemeinden gefunden,
denn überall wurden solche in schärfster Weise verurtheilt. Ebenso
verhält es sich mit dem Bürgernutzen. Freilich hatte sich Hr. Jolly
vorerst noch gehütet, sich darüber direkt auszusprechen. Aber er
ls'ß "Wühler" in der badischen Chronik vorausgehen, welchen
Hr. Schultze, der die badischen Gemeindezustände genau kennen

1869«

will, trotzdem er erst seit wenigen Jahren aus Preußen eingewan-
dert ist, zu versoffen die Güte hatte. Man sieht aus der Wuth,
mit der die officiellen Blätter über Dr. Vissing herfallen müssen,
daß durch dessen Aufoecken des geheimen Planes das neue
großartige Experiment in die Brüche ging, das abermals Zeugniß
geben sollte von der unvergleichlichen staatsmännischen Begabung
des einstigen gehaltlosen Professors. Aber welche Folgen hätte
man damit erzielt? Eine neue verstärkte Auflage des noch floriren-
den Schulstreites. Vorerst also ist diese Gefahr abgewendet. Was
aber den „Radicalismus" bezüglich der Gemeindegesetze anbelangt,
so hoffen wir in anderer Weise hiezu beitragen zu können.
c/ Heidelberg, 23. Juli. Ein officielles Blatt einer Re-
gierung darf sich nicht herbeilassen, zur einseitigsten Polemik herab-
zusteigen. Dies thut gleichwohl die Karlsruher Zeitung in dem
Streite Schmieder contra Vissing in der auffallendsten, sichtlich vom
persönlichen Hasse dictirten Weise. Wir wollen nicht auf das
Nähere eingehen, nur müssen wir uns ihrer Behauptung gegen-
über aufs Entschiedenste verwahren, als habe Dr. Vissing auch
nur das Geringste der „Tauber" oder Dr. Schmieder zugestanden.
Warum die Karlsr. Zeitung persönlich so giftig ist, verräth sie
ungeschickter Weise selbst am Schlüsse ihres Artikels; sie nennt Dr.
Vissing den „Urheber jener abscheulichen Bürgernutzen-Verhetzung."
Aha, da liegt der Haas im Pfeffer! Die Angriffe Bissing's gegen
das Jolly'sche Projekt über den Bürgernutzen haben wehe gethan,
nicht wahr? — und die Folge davon ist, daß man die betreffende
Regierungsvorlage laut Mannh. Abendzeitung fallen zu lassen be-
absichtigt. Diesem schädlichen ministeriellen Lieblingsprojekt ist ein
Strich durch die Rechnung gemacht worden — und daher die Er-
bitterung !
* Heidelberg, 23. Juli. Die „Tauber" ist so naiv, Herrn
Dr. Bissing zu ersuchen, seine Candidatur zu Gunsten des Dr.
Neumaier, weil dieser ein Geistlicher sei (man höre und staune!)
zurückzuziehen. Herr Dr. Bissing würde mit Vergnügen vom Kampf-
plätze abtreten, wenn ein Geistlicher wie Z. B. Pfarrer Oberle in
Bruchsal oder Dekan Lender in Schwarzach von den Wählern ge-
wünscht würde. Gegenüber einem Geistlichen aber, der von
Bluntschli und Lamey empfohlen wird und sich empfehlen läßt,
hält Dr. Bissing seine Candidatur aufrecht.
Heidelberg, 25. Juli. Von Herrn vr. Schmieder ist
uns folgende Berichtigung zugegangen:
„Der Artikel Tauberbischofsheim, 20. Juli auf Seite 331
des Pfälzer Boten von heute bringt die Erklärung: „Während dem
rannte Amtmann Schmieder drei- bis viermal die Wagenreihe
auf und ab und sah in die Wägen hinein." Und: „In unmittel-
barer Nähe befand sich Amtmann Schmieder." Ferner sagt vr.
Ferd. Bissing auf Seite 332 desselben Blattes: „Der wahre Sach-
verhalt ist der, daß Herr Schmieder in Gesellschaft einer Anzahl
seiner Anhänger hohnlachend die zurückfahrenden Theilnehmer der
Werbacher Versammlung musterte." Und: „sich in Gesellschaft
höhnender Leute an den Waggons aufzupflanzen und seine offene
Freude an ihrem Treiben an den Tag zu legen."
Diese Mitttheilungen enthalten theils positive Unwahrheiten
theils vollständige Entstellung der Wahrheit.
Ich musterte durchaus nicht die zurückkehrenden Theilnehmer
der Werbacher Versammlung, pflanzte mich ebenso wenig überhaupt
oder in Gesellschaft höhnender Leute an den Waggons auf und
hatte keinerlei Veranlassung, irgend welche Freude an ihrem an-
geblichen Treiben an den Tag zu legen.
Ich begleitete vielmehr den Herrn Dr. Neßler, Vorstand der
Versuchsstation in Karlsruhe und andere Theilnehmer an der eben
stuttgehabten landwirthschaftlichen Bezirksversammlung in Tauber-
bischofsheim zu dem genannten Eisenbahnzuge. Herr Neßler war
einen Augenblick auf die Seite gegangen und fanden mittlerweile
verschiedene Begrüßungen zwischen mir und Abgehenden und An-
kommenden auf dem Bahnhofe statt. Darüber verlor ich Herrn
Dr. Neßler aus dem Gesichte und ging ich deßhalb an den Zug.
Als ich ihn dort bald gefunden und mit Herrn Oberamtsrichter
Schwab, der mit Familie in einem ganz nahen geöffneten Waggon
II. Klasse von einem Ausfluge nach Wertheim war, einige Worte
gesprochen hatte, begab ich mich auf den Perron zurück und würde
die Station wohl sofort verlassen haben, wenn mir nicht um die-
selbe Zeit von einem Herrn gesagt worden wäre, daß er gerade
 
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