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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag,
Donnerstag und Famstag.

^2 5.

XX // X. Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
für MM und LMv.M^x
Dienstag den 12. Januar 1869.

* Reinhold Baumstark über das Concil.
Es gehört zu den großen Seltenheiten, wenn ein Protestant
einmal der katholischen Kirche in irgend einer Frage Gerechtigkeit
widerfahren läßt, wenn derselbe aber gar Großh. badischer Kreis-
gerichtsrath ist, dann ist diese Freimüthigkeit um so höher zu
schätzen und ist für manchen Gothaer, der für die Unabhängigkeit des
Richterstandes geschwärmt hat, gewiß nachträglich ein Gegenstand
der bittersten Selbstvorwürfe geworden. „Gedanken eines Prote-
stanten über die päpstliche Einladung zur Wiedervereinigung mit
der römisch-katholischen Kirche", so heißt, wie der Bote schon be-
richtete, das Schriftchen, das in keinem katholischen Hause fehlen
sollte, — denn diese Gedanken verlangen die Wiedervereinigung
mit der katholischen Kirche. Welch' seltener Muth gehört im Lande
Baden dazu, als Protestant ein solches Verlangen an seine Glau-
bensgenossen zu stellen, in dem Musterlande, wo seit Jahren der
erbittertste Krieg gegen alles, was den Namen Katholisch trägt,
geführt wird! Aber wir kennen Baumstark, er ist der Mann,
der seinem Namen alle Ehre macht, denn der ganzen wilden Hetze
zum Trotz setzt er sein Baum — stark kühn auf das Titel-
blatt und trotzt wie die starke deutsche Eiche allen Stürmen, die
um ihn herum sausen.
Der Verfasser hat sich vor allem die Fragen gestellt: Was
bietet die evangelisch-protestantische Kirche ihren Bekennern, —
was bietet die katholische den ihrigen? wie steht es mit dem
religiösen Leben der ersteren, — und wie mit dem der römisch-
katholischen Christen? Sehen wir etwas näher zu.
Die protestantische Kirche zeigt eine große Zerrissenheit in
eine Menge von Sekten, die nur in der Negation, im Prote-
stiren gegen den Katholicismus bestehen; das Evangelium,
als dessen treueste Bekenner sie gelten wollen, hat nur eine sub-
jective Bedeutung, denn Jeder legt es aus, wie's ihm beliebt, u.
nur in drei Dogmen haben die verschiedenen Bekenntnisse einen
gemeinsamen Standpunkt, der aber auch wieder der der katholi-
schen Kirche ist: den Glauben an Einen, dreieinigen Gott, an die
Erlösung durch den Sohn Gottes und an die Unsterblichkeit der
Seele. Baumstark hat dabei aber offenbar blos die positiv-gläubi-
gen Protestanten im Auge, denn daß auch diese drei Glaubens-
sätze nicht blos von Tausenden protestantischer Laien (slt venia
vsrbo!) verlacht, sondern von vielen Lehrern der künftigen Seel-
sorger, wie Schenkel und Eons., mit allem Aufwand menschlichen
Scharfsinns verurtheilt werden, ist bekannte Thatsache. Christus
ist ein Weltweiser, wie das Alterthum, namentlich Griechenland,

viele hervorbrachte, und die Unsterblichkeit liegt in der Gattung,
nicht im Individuum, das sind Sätze, die in die Hörsäle der prote-
stantischen Theologen einen weiten Eingang gefunden haben. —
Die Protestanten, sagt Baumstark mit Recht, stimmen nur
darin in ihren verschiedenen Seelen mit einander überein, „daß
sie Alle weniger glauben, als die Katholiken." So verhält es
sich auch mit dem kirchlichen Leben und Gottesdienst: „sie sind
alle, sammt und sonders, auch in dieser Hinsicht ärmer, als die
römisch-katholische Kirche. Denn die Sacramente, nach Zahl und
Wirkung möglichst beschränkt, ziehen nicht das ganze Leben von
der Wiege bis zum Grab in den Kreis ihres das Menschenleben
gen Himmel erhebenden Einflusses. Der Gottesdienst entbehrt
vor Allem des Glaubens an die unmittelbare göttliche Gegenwart;
er ist größtenteils auf den Sonntag beschränkt, wo er in ähn-
licher Weise, wie ein sonstiges erlaubtes Vergnügen, als eine
Art gewohnheitsmäßiger Erholung von den Strapatzen der Woche
begangen wird."
Die Quelle der religiösen Wahrheit ist für den Protestanten
einzig und allein die übrigens von Jedem beliebig ausgelegte hl.
Schrift. Dagegen bemerkt Baumstark sehr richtig, daß die Schrift-
lichkeit einer Sache an und für sich etwas so Zufälliges und
Unsicheres sei, „daß sich von vornherein alles menschliche Gefühl
gegen die Annahme sträubt, der reiche und unerschöpfliche Strom
göttlicher Offenbarung solle für alle Ewigkeit auf Form und In-
halt eines kurzen Buches beschränkt sein."
Zur Auslegung der Schrift verweisen die Protestanten auf
Vernunft und Wissenschaft. „Aber Vernunft und Wissenschaft
eines endlichen Wesens," entgegnet der Verfasser, „vermag nie die
absolute Wahrheit zu entdecken." Will der Protestant Christ
bleiben, so bedarf er des Glaubens, und wenn man einmal
überhaupt noch Glaubenssätze gelten lassen will, so ist nicht abzu-
sehen, warum der eine weniger Geltung haben soll als der andere.
Um das Dogma von der Dreieinigkeit des persönlichen Gottes
anzunehmen, muß man ein ebenso gläubiger Christ sein, als
bei dem Glaubensatz von der unbefleckten Empfängniß.
Wir übergehen, was Baumstark über die Grundsätze sagt,
die der kirchlichen Bewegung und Spaltung des 16. Jahrhunderts
zu Grund lagen und bemerken zu seiner Frage, wie es mit dem
religiösen Leben der protestantischen Christen stehe, daß er uns
hier in der Antwort durchaus kein schönes Bild entwirft, wenig-
stens was die große Masse der Städtebevölkerung betrifft.
Sie ist fast überall irreligiös. Man denkt nie an Gott, an
das Jenseits, man gähnt bei den Predigten der Pastoren, wenn

Die Herbstfeier.
Eine Erzählung von L. M. F.

(Fortsetzung.)
Weder Chirurg noch Unteroffizier wagen mehr etwas einzuwerden. Ohne
daß er es hindern konnte, küßten sie abschiednehmend des tapfern Greises
Hand. Bald darauf hörte man das Commando auf einem Seitenwege, der
um das Häuschen auf den Acker führte, von hinnen traben. —
Der Obrist lächelte seltsam vor sich hin. — „Da werd' ich denn also
zum erstenmal in meinem Leben Kriegsgefangener!" sagte er nach einer Weile.
„Was Gott thut, das ist wohlgethan. — Und liebe Frau, fürchten Sie sich
nicht. So viel Soldatenmanier ist noch immer bei unserm Feinde, daß ich
Ihnen keine Ungelegenheit verursachen werde. Eher noch hoff' ich Ihrem Hause
zu einer Art von Sauvegarde zu dienen. Wenigstens im Rheinkriege kannt'
ch die Franzosen noch ziemlich meist Alle von dieser Seite; — versteht sich
vom Hörensagen ! denn wie gesagt: kriegsgefangen werd' ich heute zum ersterr-
mal. — Nun, sie sehen mir aus, wie eine Frau, die recht gut weiß, wo die
beste Hülfe wohnt. Da kann es Ihnen auf keine Weise fehlen. Ueber mich
aber kommt jetzt eine recht sanfte Müdigkeit, und ich hoffe, erquickend zu
schlummern. Gute Nacht einstweilen."
Er that die großen, freurigsansten Augen behaglich zu, faltete die kräfti-
gen Hände, und athmete bald darauf leise und sanft im tiefen Schlaf.
Gegen Mitternacht erwachte der Obrist. Als er Elisabeth noch an seinem
Bette sitzen sah, sprach er mit anmuthiger Höflichkeit:
„O mein Gott, Sie liebe, gütige Frau, was machen Sie denn noch hier?
Gewiß, es ist schon sehr spät. Was gingen Sie denn nicht zur Ruhe?" —
„Ja so!" fuhr er nach einigem Besinnen ernstlächelnd fort. „Es ist nicht
heute, wie gestern, und mein Quartier kein Noll rno tunZors mehr! — Nein,
nein, Sie thaten gut, munter zu bleiben, und ich war ein alter Thor, daß
ich mir einbildete, es geschähe um meinetwillen. — Nein, liebe, schöne Frau,
sagen Sie mir jetzt keine Artigkeit. Ich habe sehr wichtige Dinge mit Ihnen
zu sprechen."

„Es sind während meines Schlummers Träume bei mir gewesen, holde,
aber tief ernste Träume. Ihre anmuthige Gestalt, meine gütige Wrrthin, war
auch darunter, und verwebte sich auf eine seltsame Weise mit einer niegesehe-
nen Tochter, die doch wieder meine Tochter nicht ist, die ich nie dafür aner-
kennen wollte, — aber fort mit dem rraumhaften Geschwätz. Hören Sie
schnell und kurz, was ich Ihnen zu sagen habe. Die Minuten des ungestör-
ten Beisammenseins sind uns wohl nur sehr enge zugemeffen."
„Mein einziger Sohn, Fritz von Greisenhorst, meines annahenden Alters
Freude und Stolz, hatte aus dem Revolutionskriege einen krankhaft schwind-
lichen Geist mitgebracht. Das Herz blieb treu und wahr und weich, wie im-
mer; aber es schlug fieberhaft und in wunderlichen Phantastereien von neuer
Gestaltung der Welt in Freiheit und Gleichheit. Als unser Staat Frieden
mit der neuen Republik geschloffen hatte, lag Fritz mir an, ich solle ihm die
Erlaubniß verschaffen, ein Paar Feldzüge in den französischen Heeren mitzu-
machen. Er wolle zum Schein seinen Abschied nehmen, sich als ein tüchtiger
Reiteroffizier — das war er von Grund aus — bei den Chasseurs anstellen
lassen, und nach dem allgemeinen Frieden geübter und tauglicher wieder in
den Schooß der Heimath zurückkehren."
„Chasseurs ?" plauderte Florentin nachsinnend dazwischen. „Chasseurs?
Die sollen ja nur eben erst hier durchgeritten sein, sagte Mutter vorhin."
„Ach Gott, wer weiß, ob er nicht dabei war!" seufzte der Alte. „Meine
Weigerung, in jenen Plan einzugehn, entfernte den unruhigen Jüngling im-
mer weiter von mir. So gerieth er in Liebe zu der verwaisten Tochter eines
berühmten Gelehrten an der nahegelegenen Universität und verschwieg mir
sein Gefühl. Mit seinen hochtönenden, neumodischen Redensarten beschwatzte
er das Mädchen, daß sie sich von ihm entführen ließ. Jenseits der Gränze
wurden sie getraut, und Fritz wollte nun in einem trotzigen Briefe meine
Einwilligung erzwingen; sonst werde er, allem veralteten Wahne zum Trotz,
ohne weiteres mit seiner Geliebten nach Frankreich gehen und) in dem vor-
urtheilsfreien Lande bald, auf den Gränzen fechtend und siegend, wiederer-
ringen, was er hier scheinbar an Ehre verlieren möge. — Nun durfte ja der
Name Greifenhorst nicht beschimpft werden in seinem letzten Sprößlinge. Ich
erwarb ihm einen ehrlichen Abschied aus unfern Kriegsdiensten, und schickte ihm
den unter der angegebenen Adresse zu, ohne weiter ein Wort beizusügen. —
Seitdem ist er mir verschollen.
(Fortsetzung folgt.)
 
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