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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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Samstag den 9. Januar

1869.

* Zur BismarFschen Politik.
Seit der Rückkehr des Grafen Bismarck nach Berlin ermüden
die mit dem preußischen Preßbüreau verbundenen Blätter in Nord-
deutschland nicht, die Gehässigkeit gegen Oesterreich in die Form
zu kleiden, als sei Graf Beust aufs eifrigste bestrebt, den Frieden
zu stören. Bisher machte die verbündete Presse in Süddeutsch-
land von dieser Anschuldigung sachdienlichen Gebrauch, allein so
weit, wie das Mannheimer Journal Nr. 4 in seinem Leitartikel
„Wahlmanöver oder Kriegsgelüst?" hat es an sinnloser Perfidie
kein anderes Blatt bei uns gebracht.
Es wird in diesem Aufsätze zunächst eine Parallele zwischen
Bismarck's und Beust's angeblicher Einmischung und Aufstachelung
in Spanien und in der Türkei Erwäbnung gethan. Natürlich
fällt dieser Vergleich zu Gunsten Bismarck's aus, dec mit der An-
fachung der Revolution in Spanien „eine verächtliche Regierung
über den Haufen warf und zugleich den Jnteresfen des Briedens
und der Freiheit diente." Das Gegentheil muß Beust gethan
haben, der „den Krieg und die Befestigung der türkischen Herr-
schaft in Europa provozirt d. h. von etwa 700,000 Menschen
über eine Bevölkerung von II Millionen." Abgesehen von dem
Schnitzer in letzteren Zahlen, wird cs doch erlaubt sein, der Mit-
theilungen der bewährtesten Kenner der Griechen zu gedenken, die
dahin gehen, daß das jetzige Volk der Griechen in geistiger und
moralischer Hinsicht weit unter d-n Türken steht. Prokesch v.
Osten, Fallmerayer u. A. geben hierüber genügenden Aufschluß.
Doch hierüber wollen wir nicht viele Worte verlieren, wohl
aber müssen wir nicht allein im Interesse Deutschlands, sondern
Europas die entsetzliche Gefahr hervorheben, die durch Eroberung
der Türkei von Seite der Russen, denn dies ist ja des Pudels
Kern bei dem türkisch-griechischen Conflict, heraufbeschworen würde.
Rußland im Besitz von Constantinopel, wornach es seit länger als
100 Jahren trachtet, woran es aber jedesmal durch die Eintracht
aller übrigen europäischen Staaten (mit Ausnahme des Hohen-
zollern'schen Hauses) abgehalten wurde, wäre der faktische Beherr-
scher zweier Welttheile, wäre Herr über das mittelländische Meer
und die Küsten Nordafrikas, wäre der furchtbarste Nachbar Oester-
reichs und Deutschlands, das über kurz oder laug unter die Knute
der Slaven gebeugt würde. Wenn nun Graf v. Beust als genia-
ler Staatsmann, nachdem er die schändlichen Umtriebe in Rumä-
nien aufgedeckt hat, einer solchen Politik offen entgegentritt, wenn
er den gegenwärtigen Augenblick für so gefährlich erachtet, daß er
in Verbindung mit England, Frankreich und der Türkei nicht vor

einem Kriege zurückschreckt — wer sollte ihm in Deutschland hie-
für nicht Dank wissen, zumal wir seit der Zertrümmerung Polens,
die nur durch preußische Mitwirkung so glänzend gelang, nur
noch in der Ostmark das einzige Bollwerk gegen russische Ober-
herrschaft erblicken können. Diese Mission Oesterreichs will Graf
Beust vollführen und wenn ihm hierin die Ungarn den ungeteil-
testen Beifall zollen, wenn gerade dieser Umstand dazu beiträgt,
das Band von Ungarn an Oesterreich und Deutschland fester zu
schlingen, so ist es Blödsinn oder schändlichste Perfidie in dem
Mannheimer Journal die Behauptung aufzustellen, als verfolge
Beust die „Jntrigue bis zum Aeußersten gegen Preußen und dies
sei durch 17 Jahren in allen Gestalten der Weg der damals von
Beust geleiteten sächsischen Politik gewesen." Wenn letzteres wirk-
lich wahr wäre, hat denn die Katastrophe der Vergewaltigung vom
Jahre 1866 nicht deutlich genug gezeigt, daß dies der einzige richtige
Weg für einen deutschen Staatsmann war? Ist nicht gerade durch
die jetzige beklagenswertste Gestalt Deutschlands die in den Jahren
1863 und 1866 leider des Erfolges entbehrende Politik des Grafen
Beust gerechtfertigt worden?
Aber gerade in dem Festhalten der preußischen Politik an
der russischen liegt für uns der deutliche Beweis, daß Bismarck
keine ächt deutsche Politik treibt. Es kann nur Verblendung oder
die Wiederholung der Rolle während der Theilung des unglückli-
chen Polen sein, wenn Preußen an der Seite Rußlands für die
Zertrümmerung der europäischen Türkei auftritt. Würde es offen
und ehrlich.sich den Bestrebungen der Westmächte und Oesterreichs
anschließen, so wäre der neueste Conflict zwischen der Türkei und
Griechenland von vornherein abgeschnitten worden. Nun tritt die
Ernte von dem heran, was Preußen seit Jahren in Rumänien
gesäet hat. Wo ist also der Friedensstörer?
Wahrhaft naiv nimmt es sich aber aus, wenn das Mannhei-
mer Journal dem Grafen Beust darüber einen Vorwurf macht,
daß er den innern Frieden mit Ungarn wieder hergestellt hat.
Man sieht diesem dem preuß. Preßbüreau nicht unwahrscheinlich ent-
stammenden Aufsatz die Wuth über das Gelingen au. Nur wird
weiter etwas plump noch das Geständniß abgelegt, daß „Bis-
marck es ist, der Beust bei den Ungarn Concurrenz
macht." So schamlos hat unseres Wissens noch kein preußischer
Preßhusar geschrieben. Dieses Zugeständniß riecht ja ganz nach der
Usedom'schen Brandnote, die doch Bismarck so und so oft für sich
abgeleugnet hat. Nehmen wir Akt hievon und absolviren den
Grafen Beust im Voraus, wenn es ihm wirklich darnach gelüsten
sollte, einer solch' schmählichen Politik ein - für allemal ein Ende
zu machen.

Die Herbstfeier.
Eine Erzählung von L. M. F.

(Fortsetzung.)
>r «würdige Verwundete auf das Rett der Wirthin hinge -
streüt ; der Chirurgus kniete neben ihm, den ersten, eiligen Verband von der
Schulterwunde abnehmend. Elisabeth ging hülseleistend eilig hin und wieder.
Florentin stand derweile draußen bei Len Dragonern, klimperte an den
großen Pallaschen herum, und streichelte den Pferden Kopf und Mähne. Die
freundlichen Krwgsleute gaben sich mit dem Knaben in's Gespräch. Die Ba-
taille, meinten sie, fei freilich für diesmal verloren gegangen, aber es könne
wohl das nächstem«! besser kommen und das alte Sprichwort recht behalten:
wer zuletzt lacht, lacht am besten. Florentin hörte nur eben halb darauf hin.
Sem kindisches Köpfchen war eben nicht auf den Ausgang der Schlacht allzu-
erplcht. Hatte er ja doch in feinen Büchern schon sehr ost von dergleichen ge-
lesen, und sich das Ding viel mörderlicher vorgestellt, als es ihm nun von
hieraus vorkam. Er fragte also nur ganz unbefangen: „Der alte Herr da
drinnen hat fa aber eine Infanterie-Uniform an. Wie kommt's denn, Dra-
goner, daß ^hr den escortirt." — „Ja", sagte ein alter Kriegsmann, „das
thut ihm nichts, mein Kind. Ein Herr Officier hat durch die ganze Armee
seinen Rang, mag er nun Infanterist, Kavallerist, Artillerist, Ingenieur,
od« Pionier sein. Das bleibt für uns Alle ein königlicher Herr
Und o^nds ein Stabsofficier! Und vollends Einer, wie
mit linn.? da drinnen ! Wir konnten's vom linken Flügel herüber
jvie die Chasseurs dreimal auf sein Regiment ansetz-
-Mi.bm "U» ruhig im Anschl-g- li-g-n
feuer'" eine^m^i"^" H^hn Chasseurs und kehrten um. Und dann:
„Feuer. eine tüchtige Bataillonssalve hinterdrein, daß sie im Fortiaaen aus
stc schon gar nicht mehr so nahe heran. — Ja das ist ein
rechter Ehrenmann, der Herr Oberst von Greifenhorst."

„Den will ich mir doch vrdentlich in der Nähe betrachten;" sagte Floren-
tin, und ging in die Stube.
Jetzt eben hatte der Chirurg mit Elisabeth's Beistand den neuen Ver-
band umgelegt. Der ehrwürdige Kriegsheld blickte freundlich auf, und sagte:
„Gott lohn's! — Nun aber ist's auch an der Zeit, daß die Dragoner fort-
kommen und Sie, mein lieber Chirurgus, auch. Weiter fahren auf dem stoßen-
den Bauernwagen — ich kann es leider nicht ! — Also laßt mich alten, mor-
schen Stamm nur hier liegen, und macht, daß ihr dem nachsetzenden Feinde
aus den Händen kommt." — Der Chirurgus wandte ein, es sei Pflicht für
ihn, den schwerverwundeten Obristen nicht zu verlassen. — „Ach hat sich was !"
sagte der Alte unzufrieden. „Das sind mir schöne Pflichtbegriffe! — Du klei-
nes ! freundliches Jungchen, das du mich so hell anguckst aus den großen
Blauaugen, — spring' doch einmal hinaus, und ruf' mir den Dragonerunter-
officier. Der wird's ja hoffentlich beffer verstehn."
Florentin rannte fort. — Elisabeth hatte derweil den Chirurg auf die
Seite gezogen, und flüsterte ihm zu, wie der Feind bereits vor ihnen mit
einer starken Patrouille durch das Dors geritten fei. — „O Kinder" , sagte
der Obrist, „ihr braucht euch nicht so heimlich anzustellen. Ich höre Wort
für Wort, und weiß es auch ganz von selbst, daß der Feind uns von der
Hauptstraße abgedrängt hat. Es ist also gar nichts zu verwundern bei eurer
Geschichte. Aber eben deßhalb müssen die Dragoner machen, daß sie fort-
kommen." — „Unterofficier!" rief er dem eintretenden Kriegsmann entgegen;
„aufgesessen und fort! Es ist schon eine Streifpartei des Feindes hier durch
gezogen."
„Habe davon gehört, mein Herr Obrift. Aber wenn Sie gnädigst er-
lauben, bleiben wir bei Ihnen. Mit einem Dutzend Chasseurs oder darüber
nehmen wir es schon noch auf."
„Es werden ihrer viel mehr kommen, mein lieber Unterofficier, und ich
kann nicht weiter fort. Sie müssen sich nicht unnöthig fangen lassen, und
auch Sie nicht, Herr Chirurgus; zumal, da Sie mich hier in so guter Pflege
sehen. — Allons! Aufgefessen, ihr Leute, und fort! Und Nebenwege gesucht!
Auf der Landstraße kommt ihr nicht mehr durch. — Die ungefähre Richtung
hab' ich euch schon vorhin angegeben. In Gottes Namen: Marsch!"
(Fortsetzung folgt.)
 
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