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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 115-127 (2. Oktober - 30. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43880#0463

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Samstag den 2. October

1869.


Einladung zum Abonnement.
Mit dem 1. Oct ob er beginnt das IV. Quartal für 1869 auf
den Pfälzer Boten. Wir ersuchen daher unsere auswärtigen
Abonnenten ihre Bestellungen bei der Post rechtzeitig zu emeuern.
Für Heidelberg, Neuenheim und Schlierbach nimmt Anmeldungen
entgegen die Expedition von L. Schweiß dahier.
Bestellungen in Paketen (nicht unter 10 Exemplaren), wobei
wir je ein Freiexemplar gewähren, wolle man gleichfalls an die Ex-
pedition des Blattes richten, und ersuchen wir besonders die seit-
herigen Empfänger, uns baldigst die Zahl der gewünschten Exemplare
mitzutheilen.
Inserate, ü 2 kr. die Spaltzeile, ein äußerst wohlfeiler Ansatz,
erfahren bei der großen Auflage unseres im ganzen Lande gelesenen
Blattes die beste Verbreitung.
Wie der Preis des Blattes — 40 kr. ohne Postaufschlag —
so bleibt auch die Tendenz des Boten unverändert, durch die er
sich so viele Freunde unter dem Volk erworben hat. Wir zweifeln
nicht, daß auch im neuen Quartal unsere Leser uns treu bleiben
werden Die Redaction.
Die Motion des Abg. Lindau
für Einführung des allgemeinen direkten Wahlrechtes mit geheimer
Abstimmung rc., begründet in der dritten ossentl. Sitzung der zweiten
Kammer der Ständeversammlung am 28. September 1869.
Ich bin in der Lage, geehrteste Herren, sofort bei dem Be-
ginne der neu eröffneten landständischen Session eine wichtige Frage
Ihrer Berathung und Entschließung zu unterbreiten, nachdem ich
nach reiflichster Erwägung zu der Ueberzeugung gelangt bin, daß
wir nicht eher unsere regelmäßigen Arbeiten beginnen können, ehe
diese wichtige Frage einer möglichst eingehenden Prüfung unter-
zogen worden und beantwortet ist.
Wie ich Ihnen gestern verkündete, geht meine heutige Absicht
dahin, Ihnen die Nothwendigkeit der Bitte an Se. Königl. Hoheit
den Großherzog um Auflösung des gegenwärtigen Landtages aus-
einander zu setzen.
Ich fürchte nicht, geehrteste Herren, Sie mit dieser Frage zu
überraschen. Seit einer Reihe von Jahren taucht sie in unserm
Lande auf, sie gestaltet sich zu einem energischen Verlangen, so oft
der politische Horizont sich umwölkt und seit einem halben Jahre
ist sie in unserm öffentlichen Leben fast der ausschließliche Gegen-
stand der Discussion geworden, ja sie hat sich bereits direkt dem
Throne unseres Fürsten genaht.
Die Beantwortung derselben aber erscheint mir als eine um
so dringendere Nothwendigkeit, als wir uns der Thaisache nicht
mehr verschließen können, daß wir sehr ernsten politischen Ereig-
nissen von europäischer Bedeutung entgegeneilen, daß die unheil-
verkündenden Wolken des politischen Horizontes ihre Blitze schon
voraussenden und daß unter solchen Vorzeichen uns doppelt die
Pflicht mahnen dürfte, den Zustand des Staatsschiffes auf das
Genaueste zu prüfen, ehe wir dasselbe dem drohenden Orkan ent-
gegenführen und den ungewissen Wellen anvertrauen wollen.
Zunächst ist es die große nationale Frage, welche der völlig-
sten aufrichtigsten Ueberernstimmung zwischen Fürst und Volk be-
darf, wenn sie zum wahren Wohle dieser beiden Faktoren und
damit zum Heile unseres Gesammtvaterlandes gelöst werden soll.
Die Ereignisse des Jatzres 1866 und die Grundsätze der rohen
Gewalt uno der erstarrenden Centralisation, welche dadurch zum
Siege kamen, erfreuen sich nun einmal nicht der Zustimmung
eines großen-Theiles unseres Volkes uno mit Mißtrauen sieht es
auf die so sehr angewiesenen Zustände des norddeutschen Bundes,
mit welchen das Volk zu beglücken unsere Volksvertretung in der
verflossenen Session als heiligstes Ziel beschäftigt war.
Die militärischen Einrichtungen dieses Zieles, dieses Zweifel
Hafts Glück, besitzen wir bereits; mit dem Eintritt in den Nord-
bund würde aber die Selbstständigkeit unseres Militärbudgets, diese
Grundbedingung constitutioneller Zustände in eine Pauschulabgabe
von 225 Thalern per Kopf mit einem voraussichtlichen bedeutenden
Dcficusantteile sich verwandeln.
Tann ist es eine unläugbare Thatsache, daß ein großer Theil
unseres Volkes nut Bangen darauf hinschaut, wie unser so auf¬

fallend lang und schmal gebildetes Grenzland in der Frage der
nationalen Gestaltung Gesammtdeutschlands eine Haltung ein-
nimmt, in welcher es von unseren Nachbarstämmen Württemberg
und Bayern vollständig unumerstützt dasteht und wie deßhalb sich
das berechtigte Verlangen kund gibt, gemeinsam mit unseren
benachbarten deutschen Brüdern und nicht im Gegensätze zu ihnen,
den gemeinsamen Bau des deutschen Vaterlandes zu vollführen.
Es ist für unser Volk ein erhebendes Bild, zu erschauen, wie in
dem benachbarten Württemberg Regierung und Volk einig sind in
der deutschen Frage und die Thatsache, daß der soeben zusammen-
tretende bayerische Landtag den Willen des Volkes als einen der
seitherigen Haltung der Regierung entgegengesetzten constatirt, hat
unser Volk ebenfalls nicht unbeachtet gelassen.
Diesen Thatsachen steht die andere Thatsache gegenüber, daß
die Vertretung des badischen Volkes es als heiligste Aufgabe er-
klärt hat, so bald und so unbedingt als möglich die Aufnahme in
den norddeutschen Bund zu erlangen und daß in dec letzten Ses-
sion selbst die so naheliegende Gefahr eines daraus entbrennenden
europäischen Krieges nicht scheuen zu sollen als Grundsatz der Er-
reichung dieses Zieles laut und seierlich proklamier wurde.
Ist das badische Volk sür das Ziel nicht eingenommen, so
schaudert es desto mehr vor dem Bestreben zurück, es gar mit den
grauenhaften Folgen eines Weltkrieges zu belasten, der unser Groß-
herzogthum als Grenzland am Schwersten heunsuchsn würde.
Im Hinblicke auf diese Thatsache war und ist es gewiß nicht
Wunder zu nehmen, wenn unser Volk, sich aufraffend aus dem
jahrelangen Schlummer, rn welche es durch das blutige Opfer der preu-
ßischen Occupation des Jahres 1849 versetzt war, endlich den Ent-
schluß saßte mit neuerwachrer Thätigkeit sich zu detheiligen an den
Geschicken unserer Nation.
Seit jener Zeit ertönt laut und lauter der Rus unseres
Volkes nach Auflösung der Ständeverfammlung. Es erscheint mir
dieser Ruf um so berechtigter, als dem Volke die Wahrnehmung sich
auforängte, daß zwischen den lauten, begeisterten Erklärungen der
badischen Volksvertretung zu Gunsten des Bundesrechtes und der
freiheitlichen Entwickelung der deutschen Nation im Jahre 1866
und darauf der begeisterten Anerkennung der Niederlage des Rech-
tes und des Sieges der Gewalt, ihm keine Gelegenheit geboten war,
sich in umfassender Weise über diesen Widerspruch seiner Vertretung
aussprechen, als Volk in seiner Gesammtheü in der wichtigsten
Frage der nationalen Entwickelung mitreden zu dürfen.
Doch nicht die nationale Entwickelung allein ist es, welche dem
badischen Volke Veranlassung gibt mit düsterem Blicke in die Zu-
kunft zu schauen, — auch die Entwickelung unserer inneren Ver-
hältnisse zieht in steigender Weise sie bedenkliche Aufmerksamkeit
des Volkes auf sich.
Entgegen der erhabenen Versicherung unseres gnädigsten Landes-
fürsten in der Proclamation vom Jahr 1860, in unserem Staats-
leben auf allen Lebensgebieten die freieste Bewegung walten zu
lasten, entwickelt sich von Jahr zu Jahr mehr ein System des
sog. „modernen Staates", in welchem die freie Bewegung des
Bürgers im Staatsleben durch eine immer größere Stärkung und
Cemralisation der Staatsgewalt vernichtet wird. Anstatt mit
einem wahrhaft freiheitlichen Aufbau unserer Verhältnisse durch
Gewährung einer freisinnigen Gemeindeordnung zu beginnen, wo-
für seit Jahrzehnten sich das Bedürfniß in lautem Verlangen des
Volkes äußert, und durch diesen Aufbau von unten die sicherste
Grundlage eines wirklich freien Staatslebens zu schaffen, hat die
Volksvertretung vorgezogen, sich auf das undankbare, dem Volke
widerwärtige Teritorium der „Abgrenzung der beiderseitigen Gebiete
zwischen Kirche und Staat" zu verirren, daselbst tiefgehende con-
fcstionelle Streitfragen in dem Lande zu entzünden und das Prin-
zip der Staatsomnipotenz durchzuführen, anstatt die versprochene
Freiheit und Selbstständigkeit der Kirchen zur Wahrheit werden
zu lassen.
Die Preßfreiheit, eine der ersten Bedingungen wahrhaft con-
stitutionellen Lebens, ist in unserem Lande durch das neu geschaffene
Preßgesetz und durch die Geneigtheit der Regierung den^noch aus
der reactionärsten Zeit dauernden Artikel 631 des (Strafgesetz-
buches recht häufig anzuwenven, auf's Tiefste bedroht und ich wage
nicht einmal einen Vergleich zwischm unserem Lande und dem
nahen Württemberg zu ziehen, wo der Hr. Justizminister mit Stolz
 
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