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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 14-25 (2. Feburar - 27. Februar)
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M 22.

Samstag den 20. Februar

1869.

Zum Südbund.
(Demokr. Corresp.)
Der Münchener Nachricht, Fürst Hohenlohe arbeite jetzt wirk-
lich für einen Südbund, folgt der Stuttgarter Commentar auf dem
Fuße, wonach die Bestrebungen des bayrischen Premier „noch keine
formelle Gestalt" angenommen und übrigens weder bei der würt-
tembergischen noch bei der badischen Regierung „eine Aussicht auf
realen Erfolg bietende Geneigtheit gefunden" haben. Diese Aus
sichtslosigkeit ist beruhigend, wie sie in sich wahrscheinlich ist. Braucht
also niemand sich zu ängstigen von wegen drohender Neuerungen.
Weder jene Politiker, die vor beinahe Jahresfrist der süddeutschen
Welt die Aussicht auf eine Agitation boten, bei der die Verträge
und der Südbund für vereinbar und vereinigungswerth hingestellt
waren — ein Widersinn, der denn auch jede Action von dieser
Seite lahmgelegt hat —, noch auch brauche sich zu beunruhigen
die große Masse der guten Bürger, welche in ihrer erhabenen Re-
signation durch nichts sich stören zu lassen entschlossen scheinen, es
sei denn durch Kolbenstöße, Bajonettstiche oder sonstige Schicksals-
schläge, die so unartig sind nicht erst anzufragen. Dergleichen
kommt' vor.
Wie es beruhigend ist, so ist es auch in sich wahrscheinlich.
Bekanntlich sind es erst dritthalb Jahr, daß Deutschland zerstört
ist. In so kurzer Zeit ist von Männern der alten Schule, wie
sie jetzt in Südderttschland regieren, ein Mehreres nicht zu ver-
langen, als daß sie sich mit ihrem patriotischen Schmerz und ihrem
bureaukratischen Apparat in der neuen Ordnung der Dinge erst
zurechtfinden. Darüber hinaus den Anfang eines Wiederaufbaus
erwarten wäre unbescheiden. Drei Regierungen, die sich ohne
Zwang einigen, — ja, damit sind wir in Deutschland doch nicht
verwöhnt. Und der Zwang allerdings fehlt. Wenigstens was so in
gouvernementalen Regionen Zwang heißt; physischer Zwang näm-
lich, sei's durch unorganisirte Massen (was man das eigene Volk
nennt), sei's durch disciplinirte Haufen (was man fremdes Kriegs-
volk nennt). Der anoere Zwang, den patriotische Sorge, politische
Voraussicht übt, der wirkt nur auf so gewöhnliche Menschen wie
wir Bürgersleute sind; in den Regionen, wo Minister zu bleiben
alles ist, wirken so einfache Motive nicht.
Wir könnten uns erklären, daß matt auf neue Formen für
die Zukunft des Südens zu denken nicht für nöthig fände, wenn
man in der ministeriellen Welt mit den Verträgen wirklich alles
Menschenmögliche geleistet, alle denkbare Vorsorge getroffen zu haben
meinte. Das aber glauben wir nicht. Die Vorstellung irgend ein
Minister (und wenn's auch in Karlsruhe wäre) rede sich wirklich
ein, Preußen könne und wolle und werde den Süden schützen in
allen Fällen, in denen dieser bedroht ist, — werde den Schutz des
Südens auch nur gleichftellen der Rücksicht auf sich selbst, — werde
nicht vielmehr die Kraft des Südens sehr rücksichtslos und schonungs-
los verwenden in möglichst eigennütziger Weise, — diese Vorstellung
ist so schlechterdings abgeschmackt, daß wir sie kaum einem Bettel-
preußen als Wahlmanöver zutrauen.
Fällt aber diese Erklärung als in sich unmöglich fort, was
bleibt? Gutes eben nicht. Die Ergebung in das Schicksal bleibt,
gegebenen Falls hohenzollersches Kanonenfutter zu werden — nicht
doch! vielmehr sein Land zu solchem Kanonenfutter werden zu sehen;
die Ergebung in das Schicksal bleibt, durch west-östliche Drohnngen
zum Abwarten und Zusehen gezwungen zu werden, bis die Sieger
über die Zukunft der süddeutschen Staaten entscheiden; die Erge-
bung also in den reinen Zufall bleibt. Wenn das Politik ist, so
waren wir bisher falsch berichtet. Nach bisher landesüblichen Be-
griffen hieß Politikmachen grade vom gouvernementalen Stand-
punkte aus nichts anderes als: Machtverhältnisse construiren. Jetzt
würde daraus: Machtlosigkeit conserviren. Und diese Aufgabe aller-
dings wäre herrlich gelöst.
Noch ein anderer Vorwurf trifft die gouvernementalen Poli-
tiker des Südens. Wenn nicht direkt in Macht, sie könnten in-
direkt darin machen, könnten in Freiheit machen. Ja, du lieber
Himmel, damit sieht's doch womöglich noch trauriger sus. Kein
Hauch von Leben kräuselt die bureaukratische Oede. Kein Zug von
Triebkraft nach irgend einer Richtung zeichnet die gegenwärtige
Regierungskunst der Südstaaten. Kein Verständniß, geschweige denn
ein Aufruf der Volkskraft, keine Anspannung der Staatskraft —

wie soll das, wie kann das enden?! Antwort: wie es immer ge-
endet hat, immer enden muß.
Und endlich das letzte. Wir Deutsche machen es unfern
Ministern bequem. Das Schwerste nehmen wir ihnen vorweg:
wir denken ihnen vor, denken für sie. Seit einem halben
Jahrhundert thun wir's. Aus der geistig vollbrachten Einigung,
die unsre Dichter und Denker uns errungen, zogen wir die poli-
tische Consequenz. Das war unser Programm. Fertig übergaben
wir's den regierenden Händen. Sie verschmähten, verweigerten,
verhinderten die Ausführung. Endlich ist einer gekommen, der
machte es anders: er mißbrauchte die Vorarbeit der Nation. Und
jetzt wiederholt sich dasselbe. Niemand verlangt ja von den süd-
deutschen Ministern einen eigenen Gedanken. Sie bekommen ihn
zugebracht. Sie bekommen eben damit den Trieb und Drang, der die
Verwirklichung erleichtert, ermöglicht. Aber — ob sie ihn nicht ver-
stehen, den Volksgedanken, ob sie ihn wieder verschmähen —sie thun
abermals nichts, nach 1866 nichts wie vor 1866 nichts, und der Aus-
gang wird dem entsprechen: das Ende wird das Nichts sein. Man
braucht sich nur zu vergegenwärtigen, wie es aussehen wird, wenn
das Schicksal demnächst in irgend welcher Form an die Thore
der Cabinette von München und Stuttgart klopft, und man hat
ein Schauspiel vor Augen, bei dem wir nur weniger nahe interes-
sirt kein müßten, um den bis zur Possenhaftigkeit lustigsten Ein-
druck zu haben. Dies Geschwirre von Rathlosigkeit! Diese Zer-
schmetterung von Hülflosigkeit! Dieses Gewimmer über die ver-
lornen kostbaren Jahre!
Und wenn wir das Schauspiel verlegen vom Palast in die
Hütten, aus den Cabinetten in die Bürgerhäuser? — Da ändert
sich nur eins. Für den Einzelnen ist die Verantwortung gerin-
ger, das Schicksal härter, aber für die Gesammtheit ist die Ver-
antwortung noch größer, das Schicksal noch verdienter. Ein Bürger-
thum, welches Jahr um Jahr seine Sach' auf nichts gestellt hat
statt auf die eigene Kraft und Entschlossenheit, das hat zu klagen
nachher kein Recht, das hat auf Mitgefühl nachher keinen An-
spruch.
Süddeutschland.
* Heidelberg, 15. Febr. Die Frankfurter Zeitung bringt
in No. 48 einen prachtvollen Leitartikel mit der Uebcrschrift „Neu-
Badisches", dem ein weiterer noch folgen wird. Wir sind leider
im Hinblick auf den in Baden einzig dastehenden Art. 631 a des
Strafgesetzbuches nicht in der Lage, unsere Leser durch vollständi-
gen Abdruck des Aufsatzes befriedigen zu können, da ja fast jede oppo-
sitionelle Aeußerung mittelst jenes Artikels gerichtlich belangt wer-
den kann. Es wird in dem Aufsatz der schmähliche Ausgang der
Offenburgerei gebührend verhöhnt, die nur die Absicht gehabt habe,
das Land für eine politische Clique auszubeuten. Dann kommt
eine Schilderung von Excellenz Jolly, die nichts weniger als
schmeichelhaft ist, und wobei besonders hervorgehoben wird, daß
dieser Mann „weder Freunde noch Bewunderer besitzt." Auch der
verstorbene Mathy wird erwähnt und mit dem treffenden Aus-
druck einer „zweifelhaften Persönlichkeit" bezeichnet. Als eine
seltsame Erscheinung wird hervorgehoben, daß der „Jurist und
Exprofessor Jolly provisorischer Kriegsminister wurde, der
frühere Kreisgerichtsrath Ellstädter Finanzminister und der frühere
Rath im Ministerium des Innern v. Dusch Handelsminister."
Herr Jolly wird gehörig in's Gebet genommen von dem Erlaß
an, „wornach „„dem Jakob Lindau"" verboten wurde, seine Wähler
zu einer Versammlung zu berufen, bis zu dem auch zum großen
Verdruß der Offenburger eingeführten Militärstrafgesetzbuch." So
meint der Verfasser, daß das Ministerum Jolly ziemlich verein-
zelt dastehe und daß nur noch die Amtsverkündigungsblätter das
Gegentheil behaupten. Unter diesen nimmt, wie wir hinzufügen,
der Redakteur Emmerling von der Heidelb. Zeitung die erste Stelle
ein; er hat zwar früher gegen die Preußen getobt und für die
Republik geschwärmt, aber was schadet's, hat ja doch Braß in
Berlin noch mehr gethan, als er die Guillotine im Lied verherr-
lichte! - Im weiteren Verlauf beklagt der Verfasser die Apathie
des Volkes für öffentliche Angelegenheiten, was nicht durchaus
richtig ist, da die „Ultramontanen" wenigstens ihre Schuldigkeit
gethan haben und ferner zu thun gedenken. Richtig dagegen ist
es, wenn der Artikel sagt, daß die Bewegungen gegen Agende und
 
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