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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 89-101 (3. August - 31. August)
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und Land.

Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzelle.

^»Lioo.

Samstag den 28. August

1869.

Katholische Volkspartei.
Weitere Adressen an S. Kgl. Hoheit den Großherzog mit der
dringenden Bitte um Kammerauflösung sind abgegangen:
Von Schönau im Wiesenthal als zweite Adresse
von 81 Staatsbürgern.
„ Schielberg 44 „
„ Hockenheim 156 „
„ Railingen 91 „
Uebertrag von Nummer 98 69,302 „
Uebertrag: 69,674 Staatsbürger.
Das Treiben des Protestantenvereins.
vi.
L Aus der Pfalz im August. Da die Religion des Prote
stantenvereius sich bekanntlich mit der herrschenden Cultur in Ein-
klang setzen d. h. allen jeweils herrschenden Leidenschaften, Lüsten
und Verkehrtheiten schmeicheln und sich in deren Diensten verwen-
den lasten will, so war es selbstverständlich, daß die Partei den
Krakauer Klosterspsktakel nicht unbenützt vorübergehen lasten durfte.
Welch' herrliche Gelegenheit bot sich da über Mönche und Nonnen
herzufallen, die Gräuel des Klosterlebens, wie sie der kirchliche Haß
erfunden, zu schildern, um so das Mögliche zur Ausrottung dieser
verhaßten Jesuiten beizutragen. Das Commando war ja gegeben
und man durfte hinter den Meistern und Gesellen in Krakau, Wien
und Berlin nicht zurückbleiben, wo die verthierten Masten zum
Sturm auf wehrlose Männer und Frauen gehetzt wurden. Das
Verlangt ja auch die Humanität der Partei und die „Schlagt-ihn
todt"-Manier ihrer Alliirten. Da übrigens das betreffende Arbeits-
feld in Oesterreich, in Preußen wie in Rußland bereits besetzt u.
gut bedient war, so hat das Hauptquartier in Heidelberg für gut
befunden, das Material für seine Thätigkeit aus Frankreich zu
holen und für die im Lande zu erreichenden Zwecke zu verarbeiten.
Eine Schilderung „des Lebens und Treibens in den französischen
Nonnenklöstern" soll die Leser des Protestantenvereinsblattes „bei
dem jetzt dafür erwachten lebhaften Interesse" d. h. bei der Kloster-
hetze, zu gleicher Thätigkeit ermuntern. Nachdem die Lindenberger
Jungfrauen in Folge der Offenburger „männlichen That" vertrie-
ben, gibt es immer noch einige Nester dieser Art in verschiedenen
Städten und Spitälern unseres Landes, die ausgefegt gehören.
Ein Versuch der Protestantenvereinspartei dem Frauenkloster in
Baden einen Klostergräuel aufzuheften und dadurch die badische
„Nur nit z'Haus geh'n!"
Ein Bild Wiener Lebens.
(Nach dem „Neuen W. Tagblatt".)
Gescheidte Frauen bequemen sich meist ohne viel Aufforderung schon bald
nach den Flitterwochen zu der Concession, den Gemahl hin und wieder ein
Glas Bier auch außerhalb des Schutzes der häuslichen Laren und Penaten
trinken zu lassen. Die noch Gescheidteren des schönen Geschlechtes murren so-
gar im Stillen, wenn der Herr der Schöpfung sich seines legitimen Rechtes
der abendlichen Excursionen — sei es aus Feigheit oder aus Apathie, frei-
willig entäußert und Jahr aus, Jahr ein jeden geschlagenen Abend (selbst an
Waschtagen!) daheim bleibt, mit den vermeintlich so gemächlichen Pantoffeln
unausgesetzt durch die Zimmer schlurft und der viel Beschäftigten durch eine
klettenhaite Anhänglichkeit in der raschen und prompten Erfüllung ihrer Ob-
liegenheiten hinderlich ist. Und die gescheidtesten Frauen, die die Welt von
einem erfahrungsreichen und aufgeklärten Standpunkte zu betrachten gewohnt
und in ihrer Menschenkenntniß so weit vorgeschritten sind, daß sie überhaupt
den Mann, der keinen Bart trägt, nicht raucht und nur Wasser trinkt, geradezu
für kein — „Mannsbild" ansehen, werden sich gewiß in den gefährlichsten ehe-
lichen Momenten, d. h. wenn der sonst so zärtliche Gatte moros und übel-
launisch zu werden droht oder wie ein abgestandener Fisch gähnend im Schlaf-
fessel oder aus dem Dwan liegt, zu jenem wahren Seelen-Heroimus aufraffen
und den sichtlich Gelangweilten mit der liebevollen Weisung direct fortschicken:
„Warum gehst du nicht etwas in's Freie? Heitere dich auf, zerstreue dich,
trinke irgendwo rin Glas Bier. Du trinkst es ja gern und unterhälst dich
auch gern mit ein paar Freunden, aber — komme nicht gar zu spät nach
Hause!" Mit diesem Freibrief ausgerüstet, wird er klug thun, von der Er-
laudniß, falls kein unlauteres Motiv sie ihm verschaffte, wirklich „irgendwo,"
d. h. in seiner ehemaligen Stammkneipe ein „Glas" Bier zu trinken, und er
wird noch klüger thun, schon um Viertel auf elf Uhr Nachts zu feiner getreuen
Gattin zur-ückzukehren, als erst um halb drei Uhr Morgens.
Mit diesen einleitenden Zeilen wollte ich nur im Allgemeinen den nicht

Volkswuth L la Krakau und Moabit gegen dasselbe und die Übri.
gen klösterlichen Anstalten unseres Ländchens aufzustacheln, ist vor-
läufig gescheitert; dagegen muß nun das Preßorgan der Partei für
den nämlichen Zweck auf andere Weise wühlen.
In der letzten und vorletzten Nr. 33 und 34 bringt das
Heidelberger prot. Wochenblatt Auszüge aus einem Tendenzroman
eines abgesetzten französischen Geistlichen über die französischen
Nonnenklöster. Das Buch ist, wie mehrere andere Romane des
Verfassers schon vor mehreren Jahren in Frankreich erschienen, auf
Bestellung der französischen und belgischen Loge gefertigt worden,
die darin erzählten angeblichen Thatsachen sind längst als Ueber-
treibung und Erdichtung, theils als Lüge und Verläumdung ab--
gethan, die Bücher sind verschollen und modern in den Leihbiblio-
theken, ihr Verfasser ist im Elend verkommen. Und solch' ver-
altetes Zeug voll Lüge, Schmutz und Gemeinheit wärmt das prot.
Kirchenblatt seinem Publikum wieder auf, um mit der österreicher
Judenpreffe und dem massakrelustigen Krakauer und Berliner Pöbel
zu concurriren, citirt einen Roman als Geschichtsquelle zurOrien-
tirung über das Klosterleben, präsentirt einen wegen seiner Nichts-
würdigkeit abgesetzten Geistlichen als Gewährsmann für die Berichte
über kirchliche Institute, einen Roman zur Erbauung und Be-
lehrung für das Publikum eines Kirchenblattes! Wie herabgekom-
men an allem religiösen Gehalt, wie baar jedweden kirchlichen An-
standes muß dieser Protestantenverein geworden sein, daß er für
seine Heerde keine andere Nahrung aufzutreiben weiß als Romanen-
futter! Natürlich, nachdem man die Bibel nebst Allem was drum
und dran ist „unter die Bank" geworfen, setzt sich die moderne
Cultur oben drauf und freut sich des heitern Gottes in der eige-
nen Brust; wo man die Wahrheit geächtet, da orakelt die Lüge.
Sonst hat man die Jngend vor Romanlektüre gewarnt als Zeit
verschwendend, Täuschungen bereitend') Phantasien erzeugend, zur
Trägheit und Denkfaulheit verleitend, für das wirkliche Leben ver-
derbend. Und nun empfiehlt ein Kirchenblatt seinem Publikum
Romane als Bildungs- und Belehrungsmittel, ja verlangt sogar,
daß dieselben für „Pfarrlese: Cirkel" angeschafft werden! Vermuth-
lich soll aus ihnen das Material für die Predigten und sonstigen
Lehrvorträge des Protestantenvereins geschöpft werden. Wie kann
man an wissenschaftlichen Ernst bei Geistlichen glauben, denen man
maßgebender Seits Romane zur Fortbildung anempfehlen darf;
wie muß da alle Achtung vor geschichtlicher Wahrheit verschwun-
den sein, wo man Dichtung und Phantasiebilder als Geschichts-
quellen citirt? Kann es da noch Wunder nehmen, wenn die prote-
ungewöhnlichen männlichen Usus, ein „Glas" Bier oder ein Paar „Pfiff"
Wein (Pfiff Wein - V» Seidel) außer dem Hause zu trinken, rechtfertigen.
Ja, ich gehe so weit und behaupte, daß dieser Gebrauch zu den angeborenen,
verbrieften und unveräußerlichen Rechten des Mannes gehört, daß das „Wirths-
Hausgehen" nach des Tages Müh' und Arbeit für seine Gemüthsgesundheit
so unentbehrlich, als für gewisse, eben nicht bösartige Frauen eine kleine Mein-
sance inmitten Kaffee trinkender Freundinnen ist, und daß es ihn schließlich
vielleicht von Schlimmerem abhält, wenn er endlich auf dem Punkte angelangt
ist, sich (nur dann und wann) „etwas zu zerstreuen." Gestattet eine honette
Frau — und vernünftiger Weise kann sie es nicht verwehren — einem anstän-
digen Manne den zeitweisen Besuch des Gasthauses, so wird der Moralist und
Culturhistoriker darin kaum etwas Bedenkliches finden; denn nur erst der
Mißbrauch solch' edelmüthiger Licenz wird verderblich, und deßhalb habe ich
es auch mit den „Ausschreitenden" zu thun. .
Diese zügellosen Habitues der Bierbank und enthusiastischen Anhänger des
Principes : „Nur nit z ° Haus g e h ' n !" theile ich, die ekele Secte der
stillosen Trunkenbolde selbstverständlich ausgeschieden, in drei Klassen: Nacht-
schwärmer, welche, wie das Sprüchwort lautet, „die Nacht zum Tage
machen" und nicht wählerisch in den Genüssen, die die Nacht bietet, ihre
Trink-Orgien und sonstigen „lauten" Amüsements mit einem „Schwarzen
(Tasse Kaffee) mit Eiswasser" beschließen; „Wirt hshausbrüder", denen
die „Hetz", der „G'spaß", der „Jux", die „Gaudi" unter „guten Freunden"
und „Dutzbrüdern" über alles geht, und stille Zecher, die in ost wohl-
motivirter Menschenverachtung still in einem Winkel kauern, den Kopf in die
Hand gestützt, starr in das Glas blicken und den jeweiligen (Gersten- oder
Reben-) Saft mit unleugbarer Andacht tropfenweise freilich sind es viele
Tropfen — und in langen und häufigen Zügen hinabschlürfen. Diese drei
stabilen Wirthshaustypen sind in ihren Trieben und Leidenschaften grundver-
schieden, aber ein gemeinsames Band hält sie doch zusammen, die obenerwähnte
Parole und Lebensregel: „Nur nit z'Haus geh'n!"
Den „Nachtschwärmer" wollen wir heute begleiten. Er beginnt seine Tages-
ordnung, wenn der Tag zur Neige geht, er sucht ein paar Freunde auff die
er stets zu finden weiß, in diesem Gasthause, in jenem Lass. Man bespricht
sich. Man macht Vorschläge und verwirft sie wieder als zu langweilig. End-
lich einigt man sich.
(Fortsetzung folgt.)
 
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