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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 102-114 (2. September - 30. September)
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Extrabeilage Ml Pfälzer Koten Nr. 113.

Karlsruhe, 34. Sept. Die Rede Seiner Königlichen Hoheit
des Großherzogs bei Eröffnung der Ständeversammlung lautet wie
folgt:
Edle Herren und liebe Freunde!
Empfangen Sie meinen herzlichen Gruß bei dem Beginne Ih-
rer Arbeiten, denen Ich mit Freude und Vertrauen entgegensehe,
von eenen Ich werthvolle Früchte für die äußere und innere Ent-
wickelung des Landes erwarte.
In der nationalen Neugestaltung Deutschlands, welche die Ge-
sundheit und das Gedeihen der deutschen Einzelheiten bedingt, ist
ffil Ihrer letzten Tagung ein entscheidender Schritt nicht geschehen.
Ich freue Mich aber der nahen Beziehungen, welche zwischen
Meinem Lande und dem norddeutschen Bunde bestehen, und gerne
constatire ich, daß aus deni wachsenden nationalen Bewußtsein eine
immer weitere und stärkere Gemeinsamkeit unter allen deutschen
Staaten sich entwickelt.
Durch Verträge, welche Ihnen zur Kenntnißnahme und, soweit
nöthig, zur Zustimmung vorgelegt werden, ist die Fortdauer des
gemeinschaftlichen Eigenthums an dem Material der ehemaligen
Bundesfestungen Mainz, Ulm, Rastatt und Landau unter allen be-
theiligten Staaten festgestellt; neben einer Festungscommission ist eine
mit dem norddeutschen Bunde gemeinsame Jnspicirungscommission
eingerichtet, und es ist Vorsorge getroffen worden, daß der Zusam-
menhang des Vertheidigungsspstems von Nord- und Süddeutschland,
dessen Nothwendigkeit allseitig anerkannt ist, praktisch gewahrt
werde.
In der zweimaligen Versammlung des Bundesrathes und des
Parlamentes des Zollvereins hat die Zusammengehörigkeit aller deut-
schen Staaten, wenn auch zunächst nur auf beschränktem Gebiet, in
erfreulicher Weise sich bethütigt.
Wir dürfen gute Hoffnungen hegen von der weitern Entwicke-
lung und Erstarkung dieses so segensreichen Bundes.
Die im Zollverein organisirte Gemeinsamkeit des wirthschaft-
lichen Lebens Deutschlands macht sich auch außerhalb desselben gel-
tend. Die Maaß- und Gewichtsordnung des norddeutschen Bundes,
über deren wesentlich unveränderte Annahme Ihnen eine Gesetzes-
vorlage gemacht werden wird, und welcher auch die übrigen süd-
deutschen Staaten sich anschließen, wird auf diesem Wege Geltung
in ganz Deutschland erlangen. Die durch den Zollverein abgeschlos-
senen Handels- und Schifffahrtsvertrttge, die im Anschluß an den
norddeutschen Bund vereinbarten Post- und Telegraphenverträge stel-
len für wichtige Gebiete des Verkehrslebens die hier so nothwmdige
Gemeinsamkeit her.
Mit Hülfe der von Ihnen gewährten Mittel war Meine Re-
gierung unterstützt durch das Entgegenkommen nnd die Bereitwillig-
keit der Bevölkerung im Stande, die mit ihnen vereinbarte Wehr-
verfassung in Uebereinstimmung mit der des norddeutschen Bundes
in's Leben einzuführen. Stark im Wollen und Können vermögen
meine braven Truppen in die Reihen der verbündeten norddeutschen
Armee zur Vertheidigung des gemeinsamen Vaterlandes mit Gleich-
berechtigung einzutreten.
Unsere Heereseinrichtungen machten es möglich, mit dem nord-
deutschen Bunde einen Ihrer Zustimmung zu unterbreitenden Ver-
trag über militärische Freizügigkeit abzuschließen, welcher die Ab-
leistung der Wehrpflicht für die Einzelnen erleichtern wird, und durch
welchen die Einheit der deutschen Wehrkraft zu einem erfreulichen
Ausdruck gelangt.
Ich hoffe und vertraue, die neu organisirte Wehrkraft Meines
Volkes wird nicht zu ernster Verwendung gerufen werden. Sie wer-
den aber darum nicht den nationalen Werth und die Unentbehrlich-
keit derselben verkennen.
Meine Regierung wird Ihnen zur Erhaltung des in patrioti-
schem Geiste Begonnenen die Verlängerung des Contingentgesetzes
zunächst auf zwei weitere Jahre Vorschlägen und die Bewilligung
des thunlichst verminderten Aufwandes beantragen, ohne welchen
Mein Armeecorps nicht auf der mit Anstrengung erreichten Stufe
kriegerischer Tüchtigkeit erhalten werden kann.
Ueber die Ordnung der Militärstrafrechtspflege wird Ihnen
eine Vorlage gemacht werden.
Die Verfassung des Landes, deren fünfzigjähriges Bestehen
Ich im vergangenen Jahre freudig und voll Dank für ihre segens-
reichen Wirkungen mit Meinem Volke gefeiert habe, bedarf, uni im
Einklang mit den Verhältnissen zu bleiben, mancher Verbesserungen.
Meine Regierung wird ihnen verschiedene Aenderungen vorschlagen,
thells um die freie Bewegung der Kammern zu fördern und ihren
Geschäftsgang zu erleichtern, theils um die Gesammtheit der Staats¬

bürger in weiterem Umfange als bisher zu dem wichtigsten consti-
tuüonellen Rechte, dem Wahlrecht zur zweiten Kammer, heranzu-
ziehen.
Das mit dem vorigen Landtag vereinbarte Gesetz über Minister-
verantwortlichkeit wird durch ein Gesetz über das Verfahren bei der
Anklage seine nothwendige Ergänzung finden, und, einem weiteren
Wunsche der zweiten Kammer entsprechend, soll die Aburtheilung
aller politischen Verbrechen an die Schwurgerichte übertragen
werden.
Der Grundsatz der Selbständigkeit der Kirchen im Staate er-
heischt eine folgerichtige Abgrenzung der beiderseitigen Gebiete. Durch
einen Gesetzentwurf über die obligatorische Civilehe und die bürger-
liche Standesbeamtung und durch einen weiteren Entwurf über die
Verwaltung der weltlichen Stiitungen sollen die Mängel, an wel-
chen die bisherige Gesetzgebung in dieser Beziehung leidet, beseitigt
werden.
Zu den Gesetzen über den öffentlichen Unterricht sind, in Ueber-
einstimmung mit früher geäußerten Wünschen des Landtags, einige
ergänzende Nachträge zur Vorlage an Sie vorbereitet.
Tiefer eingreifende Aenderungen erscheinen Meiner Regierung
bei den Gemeindeeinrichtungen geboten. Das Armenwesen bedarf
einer gesetzlichen, auf anderen als den bisherigen Grundsätzen be-
ruhenden Regelung, durch welche nach dieser Seite hin der Be-
stand der Gemeinden wesentlich geändert wird. Für den Organis-
mus der Gemeindehörden ist Vereinfachung und lebendigere Berüh-
rung derselben mit der Bürgerschaft wünschenswerth, und die Au-
tonomie der Gemeinden gegenüber dem Staate kann ohne Schaden
für diesen und zum Vortheil jener erweitert werden.
Der Hebung der wirthschaftlichen Zustände des Landes ist die
Aufmerksamkeit Meiner Regierung unausgesetzt zugewendet.
In Ausführung des Straßengesetzes wird Ihnen eine Vorlage
über die in mehreren Budgetperioden auszuführende Vervollständig
gung des Netzes der Landstraßen gemacht werden; an dem Weiter-
bau der Eisenbahnen wird mit Eifer gearbeitet; ein Gesetzesent-
wurf über Local- und Zweigbahnen, deren Herstellung zweckmäßig
der Privatindustrie überlassen wird, ist dazu bestimmt, dem Unter-
nehmungsgeist die Wege zu ebnen und allen zulässigen Vorschub
zu leisten.
Der hohe Werth, welchen die Gewässer des Landes darstellen,
fordert im Interesse der Landwirthfchaft und der Industrie neue
zweckentsprechende Bestimmungen über die Art ihrer Benützung.
Zur Erhaltung des Fischbestandes ist ein wirksamerer Schutz als
der bisherige nothwendig. Es werden Ihnen Gesetzentwürfe über
diese Gegenstände vorgelegt werden.
Von der beabsichtigten Gründung einer Notenbank, wozu Ihre
gesetzlich erforderliche Mitwirkung in Anspruch genommen werden
wird, ist eine weitere Anregung und Erleichterung für Handel und
Industrie zu erwarten. Ein dem norddeutschen nachgebildetes Gesetz
über Erwerbs- und Wirthschaftsgenoffenschaften soll auch anderen
Kreisen ähnliche Vortheile zuführen.
Nicht ohne Sorgen sah Ich in der letzten Budgetperiode die
Bedürfnisse des Staatshaushalts anwachsen. Die gesteigerten Lasten
sind aber von der Bevölkerung — Ich erkenne es aufrichtig dank-
bar an — mit bewährter Hingebung für das öffentliche Wohl und
und Ich darf sagen, auch ohne Gefahr für das wirthschaftliche Ge-
deihen des Landes getragen worden- Die ökonomischen Verhältnisse
sind in Folge durchschnittlich guter Erträgnisse zweier Jahre und
durch den ausdauernden Fleiß der Bevölkerung wieder im Aufblühen
begriffen.
Meine Regierung ist bemüht, den Staatsauswand so weit zu
beschränken, als es mit den Aufgaben des Staates irgend verträg-
lich ist. Das Staatsbudget ist in diesem Sinne entworfen und wird
Ihnen zugleich Vorschlägen, die Weinaccise und das Weinohmgeld
auf die früheren, niedrigen Abgabesätzc zurückzuführen.
Vertrauen wir auf die friedliche Erreichung unserer Ziele; mit
ihr wird am sichersten Erleichterung in den Anstrengungen eintre-
ten, die jetzt noch unvermeidlich sind.
Der Segen des Himmels ruhe auf Ihren Arbeiten!

Kammerverhandlungen.
Karlsruhe, 25. Sept. 1. öffentliche Sitzung der Ersten
Kammer. Unter dem Vorsitz des Hrn. Geh. Raths v. Mo hl.
Hr. Graf v. Berlich in gen hielt folgende Ansprache:
„Seitdem dieses hohe Haus versammelt gewesen, ist ein lang
jähriges verehrtes Mitglied desselben mit Tod abgegangen. Es ist
 
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