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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 75-88 (1. Juli - 31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43880#0333

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83. Dienstag dm 20. Juli 1869.


Katholische Bolkspartei.
Weitere Adressen an S. Kgl. Hoheit den Großherzog mit der
dringenden Bitte um Kammerauflösung sind abgegangen:

Von Uissighelm von
82
Staatsbürgern.
Lemkirch
131
Blumenfeld
31
Karsau
86
//
Waldkirch bei Waldshm
141
//
Ittendorf
66
Kippenhaufsn
43
Herrichschried .
Wehrhalden s
169
Großherrischwand j
Rütte !
--
Neuenburg
122
//
Engen
17
//
Anselfingen
61
//
Bargen
30
--
k/
Bittelbrurm
60
Neuhausen
34
Zimmerholz
57
Eppingen
142
Uedertrag von letzter Nummer
63,081
Uebertrag:
64,461
Staatsbürgern.

Der Papst? nach Bluntschli.
^2 Aus der Pfalz, im Juli. Man erinnert sich, daß seü
langer Zeit von allen katholikenfeindlichm Blättern behauptet wird,
der Papst stehe unter der Herrschaft der Jesuiten, sie führten tat-
sächlich das Regiment der Kirche. Wie oft auch katholischer Seits
aus das Lächerliche dieser Erfindung hingewiesen wurde, daß ein
Mann wie Pius IX., der fast täglich durch seine Reden an Ein-
zelne wie größere Versammlungen, durch seine Entschiedenheit und
Nnbeugsamkeit gegen die Mächtigen der Erde seinen hohen Geist
und seine sittliche Characterstärke kund gibt, sich zum willenlosen
Werkzeuge eines religiösen Ordens sollte brauchen lassen — die
Lüge wurde trotzdem immer und immer wieder behauptet, denn so
forderte es der Haß der Loge gegen den gefürchteten Jesuitenorden
und gegen den Papst. Die Jesuiten sollten als Verführer und
Verderber des Oberhauptes der Kirche und somit der ganzen Kirche,
der Papst als ein Blödsinniger, Unzurechnungsfähiger dem allge-
meinen Haffe und der Verachtung übergeben werden. Die Lüge
wurde aber jeden Tag fadenscheiniger, je mehr das Leben und
Wirken des Papstes auch unter den Protestanten bekannt wurde,
wozu die Feier des päpstlichen Jubiläums trefflich beigetragen hat.
Die Regierungshandlungen des Papstes traten von Tag zu Tag
energischer hervor und trugen so sehr das Gepräge der Persönlich-
keit des Papstes und selbsteigenen Entschlusses, daß die stereotyp
gewordene Lüge von der geistigen Inferiorität des Papstes sich nicht
mehr hallen ließ, ohne die Lügner und Verbreiter der Lüge total
zu dlscreditiren. Man mußte also davon abstehen, wollte jedoch
den dadurch beabsichtigten Zweck nicht aufgeben, sondern nur auf
anderm Wege erreichen. Von der Loge und dem affilirten Prote-
stantenverein wurde deßhalb eine andere Parole ausgegeben und
Stuhlmeister Bluntschli in Heidelberg beauftragt den Wechsel ein-
zuleiten. Auf einer Versammlung des Protestantenvereins zu Ber-
UN am 18. Juni d. I. „erklärte derselbe auf Grund eingehender
Dmdren der Verhältnisse, der Persönlichkeiten die Ansicht für un-
nchtrg, nach welcher der Jesuitenorden den ursprünglich liberalen
Prus IX. allmählich seinen Pnncipien dienstbar gemacht habe.
Vielmehr werde mindestens eben so sehr der Jesuitenorden vom
Papste beherrscht als dieser von jenem. Der Papst ser eine weit
Persönlichkeit als in der Reael angenommen werde.
Ver AntruL seiner Regierung vielleicht kurze Zeit in politischer Be-
Myung ttklienisch-national gesinnt, habe er als Kirchenmann von
Mnm ersten Rundschreiben an denselben Standpunkt eingenommen,
mtt vollem Bewußtsein um die Bedeutung des Kampfes dieselben
eultur- uno ftaatseindlichen Forderungen gestellt, die seitdem im
MnzeinLN klarer hervortretend die christlichen Völker zu bewegen,
hatten. Von hoher Klugheit, umfassender
LLbmLttnrttnrß, habe er Theil an jener feit dem AUerthum in

Rom nie abgestorbenen Kunst, die weitsichtigsten kirchlich-staatlichm
Conceptionen Zu entwerfen, ihre Ausführung mit sicherer Hand zu
leiten. Einem Philosophen gleich in seinem Gedankensystem unver-
rückt ruhend, die Erscheinungen des Lebens in dasselbe einordnend,
sei er an und für sich Line Macht, eine um so größere als ihm
die liebenswürdigsten Formen des Verkehrs zu Gebote ständen."
(Nr. 27 des süddeutschen prot. Wochenblattes.)
Das klingt ja aus solchem Munde ganz fremdartig und stimmt
gar nicht zu dem „alten Esel", womit dis katholikeufemdliche Par-
tei in' ihren Schandblättern und Schcmdbüdern Macklot'scher
Fabrik das Oberhaupt der katholischen Christenheit zu beehren be-
liebt, das ist ja ein offenbarer Widerstreit Bluntschli contra Munt-
schli, der fast zur nämlichen Zeit in der neuesten Broschüre „Charao
ter und Geist der politischen Parteien" Sette 45 behauptet: „Papst
Pius ist ganz von der Jesuitenparter umstrickt und auf die Wege
der Rec-ction getrieben worden." Wir wollen nicht anuehmen,
daß Bluntschli nicht mehr weiß, was er spricht, obschon in seinem
Thun seit „Offenburg" ein bedenklicher W irrwar zu Tage getreten;
nur denken uns vielmehr, Angesichts der häufigen Häutungen, die
der Mann durchgemacht und der bekannten Elasticität, die sich den
Umständen fügt, die Sache folgendermaßen: Gegen dis Jesuüen
kann man Neues nichts mehr aufbringsn, alle Schmach, Schande
und Niedertracht, die man über sie gehäuft, ist erschöpft, die Lech-
zende Meute, die man aufgestachelt, verlangt Abwechslung, darum
jetzt los! aus den Papst, der nicht mehr von den Jesuiten getrieben
wird, sondern sie von ihm, auf den ächten und rechten Jesuiten-
general, den Schöpfer von Syllabus und Encyclica gräulichen An-
denkens, den alleinigen Urheber des der Loge und dem Protestanten-
verein Untergang drohenden Concils, gegen das, wie weiland gegen
die Mauern Jericho's, an der heiligen Kaaba in Worms bereits
die Posaunen geblasen wurden. Bald werden wir nun wieder
das alte protestantische Schlachtgeschrei erschallen hören gegen, „die
babylonische Hure", gegen das „vielköpfige Ungeheuer der Apoka»
lypse, gegen den Heerführer der katholischen „GurgeLabschneider",
denen man trotzdem in Worms die bluttriefenden Hände zu drücken
sich Herbeilaffen wollte. Nun, wir haben keine Furcht: so wenig
die maurerischen und protestantenvernnlichen Lügen den Jesuiten
geschadet haben, die sich um so fruchtbarer entwickeln, eben so
wenig wird der Papst durch den neubeginnenden Feldzug Schaden
nehmen. Wissen wir ja doch schon lange, daß Jesuiten und Ultra-
montane dem Protestantismus und dem Protestantenverem zu seiner
Existenz so nothwendig sind, wie andern Menschen die reine Luft
zum Leben, daß die Furcht vor ihnen die Extreme im Protestan-
tismus zusammenhält und die Gespenster der Jesuiten und Ultra-
montanen den ausgiebigsten, ja fast ausschließlichen Stoff abgeben
müssen für die Kanzeln des „reinen Evangeliums" in Stadt und
Land, für die „Bürgerabende", für die kirchenhistorischm Vorträge
in den Museen und Harmonien, für die StraßenparLamente und
Zur Auswühlung des Gesindels, das an Wahltagen und bei Ver-
sammlungen der Katholiken gegen diese mit Steinen und Knütteln
operirt. Wir wollen nun abwarten, wie die Lakaien der Loge und
ihrer Filiale, des Protestantenvereins, dem von ihrem Großmeister
auf dem Tage in Berlin gegebenen Signal Nachkommen werden.

Wählen oder nicht wählen, und wen?
Kommt jüngst mein Nachbar Hannes zu mir uub sag!: Schon
wieder wird man geplagt mit dem leidigen Wählen; ich aber rhue
diesmal nichts. Meinetwegen gehr es doch, wie es gehen will;
was kann denn unsereiner churU Und bei dem Wählen, wie es
zum Landtag geschieht, kommt schon vorweg nichts heraus. Wäre
es ein Wählen wie zum Zollparlament, wo die Sache im Gehei-
men herging, so ließ ich's nur noch eher gefallen, aber offen zu
wählen, da macht man sich am Ende noch verhaßt, und das End
vom Lied wird doch sein wie gewöhnlich: Nach jedem Landtag neue
Steuern.
Darauf sagt ich nun meinem Nachbar in meinem einfachen
Bauernverstande wie folgt, und will's, weil's noch mehr solche Han-
nes geben wttd, gerade auch diesen sagen: Mein lieber Nachbarl
In dem letzten Stücke haft du schon recht. Dieft Art des Wah.
ims, wie es bei uns Zum Landtage geschuht, wo mau sturen
 
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