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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 14-25 (2. Feburar - 27. Februar)
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Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag,
Donnerstag und Famstag.

für MM



und Land.

Preis vierteljährlich 40 kr. ohn
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.



Samstag den 27. Februar


1869.


Die jüngsten Reden des Grafen Bismarck
scheinen ihm in weiten Kreisen nichts weniger als eine günstige
Stimmung eingetragen zu haben. So schreibt man der „Wiener
Neuen Fr. Presse" darüber aus Frankfurt a. M. vom 15. d.:
Nichts hat den edlen Grafen an der Spree so in seiner Re-
putation geschädigt, als seine letzten unermüdlichen, leidenschaftlichen
Reden. Mit Ausnahme des Mosquitofchwarmes, der immer um
ihn herumbrummt, und an dessen Spitze der sonderbare Schwärmer
Braun schwirrt, hat Jeder etwas auszusetzen an diesem nervösen,
unstaatsmännischen Gepolter, das eher von der Bierbank als aus
einem Parlament zu erdröhnen scheint. Die Freisinnigen sagen:
Wie schwach muß sich dieses Preußen fühlen, daß es sich von 1400
Mann bedroht glaubt, und daß es 400,000 Thaler gebraucht wi-
der die unfindbaren Agenten des Kasseler Dietrich! Ist dieser Bis-
marck nicht der travestirte Kamptz, unseligen Andenkens, der die
armen Burschenschaftler in ihren Kneipen „aufsuchte"; gründet er
nicht eine Central-Untersuchungscommission auf internationalem
Gebiete? Die Conservativen zucken die Achseln: „erbärmliche dynastische
Rücksichten!" Ei, ei, wenn nun der Spieß einmal umgekehrt würde,
wenn der böse Louis den Bismarck schlüge und das Reich des
„Charlemagne", vuIZo Karl der Große genannt, erneuerte, brauchte
er sich da von „erbärmlichen dynastischen Rücksichten" behelligen zu
lassen? Und die Republikaner erst, die unter dem Steuer- und
Militärdruck täglich au Zahl wachsen, wie gelegen kämen denen erst
die „erbärmlichen dynastischen Rücksichten!"
Ob der edle Graf in Varzin krank war oder nicht: keinesfalls
weiß er, was er spricht, und bei allen Agenten, die ihn für bares
Geld bedienen und belügen, weiß er auch das nicht, was in der
diplomatischen Welt über ihn gedacht und gesprochen wird. Wir
glauben nicht zu viel zu sagen, wenn wir behaupten, daß ihn sämmt-
Uche Cabinette Europa's hassen, und daß sich alle, Rußland kaum
ausgenommen, freuen würden, wenn er eine tüchtige Schlappe da-
vontrüge.
Wenn er so fortmacht, so zieht er sich das Netz über dem Kopfe
zusammen, und eine Coalition der Mächte, mächtig secundirt von
der Coalition der öffentlichen Meinung, drückt ihn eines schönen
Morgens in die Ecke. Dürfte man bei so ernsten Dingen der
Heiterkeit ihren Tribut zollen, so wäre es amüsant, die Physiognomie
des Berliner Landtages zu beobachten, sobald sein Abgott oder Knecht
Rupprecht dem „Hofmeister in tausend Aengsten" gleichen wird.

Siiddeutschtsnd.
* Heidelberg, 25. Febr. Die Pariser „Presse" veröffent-
licht einen Protest von 850,000 Hannoveranern, also so ziem-
lich des ganzen hannoverschen Landes, an die europäischen Groß-
mächte gegen die preußische Vergewaltigung. Derselbe lautet:
„Wir unterzeichneten Hannoveraner richten unsere flehenden Bitten an die
vier Großmächte und hohen Regierungen von England, Frankreich, Oesterreich
und Rußland. Der König von Preußen hat in ungerechtester Weise unseren
König und legitimen Souverän Georg V. von Hannover mit Krieg überzogen.
— Der Wille des Allmächtigen hat es zugegeben, daß in diesem Kriege die
Ungerechtigkeit und die Gewalt den Sieg davon trugen. — Der König von
Preußen hat auf Grund derselben Ungerechtigkeit und desselben Rechtes der
Gewalt, ohne Rücksicht zu nehmen auf unsere inständigen Bitten, das König-
reich Hannover dem Königreiche Preußen einverleibt. — Wir erheben hiermit
auf das Feierlichste bei den Regierungen der europäischen Großmächte Protest
gegen diesen Akt der Willkür und der Ungerechtigkeit. — Wir werden eine Zeit-
lang gezwungen sein uns zu beugen unter die fremde Macht. — Aber wir ver-
wahren uns förmlich und feierlich vor den hohen Regierungen der europäischen
Großmächte, daß die stille Duldung des Joches, welches die Gewalt uns auf-
erlegt, jemals ein Recht gegen uns bilden könne. Im Gegentheil, wir erklären
ebenso förmlich als feierlich vor den hohen Regierungen der europäischen Groß-
mächte, daß die stille Duldung des Joches, welches die Gewalt uns auserlegt,
jemals ein Recht gegen uns bilden könne. Im Gegentheil, wir erklären eben-
so förmlich als feierlich vor den hohen Regierungen der Großmächte, daß in
Zukunft wie in der Vergangenheit wir einzig und allein als König und legi-
timen Souverän anerkennen Se. Maj. Georg V. von Gottes Gnaden König
von Hannover. — Wir leben der festen Ueberzeugung, daß, wenn der Wille
des hannoverschen Volkes sich in voller Freiheit kundgeben könnte, die Verirr-
ten , welche nicht denken wie wir, eine absolute Minderheit bilden würden. —
Wir haben aus Grund des neuen Rechtes der Völker, welches in den letzten
Jahren zur Anwendung kam, das Recht, gehört zu werden; wir verlangen
dieses Recht der Abstimmung. — Aber, obwohl wir bis dahin unter der rohen
Gewalt uns beugen müssen, geben wir doch die Hoffnung nicht auf; darum
erheben wir unsere flehenden Stimmen zu den hohen Regierungen der europäi-
schen Großmächte, um sie zu beschwören, das gegen unseren König und sein
Haus und gegen uns, seine Unterthanen, geübte Unrecht nicht als zu Recht
bestehend anzuerkennen."
* Heidelberg, 25. Febr. Das „gesinnungstüchtige" Mann-
heimer Journal läßt in seinem gestrigen Blatte „seinen tiefsten
Schmerz darüber aus, daß die von ihm angeregte Organisation
einer liberalen Katholikenpartei an der herkömmlichen Apathie und
Antipathie der Auchkatholiken gegen eine innerklrchliche Bethätigung
gescheitert sei." Bei diesem herben Schmerz bringt es aber auch

Aus dem Munde eines alten Waltfischfängers.

(Fortsetzung.)
„Werden denn die Boote der Wallfischfahrer nicht oft zertrümmert?" fragte
mein Bruder Heinrich.
„O ja, das kommt häufig genug vor und ist unter Umständen sogar sehr
gefährlich, so namentlich gegen Ende des Tages, denn es gibt natürlich in je-
ner Zone der Tag - und Nachtgleiche beinahe gar keine Dämmerung: in die-
sem Augenblick habt Ihr noch Helles Tageslicht und fünf Minuten später ist
Alles stockdunkel. Wird nun ein Boot kurz vor der Zeit zertrümmert, wo die
plötzliche Dunkelheit einbricht, so läuft man Gefahr, zu Grunde zu gehen, denn
bis zum nächsten Morgen kann das Schiff, welches nichts von dem Standorte
der Verunglückten weiß, schon viele Meilen weit abgetrieben worden sein. Ich
habe einmal eine wackere That von einem Burschen in einem derartigen Falle
gesehen. Es ist vielleicht nicht allgemein bekannt, daß die Boote der Wallsisch-
fänger — jedes Schiff hat deren drei oder vier — etwa dreißig Fuß lang und
aus Planken erbaut sind, die kaum einen Drittelszoll dick sind, denn die schwer-
sten und dauerhaftesten Boote, die man überhaupt nur noch handhaben könnte,
würden dem furchtbaren Schlag von der Schwanzflosse eines Walles eben so
wenig widerstehen, als die leichtesten, und die letzteren find daher ungleich ge-
schickter für den Gebrauch, weil sie leichter auszusetzen und auszubefsern sind.
Obwohl dreißig Fuß lang, sind sie doch so leicht, daß zwei Männer mit einan-
der sie bequem tragen konnten. Wird ein Boot eingestoßen, so richten wir es
nur auf, den Kiel nach unten, binden unsere Ruder der Quere nach darüber
her, um ihm eine breite floßartige Oberfläche zu geben — es sind zu diesem
Behuf Taue ausdrücklich an den Seiten des Boots angebracht, — und alle
setzen sich nun darauf und warten auf Hilfe. Natürlich sind wir in einem
solchen Fall gleichsam an die Stelle gebannt; wenn wir uns aber so niederho-
cken, so beträgt das Gewicht unserer Körper nicht mehr als etliche Pfunde für
das Boot, und das Wasser trägt uns beinahe; stehen wir aber auf, so sinkt
das Boot unmittebar. Ich saß einmal drei Stunden lang so, wobei mir das
Wasser, bis um die Brust ging. Uebrigens ist es keine so schlimme Lage unter
zerren Breiten, vorausgesetzt, daß Einem die Kameraden mit Zeit und Weile

zu Hilfe kommen. Bei der eben erwähnten besondern Veranlassung stießen wir
spät am Abend auf einen Wall. Wir arbeiteten in einer ausgedehnten Linie
— die beiden anderen Boote waren ziemlich weit draußen zu unserer Rechten,
das Schiff mindestens drei Seemeilen leewärts von uns. Der Boden unseres
Bootes war eingeschlagen und die Nacht kam ganz jählings über uns herauf.
Das Schiff war meilenweit entfernt, die beiden Boote weit außer der Hörweite
unseres Rufs, und es zeigte sich uns nirgends die leiseste Aussicht auf Rettung.
Da stand ein Mann unter uns auf und erbot sich, hinauszuschwimmen, um
uns zu retten. Es kam ihm nicht in den Sinn, es mit dem Schiffe zu ver-
suchen, denn dieß war unthunlich ; sondern er wies uns nach, wie die anderen
Boote, um selbst das Schiff zu erreichen, an irgend einem Punkte ungefähr
drei Viertelmeilen von uns vorüberkommen mußten, und er hoffte, den Haien
und der Dunkelheit zum Trotz denselben aus ihrem Wege zu begegnen, und
wollte sie dann zu unserer Hilfe hieher bringen. Der Mann ließ sich über
die Seite des Boots hinab, und wir warteten und warteten und horchten und
horchten und es währte nicht lange, so hörten wir das willkommene Plätschern
der Ruder und sie brachten uns alle glücklich wieder nach unserem Schiffe. Das
war ein famoser Bursche. Unser passives Ausharren äußerte sich bei den Ein-
zelnen sehr verschieden, denn Jeder wußte, daß für den Schwimmer und für
uns das Leben gleichsam nur an einem Zwirnsfaden hing. Mir ist der Tod
niemals näher gestanden, als vielleicht ein einziges Mal, wo ein Wall mit ei-
nem Rückschläge seiner Flosse mir die linke Augdraue Vicht vom Knochen hin-
wegschlug," sagte der Capitän und zeigte uns eine deutlich sichtbare große Narbe.
„Sehen Sie, um einen Zoll oder zwei dem Ungethüm näher, und ich wäre
nicht mehr hier, um Ihnen meine Geschichte zu erzählen; so wahr ich lebe, es
hing gleichsam nur an einem Haare, daß ich ein verlorener Mann war."
„Ja, es gibt zuweilen förmlich heldenhafte Naturen auch in den beschei-
densten Lebensverhältnissen," sagte mein Bruder. „Jener Matrose verdiente
einen Orden ebenso gut, als irgend Einer, der sich auf dem Schlachtfelde aus-
gezeichnet. Aber da die Matrosen solchen zahllosen Gefahren ausgesetzt sind,
so kann man es ihnen auch nicht verdenken, wenn sie hie und da über die
Schnur hauen!"
(Schluß folgt.)
 
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