Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

DOI Kapitel:
Nr. 128-140 (2. November - 30. November)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43880#0547

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag.
Donnsr6ag und Samstag.


Preis vlsrreyayruch 40 kr. ohne
RRö Trägerlohn und PostauffchlaZ.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzsile.

Samstag den 20. November



1869.

Kammerverhandlungen.
* Karlsruhe, 16. Nov. In der gestrigen äußerst erbittere
ten Debatte über die Standesbeamtung sammt obligatorischer Civil-
ehe ergriff zuerst der Abg. Mühlh äusser das Wort: Er be-
trachte die beiden Theile des Entwurfes nicht für zusammengehörig;
er habe nichts gegen den ersten Theil. Dagegen könne er vie obli
gatorische Civilehe nicht so obendrein für eine bloße Formalität
erachten. Die Sache hänge zu wesentlich mit der tief gehenden
religiösen Bewegung unseres Landes zusammen: das Volk wolle
nichts wissen von solcher Eheschließung. Man behaupte, die Ein-
führung der obligatorischen Civilehe werde dem Kircheuconflict seine
Schärfe nehmen; Redner will sich nicht als Prophet aufwerfen, in
dessen glaube er mit Bestimmtheit das Gegentherl. Die Streitig-
keiten auf dem Gebiete der Eheschließung säßen viel tiefer, als daß
sie durch ein einzelnes Gesetz geheilt werden könnten; man beseitige
vielleicht ein Symptom, aber nicht die Krankheit. Der Kirchen-
conflict gehe durch ganz Europa, es sei ein Kampf, der zur Klärung
der Situation durchgekämpft werden müsse, aber dazu reiche ein
kleiner Staat nicht aus, wo die sachlichen hinter den persönlichen
Differenzen zurückständen. Die obligatorische Civilehe und die da-
durch herbeigeführte Verschärfung des Kirchenconflictes sei nicht der
Standpunkt der Gesetzgebung von 1860, der ein ausgleichender
gewesen sei; heute sei derselbe verlassen und mit der Vorlage über
die Verwaltung der Stiftungen sei der Feldzug gegen die Kirche
eröffnet. Uebrigens müsse er auch die ultramontane Richtung
tadeln, weil man von dieser Seite im Jahr 1860 nicht zum Frie-
den mit dem Staate gekommen sei; seit 1866 wehe ein schärferer
Wind, ohne daß er Persönlichkeiten von der einen oder andern
Seite dafür verantwortlich machen wolle. Namentlich wolle er
auch die Regierung nicht anklagen, denn sie sei von der Kammer
zu ihrer jetzigen Haltung gedrängt worden. — Was den Kampf
zwischen Regierung und katholischer Volkspartsi betreffe, so habe

derselbe stets größere Dimensionen angenommen. Die katholische
Volkspartei existire in zahlreicher Masse im Volke und ihre Abge-
ordneten in diesem Saal betrachteten sich nur als die Vorboten
eines größeren Nachschubes. Uebrigens habe diese Partei nur das
erreicht, daß Regierung und Kammer wieder eins seien. Redner
erörtert eingehend die Gründe der Anhänger der obligatorischen
Civilehe und widerlegt dieselben der Reihe nach. Namentlich hebt
er das religiöse Mißtrauen hervor, welches im Volke bei Annahme
dieses Gesetzentwurfes gegen Regierung und Kammern entstehen
werde. Auch das religiöse Volksbewußtsein in Betreff der Heilig-
haltung der Ehe werde eine Abschwächung erleiden. Man entferne
sich von dem deutschen Geiste, dem eine solche Ehe ganz fremd sei.
In den Rheinlanden habe eine fremde, erobernve Macht diese Ehe
aufgedrängt, — das sei etwas Anderes, als wenn sie im Kampfe
der Parteien beschlossen würde. — Von der Regierung verlange
er Schonung aller religiösen Gefühle: sie soll weder retrograd noch
aufklärend auftreten, sondern sich auf den Standpunkt der religiö-
sen Freiheit stellen. Gegen die facultative Civilehe habe er nichts
einzuwenden; für die obligatorische könne er sich nur dann erklären,
wenn die vollständige Trennung von Kirche und Staat vollzogen
wäre, was aber nicht der Fall sei.
Abg. Holtzmann ist mit den Vordersätzen Mühlhäussers
einverstanden, kommt aber zu andern Resultaten; namentlich was
Mühlhäusser in Betreff der Rheinlands gesagt habe, sei ganz rich-
tig. Redner's persönliche Neigungen seien für die facultative Civil-
ehe, deren Vortheile vor der obligatorischen er eingehend erläutert;
trotzdem aber werde er für die obligatorische stimmen. Er recht-
fertigt diesen Widerspruch durch eine längere geschichtliche Aus-
führung über die Civilehe, insbesondere über deren Erlebnisse in
Preußen. Was die Stellung der katholischen Kirche zu derselben be-
treffe, so habe der Papst sämnuliche Arten der Civilehe verworfen
und die Ultramontanen befolgten überall die Taktik, sich jeweils
gegen diejenige Art der Civilehe zu erklären, welche gerade von

Schließt euch an
Mann für Mann,
Alles, was nur laufen kann;
Wer's nicht thut,
Kriegt die Ruth'
Als ein Thunichtgut!
Ja, ich sag's und 's bleibt dabei.
Lustig ist Anschließerei!
Darum frei
Anschließerei,
Stets gepriesen sei.
Bluntschli vor!
Durch das Thor,
Mit dem ganzen Maurerchor;
Mit der Kell'
Winkt er schnell
Allen, auf der Stell: —
Wär' nur nicht der Main, der Fluß,
O, wie leicht wär' der Anschluß!
Darum rc.
Nicht zurück!
Eine Brück'
Schaffen wir zu gutem Glück;
Opfer viel.
Um das Ziel
Scheut nicht Kampfgewühl! —
Lamey, Jolly, Kiefer, Eckhard
Und der ganze Troß mitgäckert; —
Darum rc.
Ultramontan!
Spann den Hahn,
Kommst noch lange nicht heran!
Dich nach Süd'
Dein Gemüth, —
Uns, — nach Norden zieht.
An der kühlen Spree im Sand,
Dort ist unser Vaterland;
Darum rc.

(D Mn schönes neues Lied.
An schtuß.
(Melodie: Auf und an — !)

Oesterreich!
Rufst du gleich,
Siegen und an Ehren reich!
Brandenburg,
Herz, stoß durch.
Mitten durch und durch!
Mit dem lieben welschen Knab',
Fangen wir die Gimpel ab.
Darum rc.

Militär!
Steuer her!
Was nur laufen kann, zur Wehr!
Welches Glück,
Schaut mein Blick,
Wahrlich zum Entzück' !
In dem neuen teutschen Reich,
Säbel, Flinten, Alles gleich.
Darum rc.

Armer Mann,
Aermster Mann,
Der sich nicht anschließen kann!
Vaterland!
Vor der Hand,
Ist ihm unbekannt.
Kommt doch All' in Preußens Schooß,
Die ihr vaterlandeslos!
Darum rc.

Die Cultur,
Bildung nur.
Wächst allein auf Preußen's Flur;
Schlaue Kniff,
Feine Pfiff,
Und der reinste Schliff;
Was verlangt ihr denn noch mehr?
Kommt doch All' in's Anschlußheer!
Darum frei rc.

Allerletzt,
Sag' ich's jetzt,
Wer nicht kommt der wird versetzt;
An den Strand,
Welche Schänd',
Hin in's Pfefferland!
Werth seid ihr nicht Hopfen, Malz,
Dort, fort aus der fröhlich Palz!
Darum frei rc.
Zum Verkehr? —
Welche Ehr!
Die verdient ihr nimmermehr!
Heil'ger Gott,
Welche Noth,
Das wär' Anschlußtod!
Baden, Bayern, Württemberg,
Da ging Alles überzwera!
Darum frei
Anschließerei,
Stets gepriesen sei.

Vermisch tes.
Das S ch i f f b r u ch r e g i st e r ist in den letzten
Tagen um eine lange Reihe von Unglücksfällen
vergrößert worden. Die Gesammtzahl der seit I.
Januar in London angemeldeten Schiffbrüche be-
trägt über 2047.
In Neuß pickte ein Hahn den Kopf eines
I^/rjährigen Knaben an mehreren Stellen auf, um
an das Gehirn zu kommen; die Wunden wurden
zwar geheilt, das unglückliche Kind aber durch die
Verletzung des Gehirns vollständig blödsinnig.
 
Annotationen