«W 28. Samstag den 6. März
X. Zs» X. Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
II ^111^1 Trägerlohn und Postaufschlaz.
2 kr. die Spaltzeile.
1869.
Süddeutschland.
* Heidelberg, 4. März. Die alte Bad. Landeszeitung
spricht sich in ihrer gestrigen Nummer nochmals über den Artikel
„Neu-Badisches" in der Frankfurter Zeitung aus und thut dies
in Betreff der kirchlichen Frage in so offenherziger Weise, daß
wir uns gedrungen fühlen, ihr unfern aufrichtigsten Dank aus-
zusprechen. Sie ist empört über das Verlangen der vollständigen
Trennung von Kirche und Staat wie in Amerika, weil dies so
viel wie den Sturz des jetzigen Regimes bedeuten würde; sie ver-
langt vielmehr die Fortsetzung des Kampfes bis zur Vernichtung
der „Ultramontanen", ja mit „Entrüstung" weist sie jede friedliche
Verständigung von der Hand. Wer und wo, fragen wir, sind da
die „Hetzer"?
* Heidelberg, 4. März. Endlich bringt die Mannheimer
Abendzeitung einmal einen Artikel, dem man unbedingt beistim-
men kann: er betrifft die Einberufung eines außerordentlichen
Landtags. In dieser Frage müssen alle Diejenigen, wie der Ver-
fasser befürwortet, welche mit dem jetzigen Regime nicht einverstanden
sind, gemeinsam zusammenwirken, ohne Rücksicht auf ihre kirchlichen
Anschauungen. Die Zeit des gegenseitigen Bekämpfens von Demo-
kraten und Ultramontanen müsse zu Ende gehen. Bisher habe
man von Zeit zu Zeit von Oben her an die „aufgeklärten"
Demokraten appellirt, sie möchten gegen die „Ultramontanen" mit
der „Dampfspritze" herbeikommen. Dieser Appel fei hie und wie-
der gehört worden, „nicht zum Vortheil der Domokrane, nur zum
bitteren Schaden der Freiheit." „Wir wollen", erklärt der Ver-
fasser, „das Banner der Freiheit so hoch halten, daß Alle da-
runter Platz finden, Alle, die auf ihre Fc-^on selig werden wol
len, und denen die Negierung, aus welchem Grunde immer, nicht
behagt. Ganz praktisch gesprochen, heißt Das. Aus der be-
ginnenden Agitation für einen außerordentlichen
Landtag bleibe jede confessionelle Debatte, ja jede
confessionelle Anspielung weg! Ob Lutheraner, Re-
formirte, Katholiken, Juden, Tücken oder sonst wer, wir wollen
einen außerordentlichen Landtag, wir wollen aus dem tiefen Fahr-
geleise heraus, in welchem der Staatswagen rappelt und schlittert.
-- Wenn wir in den Volksversammlungen Zusammenstößen, so
geht es Nismanden etwas an, ob sein Nachbar zur Kirche und
Beichte, und in welche Kirche er geht, am Ende in gar keine.
Sondern wir und der Nachbar fragen uns lediglich: Müssen wir
ein neues Wahlgesetz und durch dieses eine andere Kammer
haben, Ja oder Nein? Und darnach stimmen wir, und der Nach-
bar auch, und wenn's Noth thut, unterschreibt der Nachbar, und
wir nicht minder. So kann's gehen, Bürger, anders
geht's nicht." Bravo! ja so könnte es gehen d. h. wir würden
unsere besonderen eonfessionellen Streitigkeiten mit dem Staate,
die so lange fortdauern, bis die Trennung von Kirche und Staat
und die vollständigste Unterrichtsfreiheit garantirt ist, allein aus-
fechten, in allen politischen Fragen aber mit allen nicht-
schwarz-weißen Elementen uns zusammenschaaren und in gemein-
samen Versammlungen den gemeinsamen Kampf als gute Ver-
bündete führen. Also jetzt voran, — unsere Kanonen sind längst
geladen, zeigt Ernst, Ihr Männer der Demokratie, Ihr werdet
uns nicht im hintersten Glieds finoen!
* Heidelberg, 4. März. Bei Kirchheim in Mainz ist so-
eben von Prof. Dr. Brück eine vortreffliche Abhandlung unter
dem Titel: „Die Erzbischofswahl in Freiburg und die badische
Regierung" erschienen, welche gegen die von Geh. Rath. Herrmann
verteidigte Auffassung des Ministeriums gerichtet ist. Wir wer-
den darauf zurückkommen.
* Heidelberg, 3. März. Von Onno Klopp ist unter dem
Tittel: „Die Hannoveraner vor Eisenach am 24. Juni 1866"
ein offenes Sendschreiben als Antwort an den koburgischen Mini-
ster v. Seebach erschienen, der die schwierige Aufgabe unternom-
men hatte, das Verhalten des Herzogs an jenem Tage gegen die
Angriffe Klopp's in Schutz zu nehmen. Das Schriftchen ist bei
Wilh. Braumüller in Wien erschienen und wie alles was Klopp
herausgibt, pikant und zugleich akienmätzig geschrieben.
* Heidelberg, 4. März. Wir haben täglich Gelegenheit zu
sehen, wie lebhaft die Emmerling'sche Heidelberger Zeitung gegen
die Lassallianer und deren Eigenthumstheoricn Partei ergreift.
Wir haben in einer Correspondenz aus Freiburg mitgetheilt, wie
der „Chefredakteur" des hiesigen Amtsblattes über diesen kitzlichen
Punkt dachte, als er noch „Chefredakteur" der Oberrheinischen
Zeitung war. Wie es sich mit seinen socialen Anschauungen ver-
hält, genau so steht's auch mit seinen deutsch-patriotischen Heezens-
überwallungen. Wer weiß nicht, wie oft die „Ultramontanen"
von ihm „vaterlandslose Geschöpfe" ütulirt worden sind, wer weiß
nicht, wie er ihr Widerstreben gegen die preußischen eisernen Um-
armungen stets als Franzosenfreundlichkeit bezeichnet und ihnen
vorwirft, daß sie am liebsten die Franzosen für ihre Zwecke zu
Hülfe rufen möchten. Daß diese Vorwürfe alle im gereiztesten
Ton und in der höchsten Erbitterung erfolgen, brauchen wir nicht
erst noch zu versichern. Da sagt nun aber der ehemalige „Chef-
redakteur" der Oberrheinischen Zeitung in Nr. 134 vom 6. Juni
1849 in einer Nedaktionsbemerkung zu einem Artikel:
Aus dem Reiche der Verwesung.*)
Einer wahren Geschichte nacherzählt von H. Böhler.
I.
Eben 'atte Alfred, der einzige Sohn des altadeligen Lords Morton, seine
Studien in Oxford vollendet, als fein bejahrter Vater plötzlich auf seinen
Gütern in Irland starb. Da die Mutter schon früher das Zeitliche gesegnet,
so stand nun der junge Lord plötzlich allein, ohne Lebenserfahrung, im Be-
sitze eines großen Vermögens, eines unbefleckten vornehmen Namens, im Voll-
genuffe geistiger und körperlicher Fähigkeiten, begabt mit einem angenehmen
Aeußern und kräftiger Gesundheit. Lockend winkten ihm alle die zahllosen
Verführungen des modernen, vornehmen Müßiggangs auf den Trottoirs des
Westend in London oder der Boulevards in Paris und es fehlte nicht an zu-
dringlichen Schmeichlern, welche den Unerfahrenen gerne mit sich in den Strudel
der Ausschweifungen gezogen hätten.
Der junge Lord Morton besaß aber zum Glücke neben allen den Vor-
zügen, welche Geburt, Reichthum, Bildung, körperliche Kraft und Schönheit
dem Menschen verleihen, einen Hellen, klaren Verstand und ein gutes, unver-
dorbenes Herz, welches sich mit jugendlichem Feuer an einen wackern Studien-
genossen, den mit Talent und Geist mehr als mit Erdengütern begabten
Robert Sh eridan in Oxford, angefchlossen hatte. Dieser befand sich
zu seiner weitern Ausbildung in Italien und weilte gerade in Florenz als
er die Nachricht vom plötzlichen Tode des Vaters seines Freundes erhielt' Da-
rum lud er Alfred ein, ebenfalls nach Italien zu kommen und zusammen
mit rym den Winter in Rom oder Neapel zuzubringen. Dabei verfolgte er
Len besondern Zweck, den jüngern Freund den Verlockungen der Hauptstädte
Englands und Frankreichs zu entziehen und ihn persönlich in die große Welt
emzusühren.
c» obige Erzählung der katholischen Monatsschrift: „Alte und
Neue Welt entnehmen, ergreifen wir nochmals mit Freuden die Gelegenheit
diese vortreffliche illustrirte Unterhaltungsfchrist allen Freunden und Lesern
auf's wärmste zu empfehlen. Die Redaktion.
Alfred nahm die wohlgemeinte Einladung feines Freundes mit großem
Vergnügen an. Sobald die sterbliche Hülle seines Vetters in der Gruft der
Ahnen bestattet und seine Geschäfte geordnet waren, begab er sich, nur von
dem alten John Ellis, dem langjährigen Diener seines Vaters begleitet, nach
Paris, um nach kurzem Aufenthalte die Weiterreise über die Schweiz nach
Italien anzutreten.
Kaum war er in Paris angekommen, so brach die Cholera aus. Er nahm
also nur die Hauptsehenswürdigkeiten des immer lebensfrohen, modernen
Babel's in Augenschein, reiste dann mit seinem Diener nach der Schweiz ab
und kam glücklich am Fuße der Alpen an. Man denke sich aber seine unan-
genehme Ueberraschung und seine Betrübniß, als bei Uebersteigung derselben
der treue Ellis ihm nicht länger verheimlichen konnte, daß er bereits in Paris
ein leichtes Unwohlsein gefühlt habe und daß sich dieses Uebelbefinden zu
wirklichen Krämpfen im Unterleibe steigere. In dem ersten italienischen Städt-
chen, das sie erreichten, hielt dsßhalb der bekümmerte Alfred an, ließ sofort
den besten Arzt Herbeirusen und zeigte seinem Freunde Sheridan brieflich feine
Ankunft und die Ursache der Unterbrechung der Reise an, indem er die Hoff-
nung aussprach, daß entweder die baldige Wiedergenesung des kranken Dieners
ihm gestatten werde, nach kurzem Aufenthalte über Mailand nach Florenz in
seine Arme zu eilen, oder daß, wenn dies in einigen Tagen nicht der Fall
sein sollte, sein Freund ihn vielleicht an dem Orte seines gegenwärtigen ge-
zwungenen Aufenthalts abholen möchte.
Die schlimmsten Befürchtungen, welche die Symptome der Krankheit des
Dieners bei Alfred erregt, sollten sich bald erfüllen. Der Arzt, Doktor Barto-
lini, fand, daß die Krankheitserscheinungen unzweifelhaft diejenigen der in
Paris und anderwärts grassirenden Cholera seien, und ordnete die unverweilte
Verbringung des Kranken, dessen Zustand in wenigen Stunden sich bedeutend
verschlimmerte, in das Spital des Städtchens an, indem er Alfred vor der
nahen Gefahr der Ansteckung warnte. Lord Morton hätte es jedoch für eine
unwürdige Unmännlichkeit und Feigheit gehalten, den langjährigen, ergebenen
Diener seines Hauses, der wie ein Erbstück vom Vater auf den Sohn über-
gegangen, in dieser Gefahr und vielleicht in den letzten Stunden seures treuen
Lebens zu verlassen.
(Fortsetzung folgt.)
X. Zs» X. Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
II ^111^1 Trägerlohn und Postaufschlaz.
2 kr. die Spaltzeile.
1869.
Süddeutschland.
* Heidelberg, 4. März. Die alte Bad. Landeszeitung
spricht sich in ihrer gestrigen Nummer nochmals über den Artikel
„Neu-Badisches" in der Frankfurter Zeitung aus und thut dies
in Betreff der kirchlichen Frage in so offenherziger Weise, daß
wir uns gedrungen fühlen, ihr unfern aufrichtigsten Dank aus-
zusprechen. Sie ist empört über das Verlangen der vollständigen
Trennung von Kirche und Staat wie in Amerika, weil dies so
viel wie den Sturz des jetzigen Regimes bedeuten würde; sie ver-
langt vielmehr die Fortsetzung des Kampfes bis zur Vernichtung
der „Ultramontanen", ja mit „Entrüstung" weist sie jede friedliche
Verständigung von der Hand. Wer und wo, fragen wir, sind da
die „Hetzer"?
* Heidelberg, 4. März. Endlich bringt die Mannheimer
Abendzeitung einmal einen Artikel, dem man unbedingt beistim-
men kann: er betrifft die Einberufung eines außerordentlichen
Landtags. In dieser Frage müssen alle Diejenigen, wie der Ver-
fasser befürwortet, welche mit dem jetzigen Regime nicht einverstanden
sind, gemeinsam zusammenwirken, ohne Rücksicht auf ihre kirchlichen
Anschauungen. Die Zeit des gegenseitigen Bekämpfens von Demo-
kraten und Ultramontanen müsse zu Ende gehen. Bisher habe
man von Zeit zu Zeit von Oben her an die „aufgeklärten"
Demokraten appellirt, sie möchten gegen die „Ultramontanen" mit
der „Dampfspritze" herbeikommen. Dieser Appel fei hie und wie-
der gehört worden, „nicht zum Vortheil der Domokrane, nur zum
bitteren Schaden der Freiheit." „Wir wollen", erklärt der Ver-
fasser, „das Banner der Freiheit so hoch halten, daß Alle da-
runter Platz finden, Alle, die auf ihre Fc-^on selig werden wol
len, und denen die Negierung, aus welchem Grunde immer, nicht
behagt. Ganz praktisch gesprochen, heißt Das. Aus der be-
ginnenden Agitation für einen außerordentlichen
Landtag bleibe jede confessionelle Debatte, ja jede
confessionelle Anspielung weg! Ob Lutheraner, Re-
formirte, Katholiken, Juden, Tücken oder sonst wer, wir wollen
einen außerordentlichen Landtag, wir wollen aus dem tiefen Fahr-
geleise heraus, in welchem der Staatswagen rappelt und schlittert.
-- Wenn wir in den Volksversammlungen Zusammenstößen, so
geht es Nismanden etwas an, ob sein Nachbar zur Kirche und
Beichte, und in welche Kirche er geht, am Ende in gar keine.
Sondern wir und der Nachbar fragen uns lediglich: Müssen wir
ein neues Wahlgesetz und durch dieses eine andere Kammer
haben, Ja oder Nein? Und darnach stimmen wir, und der Nach-
bar auch, und wenn's Noth thut, unterschreibt der Nachbar, und
wir nicht minder. So kann's gehen, Bürger, anders
geht's nicht." Bravo! ja so könnte es gehen d. h. wir würden
unsere besonderen eonfessionellen Streitigkeiten mit dem Staate,
die so lange fortdauern, bis die Trennung von Kirche und Staat
und die vollständigste Unterrichtsfreiheit garantirt ist, allein aus-
fechten, in allen politischen Fragen aber mit allen nicht-
schwarz-weißen Elementen uns zusammenschaaren und in gemein-
samen Versammlungen den gemeinsamen Kampf als gute Ver-
bündete führen. Also jetzt voran, — unsere Kanonen sind längst
geladen, zeigt Ernst, Ihr Männer der Demokratie, Ihr werdet
uns nicht im hintersten Glieds finoen!
* Heidelberg, 4. März. Bei Kirchheim in Mainz ist so-
eben von Prof. Dr. Brück eine vortreffliche Abhandlung unter
dem Titel: „Die Erzbischofswahl in Freiburg und die badische
Regierung" erschienen, welche gegen die von Geh. Rath. Herrmann
verteidigte Auffassung des Ministeriums gerichtet ist. Wir wer-
den darauf zurückkommen.
* Heidelberg, 3. März. Von Onno Klopp ist unter dem
Tittel: „Die Hannoveraner vor Eisenach am 24. Juni 1866"
ein offenes Sendschreiben als Antwort an den koburgischen Mini-
ster v. Seebach erschienen, der die schwierige Aufgabe unternom-
men hatte, das Verhalten des Herzogs an jenem Tage gegen die
Angriffe Klopp's in Schutz zu nehmen. Das Schriftchen ist bei
Wilh. Braumüller in Wien erschienen und wie alles was Klopp
herausgibt, pikant und zugleich akienmätzig geschrieben.
* Heidelberg, 4. März. Wir haben täglich Gelegenheit zu
sehen, wie lebhaft die Emmerling'sche Heidelberger Zeitung gegen
die Lassallianer und deren Eigenthumstheoricn Partei ergreift.
Wir haben in einer Correspondenz aus Freiburg mitgetheilt, wie
der „Chefredakteur" des hiesigen Amtsblattes über diesen kitzlichen
Punkt dachte, als er noch „Chefredakteur" der Oberrheinischen
Zeitung war. Wie es sich mit seinen socialen Anschauungen ver-
hält, genau so steht's auch mit seinen deutsch-patriotischen Heezens-
überwallungen. Wer weiß nicht, wie oft die „Ultramontanen"
von ihm „vaterlandslose Geschöpfe" ütulirt worden sind, wer weiß
nicht, wie er ihr Widerstreben gegen die preußischen eisernen Um-
armungen stets als Franzosenfreundlichkeit bezeichnet und ihnen
vorwirft, daß sie am liebsten die Franzosen für ihre Zwecke zu
Hülfe rufen möchten. Daß diese Vorwürfe alle im gereiztesten
Ton und in der höchsten Erbitterung erfolgen, brauchen wir nicht
erst noch zu versichern. Da sagt nun aber der ehemalige „Chef-
redakteur" der Oberrheinischen Zeitung in Nr. 134 vom 6. Juni
1849 in einer Nedaktionsbemerkung zu einem Artikel:
Aus dem Reiche der Verwesung.*)
Einer wahren Geschichte nacherzählt von H. Böhler.
I.
Eben 'atte Alfred, der einzige Sohn des altadeligen Lords Morton, seine
Studien in Oxford vollendet, als fein bejahrter Vater plötzlich auf seinen
Gütern in Irland starb. Da die Mutter schon früher das Zeitliche gesegnet,
so stand nun der junge Lord plötzlich allein, ohne Lebenserfahrung, im Be-
sitze eines großen Vermögens, eines unbefleckten vornehmen Namens, im Voll-
genuffe geistiger und körperlicher Fähigkeiten, begabt mit einem angenehmen
Aeußern und kräftiger Gesundheit. Lockend winkten ihm alle die zahllosen
Verführungen des modernen, vornehmen Müßiggangs auf den Trottoirs des
Westend in London oder der Boulevards in Paris und es fehlte nicht an zu-
dringlichen Schmeichlern, welche den Unerfahrenen gerne mit sich in den Strudel
der Ausschweifungen gezogen hätten.
Der junge Lord Morton besaß aber zum Glücke neben allen den Vor-
zügen, welche Geburt, Reichthum, Bildung, körperliche Kraft und Schönheit
dem Menschen verleihen, einen Hellen, klaren Verstand und ein gutes, unver-
dorbenes Herz, welches sich mit jugendlichem Feuer an einen wackern Studien-
genossen, den mit Talent und Geist mehr als mit Erdengütern begabten
Robert Sh eridan in Oxford, angefchlossen hatte. Dieser befand sich
zu seiner weitern Ausbildung in Italien und weilte gerade in Florenz als
er die Nachricht vom plötzlichen Tode des Vaters seines Freundes erhielt' Da-
rum lud er Alfred ein, ebenfalls nach Italien zu kommen und zusammen
mit rym den Winter in Rom oder Neapel zuzubringen. Dabei verfolgte er
Len besondern Zweck, den jüngern Freund den Verlockungen der Hauptstädte
Englands und Frankreichs zu entziehen und ihn persönlich in die große Welt
emzusühren.
c» obige Erzählung der katholischen Monatsschrift: „Alte und
Neue Welt entnehmen, ergreifen wir nochmals mit Freuden die Gelegenheit
diese vortreffliche illustrirte Unterhaltungsfchrist allen Freunden und Lesern
auf's wärmste zu empfehlen. Die Redaktion.
Alfred nahm die wohlgemeinte Einladung feines Freundes mit großem
Vergnügen an. Sobald die sterbliche Hülle seines Vetters in der Gruft der
Ahnen bestattet und seine Geschäfte geordnet waren, begab er sich, nur von
dem alten John Ellis, dem langjährigen Diener seines Vaters begleitet, nach
Paris, um nach kurzem Aufenthalte die Weiterreise über die Schweiz nach
Italien anzutreten.
Kaum war er in Paris angekommen, so brach die Cholera aus. Er nahm
also nur die Hauptsehenswürdigkeiten des immer lebensfrohen, modernen
Babel's in Augenschein, reiste dann mit seinem Diener nach der Schweiz ab
und kam glücklich am Fuße der Alpen an. Man denke sich aber seine unan-
genehme Ueberraschung und seine Betrübniß, als bei Uebersteigung derselben
der treue Ellis ihm nicht länger verheimlichen konnte, daß er bereits in Paris
ein leichtes Unwohlsein gefühlt habe und daß sich dieses Uebelbefinden zu
wirklichen Krämpfen im Unterleibe steigere. In dem ersten italienischen Städt-
chen, das sie erreichten, hielt dsßhalb der bekümmerte Alfred an, ließ sofort
den besten Arzt Herbeirusen und zeigte seinem Freunde Sheridan brieflich feine
Ankunft und die Ursache der Unterbrechung der Reise an, indem er die Hoff-
nung aussprach, daß entweder die baldige Wiedergenesung des kranken Dieners
ihm gestatten werde, nach kurzem Aufenthalte über Mailand nach Florenz in
seine Arme zu eilen, oder daß, wenn dies in einigen Tagen nicht der Fall
sein sollte, sein Freund ihn vielleicht an dem Orte seines gegenwärtigen ge-
zwungenen Aufenthalts abholen möchte.
Die schlimmsten Befürchtungen, welche die Symptome der Krankheit des
Dieners bei Alfred erregt, sollten sich bald erfüllen. Der Arzt, Doktor Barto-
lini, fand, daß die Krankheitserscheinungen unzweifelhaft diejenigen der in
Paris und anderwärts grassirenden Cholera seien, und ordnete die unverweilte
Verbringung des Kranken, dessen Zustand in wenigen Stunden sich bedeutend
verschlimmerte, in das Spital des Städtchens an, indem er Alfred vor der
nahen Gefahr der Ansteckung warnte. Lord Morton hätte es jedoch für eine
unwürdige Unmännlichkeit und Feigheit gehalten, den langjährigen, ergebenen
Diener seines Hauses, der wie ein Erbstück vom Vater auf den Sohn über-
gegangen, in dieser Gefahr und vielleicht in den letzten Stunden seures treuen
Lebens zu verlassen.
(Fortsetzung folgt.)