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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 26-37 (2.März - 30. März)
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Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.

für Stadt




Donnerstag den 25. März

1869.


Der hohen Feiertage wegen wird nächsten
Samstag unser Blatt nicht erscheinen und Dien-
stag nach Ostern nur eine halbe Nummer her-
auskommen.
Von großpreußischen Plänen
will man in Berlin folgendes Weitere wissen: die Politik Bismarck
verlangt die Aufhebung aller obersten Gerichtshöfe (höchster Instanz)
im ganzen Nordbund; dafür soll ein gemeinsames Obertribunal
in Berlin errichtet werden.*) Wohl ein erweitertes preußisches.
Also jenes Obertribunal, welchem Twesten die bekannte „Servili-
tät" angehängt hat, ausgedehnt auf alle Deutsche nördlich der Main
linie. Die Glücklichen! Und die Sachsen sollen doch nicht froh
darüber sein, sollen sogar bös verstimmt sein. Daneben droht
ihnen ein Austausch von Truppen, aus Berlin nach Dresden und
umgekehrt, zur Erfüllung der sächsischen Soldaten mit dem rechten
Geiste, ;ur moralischen Eroberung der sächsischen Bürger andrer-
seits ; ob letzteres unter Manteuffel oder Röder, ist noch ungewiß;
geplündert wird zunächst nicht. — Daß ein oberstes Handelsge-
richt geschaffen werden soll, hat schon mehrfach verlautet; natür-
lich ebenfalls in Berlin, nicht in Leipzig, wie die dortigen Bieder-
männer und Brockhause sich eingeredet haben.
Will man nicht die Universitäten auch lieber gleich centrali-
firen? Es ginge in einem hin, und die verstärkte Anziehung des
größeren Centralpunctes errettete Süddeutschland vielleicht von ei-
nem oder dem andern Exemplar, das man liebend gern los wäre.
Dazu Studenten-Kasernen und was dazu gehört! Wäre doch sehr
zu überlegen. (Demokr. Corresp.)
Was in Baden Volksvertretung heißt.
Die Art, wie das badische Volk seine Vertretung sich zusam-
mensetzt oder durch seine Oberamtmänner sich zusammensetzen läßt,
ist für die Zustände im Nachbarlande so charakteristisch, daß die
selben kaum verstanden werden können ohne eine Kammerstatistik,
aber freilich mit dieser Kammerstatistik nur zu begreiflich sind.
Vorbehaltlich einiger seit dem Schluß der letzten Session eingetre-
tenen, im Ganzen unbedeutenden Veränderungen, und mit der
Also wie der Appel - oder Cassationshof, den gewisse Leute statt unseres
unabhängigen Oberhofgerichtes in Karlsruhe, in der Residenz, errichtet ha-
ben möchten? Der Bote.

Maßgabe, daß die Pensionäre der Rubrik beigezählt sind, zu der
sie im Amt gehören, zeigt die badische zweite Kammer während
der letzten Session folgendes Bild: Unter den im Ganzen 63
Mitgliedern befanden sich: 3 Minister, 8 Ministerialräthe, 1 Ober-
hofgerichtsrath, 3 Kreisgerichtsräthe (incl. I Director), 1 Mitglied
des Verwaltungs-Gerichtshofs, 3 Oberamtmänner, 1 Oberbaurath,
3 Professoren, 3 Sckulräthe (1 Kreisschulrath und 2 Oberschul-
räthe), 1 protestantischer Geistlicher, 8 Bürgermeister, letztere sämmt-
lich aus kleinen Amtsftädtchen und vom Oberamtmannn auserkoren.
Dies sind 35 unter 63! Dazu 1 Hofbankier und 1 Hofapotheker,
einige von der Regierung abhängige Kreisausschuß-Mitglieder und
Bezirksräthe, endlich 5 Rechtsanwälte (von denen 4 nationalliberal
und der fünfte großdeutsch). Von den paar demokratischen und
großdeutschen Elementen schweigen wir in diesem Zusammenhänge.
Unser Tableau hat lediglich den Zweck, durch genaue Statistik
klarzustellen, wie absolut aussichtslos das badische Volk sich selbst
seine Zukunft macht, so lange es sich an diese Art von Volksver-
tretung bindet, so lange es nicht den jüngst erhobenen Ruf nach
einem außerordentlichen Landtag stärker betreibt. Daß es seine
Sache das nächste Mal besser machen muß, versteht sich am Rande.
Aber schon jetzt darf es die Folgen seines Thuns nicht bis zu Ende
tragen, oder es ist selbst zu Ende. Eine Volksvertretung, wie die
vorstehend verzeichnete ist der Ministerialismus garantirt, es mag
Minister sein wer will. Und daß uns nur ja niemand mehr mit
den Offenburgern kommt! Büreaukratie steckt in denen gradsoviel
wie in der jetzigen Wirtschaft. Jndsß die Fraction Bluntschli ist
selig entschlafen. Sie ruhe sanft! (Demokr. Corresp.)

:: Constanzer Zustände.
s (Es ließe sich eine ganze Broschüre schreiben über Licht und
Schatten, über lebende Bilder und dergl. aus der alten Bffchofs-
stadt Constanz. Wo soll ich anfangen, wo enden? Packen wir
einmal frisch mitten in's Leben hinein und du, lieber Bote, be-
gleitest mich — es ist gerade Josephstag — durch die Straßen.
Ein „abgewürdigter" Feiertag! Keine Polizei straft mehr nach
dem Gottesdienst bei öffentlichen „knechtlichen Arbeiten". Ja es
fehlt nicht viel, hätte man fast einen Preis auf das Kirchenschwän-
zen und Scandalmachen gesetzt. Wenigstens hat ein Gutedel aus
Meßkirch in den See-Amtsverkündigern dies als eine „männliche
That", als „Erprobung der Gewissensfreiheit" im Voraus schon
gerühmt. Wie — sollte der große Strohmeier nicht ein Meister-
stück liefern von städtischer Confessionslosigkeit? Man munkelte

Aus dem Reiche der Verwesung.
Emer mähren Zeschichte nacherzähtt von H. Böhler.

(Fortsetzung.)
„Ich wähnte mich begraben, tief unter der Erde. Finstere Nacht umgab
mrch; mein Athem war beklemmt; ein schwerer Druck lag auf meiner Brust.
Ich schnappte nach Luft. Ein unbeschreiblich beängstigendes Gefühl des Er-
stickens erfaßte mich. Ich drehte mich um, stemmte Hände und Füße gegen
den Boden und meinen Rücken gegen den zugenagelten Deckel des Sarges,
drückte mit aller Macht, und o Gott, welch' eine wunderbare Empfindung des
Glücks, der Wonne und Seligkeit bemächtigte sich meiner, als der Deckel mit
einem plötzlichen Rucke in die Höhe sprang und ich mich aus dem schrecklichsten
aller Kerker befreit fühlte! — Ein heißes Gebet des Dankes stieg aus meinem
innersten Herzen zu dem Allgütigen auf, der mich wieder von den Todten er-
weckt hatte.
. . meine Besinnung vollständig zurückgekehrt war, legte ich mir
dre Frage vor, wo ich mich eigentlich befinden möchte? —Daß es in keinem
Grabe sein konnte, bewies der Umstand, daß es mir gelungen war, den Sarg-
deckel aufzusprengen. Ich drückte denselben noch weiter in die Höhe; er gab
mcht unschwer nach und siel nach einer Weile, wie mir schien, auf einen steini-
gen Boden mit einem widerhallenden, dumpfen Geräusche. Ich mußte in ein
Leichenhaus oder in ein Grabgewölbe gebracht worden sein ! Die dichte Finster-
rnß, die nach umgab, und die feuchte, schwere Luft, welche zu mir drang,
bestärkten m-.ch m der Annahme des Letztern. Ich fühlte nun auch, daß mein
Kopt und meme Haare voll Blut waren. Ein vorstehender Splitter des Kopf-
stückes des Sarges hatte mir wahrscheinlich schon während des Tragens die
Kopfhaut starr geritzt! xZ war Blut nachgeflofsen, und dieser kleine, anschei-
nend zufällige Umstand hatte vielleicht die Macht des Starrkrampfes gebrochen
unersorschlich^^ ^ben zurückgerufen. — Die Wege der Vorsehung sind
» ffun frei — doch einstweilen nur, um die feuchte, schädliche
Lust eines Grabgewölbes einzuathmen. Immerhin hatte sich bei dem Gedan¬

ken an die Erweiterung der Grenzen meines Gefängnisses meine Angst schon
bedeutend vermindert, obschon sich lebhafte Zweifel in mir erhoben, ob ich im
Stande sein würde, diesem schaudervollen Orte zu entfliehen, oder ob ich mit
der Sprengung meines Sarges vielleicht nur eine Verlängerung meiner Todes-
! quäl gefunden? Glücklicher Weise fand ich, daß ich in meinen Kleidern in den
Schrein gelegt worden war. Inder damaligen noch warmen Jahreszeit konnte
i ich deßhalb nicht von der Kälte leiden und im Fall ich keinen Ausgang zu
entdecken vermochte, war für mein Leben nur zweierlei zu fürchten: Erstickung
durch die schlechte Luft und -—- der Tod durch Hunger. Wenn ich der Erstern
entging, so wußte ich, daß ich noch einige Lebenstage vor mir hatte; diese
Zeit mochte vielleicht ausreichen, daß ich mich durch unermüdliches Arbeiten,
gleich einem Verbrecher, aus dem Gefängnisse herausarbeiten konnte.
„Diese Gedanken durchkreuzten mein Gehirn, wie Blitzstrahlen, mit einer
Schnelligkeit, von der ich mir kaum Rechenschaft geben konnte. Ich griff nach
jeder Hoffnung, wie der Ertrinkende nach jedem Strohhalm greift, der in den
Bereich seiner Hände kömmt. Der nächste Gegenstand von Wichtigkeit für
mich war, den Umfang meines Grabes kennen zu lernen. Ob es Tag oder
Nacht war, konnte ich nicht unterscheiden; es herrschte die völligste Finsterniß.
Selbst wenn ich meine Hand vor die Augen hielt, konnte ich sie nicht sehen;
Alles mußte durch Fühlen vollbracht werden. Zwar schauderte ich bei dem
Gedanken an das, was ich möglicher Weife berühren könnte, vor Entsetzen,
und dies war die Ursache meines ruhigen Verhaltens, seit ich den Sargdeckel
hinweggestoßen. Ich überlegte jedoch, daß längere Zögerung mir nichts nützen
werde, und so entschloß ich mich, die weitern, entscheidenden Schritte ohne
Säumen zu thun.
„Ich erhob mich im Sarge und streckte die Hände über dem Kopfe aus.
Sie kamen mit nichts in Berührung. JH füllte nach jeder Seite, erfaßte
aber keinen Gegenstand. Ich hielt sie hinunter unter den Sarg und fand,
daß derselbe auf einer Steinplatte ruhte; diese Platte erhob sich etwas über
dem Boden; wie viel, ließ sich nicht erkennen. Ich stieg behutsam aus dem
Sarge heraus und streckte die Füße aus, bis sie einen festen Grund erreichten.
Dann fing ich an, langsam und vorsichtig in dem Gewölbe herumzutappen.
(Fortsetzung folgt.)
 
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