Samstag den 16. Januar
1869.
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Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag,
Donnerst ^' ^'d Samstag.
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* Streiflichter über den Wohlstand
in Baden.
Was werden wohl die nächsten Berichte der Landescomnüsiäre
über den Wohlstand im Lande Baden zu erzählen wissen?
Wollte Gott, die Wirklichkeit eines Fortschreitens im Wohlstand
würde so manche blumenreiche Phrase bestätigen! Aber wir be-
fürchten, daß das Resultat anders ausfallen wird, wir befürchten,
daß jenes Gemälde, welches der Abg. Lindau vor längerer Zeit
unter den Wuthausbrüchen der Kammermatadore und der bettel-
preußischen Presse gezeichnet und sich seither als vollkommen wahr
herausgestellt hat, in noch schwärzeren Farben zum Vorscheine
kommen wird.
Wenn man die badische Presse über volkswirthschaftliche Fra-
gen und insbesondere über die Zustände des Handels und der Ge-
werbe, so wie der Landwirthschaft aufschlägt, so stößt man hier
mit höchst seltenen Ausnahmen auf Unkenntniß, Schönrednerei u.
Wohldienerei. Der Grund davon liegt darin, daß die wenigen
Leute, welche ein richtiges Verständniß besitzen, aus Grundsatz oder
wegen Mangels an Zeit oder auch wegen der lieblosen Entgeg-
nungen, die immer persönlich ausfallen, nichts schreiben wollen;
daher ist auch in dieser Beziehung die Presse vom Parteistandpunkt
gefärbt und in Händen von Menschen, die, weil es nun einmal
in ihren Kram paßt, von ihrem Schreibtisch aus ohne jegliche
Kenntniß der innern Verhältnisse ihre Strflübungen fertigen.
Solche Mittheilungen können für die Berichte der Landes-
commissäre gar keinen Werth haben. Ebenso lassen die Jahres-
berichte der Bezirksämter, die doch die Unterlage für jene der
Landescommissäre bilden sollen, Vieles zu wünschen übrig. Einem
in der Wolle gefärbten Büreaukratsn muß es bei unseren politi-
schen Zuständen unmöglich erscheinen, Thatsachen aufzufuhren, die
von den Gegnern des jetzigen Regimes ausgebeutet werden könn-
ten. Mit wenigen nichtssagenden Worten werden daher manche
Krebsgeschwüre, die das materielle Wohl der Staatsbürger betref-
fen, übergleistert, dafür wird aber recht tapfer und eingehend
über die Umtriebe der Ultramontancn in die Lärmtrompete ge-
stoßen. Tritt auch später die Wahrheit zu Tage, so tröstet man
sich mit dem aprös NOUS le llöluAk.
In einem Staate, wie Baden, bildet die einzige Grundlage
des Volkswohlstandes die Landwirthschaft. Nur wenn sie
blühet, gedeihen auch die Gewerbe und der Handel. Ist doch der
badische Export nerhältnißmäßig gering und beruht er zum größe-
ren Theil auf Producten, welche oie Landwirthschaft liefert.
Ein kürzlich in der Karlsruher Zeitung erschienener Bericht
des statistischen Bureaus belehrt uns zwar, daß die vorjährige
Ernte im Ganzen gut ausgefallen sei. Aber man würde sich arg
täuschen, wenn man hieraus weiter den Schluß ziehen wollte, die
Zustände des badischen Landwirths seien günstig.
Wie diese Zustände in der Wirklichkeit beschaffen sind, wollen
wir, da uns die officiellsn Quellen verschlossen sind, durch einige
Streiflichter beleuchten.
Schon seit Jahren wird an den beiden äußersten Punkten
Badens, nämlich in der Gegend des Bodensees und der Gegend
des Odenwaldes und der Tauber über einen steten Rückgang in
der Landwirthschaft geklagt. Als Beweis dient das uuverhältniß-
mäßige, rasche Fallen der Güterpreise. Auch in allen übrigen
Bezirken des Landes trat dieselbe Erscheinung, wenn auch nicht so
rapid, zu Tags. Hand in Hand gingen damit die vermehrten Aus-
pfändungen und Liegenschastsverkäufe im Zwangswege, ja letztere
wären noch erheblich gestiegen, wenn nicht die Gläubiger aus der
Besorgniß, daß die ihnen heimfallenden Güter nur mit großem
Verlust wieder verwerthet werden konnten, zur Milde gegen die
Pfandschuldner sich veranlaßt gesehen hätten. Auch dis Fahrniß-
Pfändungen könnten eine wichtige Belehrung geben, aber allerdings
nur dann, wenn bei dieser Rubrik Zugleich dis Zahlen mitgetheilt
würden, bei wie vielen angeordneten Fahrnißpfändungen gar kein
Resultat aus dem einfachen Grunde stattfindsn konnte, weil keine
pfändbaren Objecte vorhanden waren. Es ist gewiß sigenthümlich,
daß die Berichte der Landescommissäre hierüber schweigen.
Diese traurige Thatsache des Rückgangs der öconomischen
Verhältnisse unseres Bauernstandes erklärt sich übrigens sehr ein-
fach und zwar durch die nicht vollkommenen Ernten, durch die
nicht verhältnißmäßig gestiegenen Preise der Früchte und der
specifisch badischen Handelsprovucte, so wie durch die erhöhte
Steuern und durch die Entziehung der nutzbringenden Kräfte in
der Familie in Folg- der lange andauernden Wehrpflicht, wozu
außerdem noch baare Zuschüsse von Seite der Ellern erfolgen
müssen.
Im Großen und Ganzen gab es zwar seit Anfang der 50er
Jahre keine wirklichen Fehljahre in Bezug auf den Ertrag an
Körnerfrüchten, doch waren manche Bezirke in den letzten Jahren
auch in dieser Beziehung schlimm daran. Was aber die Land-
wirthschaft durchgängig schwer geschädiget hat, bestand in der un-
zureichenden Menge Futters seit 3 Jahren. In dieser Thatsache
Die Herbftfeier.
Eine Erzählung von L. M. F.
(Fortsetzung.)
Ewä'Ä mein gütiger Vater;" sagte Elisabeth. „Und Nachrichten, die,
wru s Gott ^hr edelfrommes Herz erquicken sollen; so sehr, als es in dieser
loren " möglich ist! Fürwahr, Sie haben Ihren Fritz nicht ver-
, hecht aber wohl Florentin nach der neuen Mode und nicht Fritz ?"
Alte, in ganz heiterer Laune nach dem Knaben blickend, der zu den
Mßen des Bettes auf einem Bänkchen eingeschlummert war
„Florentin Friedrich heißt er;" sagte Elisabeth. „Ich dachte so die trübe
Gegenwart mit einer glücklichern Vergangenheit und Zukunft zu verknüpfen.
Aber Florentin rufe ich ihn, bis sein Vater den rechten angebornen Namen
wieder fuhren wird."
. sscht, meine liebe Tochter; ganz recht so. Wahrhaftig, Sie sind mir
ein gar liebes, sinniges Kindchen. Nun aber lesen Sie mir hübsch, was der
Fritz feltdem Gutes geschrieben hat." oer
der Fren wieder ein, und faltete die Blätter aus einan-
nnd es abermals hart an den Fenstern vorbei; ein wildes Gerufe
und Gelarm ward hier und da im Dorfe vernehmlich; erschrocken fuhr Elisa-
beth zusammen. Der Obrcft aber sagte begütigend:
^ig! Ml G°U°S Hülse soll hier Alles ohne
L-m,m S,e mir doch einmal g-sliMgst meinen
?nfnn°-n Nicht etwa, dich ich Schlägerei damit
anfangen mochte;" setzte er lächelnd hinzu. „Die Sprünge sind mir vor dei-
nun eim7al1n?^b^' es muß doch Alles seine Manier haben, da man
nun einmal zum Kriegsgefangenen wird."
«... Er zog die ehrsame Waffe aus der Scheide, und legte sie quer über das
^"'77 "So, mern Töchterchen;" sagte er. „Nun ist so viel in Ordnung
letzt von mir in Ordnung bringen lassen will. — Und wenn
Sossung genug dazu haben, liebes Kind, so lesen Sie mir noch das Wich¬
tigste aus den Briesen vor, daß ich's in mir mitnehmen kann, dafern man uns
bald trennen sollte, wie sich das denn wohl vermuthen läßt."
Elisabeth las nach einigem Suchen mit leise bebender Stimme:
„Ich schreibe dir vom Schlachtfelde, liebe Elisabeth; von einem so ent-
scheidend ersiegten Schlachtfelde, als es die Weltgeschichte wohl nur selten zu
nennen weiß; Ruhm und Auszeichnungen sind auch mir persönlich zu Theil
geworden, — und sieh, ich zeichne dir das Alles so kalt auf, so beinahe gleich-
gültig, als wäre von einem Unbekannten die Rede, der in der Mitte von
Afrika ein Handgemeng' zwischen ein Paar umherstreifenden Horden mitge-
fochten hätte, die er nichr mit Namen zu nennen wüßte. — Und doch ist
heldenkühn gestritten worden; — von allen Seiten heldenkühn! — Aber die
Welt ist eigentlich gestorben, Elisabeth. Nur einzelne Menschen führen noch
ein wirkliches Leben, und meist in den Heeren unserer Gegner. Ich habe das
an Schwerverwundeten, an mit dem Tode Ringenden zu bemerken Gelegenheit
gehabt. Die athmeten im alten, lieben Glauben, den wir klugen Leute, wenn's
hoch kommt, nur noch historisch kennen. Erschrick nicht, liebe Elisabeth ; dies
Wir galt nur der ganzen Masse, nicht deinem Florentin, den Gott in der
Einen großen Beziehung noch immer als den Friedrich, den Fritz, aus seligen
Kinderjahren herüber, festhielt, und nun mich unter mannigfachen Prüfungen
neu dazu erhebt. Vorhin hörte ich einen jungen, sterbenden Conscribirten
beten und Gottlob? ich durfte mich zu ihm gesellen." —
Ein wüthendes Gedonner von Kolbenschlägen rasselte gegen die Thür. Eli-
sabeth verstummte todesbleich; Florentin, aus dem Schlummer auffahrend, u.
den gezückten Degen auf des Obristen Bette erblickend, sagte mit träumerisch
heftiger Stimme: „Hau doch drunter, alter Herr, unter die Ruhestörer! Oder
kannst du gar nicht mehr, so gieb nur mir die Klinge her. Einen oder Zweie
wehr ich uns schon ab." — „Du rechter, ächter Fritz!" lächelte der alte Grei-
fenhorst. „Aber verhalte dich nur ruhig auf deinem Posten. Diesmal fetzen
wir's Allebeide mit unserer Courage nicht durch." — „Sein Sie ruhig, liebe
Tochter;" sagte er darauf, Elisabeths Hand fassend. „Die Thüre scheint mir-
gut verwahrt, und dies Streifgesindel von Plünderern wird hoffentlich bald
wieder abziehn, da Ihr Häuschen weder Schlemmereien, noch Schätze verspricht.
Sie haben es wohl nur angerannt, weil es eben vornan im Dorfe liegt."
(Fortsetzung folgt.)