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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 115-127 (2. Oktober - 30. Oktober)
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und Land.

Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlnz.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

123.

Donnerstag den 21. October

1869.

Katholische Volkspartei.
Gelegentlich der Besprechung des Abg. Lindau mit den
Wahlmännern seines Bezirks findet Sonntag den 24. d. M/s,
Nachmittags 2^/r Uhr, eine Volksversammlung im Schlöffe zu
Hardheim statt, wozu wir unsere Gesinnungsgenossen freundlichst
einladen.
Baumstark. Biffing. Lender. Lindau.

Die bürgerliche Zwangsehe und ihre Vertheidiger.
(L. Aus der Pfalz. Unsere Vollblutliberalen, welche den
alten Absolutismus zur Ketzerei gestempelt haben, finden es ganz
sachgemäß und consequent, den Ausspruch Ludwigs XIV.: „Der
Staat bin ich" — für sich in Anspruch zu nehmen, nur mit dem
Unterschied, daß sie unter dem Wort: „Staat" nicht blos eine
die äußeren Rechtsverhältnisse und irdischen Lebenszwecke der Gesell-
schaft sichernde und fördernde Institution verstehen, sondern den-
selben zu einem alles innere und äußere Leben seiner Angehörigen
umfassenden Universum ausdehnen und deßhalb das Monopol ver-
langen, d. h. das Recht, alle menschlichen Verhältnisse zu regeliren
und nur vom staatlichen Standpunkt aus zu ordnen. Neben einem
solchen Alles verschlingenden Moloch gibt es für die Kirche und
das einzelne Individuum keinen Platz mehr. Dies Streben äußert
und zeigt sich bereits auf dem Gebiete der Schule und Ehe. Wie
die Schule soll auch die Ehe säcularisirt d. h. zu einem blos staat-
lichen Institut gemacht werden. Nach der religiösen Seite dersel-
ben wird von Gesetzeswegen nicht mehr gefragt. „Das Gesetz be-
trachtet die Ehe nur noch als einen bürgerlichen Vertrag", so
lautet die Bestimmung in der Constitution von 1789. „Die
bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur vom Vollzug des Civilactes
abhängig. Die kirchliche Trauung kann nur nach Vollziehung des
Civilaktes geschehen", sagen die deutschen Grundrechte. Fragt man
diesen Bestimmungen gegenüber nach der Gewissens-, Glaubens-
und Religionsfreiheit des Einzelnen, wie es möglich sei, „nach seiner
Fa^on zu leben und selig zu werden", so wissen die Liebhaber
und Lobredner der bürgerlichen Zwangsehe allerlei Gründe vorzu-
bringen, um ihrem Verlangen einen freiheitlichen Anstrich zu geben.
Sie sagen: „Die Ehe greife auch in bürgerliche Verhältnisse ein
und deßhalb müsse der Staat sie von seinem Standpunkt aus ord-
nen und regeln." Allerdings ist die Ehe eine Einrichtung, die auch
in bürgerliche Verhältnisse eingreift; ihre Wurzel und Krone ge-
hört aber der religiösen Ordnung an. „Sie ist die Gemeinschaft
aller Verhältnisse des Lebens, eine Gemeinschaft des göttlichen
und menschlichen Gesetzes", sagt Ulpian. Weil die Ehe in den
Kreis der bürgerlichen Gesellschaft hineinreicht, deßhalb kann der
Staat Bedingungen festsetzen, unter denen die kirchlich geschloffene
Ehe auch die bürgerliche Anerkennung findet. Die Competenz des
Staates erstreckt sich blos auf die vermögens-, gemeinde- und
staatsrechtlichen Beziehungen, was darüber geht, berührt den Staat
nicht. Geht der Staat und seine Gesetzgebung weiter, so vergreift
er sich an der Gewissens- und Religionsfreiheit seiner Angehörigen,
welche selbst der Sultan in der Türkei respectirt. Noch niemals
ist es den Türken eingefallen, für ihre christlichen Unterthanen
ein anderes Ehegesetz aufzustellen; sie lassen die Christen bei ihrer'
christlichen Ehegesetzgebung ruhig und unangefochten. Ebenso ver-
fahren die Franzosen in Algier und die Engländer in Ostindien.
Und ist wohl etwas Anderes iw jedem christlichen Staate mit ge-
mischter confessioneller Bevölkerung möglich, wo die Staatsverfaffung
die freie und geschmälerte Ausübung der Religions-, Glaubens-
und Gewissensfreiheit proclamirt und gewährleistet hat?
«o „Der Staat habe die Pflicht für das
ner Unterthanen zu sorgen und müsse deßhalb eine Form
und Norm aufstellen, wodurch es Jedem möglich sei nach seiner
^atzon die Ehe eingehen zu können." Vollkommen einverstanden !
Als gesetzliche Form, die selbst den Verkommensten die Ehe einzu-
gehen gestattet, genügt die sog. Nothcivilehe oder Sünderehe,
die zu Hülfe genommen werden kann, so oft ein Paar aus irgend
einem Grund von der Kirche nicht getraut wird. Niemals aber
^rs^r Staat allen Bürgern seine Eheform aufdrängen, ohne
Gewlssensfreihelt zu beeinträchtigen. Bis zur Stunde hat das
christgläubige Volk in unserm Vaterland die religiös-kirchliche Ehe-

schließung treu bewahrt und beobachtet und sich zufrieden damit
gegeben. Der Staat hat gar nicht nöthig, um der wenigen Elen-
den willen, die ihren Glauben verloren oder davon abgefallen sind,
eine religionslose Ehe rin Lande einzuführen. Ein solches Ver-
fahren hieße einigen verkommenen Subjecten zu Liebe den Theil
über das Ganze und um einiger Verirrten willen die Muhe und
den Frieden der Uebrigen auf's Spiel setzen. Die Leute von die-
ser Sorte wissen es schon hinzubringen, das Ziel ihrer Wünsche,
Begierden und Lüste zu erreichen, als daß der Staat noch nöthig
hätte ihnen noch Vorschub zu leisten. Es gibt ja Kirchen und
Kirchlein, Secten und religiöse Gesellschaften genug, wo sie sich
hinwenden können; der Staat braucht ihnen keinen Freibrief zum
Abfall auszustellen. Wer nicht nach dem Gesetz der Kirche leben
will- soll austreten. Es wird Niemand durch Zwang, Bande oder
Kerker festgehalten — es hat Jeder seine Freiheit. Will er aber
in der Kirche bleiben, so soll er sich auch nach ihren Gesetzen
richten.
Der Zweck, weßhalb so sehr nach Einführung der Civilehe ge-
rufen wird, ist wohl kein anderer, als die Schande einiger Weni-
ger dadurch zu verhüllen, indem man Alle ohne Ausnahme vor
den weltlichen Richter zwingt. Allein diese Maßregel wird Nichts
nützen. Solche Vögel, die nicht kirchlich getraut werden können,
wird das gläubige Volk doch herausfinden und vor wie nach mit
dem Finger auf sie deuten und solche Patrone werden von der
Kirche geradeso angesehen und behandelt werden, als ob sie im
heimlichen Concubinat zusammenlebten. Der Glorienschein des Ge-
setzes wird ihnen in diesem Fall rein gar nichts nützen. Im
Gegentheil! sie geben durch ihr öffentliches, wenn auch gesetzlich
erlaubtes Zusammenleben noch größeres Aergerniß und verfallen
einer um so schärferen kirchlichen Strafe.
Schließlich wird noch gesagt: „Es wird nicht verboten nach
der bürgerlichen Trauung noch in die Kirche zu gehen und sich
einsegnen zu lassen." Schon die Thatsache, daß unter einem christl.
Volk von Staatswegen eine Ehe außerhalb der christlichen
Ordnung möglich gemacht wird, ist ein öffentliches Aergerniß, eine
Verläugnung des Christenthums, eine besondere Verlockung zur
Sünde. Das christliche Volk, das die Lasten des Staates trägt,
Steuern bezahlt und Rekruten liefert, hat das volle Recht zu ver-
langen^ daß die staatlichen Behörden seine religiösen Anschauungen
und kirchlichen Hebungen beschützen und Aergerniffe dieser Art nicht
einführen, wo sie noch nicht sind, sondern solche vielmehr beseiti-
gen und fern halten, wo sie sich einnisten wollen. Indem sie die
Ehe in ihrem Fundament und Wurzel schützen, schützen sie die
Familie und ganze Gesellschaft vor Fäulniß nnd Auflösung. Wer
die Grundmauern eines Hauses untergräbt, von dem wiro Nie-
mand behaupten, daß er es befestigen wolle; wer Entzweiung und
Unfriede in einer Familie stiftet, der ist nicht als wohlwollender
Freund anzusehen und wer an einem lebendigen Baum einen Ast
um den andern wegschneidet, der kann sich nicht rühmen, daß er
des Baumes Wachsthum und Gedeihen fördere. Das mögen sich
die Staaten und ihre Lenker merken. Durch Beförderung der
Civilehe schädigen sie das Interesse der Familien und Gemeinden
und datüit des Staates selber.
Kammerverhandlungen.
Karlsruhe, 16. Oct. 5. öffentl. Sitzung der Ersten Kammer.
Präsident: Geh.-R. v. Mohl. Am Ministertische: Der Kriegsprä-
sident General-L. v. Beyer, St.-M. Dr. Jolly, der Präsident
des Minist. d. a. A. v. Freydorf.
Präsidium widmet dem plötzlich aus diesem Leben geschiedenen
Mitgliede Reiner einen Nachruf. Die Mitglieder des h. Hauses
erheben sich als Zeichen der Theilnahme von den Sitzen. Es wird
angezeigt, daß S. G. H. Prinz Karl nicht vor dem 21. d.
wieder im Hause erscheinen könne. Der Hr. Erzbisthums-
ver wes er nimmt an der Sitzung nicht Theil. Ferner werden
angezeigt Mittheilungen der 2. Kammer und der Einlauf einiger
Petitionen.
Frhr. v. Rüdt erstattet Bericht über den militärischen Frei-
zügigkeitsvertrag mit dem Nordbunde, „der zunächst im Interesse
der beiderseitigen Militärpflichtigen abgeschlossen worden ist."
Es werden von dem Hrn. Berichterstatter die Vertragsstipu-
lationen näher dargelegt, sowie die in einem Separatprotokolle
 
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