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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 89-101 (3. August - 31. August)
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Lrscheint wöchentlich dreimal: Dienstag.
Donnerstag und Samstag.


und Land.

Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzelle.


Donnerstag den 19. August


» Votum des vr. Caspar Bluntschli in
Klostersachen.
Als Geldgier und Haß gegen die katholische Kirche den Con-
ton Aargau zu dem Raub der Klöster, auf Anstifter: von zwei
abgefallenen Katholiken, Seminardirektor Keller und Re-
gierungsrath Waller trieben, empörten sich alle ehrlichen Schwei-
zer darüber in und außerhalb der Tagsatzung und in den großen
Räthen der Cantone, ohne Unterschied oer Confession. Die Ge-
waltthat wurde nur dadurch nach mehr als zweijährigen Kämpfen
zur vollendeten Thatsache, daß die Frechheit einer kleinen Partei,
welche sich der aargauischen Regierung bemächtigt hatte, eine ge-
waltige Stütze an dem in gleichem Sinne gebietenden Schultheiß
Neuhaus zu Bern sand, welcher selbst wohl majorisireu wollte
gegen die Bundesbehörde, sich mit Bern aber allen Beschlüßen
der Tagsatzung widersetzte.
Unter allenMännern des Rechts wagte sich aber keiner mehr
zur Vertbeidigung der Klöster, deren Bestand
völkerrechtliche Verträge garantirten, hervor, als der
damalige Züricher Staatsrath Dr. Caspar Bluntschli. Alt-
landamann Baumgärtner sagt hierüber in seinem lehrreichen
Buche: Die Schweiz in ihren Kämpfen und Umgestaltungen von
1830—1850, Zürich und Stuttgart 1868. Leo Wörl'sche Ver-
lagshandlung, Bd. 3, S. 90: Das merkwürdigste Ereigniß
war die Rede des Staatsraths B. im großen Rathe von Zürich
am 21. Juni (1843). Im Widerspruch mit Allem, was die be-
reits zur Thatsache gewordene Parteistellung Zürich's hervorge-
bracht, zumal mit der politisch und kirchlich in Befangenheit hierin
gezogenen Volksmeinung, wagte sich dieser gelehrte Staatsmann mit
selten gewordener Unerschrockenheit auf die freie Höhe des recht-
lichen Standpunkts: „Die rechtliche Seite der Sache (so sprach er)
ist so überaus einfach, so ungeheuer klar (eigene Worte), daß man
sie mit einem Schlußsätze abthun kann: Der Art. XII des Bundes-
vertrags garantirt die Klöster; argauerischerseits sind sie einseitig
aufgehoben worden, daraus folgt, daß dieselben von der Eidge-
nossenschaft wieder hergestellt werden müßten." Der Redner blieb
aber auch den Beweis nicht schuldig, daß selbst eine gesunve Poli-
tik die Aufhebung der argauer Klöster verdamme und ihre Wieder-
herstellung fordere.
Die Stellung, welche Zürich eingenommen, schilderte er mit
scharfen Worten als inconsequent und schwach, ebenso confessionell
einseitig. Das sei eine falsche Politik; Zürich sollte sich auf die
eidgenössische Höhe erheben ; es dürfe nicht eidgenössische Fragen
aus einem kleinlichen, blos züricherischen Standpunkte behandeln,
nicht in confessionellen Fragen der Eidgenossenschaft einen blos
reformirten Standpunkt festhalten. „Es gibt eine kantonale Bor-
nirtheit und es gibt eine reformirte Bornirtheit. Beide
muß Zürich in der eidgenössischen Stellung abstreifen, wenn es groß

sein, wenn es in der gesammten Eidgenossenschaft Zutrauen finden
will." Aber Zürich wollte von dieser Größe und von einem sol-
chen Zutrauen nichts wissen, und verwarf den Antrag des Redners
auf bundesgemäße Erledigung der Klosterfrage; Bluntschli hatte
vergebens eine Lanze eingelegt für das Recht, doch nicht fruchtlos
für seine Ehre. Soweit Baumgärtner.
Der Pfälzer Bote, welcher so oft zu seiner Ehre eine Lanze
für das Recht gegen Bluntschli einlegt, wird sich freuen, ein so
rühmliches Zeugniß für den Gegner aufzunehmen. Schade, daß die-
ser Ruhm nur dessen Vergangenheit angehört!
Bluntsckli und wohl "Niemand hätte gedacht, daß er nach 26
Jahren, wandernd von Land zu Land, von einem Winkel Deutsch-
lands aus, gegen das Recht und gegen sein neues, größeres
Vaterland genau dieselbe Rolle spielen, und sich für eine „refor-
mirte" und sogar fanatischmnüchristliche „Bornirtheit" selbst ent-
scheiden würde, die er damals mit ebensoviel Wahrheit als schar-
fem Rechtssinn gegeiselt hat.
Das eben ist die Consequenz des Protestantenvereins, wenn
Leidenschaft oder Partei Interesse sich mit der Wahrheit im Con-
flict verfolgen.

* Ein Vorschlag.
Die politischen Parteien in Baden machen sich gegenseitig
den Vorwurf der Scheinheiligkeit und Täuschung. So ist eine
stehende Redensart der Nationalliberalen gegenüber der katholischen
Volkspartei, daß ihr Programm lediglich deßhalb so liberal abge-
faßt fei, um das Volk zu kirren; es werde sich bald zeigen, daß
die kathol. Volkspartei nur der Verfinsterung, dem Glaubenshaß
und der Reaction Vorschub leiste. Anderseits behaupte die kath.
Volkspartei, die Nationalliberalen trieben nur Phrasengeklingel u.
seien im Grunde nichts Anderes, als allzeit dienstfertige Hand-
langer des Bismarck'schen und Jolly'schen Regimes; zwischen ihren
Phrasen und Thaten sei schon längst ein ungeheuerer Unterschied
zu finden.
Wir wollen hier nicht untersuchen, wer Recht hat; nur die
Thatsache wollen wir constatiren.
Die kathol. Volkspartei macht nun ihren Gegnern folgenden
Vorschlag: sämmtliche Landtags-Abgeordnete der
einen, wie der andern Partei verpflichten sich, ihr
Mandat niederzulegen, wenn die Hälfte der Mit-
glieder ihres Wahlcollegiums erklärt, sie sei mit
ihrer Haltung in der Kammer nicht einverstanden.
Damit ist von vornherein dem Unfug vorgebeugt, daß ein
Candidat zur Abgeordnetenstelle ein Glaubensbekenntniß ablegt,
was er nachher nicht hält; der ehrliche Deputirte aber ist dann
um so besser daran, und kann um so furchtloser auftreten, als er
seine Wähler hinter sich weiß.

Jrrsectenqualen am oberen Amazonas.

(Schluß.)
Bei einer Wanderung durch die schmalen Waldpsade muß man sich vor
den Waldmilben hüten, derenman nur schwer loswerden kann, wenn sie sich einmal
fest angehängt haben; ebenso vor den ungeheuren schwarzen Ameisen, die ändert,
halb Zoll lang sind und hornissenartige Stacheln haben; dann vor derSaüba-
Ameise, die zwar keinen Stachel besitzt, aber mit Krallen gleich chirurgischen
Knochenzangen bewaffnet ist und überall herumkriecht. Manchmal stößt man
vielleicht auch auf eine säulenartige Erderhöhung der „Feuerameisen", welche
in regelmäßiger militärischer Ordnung einherziehen; ist dieß der Fall, so kann
man nichts Anderes thun, als sogleich hinweg zu rennen, denn weder Mensch
noch Thier kann der Feuerameise widerstehen und leben. Zuweilen bemerkt
man eine schlankere Art von Baumschlange, die weggleitet, oder den tödtlichen
„^neurffu", der sich an einem sonnigen Platze wärmt, während unter den
moosigen Wurzeln der großen Bäume artige kleine gehörnte Frösche hervor-
blicken und erschreckte Eidechsen über die dürren Blätter huschen. Macht man
endlich Halt um auszuruhen, so muß man den Lugergrund sorgfältig unter-
suchen, um zu sehen, ob nicht etwa der Hundertfuß oder der Scorpion die
nämliche Oertlichkeit für sich ausgewählt habe.
Häufig tödtete man an Bord unseres Dampfers sowohl Hundertfüße als
Scorpionen, die ohne Zweifel in dem als Brennstoff gebrauchten Holz hinein-
gebracht worden waren. Als wir eines Tages die Leute beobachteten, welche
aus Booten Holz aufs Schiff förderten, wurde aus einem der an Bord ge-
worfenen Holzstücke ein Scorpion herausgeschleudert, der auf den nackten lin¬

ken Arm eines Mannes in der Lauplanke siel. Erstaunt über diesen plötzlichen
Flug durch die Luft, verhielt sich das Thier vollkommen ruhig. Der Mann
selbst aber rührte keinen Muskel, sondern erhob ruhig seine rechte Hand und
schleuderte den Scorpion mit den Fingern kaltblütig hinweg. Er entging auf
diese Art einem Stich, welchen er ohne Zweifel erhalten hätte, wenn er den
Versuch gemacht, das Thier hastig Hinwegzuschaffen. Ameisen sind eine ent-
setzliche Plage, sowohl auf dem Wasser als am Lande. Es ist unterhaltend, ein
Heer kleiner Ameisen den Leib eines todten Kakerlak wegtragen zu sehen, was
vergleichsweise fast so aussieht, als ob Mäuse mit einem todten Elephanten
davonliefen. So lästig sie im Allgemeinen sind, lassen sie doch Baumwolle un-
berührt, und Alles, was darauf oder ganz nahe daneben liegt, ist sicher vor
ihnen. Die Saübaameisen sind, glauben wir, die größten Verwüster von allen.
Sie bilden regelmäßige Gemeinwesen, wo jede einzelne, der Arbeiter, der Krie-
ger rc., eine eigene Aufgabe zu erfüllen hat. Herr Bates hat in seinem Werke
„Der Naturforscher am Amazonas" eine treffliche Schilderung von diesen
Ameisen gegeben, aber, wie wir glauben, vergessenden äußerst durchdringenden
aromatischen Geruch zu erwähnen, den sie, oder mindestens ihre Nester, be-
sitzen. Diese Ameisen sind den Cacaopflanzungen höchst verderblich, da sie die
Bäume ihrer Blätter berauben und in einer einzigen Nacht einen großen Korb
voll Samen Hinwegtragen können. Bisweilen findet auch eine Wanderung vom
Mutterstock aus statt, indem ein Theil der Ameisen beflügelt wird und fort-
fliegt. Jndeß entgehen den Indianern, welche stets ihr Augenmerk aus diese
Wanderungen gerichtet halten, nur wenige, denn sie betrachten die beflügelten
Ameisen als einen Leckerbissen, fangen dieselben und bewahren sie in Flaschen
auf; erleichtern sich aber auch hin und wieder diese Arbeit dadurch, daß sie
den Thierchen die Flügel abreißen und sie lebendig verzehren.
 
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