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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 89-101 (3. August - 31. August)
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378

Bei Licht besehen empfiehlt sich unser Vorschlag eigentlich
viel mehr für die Partei der Nationalliberalen; denn da in ihren
Wahl-Collegien die Staatsdiener und insbesondere die Oberamt-
männer sitzen, so wird ein Mißtrauens-Votum hier viel schwieri-
ger zu erlangen sein. Gleichwohl soll einmal erprobt werden, wo
Scheinheiligkeit und Täuschung und wo Ehrlichkeit ist.
Von den Demokraten sind wir überzeugt, daß sie unserem
Vorschlag beistimmen werden. Also, ihr Nationalliberalen, was
sagt ihr dazu? Wollt ihr aber etwa noch die Urwähler ebenfalls
beigezogen wissen, so sind wir hiemit doppelt einverstanden.

Eine wahre Begebenheit.
Vor Kurzem kam ein Geistlicher, von einem Bade zurückkehrend,
in eine der größten Städte unseres Landes und kehrte in einem
Gasthof daselbst ein. Schon der Umstand, daß dieser Schwarzrock
sich da hereinwagte, flößte bei Wirth und Kellner Schrecken ein
und nur mürrisch gab man ihm das verlangte Zimmer. Das
war aber für unfern Pfarrer erst recht Grund zu bleiben und er
erklärte jetzt, auch an der Tafel Theil nehmen zu wollen, worauf
des Wirths und Oberkellners Gesicht noch um einige Zoll länger
wurden; leider aber konnte man ihn eben doch nicht abweisen.
Der Grund, warum? klärte sich alsbald auf, wie er in den Speise-
saal eintrat — die Tafel bestand nämlich größtentheils aus oom-
vÜ8 vo^aZeui-8, — die sich sogleich über ihn hermachten, mit dem
Tagesthema, der Krakauer Klostergeschichte, beginnend.
Der Pfarrer, die Absicht derselben merkend, daß man ihn nur
harranguiren und in Harnisch bringen wolle, nahm sich jetzt extra
vor, nichts zu erwidern und ruhig dabei zu bleiben.
Als alle möglichen Versuche der Handelsbeflissenen, seine Ruhe
und seinen Appetit zu stören, nichts halfen, kannte ihr Aerger
keine Grenzen und man reichte ihm nicht einmal mehr die Platten.
Endlich sagte ein Anwesender: „Hören Sie, geistlicher Herr, Ihren
Gleichmuth muß ich doch bewundern." „Ja, wissen Sie, sagte
der Pfarrer, ich habe eben tagtäglich solche Gesellschaft um mich,
wie diese da und da ist Gleichmuth sehr nöthig."
„Ja, wer sind Sie denn, mit Verlaub? welche Stellung be-
kleiden Sie?"
„Nun, das kann ich Ihnen jetzt doch nicht gerade sagen", er-
widerte der Pfarrer.
Während dieses Gespräches hatte die ganze zahlreiche Tischge-
sellschaft nach und nach zugehorcht und immer mehr wurde in ihn
gedrungen, sich zu erkennen zu geben. Endlich auf langes Zure-
den that er es:
„Ich bin, sagte er, der kathol. Hausgeistliche der Irrenanstalt
N." und nannte dabei den Namen einer weithin bekannten Heilan-
stalt für Geisteskranke. Ein schallendes Gelächter war natürlich
die Antwort der übrigen Gäste und der Eindruck auf die zudring-
lichen Commis war ein solcher, wie wenn man einen Stein in
einen Teich voll Ouack oder Frösche wirft. (Bad. Beob.)

CüddentschLsnd.
* Heidelberg, 15. Aug. In Bruchsal hat vor einigen Ta-
gen eine Urwählerversammlung im Gasthaus zum „Einkorn" statt-
gefunden, m welcher Pfr. Oberle einen mit großem Beifall aus-
genommenen Vortrag gegen die den Urwählern des 3. und 4.
Wahldistrttts in Bruchsal m's Gesicht geschleuderten Beschimpfuw
gen der Kraichgauer Zeitung hielt. Einen ausführlichen Bericht
hierüber finden wir in dem Bruchsaler Wochenblatte, das der de-
mokratischen Richtung sich zuneigt und dem servilen Gebühren der
Kraichgauer Zeitung entschieden abhold ist. Am Schluffe des Vor-
trages schlug Herr Pfarrer Oberle den anwesenden Bürgern fol-
gende Erklärung zur Zustimmung vor, welche einstimmige Geneh-
migung fand:
1) Der in der Kraichgauer Zeitung Nr. 137 den 365 Urwählern des 3.
und 4. Wahldistrikts in Folge der Wahlmännerwahl gemachte Vorwurf
der „Dummheit und Bigotterie" enthält eine gröbliche Beschimpfung ei-
ner großen Zahl hiesiger Bürger und ist ein unwürdiges Benehmen
seitens eines öffentlichen Blattes, das auf Bildung Anspruch machen
will;
2) Die ausgesprochene Beschimpfung schließt mit gleichzeitiger schwerer Krän-
kung der 365 Urwähler auch eine solche der beiden Wahlmänner in sich,
ist somit in doppelter Beziehung eine durch Nichts zu rechtfertigende
Handlung voll Parteihaß, wodurch in die Bürgerschaft der Zunder der
Erbitterung geworfen und dem friedlichen Zusammenleben Abbruch ge-
than wird;
3) Die ausgesprochene Beschuldigung der „Dummeit und der Bigotterie"
hat zum weiteren Inhalt eine Verläumdung, durch Erregung von Ver-
dacht einer den 365 Urwählern anhaftenden Arglist oder auf Täuschung
berechneten Handlungsweise; und ferner eine Ehrenkränkung, weil ein
großer Theil der hiesigen Bürgerschaft widerrechtlich verächtlich behan-
delt wird;
4) Die Beschimpfung trifft 365 Urwähler, die der katholischen Confe sion
angehören, geschieht von einem Blatte, das unter Verantwortlichkeit eines
nichtkatholischen Redakteurs erscheint, berührt somit um desto empfind-
licher, zumal der Gründe genug vorliegen, darüber Klage zu führen.

daß die Kraichgauer Zeitung gegen die Katholiken keine billige Rücksicht
kennt, wodurch der confeffionelle Friede gefährdet und der gröblichen
anderweitigen Jnsultirung (Beschimpfung) der Katholiken überhaupt
Vorschub geleistet wird;
5) Die Kraichgauer Zeitung fristet ihre Existenz mit dem Gelde der Bür-
ger, von denen viele bei obwaltenden Umständen sehr oft in die Lage
kommen, wider Willen derselben einen pecuniären Vortheil zufließen zu
lassen, was derselben hätte nahe legen sollen, mit der bürgerlichen Ehre
der Einzelnen schonend umzugehen, Dieß ist aber gerade in vorliegen-
dem Fall in der verletzendsten Weise umgangen worden, was uns in
Zukunft selbstverständlich abhalten muß, dem genannten Blatte irgend
welchen pecuniären Vortheil zuzuwenden;
6) Wir sprechen unsern gerechtesten Abscheu über die uns angethane Be-
schimpfung aus und erblicken in dieser öffentlichen Verurtheilung der
schweren Kränkung die Satisfaction, die wir unserer bürgerlichen Ehre
gegenüber unseren Mitbürgern zu geben uns verpflichtet fühlen.
Wenn die von den Servilen verfolgte» Katholiken und Demo-
kraten sich allenthalben in ähnlicher rühriger Weise ihrer Haut
wehren würden, dann stünde es ganz anders jetzt in diesem Lande!
H Heidelberg, 17. Aua. Obgleich wir heute erfahren, daß
unsere Mittheilung über die Versetzung des Gr. Amtsrichters Jung-
Hans das Unglück hatte, hohes Mißfallen zu erregen, so können
wir doch nicht umhin, den Text, daß Nichts vollkommen ist auf
dieser Erde, an demselben Falle nochmals zu beleuchten.
Wir werden uns hüten an den Z 631a des St.-Ges. zu
streifen.
Es wird jetzt offen zugestanden, was längst bekannt war, daß
die dem abtretenden Amtsrichter aufgeladene Geschäftslast auch von
dem arbeitstüchtigsten Manne kaum bewältigt werden konnte. Wenn
schon die ungeheure Anzahl kleiner Klagen und Betreibungen einen
Mann vollständig beschäftigt, so waren dem fraglichen Respiciate
noch die freiwillige, die polizeiliche Gerichtsbarkeit und die Forst-
frevelthätigung des ganzen Bezirkes zugetheilt und der Herr Prä-
sident des Justizministeriums weiß sehr wohl, wie oft er außerdem
als Kreisgerichtsdirektor denselben Gr. Amtsrichter zu seinen Sitzun-
gen zugezogen und genöthigt hat, alle anberaumten Geschäfte ab-
zustellen.
Dieser Zustand der Ueberbürdung mußte von den vorgesetzten
Behörden seit der neuen Organisation des Jahres 1864, d. i. seit
5 Jahren wahrgenommen werden: die unablässigen Anträge um
Gewährung der fehlenden Schreibhülfe allein schon hielten sie fort-
gesetzt davon in Kenntniß.
Jetzt endlich scheint man daran zu denken, daß hier Abhülfe
Noth thut: man soll beschlossen haben, zur Erleichterung des
künftigen Beamten die Mehrzahl der zum Bezirke gehörigen Ge-
meinden des Odenwalds dem Amtsgerichte Neckargemünd zuzuthei-
lcn. Allein auch hier trifft man das Rechte nicht. Diese Maß-
regel wäre so verfehlt, wie einst die Zuteilung des Bezirksam-
tes Neckargemünd zum Bezirksamte Eberbach. Nachdem diese
unnatürliche Verbindung viele Jahre gedauert u. der Neckarfluß sich
nicht hatte bequemen wollen, den Rücklauf von Neckargemünd nach
Eberbach anzuireten, hat man die Nothwendigkert erkannt das Band
wieder zu lösen. So sind auch die Odenwälder Gemeinden in ihrem
Gewerbsleben und lieb gewordenen Gewohnheiten dermaßen mtt
Heidelberg verwachsen, daß es tausend Mißstände und die größte
Unzufriedenheit Hervorrufen würde, wenn man sie auf einmal in
das ihnen unbekannte öde Neckargemünd einpferchen wollte.
Unsern Regierenden, die sich in neuerer Zett so viel mtt der
Frage beschäftigen, wie die eheliche Verbindung am Besten zu knüpfen
sei, werden es sich hoffentlich zum zweitenmal überlegen, ehe sie
zerreißen, was schon von der unvergeßlichen Curpfalz zusammenge-
fügt worden und innig verbunden ist.
V Vom Neckar, 18. August. Die Zeitungen veröffentlichen
ein Schreiben Uhland's an Mittermaier vom 25. Sept. 1849.
In diesem Schreiben spricht Uhland seine Entrüstung aus über
die damalige Handhabung des Standrechts und fordert die Män-
ner, welche^ „außerhalb der schroffen Parteiung" in Baden stehen,
auf, ihren entschiedenen Rechtsausspruch gegenüber den Ausnahms-
gerichten abzugeben. Wenn wir auf dieses im Geiste ächten Frei-
heits- und tiefen Rechtssinns geschriebene Blatt des letzten großen
deutschen Dichters aufmerksam machen, so können wir nicht um-
hin, eine Stelle des Schreibens hervorzuheben, die in heutiger
Zeit doch auch berücksichtigt werden möge. Uhland, der unwandel-
bar feste Demokrat, sagt nämlich darin: „Die Zerrüttung,
ich erkenne das an, ist in Baden nicht von der Re-
gierung aus g eg an gen." Dies ist die schönste Ehrenrettung
jener Männer, welche vor der Revolution vom Jahr 1849 das
badische Steuerruder in der Hand führten.
/X Von dem vorder« Odenwalde, 7. August. Vor mir
liegen zwei Exemplare des Eberbacher Wochenblattes, an dessen
Kopfe mit großem gesperrten Drucke eine Einladung des national-
liberalen Vereins Eberbachs zu einer Versammlung für sie Ge-
sinnungsgenossen auf 1. August ausgeschrieben steht. Die alten
Weiber sagen als gewöhnlich, der erste August sei ein Unglücks-
lag, für die Eberbacher Nationalvereinler war er ein solcher.
 
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