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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 89-101 (3. August - 31. August)
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— 379 —

Wären nicht mehrere Führer dieser Herrn eingetroffen, so wäre
ihr Fiasko noch größer geworden. Man dachte große Betheiligung
der Umgegend von Neunkirchen, allein für dieses Mal blieben
die Leute zu Hause.
Das Eberbacher Wochenblättchen hat sich einigermaßen ge-
tröstet, indem es die ganz geringe Betheiligung der Bauländer
der angeblich nicht recht bekannt gewordenen Einladung zuschrieb,
obgleich jede alte Frau zweimal im Wochenblatte die großen Buch-
staben in der vorausgegangenen Woche ohne Brille lesen konnte,
wahrscheinlich hätten die Ortspolizeidiener die Amtsschelle noch vor-
her in Bewegung setzen sollen. Schade war es um die Reden, die
verkündigt worden sind, insbesondere um die vielen Worte der
beiden protestantischen Geistlichen Eberbachs.
Gleichsam im Vorgefühle einer Niederlage wurde der kathol.
Hauptlehrer Eberbachs mit seinem Gesangverein mitgenommen, um
doch einigermaßen die öde Stimmung bei Bier und Liedern ver-
gessen zu machen. Liebe Eberbacher Nationalvereinler, greift eure
Sache bester an, ruft euch der Bote zu, damit eure salbungsvollen
Worte mehr Hörer finden.
H. Osterburken, 12. Aug. Die Arbeiten am Bau der
württemb. Jagstthalbahn werden in Kurzem beendigt. Gegen 10.
Sept. l. I. sollen die Probefahrten von Jagstfeld bis hierher be-
ginnen und die Strecke gegen Ende Sept. l. I. dem Verkehr über-
geben werden. Lusttragende können dann leicht dem Octobsrfest
in Stuttgart beiwohnen. Wenn seiner Zeit die bayerische Bahn
von Miltenberg hier einmündet, so wird die hiesige Stadt ein
Mittelpunkt des reichsten Verkehrs werden und es kann dann nicht
lange dauern, so wird Osterburken wieder der Amtssitz werden,
der es bis vor 25 Jahren gewesen ist. Wie in vielen andern
Gegenden, so herrscht auch hier in den benachbarten Orten die
Klauenseuche, wodurch der Landwirth bei Einheimsung seiner Erndte
nicht wenig gehindert ist.
.*. Tauberbischofsheim. Wie wir hörten, glaubt Bürger-
meister Reidel, daß ihm durch die letzten Wahlen von Seiten der
Bürgerschaft ein Mißtrauensvotum gegeben worden sei; wir glau-
ben auch, daß seine Ansicht die richtige sein mag und daß vielleicht
die nächste Bürgermeisterwahl darüber Aufschluß geben könnte.
N. Tauberbischofsheim. Die wackere Tauber gefällt sich
wieder einmal in ihrer Nummer vom 15. August, sich im Pfuhl
ihrer Gemeinheit und Erbärmlichkeit zu wälzen. Es bildet diese
Nummer wieder ein würdiges Blatt im Kranze der Gemeinheiten,
den sich dieses Blatt und die Herren vom geistigen Schwächebüch-
lein bereits gewunden haben. Ja, biedere Leute müssen das sein,
die, weil sie sich rächen wollen an Jemanden, dessen Mutter und
Verwandte öffentlich lächerlich machen wollen. Schamröthe müßte
Euer Gesicht bedecken, Ihr Herren von der Tauber, ob solchen
Treibens, wenn man nicht annehmen soll, Ihr seid längst ausge-
schämt.
Ihr greift das Alter an und macht dessen Gebrechen lächer-
lich und jetzt verhöhnt Ihr Frauen, Vie Euch nie was zu leid ge-
than! Es giebt in ganz Deutschland wohl kein zweites Blatt
mehr, das sich derartige Erbärmlichkeiten zu Schulden kommen
ließe unv doch besitzt ein solches Blatt noch die Unverschämtheit,
sagen zu wollen, andere Blätter seien gemein. Wären diese Herren
nicht an Schmutz und Gemeinheiten gewöhnt, fände dieser Schmutz
und diese Erbärmlichkeit mcht leider Wohlgefallen in den höheren
Kreisen der Stadt, wahrlich diese Herren wären schon längst in
ihrem Unrathe erstickt, Bischofsheim wäre nie so von der Um
gegend gemieden worden, wäre nie in diesen Verruf gekommen.
In feiner bekannten niederträchtigen Weise sucht dieses edle
Blatt den Lebenswandel des Candidaten R. zu besudeln, warum
tritt man denn nicht offen auf, wenn man ihm Schlechtigkeiten
nachsagen kann, warum kämpft man mit den Waffen des Bandi-
ten, der in einem Hinterhalte lauert?
Wir wollen demnächst, wackere Tauber, eine Musterkarte
von Charakteren eröffnen, wir werden zeigen, wer und was gewisse
Herren, Freunde der Tauber, sind, wir werden vom Oberamtmann
und Bürgermeister anfangen, weder den Hrn. Riegel noch Main-
hardt 86n. und jun., noch die Anderen fett und mager vergessen,
wir werden nicht kämpfen mit den Waffen des Banditen und
Meuchlers.
(Wir werden gerne Ihre Referate über jene Leute aufnehmen,
wenn die „Tauber" in der bisherigen Weise fortfährt. Aenderl
man aber in Bischofsheim den Ton, dann werden wir alle Per-
sönlichkeiten aus dem Spiele lassen. Die Redaction.)
O Oppenau, 16. August. Die auf gestern ausgeschriebene
Wahlversammlung der katholischen Volkspariei gab wieder im
Kleinen ein getreues Bild unserer politischen Zustände. Nachdem
dre für die kathol. Volkspartei so günstig ausgefallene Wahlmänner-
wahl wegen Formfehler ungültig erklärt worden war, hielt die
nationalliberale Partei am verflossenen Sonntage dahier eine
Wahlversammlung, in welcher Hr. Anwalt Dr. Kiefer ihr Pro
gramm entwickelte. Die kathol. Volkspartei hielt sich wie immer
mit richtigem Takte von jener Parteiversammlung ferne. Als nun
die Nachricht sich verbreitete, daß Hr. Lindau die gestrige Versamm
lung besuchen werde, entstand alsbald große Bewegung in den

nationalliberalen Kreisen und dem Lokalcomits der kathol. Volks-
partei wurde von verschiedenen Seiten die sichere Mittheilung über-
bracht, daß die Regierungspartei die schon in Engen versuchte
Taktik wiederholen wolle, das Lokal frühzeitig zu besetzen und die
Discussion durch Tumult zu stören, so daß dann eine Schließung
der Versammlung stattfinden müßte. Dieser Absicht gegenüber be-
schloß das Comito, den Saal erst vor 3 Uhr öffnen und jedem
Mitgliede der Regierungspartei, welches den Eintritt versuchen
wollte, durch aufgestellte Comitsmitglieder bedeuten zu lassen, daß
die Versammlung eine Parteiversammlung sei und daß ihnen als
nicht eingeladen, kein Einlaß gewährt werden könne. Dieser Be-
schluß war indessen nicht durchführbar.
In dem Saale des Stahlbades dauerte an diesem Tage die
Tafel der Kurgäste auffallend lange und insbesondere fanden wir,
daß Hr. Prälat Holtzmann, der zufällig an dem Versammlungstage
der kathol. Volkspartei seinen Sohn, prakt. Arzt in Oppenau, be-
suchte, zufällig in dem zur Versammlung bestimmten Saale das
Mittagsmahl einnahm und zufällig, während sonst die Tafel
gewöhnlich um 2 Uhr lange vorüber ist, die lukullischen Genüsse
bis um 3 Uhr zu verlängern beitrug. Auf diese Weise war es
unmöglich, den Saal zu schließen.
So kam es, daß, als der Hr. Bezirksamtsverweser von Ober-
kirch in Begleitung des Hrn. Bezirksrathes, Bürgermeisters Huber
von hier um */s3 Uhr noch vor beendetem Nachmittagsgottesdienste
den Saal betraten, sofort die ganze nationalliberale Partei, durch
die Freunde von Oberkirch verstärkt, den Saal besetzte. Das
Comits beschloß hierauf, um das Versammlungsrecht der Partei
zu wahren, sich um ein anderes Lokal umzusehen. Inzwischen
erklärte der Hr. Amtsverweser Hrn. Lindau, daß er von der Re-
gierungspartei das Ehrenwort erhalten habe, daß keine Ruhestörung
stattfinden weroe, worauf Hr. Lindau erwiderte, daß es sich hier
darum handle, der kathol. Volkspartei das Recht zu sichern, als
politische Partei eine geschlossene Versammlung für sich zu halten,
wie dies die nationalliberale Partei ungehindert genieße und daß
man die Regierungspartei, wenn sie diesen politischen Takt nicht
kenne, denselben deßhalb lehren müsse. Indessen müsse er in das
erwähnte Ehrenwort der Regierungspartei um so mehr großes
Mißtrauen setzen, als dieselbe ja öffentlich die Parole ausgetheilt
und die Praxis versucht habe, keine Versammlung der katholischen
Volkspartei zu dulden und als ja notorisch schon Bezirksräthe
ihre Autorität dazu mißbraucht hätten, dieses constitutionelle Recht
durch Gewalt vernichten zu helfen. Die Frage, ob und wann die
Versammlung stattzufinden habe, sei lediglich dem Ermessen des
Comito's anheimzustellen und wenn ein paffendes Lokal gefunden
sei, werde man dem Herrn Amtsverweser davon Kenntniß geben.
Dieses Lokal war alsbald gefunden! Hr. Bierbrauer Panther
erbot sich sofort, seine geräumige Wirtschaft zu räumen. Das
Comito stellte sich am Eingänge auf, um nur Eingelavenen den
Eintritt zu gestatten. Hr. Lindau hatte inzwischen noch Gelegen-
heit, den rm Badsaale versammelten Nationalliberalen eine kleine
aber energische Anrede über politischen Takt und Bildung zu hal-
ten, nach deren Beendigung eine Theilung der Ansichten stattfand,
ob man mit Gewalt den Eintritt versuchen oder auf ein Eindrin-
gen verzichten sollte, welch' letztere die Oberhand gewann, nachdem
der Hr. Thierarzt von Oberkirch und noch ein Nationalserviler
thatsächlich erfahren hatten, daß im neuen Lokal mit Energie und
Entschlossenheit das Versammlungsrechl gewahrt werde.
Die beiden Räume füllten sich sofort mit 4—500 Freunden
der guten Sache, größtentheils von hier, Petersthal und Ober-
kirch. Hr. Pfr. Matt von Petersthal übernahm nach einigen ein-
leitenden Worten unseres Hrn. Pfarrverwesers Bläß das Präsidium,
worauf Hr. Lindau dann in einstündigem Vortrage das Programm
der katholischen Volkspartei in nationaler und politischer Richtung
unter lautem Beifalle der Anwesenden darlegte. Auf die hiesige
Wahl übergehend, betonte Hr. Lindau, wie es eine eigenthümliche
Erscheinung fei, daß stets nur solche Wahlen angefochten und um-
geworfen weroen, bei welchen die Regierungspartei unterlegen fei,
worauf ihn der Hr. Amtsverweser mit der Bemerkung unterbrach,
sich in seinem Ausdrucks zu mäßigen, indem das Bezirks-Amt in
diesen Fragen ganz objectw handle und jede Wahlanfechtung gründ-
lich untersuche, worauf Hr. Lindau bemerkte, er habe bei dieser
Behauptung nicht das Bezirks-Amt Oberkirch im Auge gehabt, er
belege dieselbe übrigens mit Beispielen aus den ersten Krelsver-
sammlungswahlen, wo notorische Wahlfälschungen, constatirt
durch Erklärungen der Mehrzahl der Wähler, eine
Umstoßung der Wahl, welche zu Gunsten der Regierungspartei
ausgefallen war, nicht hätten herbeiführen können, wie z. B. in
Schutterwald und a. O. Er ermahnte schließlich die Wähler, tüch-
tige unabhängige Leute zu Wahlmännern zu wählen, indem er
nicht zweifle, daß die Bürger in Oppenau sich ihre Freiheit zu
sichern wissen werden.
Hierauf hielt noch Hr. Dekan Lender von Schwarzach eine
längere Rede, in welcher er sich eingehend über die Mißstände in un-
serem öffentlichen Leben erging.
Der Rest des Abends wurde in gemüthlicher Weise zugebracht
in frohem Bewußtsein, der politischen Freiheit unseres Landes ge-
 
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