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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

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Nr. 271 - Nr. 280 (26. November - 6. Dezember)
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densfrage für das Land Baden, bezw. im Land Baden,
iſt das von mir zu behandelnde Thema.

Ich frage zunächſt:

Haben wir denn ſchon Orden, ſpeziell Männer—
orden⸗Niederlaſſungen in Baden gehabt und haben
wir noch Orden?

Wir haben in den Landen, aus denen das Groß—
herzogthum Baden ſeit Anfang dieſes Jahrhunderts
beſteht, ſeit das Chriſtenthum Boden daſelbſt gefaßt
hat, hunderte von Klöſtern der mannigfaltigſten Art

ehabt. ;

3 * „Freiburger Bote“ hat in den jüngſten Ta—
gen ein Verzeichniß der Ortſchaften gebracht, in denen
klöſterliche Niederlaſſungen beſtanden haben, von dem
er ſelbſt ſagt, daß es nicht vollſtändig fei. Gergl.
Pfälzer Bote Nr. 265.) —

Es ſind 145 ſolcher Orte aufgezählt, darunter
einige, die mehrere Kloſterniederlaſſungen hatten.
Gört! Hört h

Fürſten, Adelige, Bürger und Bauern traten ein
oder machten Vergabungen an die ihnen lieben klö—
ſterlichen Anſtalten und der Segen, den ſie verbreite—
ten war allſeits gewürdigt und anerkannt, Selbſt
Gegner der Orden müſſen anerkennen und erkennen
an, wie dieſe Klöſter ſich um Bodenkultur, Gewerbe,
Kunſt, Wiſſenſchaft und Schule, Hebung des religiös—
ſittlichen Lebens verdient gemacht haben Grapoh

Manche dieſer Niederlaſſungen ſind im Laufe der
Jahrhunderte eingegangen, theils aus eigener Ver—
ſchuldung, theils in Foͤlge von Unglücksfaͤllen.

Der größere Theil wurde gewaltſam vernichtet
durch die Reformation im 16. Jahrhundert und durch
die Säkulariſation am Ende des vorigen und am
Anfang dieſes Jahrhunderts.

Das 4. Organiſations Edikt vom 14 Febr 1803
hob eine Reihe von bis dahin beſtandenen Klöſtern,
ſo Frauenalb, die Benediktiner⸗Männerklöſter von
Schwarzach und Ettenheimmünſter, auf und ließ unter
verſchiedeneu Bedingungen einige andere fortbeſtehen, ſo:

das Bernhardiner Frauenkloſter in Lichtenthal,

das Benediktinerkloſter zu Gengenbach,

das Norbertiner Kloſter Allerheiligen,

das Collegialſtift zu Baden,

das Schulkloſter der Piariſten in Konſtanz,

das Minoriten: Kloſter in Offenburg,

die Frauenklöſter in Baden, Mannheim u. Raſtatt,

die Klöſter der Barmherzigen Brüder in Bruchjal

und Mannheim, und

die Mendikanten⸗Klöſter, Franziskaner und Kapu—

ziner
in ſieben Klöſtern ſammt einem Hoſpiz, theils mit dem
Recht, theils ohne das Recht, Novizen aufzunehmen.

Bezüglich der in der Seegegend gelegenen Klöſter
blieb die Entſcheidung ausgeſetz weil der Deutſch—
orden mitzubeſchließen hatte.

Beim Anſchluß der breisgauiſchen Landestheile an
Baden war den Klöſtern St Peter als zähringiſcher
Stiftung und St. Blaſien als gelehrter Akademie
Hoffnung gemacht worden, fortbeſtehen zu dürfen.

Mit Reſtript vom November 1806 wurden ſie,
wie alle übrigen Stifte im Breisgau, aufgehoben.

Das erſte Conſtit-Edikt von 1807 erklärt in S 9

das Vermögen der Ordensgeſellſchaften als Staats⸗
vermögen und heimfallend, ſo oft ſolche aufgehoben
werden oder erlöjchen, und S 21 legt der Kirchen—
herrlichkeit (d. h. dem Staate) das Recht zu, Ge—
ſellſchaften und Inſtitute, die für einen beſtimmten
kirchl. Zweck mit Bewilligung der Kirchengewalt ſich
bilden, zuzulaſſen, oder auch nicht zuzulaſſen, die von
ihrem Zweck abweichen oder ihre Tauglichkeit für Er⸗
reichung ihres Zwecks verlieren, darauf zurückzuführen
oder aufzuheben.
Nach und nach gingen alle die Orden, deren Fort—
beſtand das Edikt von 1803 noch unter Bedingungen
zugelaſſen hatte ein. Mannesklöſter beſitzen wir ſeit
den 36iger Jahren keine mehr.

Die Ordensfrage ruhte, ſoweit e& ſich beſonders
um Mannesklöſter handelt, bis zum Konkordat, abge—
ſchloſſen zwiſchen dem hl. Stuhl und der Großh. Re—
gierung im Jahre 1859.

Das Konkordat erhielt im 4, Art. 3. 6 die Be—
ſtimmung, daß der Erzbiſchof in ſeinem Kirchſprengel
vom hl. Stuhl genehmigte religiöſe Orden oder Kon-
gregalionen beiderlei Geſchlechts einführen
dürfe, jedoch in j edem einzelnen Fall im gegen—
feitigen Einvernehmen mit der Groͤßh Regierung.

Die damalige Regierung erkannte, wie ausdrücklich
hervorgehoben wurde, dem Prinz ip nach an, wie
erſprleßlich religiöſe Genoſſenſchaften beide r-
lei Geſchlechts für das Seelenheil der Gläubigen
wirken können. Wenn die Regierung das nicht ſonſt
gewußt hat, ſo hat ſie es jedenfalls in den erſten
Jahren nach der Revolution kennen gelernt. wo die
Miſſionen des 5. Jahrzehuts unendlich viel Gutes hei
uns gewirkt haben, wie ſelbſt in den amtlichen Be—
richten anerkannt iſt.

Nach dem Sturz des Konkordats erſchien die
Oſterproklamation vom 7. April 1860; darin iſt
betont:





1. der Grundſatz der Selbſtändigkeit der kath.
Kirche in Ordnung ihrer Angelegenheiten ſoll
zur vollen Geltung gebracht werden,

2. der Inhalt des Konkordats ſoll deshalb
in dem Grundſatz ſeinen berechtigten Ausdruck
finden. ;

Die Katholiken ſollten alſo nach dem Verſprechen
des Landesherrn auch bezüglich der Klöſter das Gleiche
erhalten, wie nach dem Konkordat.

In dem, den Ständen 1860 vorgelegten Geſetzes⸗
entwurf enthielt der S 7 die ſpäter auch zum Geſetz
gewordene wichtige Beſtimmung:

„Die vereinigte evangeliſch-proteſtantiſche und
römiſch⸗katholiſche Kirche ordnen und verwalten
ihre Angelegenheiten frei und ſelbſtſtändig.“

Daß die Einführung religibſer Oeden, die eine
hochwichtige Inſtitution der Kirche find, Sache der
Kirche loder eine Angelegenheit der Kirche iſt, iſt
nicht zu beſtreiten, alſö wuͤrde ihr, wenn der Grund—
ſatz des S 7 keine Einſchränkung in einem weiteren
Paragraphen erfahren hätte, nach dem Geſetz das
Recht zuſtehen, ohne Weiteres Orden einzuführen.
Der Geſetzentwurf enthält dieſe Einſchräukung in
$ 11, welcher lautet:

„Ohne Genehmigung der Staatsregier—
kann kein religiöſer Orden eingeführt werden
und keine einzelne Anſtalt einẽs eingeführten
Ordens errichtet werden.

Zede Genehmigung iſt wegen Verletzung der
4 der Zulaſſung des Ordens wider—
ruflich?

Aus der Faſſung des erſten Abſatzes und den
Motiven ergibt fih, daß weitere Einſchränkungen
ohne Verletzung des Grundſatzes des S 7 nicht ge-
macht werden dürfen.

Der erſte Abſatz des Entwurfs wurde Geſetz; der
zweite enthielt die geänderte Faſſung: „die Geneh—
migung iſt widerrufhich.“

Man hatte mit dem &S 7 des Geſetzes vom Jahr
1860 eine freiſinnige Beſtimmung getroffen.

Mit dem S 11 wurde ſie bezuͤglich der Orden
beſchränkt und wenn man den Commiſſionsbericht der
erſten Kammer zum S 11 lieſt, ſo wird es Einein ſo—
fort klar, daß unter der neuen, liberalen Regierung
keine Ordenserrichtung erfolgen werde.

In dieſem Bericht wird ausgeführt, welche ge—
wichtige Gründe ſich gegen die Einführung von
Orden geltend machen ließen.

Es wird auf die Abneigung der Proteſtanten
gegen die Orden Hingewiejen, die wohl alle darin
einig ſeien, daß geiſtliche Orden (unter allen Um—
ſtänden die von Männern) unnöthig und ſelbſt in
vielfacher Beziehung ſchädlich ſeien.

Mit ganz beſonderer Ungunſt würden grundſätz⸗
lich jene betrachtet, denen man Feindſeligkeit gegen
den Proteſtantismus und den Auftrag zur beſtändigen
Bekänipfung desſelben zuſchreibe; daiuit ſind offenbar
die Jeſuiten gemeint. Es wird der Regierung nahe
gelegt, ſolche nicht zuzulaſſen.

Dann kommen die ſ. g. Bettelarden an die Reihe.
Das Daſein ſolcher ſei eine offenbare Anomalie in
unſeren ſtaatlichen und ſozialen Zuſtänden; Bettel
und unerlaubtes Umherziehen ſei geſetzlich verboten.

Wieder andere Orden, ſo heißt e& im Mohlſſchen
Bericht, fallen erfahrungsmäßig nicht ſelten in das
dem Bettelorden entgegengeſetzte wirthſchaftliche Ex—
trem, extrem indem ſie übermaͤßig großen Grundbeſitz
erwerben; vorausſichtlich werde der Beſitz großer
Güter in todter Hand Beſchwerden hervorrufen wel⸗
chen beſſer ganz vorgebeugt werde, d. H. alſo durch
Nichtzulaſſung ſolcher Orden.

In der Kammerverhandlung wurde denn auch der
* gemacht, dem &$ 11 die Beſtimmung beizu—
ügen:

„Bettelorden, ſowie der Orden der Jeſuiten
ſind im Großherzogthum verboten.“

Dieſer Antrag Federer wurde abgelehnt, nachdem
der Miniſter Lamey, der Vater des Geſetzes vom
Jahr 1860 die Erklärung abgegeben hatte, die Staats⸗
regierung habe, wenn ein Bittgeſuch von einem Bettel⸗
oder Jefuitenorden einkäme, nicht die Abſicht! die Ge—
nehmigung zur Einführung dieſes Ordens zu geben.
So lag die Sache im Jahre 1860. Und nun
wird gar häufig von Freunden und Feinden der
Orden die Frage aufgeworfen, warum hat
man 2 Dezennien ſeit Erlaſſung des Geſetzes
vom Jahr 1860, welches Orden zuläßt, verſtreichen
laſſen, ohne den Verſuch zu machen, Orden einzu—
führen.

Dieſe Frage beantwortet ſich ſehr einfach!

Die große (! !) Geneigtheit der damaligen Regie⸗

rung, Orden, ſpeziell Männerorden, zuzulaſſen, lag

offen zu Tag.

Es begann bald der Schulſtreit; es kam der Krieg

von 1866; es kam das Miniſterium Jolly, der Krieg

von 1870, die badiſchen Geſetze vom 2. April 1872

wovon das eine den Mitgliedern eines religiöſen Ordens

oder ordengähnlicher religiöſer Eongregationen jede





tung von Miſſionen und Aushilfe in der Seelſor4
durch Mitglieder eines religiöſen Ordens oder ordens!
ähnlichen Conar egationen, welche im Großherzogthul
nicht nach Maßgabe des S 11 des Geſeßes vom Y
Oktober 1860 mit Staatsgenehmigung eingeführt fing
verbietet.
Es folgte im gleichen Jahre das Zeſuitengeſetz ung 9
bei uns in Baden eine Reihe von Kulturkampfgeſetzen
Ddas Cramengejeß und Altkatholikengeſetz u. a. m. In
Folge des Geſetzes über die Miſchſchule wurden dasl













































































Kloſter Adelhauſen und das ſchwarze Kloſter hier
aufgehoben. Schluß folgt.)
Deutſches Reich. ne

Berlin 28. Nov. m
= Eine ſeltſame Steuerbefreiungtka
Der Abg. Eugen Richter hat vor einigen Tagen imin«






Abgeordnetenhauſe die Bemerkung einfließen laffen, e
ſei zwei Miniſtern, als ſie noch im Amte warenſta
auf Antrag der Mehrheit des Staatsminiſteriums heich
Begründung von Fideicommiſſen der dreipro—
centige Stempel erlaſſen worden Als einer Ddiejer mi
Niniſter wurde der eben zurückgetretene vatdwirth-0
ſchaftsiniſpektor Frhr Lucius v. Balhauſen aus-md
drücklich genannt. Finanzminiſter Miquel erklärte,
er ſei angenblicklich nicht im Stande, Auskunft überke
die fragliche Angelegenheit zu geben. Die Richter'ſchete!
Mittheilung war übrigens ſchon durch die Preſſe ge=th
gangen mit dem Hinzufügen, das Staatswinifterium ie
ſei getheilter Anſicht geweſen, Fürſt Biüsmarck aberlle

gegeben. Es konnte nicht ausbleiben, daß die angeb⸗
liche Thatſache das größte Aufſehen erregte Hr. v.
Lucius iſt ein ſehr reicher Mann ; ſein Vermögen be⸗
läuft ſich auf viele Millionen Die Voſſ. Zig. be-In
merkt, wenn das Fideicommniß deſſelben auch nur in
einen Werth von 10 Millionen Mk. ereichte, ſo wären jn
dem Staate 300,000 Mt. Steuer entgangen. Daſſelbe ha
Blatt meint weiter, zu den Zeiten des Jalten Curſes“ 2


das ſchlichte Bürgerthum nur deu Kopf ſchütteln konnte.
Wer erinnerte fich nicht, wie Fuͤlft Bismarck fich
über ſeine Heranziehung zu der Berliner Miethſteuet!
beſchwerte und eine Aenderung des Geſetzes bewirkte? d
Wer gedächte nicht ſeiner Heftigen Ausfälle gegen die *
Pferdeſteuer“ von einigen Mark, mit der ihn der *
„Fortſchrittsring“ überbürde?“ Wenn die Thatſache ©
der Steuerbefreiung als richtig ſich erweist, ſo wird *
dieſelbe weithin den ungünfiigen Eindruck *
machen. Mag man über die Begründung der Fidei— *
commiſſen denken wir immer, ınag an den formellen
Zuläſſigkeit ſolcher von Stempelbefreiungen auch nicht *
der leiſeſte Zweifel fein, dieſelbe hätte in vorliegendem ıf
Falle weder nachgeſucht noch durch das Staatsmini— at
ſterium empfohlen werden dürfen Das muß Zeder
fählen, der namentlich die ſpzialen Strömungen der 1}
Gegenwart verſteht. Mit Derartigen „Steuerbefret-
ungen“ wird mehr verdorben als mit den ſchönſten
Reden zur Steuer Reform gut gemacht werden kann.

Ulm, 27. %ov. Am Montag und Dienstag |
folgten der erſten Verſammlung des Katholikentages
weitere, ſo daß im ganzen 9 Verſammlungen abhe⸗
halten wurden. Die Zaͤhl der Theilnehmer wird auf
20,000 geſchätzt. Es ſind, nach dem „D. Volksblatt“ M
über 18,000 Fahrkarten nach Ulm auf den Bahnhoͤfen
gelöft worden Darnach iſt, trotz des ſchlechteſten
Wetters, die Betheiligung eine noch größere als in
Neuſtadt a. H. geweſen, und es ſind die kühnſten Er—
wartungen übertroffen

Ausland
Rom, 27. Nov. Berichten aus der Provinz
zufolge verurſachte die Wahl der neuen miniſteriellen!
Abgeordneten ſhpathiſche Lundgebungen für die Regie⸗
rung Erispi wurde in Palermo. Girgenti, Meſfina
und Syrakus unter Hochrufen zum Deputirten gewählt.
Ferner erhielt Crispi zahlreiche Glückwunſch-Depeſchen
zu dem Wahl · Exgebniß, darunter auch ein Telegramm
vom Reichskanzler v. Caprivi. Der Riforma zufolge
wurden zuſammen 410 Miniſterielle, 40 conftitutionelle
Opvoſitionelle, 37 Radiealen und 9 Abgeordnete un—
beſtimmter Parteiſtellung gewählt. Hierzu kommen
Doppelwahlen oder mehrfache Wahlen, welche auf
Mitglieder der miniſteriellen Mehrheit fielen, ſowie
die Stichwahlen in Genua, Modena und Bergamo.
— Der Oſſervatore Romano kündigt, laut einer an
verſchiedene liberale Blätter gelangten Mittheilung,
unter Aufrufung der geſammten katholiſchen Preſſe die
demnächſtige Entwickelung eines vom Papſte beein—
flußten Planes zur Organiſation der katho—
tifchen Partei an, die dem Zweck dienen ſoll, dem . U





— ET MDE

—— AT Ea







Lehrwirkſamkeit an Lehr= und Erziehungsanſtalten im
Großherzogthum unterſagt und das andere die Abhal⸗



vantikatholiſchen⸗antiitalieniſchen! Parlament und der

Regierung ein katholiſch-nationales Parlament ent⸗

gegenzuſtellen.

Aus Baden.

Heidelberg, 29. November. v

= Die Köln. Volkeztg [hreibt: CEine hHerz- 4

lich dumme Bemerfung {Hict die Nordd. Allg. N

Ztg. den anti-religiöjen Ungezogenheiten des ſozial—
demokratiſchen Wanderpredigers Rüdt und den von




 
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