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Pfälzer Bote für Stadt und Land (68) — 1933 (Januar bis März)

DOI Kapitel:
Nr. 1-25 (2. - 31. Januar)
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Nr. 17

,P s 8 l z e r Bot e" Heidelberg — Samstag, den 21. Januar 1933

Veste 4

von

Der Raum für die allgemeine Sprechstunde,
in dem auch Vorlesungen gehalten werden müs-
sen, ist viel zu klein, nicht abgeteilt, so daß ver-
schiedene Kranke, Männer und Frauen, nur
durch Wandschirme getrennt, untersucht und be-
handelt werden müssen. Die heute notwendigen
Spezialabteilungen für den Röntgenb-strieb, für
besondere Apparate reichen einfach nicht aus,
von den Laboratorien für feinere Untersuchun-
gen ganz zu schweigen.
Ich möchte nicht mehr sagen,
die Baulichkeiten sind in der Tat völlig un-
zureichend.
Sie sind 50 Jahre alt und sie waren schon da-
mals in mancher Hinsicht ganz verfehlt: seitdem
hat aber die Medizin, und ganz besonders die
Chirurg".', eine ungeheure Entwicklung durch-
gemacht. Es werden größere Apparate gebraucht,
allerlei technische Hilfsmittel — die erfordern
Raum. Die Möglichkeiten operativer Eingriffe
sind immer mehr.gewachsen, und damit ist die
Anzahl der Kranken in der chirurgischen Klinik
und die der notwendigen Operationen gewaltig
angestiogen. — Es ist einfach ausgeschlossen, all
das in Räumen zu bewältigen, die vor 50 Jah-
ren schon von maßgebender Seite, von einem
der Besten, für verfehlt und unzureichend er-
klärt wurden.
Vor Jahren schon hat Herr Enderlen eine
Denkschrift Mer die Mißstände der Klinik beim
Ministerium und beim Landtag eingereicht —
ich weiß nicht, wo sie ruht — ich habe nur eine
Abschrift — geschehen ist jedenfalls nichts, gar
nichts.
So kann es einfach nicht weiteraHen, es muß
nun endlich Abhilfe geschaffen werden. Wir sind
dem Staatsministerium dankbar dafür, daß es
die Dringlichkeit anerkannt und Abhilfe auf das
Bestimmteste zugesagt hat, aber wir können uns
jetzt nicht mit Zusagen begnügen, es müssen
Taten folgen.
Es muß gefordert werden, daß an dieser alt-
ehrwürdigen Universität der Unterricht in aus-
reichenden Räumen mit allen notwendigm
Hilfsmitteln erteilt werden kann; es muß gefor-
dert werden, daß in dem hiesigen akademischen
Krankenhaus die Krankenpflege und Kranken-
behandlung musterhaft durchgeführt werden
kann, daß dafür geeignete und ausreichende
Baulichkeiten zur Verfügung gestellt werden;
es müssen Verhältnisse geschaffen werden,
daß Ehrend« Männer der Wissenschaft und
der ärztlichen Praxis es sich zur Ehre an-
rechnen, hierherberusen zu werden,
und daß sie mit voller Arbeitsfreude bereit sind,
hier eine Klinik zu leiten.
Unserer Generation ist gerade an der hiesigen
Universität ein großes Erbe übergeben; wir
haben die Pflicht, dafür zu sorgen, daß es erhal-
ten bleibt und nicht geschmälert werde; wir
haben die Pflicht, alle Kräfte dafür einzusetzen,
daß auch die nun einmal unerläßlichen äußeren
und inneren Einrichtungen den Ansprüchen ent-
sprechen, die heute gestellt werden müssen und
überall gestellt werden.
Es geht um den Ruf unserer ältesten Uni-
versität,
alber es geht damit auch um den Rus von Stadt
und Land, denen wir uns verbunden wissen. Es
geht uns nicht um uiffere eigenen Angelegenhei-
ten, es geht uns um die Ausbildung der kom-
menden Aerzte, denen Vorbildliches vorgewiesen
und überliefert werden soll; es geht uns allen,
das ist doch unser erstes und letztes Anliegen, uni
die uns anvertraute ärztliche Versorgung, um
Wohlsein und Gesundheit der Bevölkerung
Stadt und Land.

Der VorMM -er MgemeiMn
NtskrankenMe, Herr Mer,
ergänzte die Worte seines Vorredners vom
Standpunkt der Ortskrankenkasse aus: Die miß-
lichen, mangelhaften und längst überholten Ein-
richtungen besonders in den Baracken der chirur-
gischen Kliniken haben den Heilerfolg trotz der
allerbesten Behandlung durch die Herren Direk-
toren und dl- Herren Oberärzte der Universi-
täts-Institute in vielen Fällen gauz offensichtlich
verzögert. Ein erheblicher Teil der Kassenmit-
glieder wurde wegen der ihnen bekannten Zu-
stande in den klinischen Anstalten dauernd um
die Verweisung in auderweite Krankenanstalten
vorstellig, und es hat die Kasse dem Drängen
nach anderweiter Verpflegung nachgsben müs-
sen. Den Nachteil hiervon hat die Frauenklinik
in erster Linie mit einem im Jahre 1931 um
10 000 RM und im Jahre 1932 mit rund 18 MO
Reichsmark gesenkten Kostenanteilen für die Ver-
pflegung unserer Kaffenmitql'eder erfahren müs-
sen. Auch wegen in anderen Krankenanstalten
vorgenommenen Operationen ist ebenso der Chi-
rurgischen Klinik
ein empfindlicher Ausfall der von unserer
Kasse geleisteten Pflegekosten
erwachsen, und bei Fortbe ..i der dei....„li»qen
Zustände ist auch künftighin ein fortschreitendes
Maß dieses Ausfalles zu erwarten.
Die Kasse, die seither in dem Bemühen, bessere
Verhältnisse in der Univ.-Frauenklinik, aber
au<*> wegen der durchaus unzureichenden Be-
helfsbavacken in der Chirurgischen Klinik berbei-

rmrg dieser Klinik ist auch bereits von dem
Herrn Staatspräsidenten mehrfach anerkannt
worden.
Schwer lastet auf Stadt und Bezirk Heidel-
berg die Not der Arbeitslosigkeit. Seit Jah-
ren ist hier die Zahl der Erwerbslosen höher,
die Dauer ihrer Arbeitslosigkeit länger, als an
irgendeiner anderen Stelle nicht nur Badens,
sondern ganz Siidwestdeutschlands. Dieser
Notstand berechtigt und verpflichtet de«
Staat, mit Vergebung von Aufträgen helfend
einzugrcisen. Vielen gezwungen feiernden
Menschen wird die Erfüllung unserer Forde-
rung Arbeit und Brot geben. Das Werk, das
hier geschaffen wird, wird der Wissenschaft
und Krankenpflege eine Neue Stätte geben, de-
ren sie dringend bedürfen.
Die im Harmoniesaal versammelten Ver-
treter zahlreicher Organisationen aus allen
Kreisen der Bürgerschaft Heidelbergs und der
weiteren Umgebung und aus allen Berufs-
zweigen fordern deshalb einmütig die sofortige
Inangriffnahme der Erneuerung der Klinik-
bauten durch denNeubauderchirurgi-
schen Klinik.
M.t kurzen Dankesworten schloß nach Vec-
leftug der Resolution Präsident Laudsriod die,
Kundgebung.

MWWmg
Mit ernster Besorgnis beobachtet die Bür-
gerschaft Heidelbergs die Ueberalterung eines
Teiles der hiesigen Universitätskliniken. Zur
Durchführung eines geordneten Lehrbetriebs,
zur Sicherung der Krankenpflege der Stadt
und der weiteren Umgebung ist Abhilfe drin-
gend geboten. Die wirtschaftliche Bedeutung
der Universität für Stadt und Bezirk bedarf
keines Beweises. Der Weltruf dieser ältesten
deutschen Hochschule macht es zur Ehrenpflicht
des Staates, dafür zu sorgen, daß ihre Lehr-
stühle mit führenden Männern der Wissen-
schaft besetzt werden, und daß ihre sachliche
Ausrüstung mit der Entwicklung der Technik
Schritt halt.
Insbesondere gilt unsere Sorge der chi-
rurgischen Klinik, deren sachliche und
bauliche Ausrüstung nach dem Urteil maß-
geblicher Fachleute den nach dem heutigen
Stande der Wissenschaft und Technik berech-
tigten Ansprüchen nicht mehr genügt. Die
überragende Bedeutung ihres derzeitigen Lei-
ters, die hingebende Arbeit der hier wirken-
den Aerzte und Pfleger können auf die Dauer
die technischen Mängel des Baus nicht aus-
gleichen. Die Vordringlichkeit der Erneue-

schen Erörterungen über Arbeitsbeschaffung ha-
ben heute keinen Sinn. Menschen, die schon
jahrelang aus dem Wirtschastsprozeß ausgeschie-
den sinds die der Verzweiflung nahestehen, ru-
fen der badischen Regierung zu:
„Schasst Arbeit!" M!II-
Als letzter Redner führte
SanrtvrrkZkkmmsryraULyt
MlmNAr
u. a. aus: Wenn das Handwerk, und mit ihm
die Handwerkskammer für die Kreise Mann-
heim, Heidelberg und Mosbach sich mit ganz be-
sonderer Entschiedenheit für dieses Projekt ein-
setzt, so geschieht dies auch deshalb, weil damit
dem schwer darniederliegenden, seit Monaten
nahezu umtätigen Bauhandwerk neue Arbeits-
möglichkeit geschaffen würde.
Die Not des Handwerks ist von feiten der
Reichsregierung schon öfters anerkannt und eS
ist auch wiederholt versprochen worden, daß
Schritte zur Linderung der Lage des Hand-
werks unternommen würden.
Das Handwerk fordert nun aber keine Sub-
vention oder ähnliche Maßnahmen, son-
dern lediglich Arbeit und wieder Arbeit.
In der Erkenntnis, daß die Behebung der aus
der ganzen Wirtschaft schwer lastenden Arbeits-
losigkeit eine der vordringlichsten Aufgaben ist,
ist die derzeitige Reichsrsgierung mit einem
großzügigen Arbeitsbeschafsungsprogramm an
die Oeffentlichkeit getreten. Es besteht nunmehr
die Hoffnung, daß die Reichsregierung ihre Ver-
sprechungen dem Handwerk gegenüber einlöse«
wird. Die Frage ist nun, wie die badische Re-
gierung ihre Ausgabe, die für Baden in Aussicht,
gestellten Mittel für die badische Wirtschaft mit'
dem denkbar größten Nutzeffekt zu verwenden,,
gerecht wird. Leider haben die Nachrichten, die '
bis jetzt Über die in Aussicht genommenen Pro- ,
jekte ourchgesickert sind, die Hoffnungen de-
Handwerks auf eine ausreichende Berücksichti- >
gnng bei der Durchführung des Arbcitsbeschaf- >
fungsprogramms sehr enttäuscht. Der Fehler!
liegt zweifellos schon im Programm selbst, das f
der Reichskommissar, Dr. Gereke, aufgestellt hat. -
Nicht weniger als 342 Millionen Mark sind für-
Land- und Wasserstraßen- Meliorationen usw.
vorgesehen. Die Förderung von Raudsiedlun-'
gen, für welche 10 Millionen Mark vorgesehen,
sind, muß das Handwerk sogar als eine ausge«,
sprochene Fehlleitung des Kapitals bezeichnen. .
In der Volkswirtschaft wird das Baugewerbe
als das Schlüsselgewerbe unserer gesamten Wirt-
schaft bezeichnet. Will man unsere Wirtschaft
wieder in Gang setzen, so muß der Hebel hier
angesetzt werden.
Nur durch eine großzügige systematische
Förderung des Hochbaues, derallen Tei-
len unserer Wirtschaft zugute kommt, kann
etwas erreicht werden.
Dies wird auch eine Erhöhung des Steuerertra-
ges bei den verschiedenen Steüerarten und nicht?
zuletzt eine Entlastung der Bersicherungsträger»
in der Sozialversicherung durch erhöhte Beiträge»
zur Folge haben, Durch Flußkorrektionen, diel
Anlegung von Waldgehwegen, Landstraßen und
dergleichen kann wohl eine augenblickliche Ent-
lastung der Erwerbslosenfürsorge, niemals aber
eine nachhaltige Wirkung erzielt werden. Was"
wir brauchen, ist die Bschaffung von Beschäfti-
gungsmöglichkeit für gelernte, für qualifizierte
Arbeiter und für das Handwerk.
Für die Stadt Heidelberg kann es darum
nur eine Aufgabe als die vordringlichste
geben, und das ist der Bau der chirugischea!
Klinik. ;
Nach den mit großem Beifall aufgenomme-
nen Referaten verlas der Leiter der Kundge-
bung, Handelskammerpräsident Landfri e'd,.
folgende

Heidelberg verlangt den Neubau der Kliniken
KuMMms in brr Harmonie / Ains Stabt bat mebr MWabrMaM, keine Stabt Malwarere MniklmbMMr als ZMelberg / Der Rn! der Mrmto
Carola ist in Gefahr / Dir LriituMN brr Srtskrankrnkafsr / Grmrbr und Arbeiter rufen nach Arbeit unb Brot / Wir warten auf Taten!
zuführen, von anderen Körperschaften und auch
von der Oeffentlicykeit eine besondere Unter-
stützung nicht fand, begrüßt es, daß sie nunmehr
sie" Unterstützung anderer Körperschaften in
einem großen Ausmass findet. Sie unterstützt
diese Bestrebungen um so mehr, als sie in den
Jahren 1926 bis 1931 insgesamt 15 884 Pflege-
fälle mit 282 001 Pflegetagen in den akademi-
schen Krankenanstalten zu verzeichnen und sie
hierfür einen Aufwand von 1 502 204 RM —
im Jahresdurchschnitt 2666 Pslegsfälle mit
47 000 Pflegetagen und einen Auftvand von
250 367,50 RM — zu verzeichnen hatte. Auch
bei den dermaligen schweren Verhältnissen hat
sie bis jetzt für das Jahr 1932 bei teilweise für
oie Monate November und Dezember noch aus-
stehenden Rechnungen den Betrag von insge-
samt 178 989,36 RM an die Krankenanstalten
der Universität abgeführt.
Drr Krankenhausverwaltung fließen dem-
nach allem schon von der Ortskrankenkasse
Heidelberg für ihren Betrieb sehr beachtens-
werte Summen zu,
und das Interesse der von ihr vertretenen Ver-
sicherten, die diese Mittel mit ihren Arbeitgebern
aufzubringen haben, erfordert ein sofortiges
Eingreifen zur Herbeiführung einer den billigen
Anforderungen entsprechenden Unterbringung,
di.' keinesfalls auch weiterhin eine kwsernen-
mäßige Unterbringung von Kranken zuläßt. Die
gleichen Voraussetzungen liegen auch bei sämt-
lichen jetzt mitbedeiltigten Krankenkassen vor.
Wir werden daher jede Bestrebung auf das
Nachdrücklichste unterstützen, die geeignet ist, eine
Wendung zum Besseren herbeizuführen.
Im Namen der Arbeitnehmer sprach der Vor-
sitzende des Gewevkschaftskartells Heidelberg,
ME KmW,
Das Kernstück des Arbeitsbeschaffungspro-
gramms 'der Reichsregierung ist die unmittelbare
Arbeitsbeschaffung durch die öffentlichen Kör-
perschaften. Und wenn in den nächsten Wochen
oie Frage entschieden wird, wie die Mittel aus
dem Reichsarbeitsbeschasfungsprogramm im
Lande Baden Verwendung finden sollen, so er-
heben wir als Arbeitnehmer des Bezirks Hei-
delberg den dringenden Mahnruf:
„Beim Klinikneubau zuerst Heidelberg und
dann Freiburg!"
Die wirtschaftliche Lage der beiden Städte ist
grundverschieden. Wenn Freiburg heute noch
in der Lage ist, zwei Fünftel der Baukosten
zuzuschießen, so liegt das daran, daß Freiburg
sich in einer weit 'günstigeren wirtschaftlichen
Lage befindet. Im Bezirk Heidelberg wurden
am 31. 12. 1932 2 0 5 7 6 A r b e i t sl o s e ge-
zählt. Das sind auf 1000 Einwohner 30,8
Köpfe. Im Bezirk Freiburg wurden am 31. 12.
1932 nur 1 3 240 Arbeitslose gezählt;
das sind auf 1000 Einwohner nur 20,9 Köpfe.
Die Zahl der Erwerbslosen stieg im Bezirk Hei-
delberg in den letzten 14 Tagen des Jahres
1932 um 1571 Personen. Noch trostloser lie-
gen die Verhältnisse bei den Wohlfahrtser-
werbslosen. In öffentlicher Fürsorge stehen in
Heidelberg im 3. Kalendervierteljahr 4100 Par-
teien, das sind auf 1M0 51 Parteien. In Frei-
bürg sind es nur 2131 Parteien, das sind aus
1000 Einwohner nur 22,6 Parteien.
Insgesamt betreut Heidelberg ca. 86M Par-
teien, während Freiburg nur 71M Parteien zu
betreuen hat. Rechnet man die Familienange-
hörigen in Heidelberg mit, so ergibt sich
die fast unglaubliche Zahl von 21900 Per-
sonen, die in öffentlicher Unterstützung
stehen.
Jede vierte Person steht in Heidelberg in
Wohlfahrtsunterstützung. Die Stadt Heidel-
berg wendet im Monat rund eine halbe Million
zu Wohlfahrtsunterstützungen auf.
Furchtbar sind die Auswirkungen der Arbeits-
losigkeit im Bezirk Heidelberg. Alle theoreti-

Heidelberg, den 21. Januar 1933.
j Nachdem der Leiter der Versammlung, Han- '
!delskammevpväsident Land fried, die zahl-
ireich Versammelten 'begrüßt und ihnen für ihr
»Erscheinen gedankt hatte, betonte er kurz die
^Notwendigkeit der Kundgebung und erteilt-
dann dem ersten Redner, Herrn
Oberbürgermeister Dr. Neirchauz das Wort,
der in längeren Ausführungen ein erschreckendes
Bild der trostlosen Finanzlage Heidelbergs gab
und dann auf die Notwendigkeit der Klinikneu-
i bauten hinwies. Wir werden seine über die Be-
deutung dieses Anlasses hinaus wichtigen Aus-
führungen wogen Platzmangel am Montag im
Wortlaut bringen.
Nach dem Oberbürgermeister ergriff der
Dekan der MMinWen Fakultät,
Herr Mof. Dr. SiMü
»das Wort und führte u. a. aus: Unser Dank gilt
den verschiedenen Verbänden, die uns zusam-
mengerusen haben, dem Herrn Oberbürgermei-
ster, nicht zuletzt der ganzen Bürgerschaft der
^Stadt Heidelberg. Es ist uns eine Freude, bei
' diesem unerfreulichen Anlaß zu erleben, wie eng
Stadt und Universität verbunden sind. Aufs
k^rzkichste begrüßen wir diese tief verwurzelte
ösbensgemeinschast, die zu fördern und zu Psle-
j gen uns iminer angelegen sein soll. Ich darf auch
; das wohl sagen, ganz besonders fühlen wir Me-
diziner uns mit der Stadt verbunden, wie viele
Fäden verknüpfen uns mit weiten Kreisen der
Bürgerschaft, der wir in enger Zusammenarbeit
mit unchren Kollegen in der Praxis als Aerzte
' dienen »wollen. Deshalb wenden wir uns auch
, gerne vertrauensvoll an Sie, wenngleich es
! manchem nicht unbedenklich scheinen möchte, in
, der breiten Öffentlichkeit unsere Nöte zu be-
! «handeln.
Wenn ich heute abend über die baulichen Ver-
HUtniffe in 'der chirurgischen Klinik sprechen soll,
so muß ich eines an die Spitze stellen: es wäre
ganz ausgeschlossen.gewesen, die augenblicklich m,
s völlig unzureichenden Zustände solange ohne
" Schaden zu ertragen, wenn wir nicht
in Herrn Geheimrat Enderlen — ich
sage nicht zu viel — einen drr hervor-
ragendsten Chirurgen unserer Tage, einen
, Mann von Weltruf, von unvergleichlicher
chirurgischer Geschicklichkeit und Erfahrung
hier gehabt hätten. Es liegt mir am Herzen, ge-
! rade heute, am Vorabend seines 70. Geburts-
j tages, auch öffentlich in dieser Stunde in herz-
j kichster Dankbarkeit und Verehrung seiner zu ge-
, denken. Ich weiß, daß dem tiefempfundenen
s Danke der Fakultät und »der ganzen Universität
' 'weite Kreise sich anschließen. Enderlen hat —
s ohne Ansehen der Person oder der Klasse, in der
s der. Kvanhe lag, jede größere Operation selbst
' gemacht, jedem seine Kunst zur Verfügung ge-
stellt, mit unvermeidlicher Hingabe. Ungezählte
Chirurgen aus aller Herren Länder kamen hier-
j her, um Enderlen operieren zu sehen. Sie alle
waren voll d,'r Bewunderung für seine Kunst,
> aber sie alle konnten es einfach nicht begreifen,
daß man in Baden einem Manne wie En-
j derlen zumutete, unter solchen Verhältnissen
zu arbeiten.
' Da ist manches scharfe Wort gefallen — und es
'war durchaus berechtigt.
Nun hat Enderlen die Altersgrenze Merschrit-
ten, zu unser aller Bedauern ist seine Amtszeit
abgelaufen, und trotz aller Bitten sicht er sich
nicht in der Lage, in dieser Klinik noch weiter-
zuarbeiten. Wir brauchen einen Nachfolger. Auf
'unseren V ", hat das Ministerium einen
Herrn berufen: er kam, sah und war ent»e.,t. Er
- erklärte es für völlig ausgeschlossen, diese Klinik
iweiterzusühren. Ich habe in letzter Zeit mit ver-
schiedenen führenden Chirurgen gesprochen, jeder
'sagte mir: „Bei der Klinik werden Sie nicbt
leicht jemand »finden, der dem einst so verlocken-
den Ruf nach Heidelberg zu folgen bereit wäre."
Bedenken Sie, was das heißt, hier in dieser
Stadt, wo Czerny, Narath, Wilms,
Ender le n wirkten, hier an der ältesten Hoch-
schule in Deutschland soll es nicht mehr möglich
sem, einen namhaften Chirurgen zu haben!
Uber Sie werden denken, vielleicht stellen die
Herren übertriebene Ansprüche! Ja, könnte man
das doch sagen, aber wer vermöchte es, der die
chirurgische Klinik hier gesehen hat!
D'e O Per a t i o n s g e l a s s e — von Sälen
kann man wirklich nicht reden — sind viel zu
eng und ganz veraltet. Die Lüftung ist völl'g
unzureichend. Schon Var 6 oder 7 Jahren wurde
durch eine Untersuchung des hiesigen hygieni-
schen Instituts festgestellt,
daß der Kohlensäureghalt der Luft auf das
Dreifache des polizeilich zulässigen Höchst-
wertes erhöht war.
Und in dieser Luft müssen Aerzte, Schwestern
und Pfleger stundenlang arbeiten, die schwerste
und verantwortungsvollste Arbeit verrichten, die
man sich denken kann, die Arbeit, von der in
jedem Augenblick ein Menschenleben abhänzt. —
Borbereitungsräume fehlen fast ganz. Alle Kran-
ken müssen auf Bahren über Treppen und durch
»offene Gänge getragen werden; Aufzüge — in
jedem modernen Krankenhaus eine Selbstver-
' ständlichkeit — stehen nicht zur Verfügung.
 
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