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Pfälzer Bote für Stadt und Land (68) — 1933 (Januar bis März)

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Nr. 26-49 (1. - 28. Februar)
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„P, aizrr »oke- yeweroerg — yrsnwg, oen ». Fevrmrr ivss

Mw. so


SjMnburg, Llkener und Gronau erhielten die Ehrenplakette -es WrEU-S
Die neue Ehrenpkakette, die anläßlich des 25 jährigen Beiskeihens des Aero-ElndS >von Dsutlsch-
land von dem Bibd!huuer Hplmukh Makhäi gesch Äffen wurde. Die Rückseite trügt jeweils dein
Namen dessen, der mit der Plakette ausgezeichnet wurde. Unter den ebsten, denen der Mero-
Club das neue Ehrenzeichen überreichte, befinden sich der RsichsPrÄsibent v. HindondurB, Dr.
Hugo Eckener und der Weltflieger Wolfgang v. Gronau.

Die Wirtschaftslage in der zweiten Zanuarhälste
Das Bündnis wider die Vernunft / Was beweist das Autzenhandelsergebnis? / Interessante Lösungsversuche der Stillhaltung / Schwierig-
keiten der Kartelle / Die Abrundung beim Rheinisch-Westsälischen Elektrizitätswerk
Der sattsam bekannte Hitlerruf „Deutschland
erwache!" hat einen seltsamen Sinn heute be-
kommen. Denn während das hungrige Volk end-
lich die an sich mit genug Aufenthalten ver-
knüpfte Arbeitsbeschaffung in Gang gebracht
wissen will, ist es jener Schicht, die schon einmal
Brünings Siedlungsprogramm sabotierte, ge-
lungen, wiederum ihre Fiedel zu spielen. Und
deren Lied sieht nicht nach Brot aus. Denn maß-
gebend beteiligt sind w-iedsrum jene zwei Haupt-
gvnppen, die schon genug Schuld auf sich gela-
den haben: der Landadel und die Schwerindu-
strie, während als Dritter im Bunde Herr Hitler
hofft, daß die Gefamtlage sich weiter verschlech-
tert, damit ihm seine verlorenen Schäfchen wie-
der zurückkommen. O Deutschland! Wenn wir
es mit der Krise Mein zu tun hätten, es wäre
schlimm, aber man könnte immerhin hoffen. So
scheint es unser Schicksal, jeweils die Hefe dis
zum Grund ausznkosien (schon haben die Börsen
auf die politischen Zuspitzungen hin nachgege-
den). Was will der Landadel, was will die
Schwerindustrie? Nun, das ist einfach. Die
Osthilfededatten haben es mehr als deutlich be-
wiesen. Hier soll eine Aufrechterhaltung des
überschuldeten Eigentums garantiert werden,
und wenn wir dabei zum Weißbluten kommen.
Hier sollen weitere Milliarden jenen nutzlos ge-
opferten hinzugefügt werden, obwohl wir uns
bei ruhiger Uebevlsgung sagen können, daß dem
„Bauern" dadurch wieder nicht geholfen ist.
Daran ändert die angeblich dauernfreundlliche
Einstellung des Landkbundes nichts. Hat man
nicht durch wahnsinnigsten Zollschutz und direkte
Eingriffe zugunsten der Getreidewirtschaft (hier
herrscht ja tatsächlich jene so vielbostaunte Autar-
kie!) die landwirtschaftliche VerödelungsProdUk-
tio-n, vor allem >auch die Hühnerhaltung geradezu
zur Unrentabilität verurteilt, ohne daß heute
bei dem katastrophalen innerdeutschen Uober-
angebot an Weizen eine einzige Stelle aufgezeigt
werden kann, M der jenes Rezept zur Heilung
geführt hätte?
Genau so utopisch sind die Ziele der Schwer-
industrie. Hugenberg und Papen, das bedeutet
in diesem Zusammenhang Abbau der Sozial-
gesetze, möglichst aber weitere Herunterdrückuug
der Löhne. Es ist doch geradezu symptomatisch
daß die „Deutsche Allgemeine Zeitung", das be-
kannte Blatt der genannten Industrie, vor eini-
gen Tagen darauf hinwies, daß eine Möglichkeit
zur Beseitigung der landwirtschaftlichen Preis-
schere vielleicht (d. h. ziemlich sicher!) in
einer Verbilligung der Stundenlöhne liegen
würde. Das ist wieder das alte Latein von Leu-
ten, die noch immer nicht gelernt haben, daß
dieses Rezept für unsere heutigen Verhältnisse
reichlich primitiv ist und auch wirtschaftlich nicht
ein Quentchen Besserung ergäbe. In einsichtigen
Kreisender Industrie (gottlos gibt es auch solche)
ist man da doch vorsichtiger geworden, wie man
hier ja auch erkannt hat, daß die Tariflöhne -als
gleiche Konkurrenzbasis auch Vorteile für die
Industrie hüben. Die DD-Bank unterstreicht in
ihrem ^letzten Monatsbericht die Funktion der
Löhne, indem sie die Arbeitsbeschaffung als ein
Mittel betrachtet, um aus Unterstützungsemp-
fängern wieder normale Empfänger von Ar-
beitslohn zu machen, und gerade darin läge
ihrer Meinung nach die einzig mögliche Ueber-
winduug der Schwierigkeiten. Indirekt ist damit

doch auch gesagt, daß die Löhne ein gewisses
Normalmaß haben müssen, wenn sie ihrer Funk-
tion entsprechen sollen.
Um die Monatsmitte herum sind die Zählen
für den Dezember-Außenhandel und damit für
das ganze Jahr 1932 bekannt geworden. Bei
einer Steigerung von Ein- wie Ausfuhr, lag
der Aktivsaldo diesmal rund 15 Millionen nie-
driger als in den Vormonaten, und für das
ganze Jahr ergab sich ein Ueberschuß von 1073
Millionen. Natürlich hat die Betrachtung dieser
einzigen Zahl den Herren von der Autarkie ge-
nügt, um ihnen Wasser auf die Mühle zu liefern.
Wozu die Entrüstung gegen die Kontingente,
wenn es sich hier zeigt, daß der Außenhandel
innerhalb eines Jahres 1,5 Milliarden weniger
Aktivnm einbvachte, . . . wenn überhaupt es sich
schließlich nur im ganzen um diese bescheidenen
1,07 Milliarden handelt? Ein solcher Schluß
dreht sich geradezu im Kreise, weil es vor allem
die fortwährenden deutschen Zollerhöhungen und
zuletzt die Kündigungen von Handelsverträgen
waren, welche ja gerade eine so scharfe Senkung
der Ziffern bewirkt haben. Man weiß doch, wie
katstvophal infolge all dieser Umstände die Mei-
nung des Auslandes zu unseren Uugunsten
wurde, so daß uns nun selbst unser alter Freund
Schweden den Rücken kehrt und die Verhand-
lungen aufgeflogen sind. Darüber hinaus ist zu
beachten, daß die Preise gegen 1931 um durch-
schnittlich 14 Prozent für die Ausfuhr gefallen
waren, und schließlich geht es ja gar Nicht nur
um den Aktivsaldo, sondern um die Tatsache,
daß selbst im Jahre 1932 die Gesamtousfuhr
noch annähernd 6 Milliarden ausmachte. Hätten
wir diese Ausfuhr nicht, so wäre die Arbeits-
losigkeit um mindestens 3 Millionen Menschen
größer, wozu dann die Familienangehörigen
hinzuzufügen wären; außerdem wäre gar keine
Frage, daß dann eine große Anzahl von Betrie-
ben vollends zusammengelbrochen sein würden,
weil ihnen selbst der gesunkene Export noch einen
gewissen Ausgleich für die fehlende JülandS-
kaufkvaft verschaffte. Angesichts dessen, daß von
der Einfuhr umgekehrt mehr als 50 Prozent ans
Rohstoffe und halbfertige Waren entfallen (die
zum größten Teile unentbehrlich sind), läßt sich
wirklich nicht behaupten, daß uns selbst das letzt-
jährige Ergebnis gleichgültig sein könnte. Zwei-
fellos hat die protektionistische Welle, verstärkt
durch die Währungs- und Devisenmanipulatio-
nen, in allen Ländern allmählich untragbare
Formen angenommen und mit zu dem Rückgang
des gesamten Weltaußenhandels beigetragsn.
Wir sehen es gerade jetzt, wo die Schweiz wei-
tere Maßnahmen gegen die fremde Einfuhr er-
greift und aus Argentinien das Recht auf die
Äteistbegünstigung streitig machte. Daher müssen
wir Deutsche gerade das größte Interesse daran
haben, daß die bevorstehende Weltwirtschafts-
konserenz irgendwie positiv ausgeht, und dürfen
jedenfalls keine Maßnahmen ergreifen, die diese
Tendenzen der WM noch weiterhin verstärken
helfen.
Für die in Berlin begonnene neue Stillhakde-
konferenz, welche das deutsche Krsditabkommen
1933 beschließen soll, sind einige Vorschläge auf-
getaucht, welche Beachtung verdienen. Zunächst
wollen die Franzosen ihre Kredite dadurch flüs-
sig machen, daß sie dafür deutsche Kohle abneh-
men. In dem Umfange, wie es hier gewünscht

wird, kann Deutschland leider mit Rücksicht aus
die Bindungen der bisherigen Abkommen nicht
mitmachen, Uber immerhin ist eine moutliche
Quote von 3 Millionen wahrscheinlich und
müßte als zusätzlicher Export in Frage kommen.
Auch Holland möchte möglichst bald aus den
Bindungen heraus, ist s'ch Uber andererseits über
die Unmöglichkeit dazu von unserer Seite durch-
aus im Klaren (im Gegensatz zu den Amerika-
nern). Es macht daher den Vorschlag, die nie-
derländische Regierung solle im Betrag der hol-
ländischen Kredite fünfjährige deutsche Schatz-
anweisungen erhalten, deren Gegenwert in
Reichsmark bei der Reichsbank einzuzahlen wäre.
Diese Schatzanweisungen würden äls Unterlage
dienen, um mit den Geldern der niederländischen
Notenbank (denen es zur Zeit an Anlagemöa-
lichkeit fehlt) die holländischen Gläubiger zu be-
friedigen. Auch hiergegen hätten wir wahrschein-
lich nichts einzuwenden, wenn wir uns auck hin-
sichtlich des künftigen Deviseneingangs, der ja in
fünf Jahren zur deutschen Rückzahlung an die
Notenban führen muß, noch allerhand Vorbe-
halte machen müßten.
Unter den industriellen Bewegungen der letz-
ten Zeit machten einige Ereignisse von sich reden.
Mau verhandelt wieder über ein Jngangkom-
men der Internationalen Rohstahlgemeinschaft,
wobei diese Verhandlungen äußerst schwierig
verlaufen. Ueberhaupt hat ja die Krise seit
nahezu zwei Jähren auch die Kartelle stark be-
droht, so daß es da allenthalben abbröckelt. In
der kartellierten europäischen Linoleumindustrie
fühlt man sich feiner Stellung nicht mehr sicher,
nachdem ein englischer Außenseiter mit amerika-
nischer Unterstützung stark ins Geschäft einM-
drungen ist. Man hat den Kampf begonnen und
die Preise herabgesetzt; in Deutschland um 10
Prozent. Einen anderen Ausweg denkt mau sich
beim Zementsyndikat, wo vor allem westdeutsche
Werke sich früher übernommen haben und nun

gegenüber den entstandenen Außenseitern «(4
mehr mitkommen. Diese westdeutschen Wer-
waren es, welche nach der Staatskartellierung
riefen, doch kann als sicher gelten, daß ein gu^
Teil der übrigen Werke diesen Weg zur „Soznp
lisierung" hin nicht mitmachen wird. Auch dH
Kunstseidenindustrie, welche ebenfalls in einem
europäischen Kartell den Markt bewacht, hat eiw
sehen lernen, daß es Schranken der Kartellwirlf
samkeit gibt (ganz analog der LandwirtsaE
mit dem Zollschutz). Weitaus interessanter noch
sind die Verhandlungen, welche gegenwärm
zwischen dem Rheinisch-Westfälischen Elektra
tätswerk und der Rhein-AG. für Braunkohlen-
bergbau in Köln geführt werden. Im ersten
Falle handelt es sich um einen der deutschen
Riesenerzeuger von elektrischem Strom (jährlich
2—3 Milliarden Kilowatt), im anderen um eine
von den wenigen deutschen Großfirmen, welche
noch gesund und gleichzeitig liquid dasteht, deren
Gebiet die Braunkohlenfövderung ist, die über
daneben auch durch eigene Elektrizitätserzeugung
einen starken AntM des Kölner Privatverbrauchs
liefert. Das RWE. hat nun aus denselben Hän-
den, welche dem Reich die Gelsenkirchen-Aktien
vor einigen Monaten auflud, ein Paket von 2 s
Millionen Rheinbraun-Aktien erworben und
so urplötzlich als Großaktionär in die Rheinische
Gesellschaft eiusvdrangen. Noch ist die Sache
nicht ganz Perfekt, aber es dürfte hier ziemlich
sicher eine Abrundung des Versorgangsgebi^
tes eintreten. Ein Konkurrent ist weniger gewor-
den, eine Möglichkeit zur Kompensation des Er-
trägnis'es hat sich aufgetan. Bedauerlich ist, daß
in diesem Falle der verdienstvolle Leiter voU
Rheinbraun durch die Uebermacht des Kapitals
abgesagt wäre. Auch kann >gar nicht verkannt
werden, daß sich das RWE. beträchtlich >west
vovlvagt, angesichts der Anspannung des eige-
nen Status. Möglicherweise müssen die liquiden
Mittel von Rheinbraun hierfür herihalten. Und
wer weiß, vielleicht hat man es bei der Ms-
schaltung des Konkurrenten daun auch in der
Hand, die Tarife auf Kosten der Verbraucher
hochzuhailten oder sogar zu steigern, um dann
auf diese Weise die Transaktion zu ermöglichen.
Dann wäre der Widerstand der Stadt Köln nur
zu begreiflich. Dr. M.


Bom Geizhals Man
Eine Plauderei aus Westjava.
Ein geiziger Malaie ist ein weißer Rabe! So
bildet der alte Hassan eine seltsame Ausnahme
von der Regel unter den lebenslustigen Sunda-
nesen, die das Geld nur kennen als Mittel, um
sich die mannigfachen Genüsse zu verschaffen,
die man für Gulden und Cents kaufen kann.
Stets hüten sie gerne etwas glitzernden Schmuck
und bunte Kleidung, was dann wieder verpfän-
det werden kann, wenn man bei den vielen re-
ligiösen oder familiären Gelegenheiten ein
möglichst üppiges Festessen ausrichten muß, da-
mit man selbst auch wieder häufig anderwärts
als Gast sich einfinden darf. Dafür allein ist das
Geld da, oder vielmehr meistens nicht, so macht
man eben Schulden beim Chinesen oder beim
reichen Hassan. Der gibt auch zu unkontrollier-
baren Zinsen und kommt, wenn man nicht zah-
len kann, und holt sich die Ziege, nimmt den
Acker und die Hütte weg und nie hat er Man-
gel an fleißigen Leuten, die auf seinen Feldern
ihre Schulden, Kapital samt Zinsen abarbeiten.
Grimmig beobachtet meine holländische Wir-
tin die Kuli drüben im Tapiokafeld, das einen
Zankapfel nachbarlichen Streites bildet, weil
es in ihr Gebiet hineinschneidet und eine ge-
wisse Abrundung des Besitztums verhindert.
Aber das Feld gehört dem reichen Hassan, der
in schlauer Berechnung einen immer höheren
Wucherpreis für den Acker herausschlagen
wollte, während man mit den anderen Anrai-
nern, die ewig Bargeld brauchen, leichter han-
delseinig geworden war in den Jahren des
Wachstums und der Entwicklung. Damals war
es, wie Has so zu gehen Pflegt, bis zu phantasti-
schen Angeboten und immer höheren Forderun-
gen gekommen. „Heute gäbe er es um den vier-
ten Teil des Preises von vor drei Jahren. Der
Geizhals!"
Ohne Unterbrechung kommen die Arbeiter
drüben von Furche zu Furche. Das steigert die

Erbitterung meiner Wirtin, die sich mit den
Kulis in ihrem Garten täglich plagen muß,
well sie gescholten nur langsam voran machen
und sich rauchend in den Schatten fetzen, sowie
die „nonjabesar" den Rücken dreht, die das
auch wohl weiß, wenn sie seufzend Vorschuß
zahlen muß, um überhaupt Leute zu bekom-
men. Das ist eben hier zulande allgemein üblich
und da ist nichts zu machen.
Nur beim reichen Hassan gehen die Dinge
einen anderen Gang. Schwitzend und demütig
wird pünktlich die Feldarbeit verrichtet und
nur ein Bruchteil von dem, was bei einem
weißen als Tagelohn gezahlt wird, zieht Hassan
am Abend vom Konto des Schuldners ab. Kein
Wunder, wenn so sein Wohlstand wächst und
sein Besitz sich ausbreitet. Grund und Boden,
Hütten und Vieh, Geld und immer mehr Geld
rafft der Alte zusammen. 50 000 Gulden hat
er neulich für ein gutes Grundstück mitten in
der Stadt in bar auf den Versteigerungstisch
bezahlt. Schlau und vorsichtig arbeitet er nur
mit der Javanischen Staaatsbank, wenn er
Geld zu bekommen hat von einem Weißen.
Sonst muß er Unsummen in seiner alten Hütke
verborgen haben. Eine junge Frau nach der
andern jagt er aus dem Haus, wenn er allzu
argwöhnisch wird, und nimmt sich eine noch
Hübschere:
„Du kannst Kräuter aus dem Garten zum
sajoer (Suppe) sammeln und brauchst kein Geld
beim Händler zu verschwenden!"
Ist das nicht schlimm für eine kleine java-
nische Frau wenn alle anderen in bunten bad-
joe (Jäckchen) stolzieren, womöglich mit zier-
lichen Goldnadeln geschlossen, solange nur ir-
gendwie ein Zipfelchen Kredit sich zeigt? Dabei
hält doch der Alte massenhaft Geld verborgen!
Seine Kinder hat er längst vertrieben, sie leben
in Armut zerstreut und — machen Schulden
auf den Erbfall, den sie fehnlichst erwarten.
Einmal hat der Regent von Soemedang
(hoher, inländischer Beamter) den geizigen
Hassan zu sic , rufen lassen. Er ist hingegangen

in seinem elenden Gewand, das er auch scham-
loserweise am Feiertag in der Missigit (Mo-
schee) trägt. Der Regent hat ihn nicht beach-
tet. Nach Wochen hat er ihn wieder bestellt.
Schließlich, als Hassan beim dritten Mal wie-
der nicht angensprochen wurde, hat er sich am
Abend an den Regenten gewandt, warum er ihn
habe sehen wollen?
„Ich kenne Dich nicht!" hat der Regent ge-
sagt.
Da nannte Hassan seinen Namen.
„Nein", meinte der Regent, „der kannst Du
nicht sein; denn ich habe Hassan, den Priai (von
Adel) gerufen. Du aber trägst die Kleidung
eines Kuli."
Hassan beteuerte er sei ein armer Mann,
worauf der Regent wiederholte:
„Dich kenne ich nicht, aber rufe mir Hassan,
den Priai, der viele Felder und Vieh besitzt;
denn ich habe Wichtiges mit ihm zu besprechen."
Nach acht Tagen ging Hassan wieder zum
Regenten. Diesmal aber trug er einen kostbaren
Sarong von Batik aus Djogjakarta, trug den
Kris mit einem Heft aus Elfenbein in golde-
ner Scheide auf dem Rücken, und hatte eine
Jacke an mit dem hohen Kragen der Priai; denn
er ist von guter Familie. Der Regent hat ihn
sogleich sehr freundlich empfangen und sie ha-
ben sich zusammengesetzt und viele wichtige
Dinge besprochen, von denen die einfachen
Dorfleute nichts verstehen. Sicher ist nur, daß
der Regent mit keinem Wort der peinlichen Lek-
tion Erwähnung tat; denn er ist viel zu höf-
lich, als daß er auch nur andeutungsweise Has-
sans persönliche Angelegenheiten berührt hätte.
Hassan ist ein Wucherer! Wenn man auch mit
Haß und Fluchen für ihn frohnt, feine giftigen
Blicke und bösen Worte fürchtet, so droht ihm
doch fast keine Gefahr, obwohl kein Schloß
seine alte, wackelige Hülle sichert und er selbst
ja auch nicht mehr kräftig ist. Zwar fordert
der Charakter des Malaien den Wucher ge-
radezu heraus, heruntergekommene Weihe und
Araber verleihen Geld, die Chinesen geben

dazu Waren auf Kredit zu solchen Bedingun-
gen, daß man doch hie und da liest, wie ein
Händler von feinen gepeinigten Schuldnern
mordet wurde; aber meist handelt es sich 1»
solchen Fällen um Fremde und ihr Schicksal
hat Hassan kaum zu fürchten. Go wind er ln
seinem schmutzigen Geize sterben unter der ein-
fachen großen Qual, daß er sein« Beute schließ-
lich doch loslassen muß.
Schrägüber von Hassans Hütte gehe ich jeden
Tag am „Laden" eines alten Weibes vorbei.
An der Böschung der Straße halten zwei Bam-
busstangen eine zerschlissene Matt« über dem
Boden. Kaum ein Quadratmeter Schatten, da
sitzt sie in blauen Lumpen über der runzligen
Brust, aus den zahnlosen Kiefern hängt ein
Bündel Tabak. Ihr ganzes Warenlager besteht
aus zwei Handvoll Erdnüssen. Was macht die
Frau?? Will sie wirklich die wenigen Nüsse
verkaufen, von denen ein Pfund noch nicht drei
centZ kostet? Und doch ist keine andere Erklä-
rung möglich, Richtig sitzen auch einmal ein
Par Kuli dort und schwatzen. Das Gesicht der
Alten ist vollkommen ruhig und friedlich, grei-
senhaft schläfrig sieht sie so zufrieden aus, als
ob sie vor ihrer Billa in der Sonnen sitzt und
von den Renten des Vermögens ihres reichen
Nachbarn Hassan einen stillen Lebensabend ver-
bringt.
Wie im Märchen hat das Leben hier noch
seine festen Rollen für die Menschen. Der Bett-
ler, der zerlumpt und verkrüppelt sich durchs
Leben schleift, seine mageren Spenden weniger
dem Mitleid, als vielmehr dem Aberglauben
der Frommen an der Schwelle der Moschee
verdankt, er darf nicht nur, er soll sichtbar in
Schmutz und Elend sein; dafür ist er eben ein
Bettler und lebt an seinem Platz, wie jedes
andere Geschöpft, mit allen seinen Merkmalen.
Und Hassan, der Geizige, auch er steht nicht
außerhalb der Gesellschaft, sondern wird er-
duldet, als das, was er ist, eine seltsame, trau-
rige 'Verirrung der heimatlosen Natur.
Fritz Heinsheim « r, Heidelberg.
 
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