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Pfälzer Bote für Stadt und Land (68) — 1933 (April bis Juni)

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Nr. 77-99 (1. - 29. April)
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«eite S

Montag, den 3. April 1933

Nr. 76

ziallehren verkündet ist. Wir sind zwar in der
Klarheit der Prinzipien viel weiter. Aber ihre
Wahrheit mutzte sich tu ar er werden durch
mutige Konsequenzen und ganz anders ver-
kündet werden in einer Sprache, die die an-
deren auch verstehen. Wir müssen ihnen mehr
„unterwegs" begegnen, uns in ihr Suchen
hinein begeben, um sie zu treffen. Sonst be-
steht die Gefahr, datz diese Bewegungen am
Katholizismus vorbeigehen und mit ihrer
Dynamik alles zerstören."
So fassen wir zum Schlüsse die Wiederbe-
gegnung in anfeuerndem Sinne nicht so sehr
als Tatsache, sondern als strenge Forde-
rung an uns alle gerade in dieser Zeit, die
uns, — auch das ist einmal gut! — Mutze
gibt, die Grundlagen unserer Politik zu prü-
fen^ Dr. W. Kahle, Rüthen.

Todesstrafe durch ErMsen
Gesetz über Vollzug der Todesstrafe.
Das jetzt vorliegende Reichsgesetzblatt Nr. 28
vom 31. März enthält nunmehr das angekündigte
Gesetz über die Verhängung und den Vollzug der
Todesstrafe. Das Gesetz, das in zwei Verordnun-
gen gegliedert ist, sieht vor, datz der 8 S der Ver-
ordnung ds Reichspräsidenten zum Schutz von Volk
und Staat vom 28. Februar auch für die Taten
gilt, die zwischen dem 31. Januar und dem 28. Fe-
bruar begangen find. Weiter kann die Regierung
des Reiches oder Landes anordnen, datz die Voll-
streckung eines wegen Verbrechens gegen die
öffentliche Sicherheit ergangenen Urteils durch
Erhängen erfolgt. Damit ist auch die gesetzliche
Grundlage, den Reichstagsbrandstifter van der
Lubbe zum Tode zu verurteilen, gegeben.
Die Siedlung.
Im Ernährungsministerium steht man auf dem
Standpunkt, datz die Güter, die mit den jetzt ge-
troffenen und noch zu treffenden agrarischen Hilfs-
matznahmen nicht lebensfähig zu machen sind, nach
Ablauf des Vollstreckungsschutzes nicht weiter ge-
schützt werden können und der Siedlung anheim-
fallen müssen.

Englische „Nachwomötnflugzeuge "
London, 1. April. Die englischen Luftstreit-
kräfle werden durch einen neuen Typ von so-
genannten Nachtbombenslugzeugen, die die
schnellsten der Welt sein sollen, verstärkt wer-
den. Die Leistungsfähigkeit der Motoren — je-
des Flugzeug ist mit zwei Rolls-Royce-Kestref-
Maschinen ausaestattet — wird geheim gehal-
ten. Um die Fluggeschwindigkeit der Maschinen
nicht zu beeinträchtigen, sind sie mit einem in
der Mitte des Schwanzes angebrachten Ge-
schah türm versehen, der bei Nichtbedarf
versenkt werden kann. Dadurch wird der Luft-
widerstand erheblich vermindert. Das Fahrge-
stell ist ungewöhnlich Nein. Der Geschützturm
kann um einen vollen Halbkreis gedreht wer-
den. Dadurch wird der sogenannte blinde Punkt
fast völlig ausgefchaltet.
Emlgmg bei der Mtsrnatiomlen
MsWlgemeAchatt
Paris, 31. März. In den Pariser Sitzungen
am 30. und 31. März wurde über die Quoten
und über die Ausgleichssätze für die sechs inter-
nationalen Verkaufsverbände der Internatio-
nalen Rohstahlgcmeinfchaft eine Einigung er-
zielt. Ueber einige weitere Fragen und nament-
lich Wer die Äussührungsbestimmungen wird
am 8. April weiterverhandelt.

Erschwerung der Befreiung vom

Religionsunterricht
Karlsruhe, 1. April. Die Pressestelle beim
Staatsministerium teilt mit: Der Kommissar
für das Ministerium des Kultus und Unter-
richts hat unterm 1. April 1933 im Amtsblatt
folgende Bekanntmachung erlassen:
8 1-
Die Erklärung, daß ein Schüler am Reli-
gionsunterricht nicht teilnehmen soll (Abmel-
dung), ist beim Schuleintritt oder Schul-
wechsel und zu Beginn eines jeden Schuljahrs
jeweils innerhalb einer Frist von acht Tagen
abzugeben. Während des Schuljahrs kann ein
Austritt aus dem Religionsunterricht nur aus
wichtigen Gründen mit Genehmigung der
Schulaufsichtsbehörde erfolgen.
8 2. Die Befreiung von der Teilnahme am
Religionsunterricht hat zu geschehen: bei
Schülern unter vierzehn Jahren, u) wenn
beide Eltern des Kindes leben nur auf über-
einstimmende Erklärung beider Elternteile, p)
wenn nur ein Elternteil lebt, auf dessen An-
trag, c) wenn eine Entscheidung des Vormund-
schaftsgerichts nach 8 2 Absatz 3, 8 3 Abs. 2
des Reichsgesetzes über die religiöse Kinder-
erziehung vom IS. Juli 1931 (Reichsgesetzblatt
Seite 939) vorgelegt wird. Hat der Schüler
das 12. Lebensjahr vollendet, so ist dieser
überdies um seine Zustimmung zu befragen;
L) bei Schülern über 14 Jahren: auf An-
trag des Schülers.
8 3.
Die Erklärung muß schriftlich oder mündlich
zu Protokoll, an Höheren Lehranstalten bei
der Anstaltsdirektion, an Volksschulen bei dem

Volksschulrektorat oder bei der Ortsschulbe-
hörde abgegeben werden. Die Behörde, bei der
die Erklärung schriftlich eingereicht oder
mündlich abgegeben wird hat zu prüfen, ob
die Erklärung von dem dazu Berechtigten aus-
geht. Ergibt sich in dieser Beziehung kein An-
laß zur Beanstandung, so ist die Befreiung des
Schülers vom Religionsunterricht unter
schriftlicher Verständigung des Religionsleh-
rers und unter gleichzeitiger Uebersendung
einer Abschrift der Erklärung des Erziehungs-
berechtigten an die zuständige örtliche Kirchen-
behörde anzuordnen, Die Anzeige von der Be-
freiung ist alsbald an das Ministerium vorzu-
legen. Diese Vorschriften gelten auch für die
Abgabe der Erklärung eines religionsmün-
digen — d. i. über vierzehn Jahre alten —
Schülers. Von der Erklärung ist in diesem
Falle überdies dem Erziehungsberechtigten
Abschrift zu übersenden.
8 4. Die bevorstehenden Anordnungen lasten
die Bestimmungen über den Austritt aus der
Kirche unberührt.
8 5. Diese Bekanntmachung tritt auf Beginn
des Schuljahrs 1933/34 in Kraft. Damit tre-
ten die Ziffern 2, 3 und 4 der Bekannt-
machung vom 20. Juni 1919 über den Vollzug
der Verfassung, Abschnitt sZ zu 8 10 Absatz 3
der Verfassung (Schulverordnungsblatt 1919,
Seite 142/43) und die Bekanntmachung vom
19. Januar 1922 über die religiöse Kinderer-
ziehung (Amtsblatt 1922. Seite 23 und 24)
außer Kraft.

Reue Regierung und Verussbeanitenlum

Berlin, 2. April. Wie das Nachrichten-Büro
des VDZ meldet, sind bei den zuständigen
Stellen der Reichsregierung gegenwärtig die
Vorarbeiten für einen sehr bedeutsamen Ge-
setzentwurf im Gange. Es handelt sich dabei
um die gesetzliche Fundierung der von der
Reichsregierung für notwendig gehaltenen be-
sonders hinsichtlich der früheren oder gegen-
wärtig noch im Amt befindlichen leitenden Be-
amten in Reich, Ländern und Gemeinden. Die
nationale Regierung will sich mit diesem Ge-
setz die erforderlichen Grundlagen schaffen,
um unerwünschte Mitarbeiter aus dem Be-
amtenkörper der öffentlichen Hand entfernen
zu können.
Nicht zuletzt wird es sich dabei auch darum
handeln, in den Kommunen in Deutschland
diejenigen Bürgermeister vorzeitig aus dem
Amte zu entfernen, deren Verträge an sich
langfristig laufen, die aber von einem Stadt-
parlament gewählt wurden, dessen Zusammen-
setzung nun sich völlig geändert hat. Es ist
anzunehmen, daß der Gesetzentwurf neben der
Möglichkeit der Entfernung solcher beamteter
Kräfte auch Bestimmungen über die Ge-
währung von Ruhegehaltsbezll-
gen für die zu entlassenden Beamten enthält,
wobei vermutlich den finanziellen Notwendig-
keiten äußerster Sparsamkeit Rechnung getra-
gen werden wird. Der neue Gesetzentwurf soll
die Bezeichnung „Reichsgesetz zur Wiederher-
stellung des Verufsbeamtentums" erhalten.

Wahrung der BramtrnWivtin
Ein Nunderlaß des Reichsinnenministers.
Berlin, 1. April. Der Reichsminister des
Innern Dr. Frick hat einen Runderlaß betr.
Wahrung der Disziplin an die Stellen seines
Geschäftsbereichs gerichtet, der den übrigen
obersten Reichsbehörden mit der Bitte um ent-
sprechende Anordnung zugegangen ist. In dem
Erlaß heißt es wie folgt:
„Auch im Reichsdienst mehren sich leider die
Fälle, in denen Beamte Beschwerden
über ihre Vorgesetzten oder Anzeigen
gegen sie unmittelbar beim Minister anbrin-
gen, mitunter sogar andere Stellen der Reichs-
regierung zur Einwirkung auf ihre Ministe-
rien ersuchen. Gegenüber Eingaben dieser Art
teile ich völlig den Standpunkt, den der Herr
Reichskommissar für das preußische Ministe-
rium des Jünern für seinen Geschäftsbereich
bekanntgegeben hat. Wie er, mißbillige ich
ein solches Verhalten aufs schärfste. In den
gegenwärtigen schweren Notzeiten hat sich der
Beamte durch Diensteifer und eiserne Diszi-
plin auszuzeichnen und nicht seine Aufgabe
darin zu sehen, seine Vorgesetzten zu kritisieren
und damit ihre Autorität zu untergraben und
zu erschüttern.
Vornehmlich von den Beamten, die mit
ihrer Ueberzeugung hinter der Regierung des
Reichskanzlers Adolf Hitler stehen, erwarte ich
mit aller Bestimmtheit, daß sie diese Mahnung

in besonderem Maße beherzigen und darüber
hinaus der übrigen Beamtenschaft in Pflicht-
treue, Leistung und Disziplin als Vorbild die-
nen. Die Mitgliedschaft bei den nationalen
Parteien gibt den Beamten nicht mehr
Rechte, sondern nur höhere Pflichten. Wer
den Befehlen und Anordnungen der von mir
eingesetzten oder im Amte belassenen Vorge-
setzten nicht in jeder Richtung gehorcht, ver-
weigert damit auch mir gegenüber den Gehor-
sam.
Bisher habe ich derartige Mitteilungen un-
beachtet gelassen. In Zukunft werde ich indes
Beamte, die entgegen meinem ausdrücklichen
Hinweis erneut mit solchen Beschwerden und
Anzeigen gegen Vorgesetzte sich unmittelbar an
mich wenden oder die gebotene Gehorsams-
pflicht verletzen, zur Verantwortung ziehen.
Ich ersuche, diese meine Auffassung sämtlichen
Beamten, Angestellten und Arbeitern Ihrer
Dienststelle unverzüglich bekannt zu geben.-

BsiMmliWag Wf
natiMWoziaWiMs MWrslokal
Hamburg, 2. April. In ein Verkehrslokal der
SA im Stadtteil Bavbeck wurde geistern übend
eine Bombe geworfen, die erheblichen Sach-
schaden anrichtete. Personen sind nicht verletzt
morden. Bei dpr Durchsuchung des Lokals wurde
noch eine ztveite Bombe auf 6er Veranda gefun-
den, die aber wahrscheinlich wegen eines Zün-
dungsfehlers nicht explodiert war. In der Nähe
des Tatortes wurden Haussuchungen vorgenom-
meu. Von den Tätern wurde jedoch keine Spur
gefunden.
l2 Personen, alles Angehörige der KPD, die
mit dem Attentat in Verbindung stehen, sind
verhaftet worden. Eine der Bomben ist abtvans-
Portiert, die dritte ist wegen ihrer hohen Explo-
sivempfindlichkeit, nachdem die umliegenden
Häuser geräumt und die Umgebung in weitem
Kreise abgesperrt war, von der Polizei gesprengt
worden. Die Bombe riß dabei ein etwchfutztiöfes
Loch in d)e Steinplatten des Bürgersteiges. Die
Häuser erlitten nur unbedeutende Beschädigun-
gen.
Hilfspolizisten aus dem Gewerkschastshaus in
Hannover beschossen.
Hannover, 1. April. Im Zusammenhang mit
dem Abwehrkampf gegen die Auslandsgreuel-
Propaganda zogen heute früh auch vor dem hiesi-
gen Gewerkschaftshaus zwei Hilfspolizisten auf,
die kurz nach ihrem Erscheinen aus dem Gebäude
heraus beschossen wurden. Die Hilfspolizisten
erwiderten sofort das Feuer und drangen nach
Heranziehung von Verstärkungen in das Gebäude
ein, wo eine Durchsuchung nach Waffen vorge-
nommen wird. Inzwischen ist das Gewerkschafts-
haus von Hilfspolizei mit Karabinern ringsum
umstellt und die Zugänge abgesperrt. Die Durch-
suchung dauert noch an. Unter dem Jubel der Be-
völkerung wurde auf dem Gebäude die Haken-
kreuzfahne gehißt.
Heppenheim, 2. April. Nach der national-
sozialistischen „Hessischen Landeszeitnng" sind m
Heppenheim bei Worms 82 ehemalige Eiserne-
Front-Lsute verhaftet worden. Bei einer polizei-
lichen Aktion wurden auf dem Friedhof Unter
einer Grabplatte Teile eines Maschinen-
gewehrs, Handgranaten, Sprengstoff, Mu-
nition, Karabiner und Dolche aufgefunden.

Berlin, 2. April. Der Herr Reichspräsident
hat den Präsidenten des Reichsbankdirekto-
riums a. D., Dr. Luther, zum Botschafter
in Washington ernannt.

Das Äuge dev Älpen
Eine Erzählung vom Reimmichl.
Urheberrechtsschutz durch Berlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck

7) (Nachdruck verboten.)
„Wieso denn? Da wäre ich sehr neugierig."
Massen Sie auf, Herr Doktor, ich erzähle
Ihnen etwas, zu Ihrer Warnung, zum Dar-
nachhalten . . . Das Unglück von Queretaro
war fertig, und -wir müssen Heimdampfen. Auf
der Insel Martinique machen wir Station, der
Herr Graf lernt eine Französin kennen, em
kolossal schönes Frauenzimmer, vier Wochen
später ist Hochzeit.
Dann geht es heim ins väterliche Schloß.
Der Gräfin gefällt es aber nicht im Steiri-
schen, das Schloß muß verkauft und diese Villa
hier gebaut werden. Bald wird der Gräfin das
ganze Oesterreich zu eng, und der Graf muß
mit ihr in der Welt herum wie der ewige
Jude. Endlich bringt der Storch sine Komtesse,
ein Jähr lang müssen sie hier bleiben. Aber
das unruhige französische Blut gibt keinen
Frieden. Ueber einem Jahr geht der Tanz wie-
der los, heute nach Paris, morgen nach New-
york, übermorgen nach Frisko usw. Das Kind
bleibt unterdessen in meiner und meiner Gnä-
digen Obhut, ist schön wie ein Engel. Nach
sieben Jahren stirbt die Gräfin in London.
Der Graf tut wahnsinnig- Aber jetzt kommen
acht glückliche Jahre. Der Herr Graf bleibt
immer hier, erzicht telber fein einziges Kind
und vergöttert es. W e das Ding flügge wird,
hat «s das unruhige französische Blut von der
Gräfin und noch hundert Extravaganzen da-
zu. Es reitet, kutschiert, rudert, ist Sin Wild-
fang, hat Abenteuer mit Männern. Und auf
einmal fährt der alte Reiseteufel von der
Mutter in das Kind, der Graf muß seine lieb-
gswonnene Ruhe ausgeben und die wilde

Fahrt geht wieder um die Welt. Dabei bleibt
die schöne Wohnung hier verwaist und wir sind
immer allein."
Das Männlein schloß mit einem Seufzer.
„Aber, Herr Verwalter", sagte der Student,
„cs kann Ihnen doch nur angenehm sein, wenn
Sie die Billa für sich haben. Da sind Sie
ein unabhängiger Mann."
„Hähähä, ein unabhängiger Mann! Sie
vergessen, daß das Truppenkommando darin
liegt. Herr, ich bin bei Santa Cruz und bei
Queretaro im gräßlichsten Kreuzfeuer gestan-
den und habe nicht gezuckt. Krieg im Krieg
ist etwas Prächtiges; aber Krieg im Frieden
demoralisiert den -tapfersten Menschen."
Der Student mußte lachen. Nach einer
Weile begann das Männlein wieder:
„Wenn die Herrschaften da sind, bin ich ein
großer Mann, da habe ich was zu bedeuten —
alles, Es ist auch kein Leben im Haus, wenn
der Sausewind nicht da ist. Eigentlich sollte
ich zornig sein auf den Fratz — Pardon, auf
gnädige Komteß — aber leider habe ich den
Narren an dem Kind gefressen . . . Schwamm
darüber! Ich erzähle Ihnen das alles nur,
junger Herr, daß Sie eine Lehre daraus ziehen.
Gehen Sie dem Wildfang aus dem Weg, lassen
Sie dem Teufel keinen Finger, sonst zreht er
Sie in seinen extravaganten Wirbel, und Sie
müssen mit -ihm um die Welt tanzen wie der
Herr Graf. Sie täten mir leid, wenn Sie un-
glücklich würden."
„Meine Beziehungen zur Komtesse sind keine
derartigen, sondern rein -geschäftliche", erklärte
der Student; „ich möchte einzig meine Ver-
pflichtung ledig werden."

„Lassen Sie die Bagatelle ruhen. Sicher
hat die Komtesse alles schon gestrichen."
„Nein, die Sache ist von Bedeutung, und ich
muß sie unbedingt mit dem gnädigen Fräulein
bereinigen — ich muß! Es handelt sich um
meine Ehre."
„Dann kommen Sie m zwei, drei Jahren
wieder"
„Wo denken Sie hin? In zwei, drei Jah-
ren! Auch habe ich andere Dinge zu tun, als
immer -solch weite Reisen zu machen."
Nach langem Hin- und Hcrraten karren sie
Lbersin, daß der Villa-Aufseher den Mediziner
gleich schriftlich benachrichtigen werde, sobald
der Graf mit seiner Tochter zurückkehre. Eine
Vergütung für die Mühe, die der Student
dem Männlein in die Hand drücken wollte,
wies dieses stolz zurück. Es führte den Besuch
wieder zum Gartentor, salutierte stramm,
schloß das Gitter, machte Kehrteuch und mar-
schierte im großen, abgemessenen Schritt in
die Villa hinein.
Sinnend wanderte Konrad Aigner die Berg-
straße hinunter. Alles erschien ihm wie die
Fortsetzung eines Märchens. Warum hatte
das Männlein ihm, dem fremden Menschen,
die delikaten Dinge so aufrichtig und weit-
läufig erzählt? Jedenfalls spielte -der Alkohol
mit; Alkohol macht gesprächig. Wer es lag
trotz allem etwas Planmäßiges und Schlaues
in dem ganzen Gehaben des Männleins. Ohne
Zweifel steckte auch eine Absicht hinter dem
Geschwader. Doch darüber konnte er sich nicht
den Kopf zerbrechen. Etwas Gutes hatte die
Erzählung des sonderbaren Kerlchens doch.
Konrad Aigners Schwärmerei für das mär-
chenhafte Fräulein wurde dadurch sehr stark
abgekülhlt. Er reiste viel ruhiger nach Hause,
als er hergescchren war. Das Kollier war er
allerdings nicht losasworden, aber er brachte
nun leichter die Geduld auf, den Verlauf der
Dinge abzuwarten

Während der Ferien und auch in den näch-
sten drei Semestern des Universitätslebens er-
eignete sich nichts.Besonderes mehr. Konrad
Aigner oblag mit Eifer seinen Studien und
dachte oft.tagelang nicht mshr an sein Aben-
teuer in Venedig und das kostbare Schmuck-
stück, das er in Verwahrung hatte.
Ueber zwei Jahre warm seit dm italienischen
Reife verflossen, da stürmte oines Tages der
zappelige Ulix auf Konrad Aigners Bude, hielt
ein zerknittertes Zeitungsblatt in die Höhe
und rief schon unter der Tür:
„Höh premiöh — Mensch, Junge, Dichter,
schau hier, ob das nicht der Rock deines Soh-
nes Josef — will sagen, ob hier in der -Sülz-
burger Zeitung nicht ein gewisser Elmar, der
Sohn deines Vaters^ ausgeschrieben ist!"
Er breitete das Matt auf den Tisch, strich
es glatt und zeigte mit dem Finger auf ein
größeres, in die Augen fallendes Inserat. Da
stand in fetten Buchstaben geschrieben: „Herrn
Elmar" und darunter war in kleinerer Schrfft
gedruckt:
„In Venedig nicht mehr getroffen. Bitte
dringend Zusammenkunft in Hotsl Bellevue
Salzburg. Biondella."
Wie versteinert blickte Konrad Aigner auf
die Anzeige.
„Mensch, sag, geht das nicht dich an?"
stürmte Ulix.
„Ja, sicher", gab der Freund mit heiserer
Stimme zu.
„Und die Unterschrift — Wondella — haha,
gelt, das heißt soviel als die blonde Elle?"
„Nein, Biondella heißt Tausendgüldenkraut
und steht als besondere Andeutung hier."
„Du, mir wären lieber tausend Gulden als
das Blondellchen oder das Tausendgülden-
kraut", erklärte Ulix; „leider wird bei der
Sache nicht mehr viel herausschauen, denn die
Zeitung ist schon zwei Jahve alt,"
(Fortsetzung folgt.)
 
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