betäubt, bis heftige Schmerzen an Kopf und Schulter ihn
zur Besinnung brachten.
Er bedurfte einige Minuten um sich zu erinnern, was
mit ihm geschehen sei.
Er gelangte alsbald zu der Ueberzeugung, daß an dem
Mechanismus seines entsetzlichen Kerkers irgend etwas zer-
brochen sein müsse und dieser infolge dessen seinen Dienst
versagt und ihn vor dem Augenblicke, an welchem die Platten
ihn zwischen sich zerdrückten, in die Tiefe habe fallen lassen.
Durch Umhertastsn mit der Hand überzeugte sich
Bincenzio bald, daß er sich in einem weiten Raume befand,
dessen Boden aus feuchter Erde bestand.
Er erhob sich und schritt, vorsichtig Schritt für Schritt
den Boden prüfend, um nicht vielleicht abermals in einen Ab-
grund zu fallen, vorwärts.
Nach einiger Zeit gewahrte er einen matten Lichtschein,
dem er nachging, Vis er nach einer Wanderung von eini-
gen Minuten aus einer Felsenhöhle ins Freie trat.
Sich in der ihm fremden Gegend uuychauend, gewahrte
er, daß er sich am Fuße des Berges befand, auf welchem
Schloß Tolsi lag.
Es war noch früh am Tage und die Sonne noch nicht
aufgegangen; rings auf Feld, Wald und Flur lag tiefe,
frieolrche Stille, und so angstrengt Bincenzio auch in die
Morgendämmerung hinausspähte, vermochte er doch weder
etwas zu sehen noch zu hören, was ihm die Nähe eines
Menschen verrathen hätte. Zeit und Gelegenheit zum Ver-
lassen der Felsenhöhle waren also günstig und Bincenzio
säumte nicht, dieselbe zu benutzen und seiner Heimath zu-
zueilen.
Als dis Sonne sich über den waldigen Bergen empor-
hob und die Landschaft mit ihren Hellen Strahlen erleuchtete,
befand sich der Flüchtling bereits so weit von dem Schlosse
seines Feindes entfernt, daß er von dort nicht mehr gesehen
werden konnte.
Er wanderte den ganzen Tag und gönnte sich nur
von Zeit zu Zett einige Minuten Ruhe, um seine geschwun-
denen Kräfte durch eine kurze Rast wieder zu ersetzen, oder
sich mit Hüfe des Geldes, welches sich noch in seinen
Taschen befand, etwas Speise zu verschaffen.
Als der Tag zur Neigung ging und die scheidende
Sonne mit ihren letzten Strahlen die Zinnen der väter-
lichen Burg Vtnceuzros vergoldete, überschritt er den letzten
Berg, der ihn noch von den Seinen trennte, dle den schon
verloren Geglaubten mit Jubel begrüßten.
Vinzencios Mittheilungen über das. was er auf dem
Schlöffe Tolsis erlebt, erregten überall bei den benachbarte«
Rittern und Grafen den höchsten Zorn gegen diesen.
Man sammelte ein großes Heer, stürmte die Burg des
Räubers und setzte diesen zur Strafe für seine Verbrechen
selbst in den eisernen Käfig, in welchem er nach sieben
Tagen ein schreckliches Ende fand.
Beim Durchforschen des Felsengewölbes unter dem
Schlosse fand man zahlreiche Ueberreste von Menschen,
welche wahrscheinlich denselben Tod erlitten hatten, der
auch Bincenzio bestimmt gewesen war. Ihre Gebeine
fanden eine Ruhestätte in geweihter Erde.
Allerlei.
— Elektrische Schuhputzer. Seit einiger Zeit schon
sind in englischen Hotels elektrische Schuhputzer in Gebrauch,
bei denen jedoch bisher die Bürste immer noch durch eine
in der Hand eines Hotelbediensteten befindliche Stange geki»
tet werden mußte/ jetzt ist jedoch in einem in West fisth
street befindlichen Hotel eine Einrichtung getroffen, bei der
auch dies in Wegfall kommt, so daß wieder eine Menschen-
kraft erspart wird. Das Instrument besteht aus drei Bürsten,
von denen zwei einander prallet stehen, welche auch, wenn
der auf dem Fuß des Gastes befindliche Stieftl zwischen sie
gestellt wird, in ihrer Hauptrichtung durch Elektricität
gradlinig fortbewegt werden, während die dritte Bürste
zu den beiden ersten vertikal so ausgestellt ist, daß ihre
Borsten in die der andern eingreifen. Diese dritte Bürste
rotirr während der Bewegung der ersten um ihre Horizon-
talaxe. Durch die kombimrten Bewegungen dieser drei
Bürsten werden die Stiefel in sehr kurzer Zeit geputzt.
— Det ist keene dumme Idee? So lautete das
neueste geflügelte Wort in Potsdam. Die Redensart stammt
von dem Maurer-Balier Lucke aus Nowawes-Reuendorf
her, der im Sommer v. I. den Bau der Miniatur-Festung
beim „Neuen Pailais", an welcher der Kaiser große Freude
hat, leitete. Als der Bau sich seiner Vollendung näherte,
wurde er von dem Kaiser besichtigt, wobei der Monarch zu
Lucke sagte, daß er die Absicht habe, den zahlreich bei dem
Bau thätigen Arbeitern ein Festessen zu geben. Dem Lucke
sichren dabei die Worte heraus: „Det ist keene dumme
Idee!" worüber der Kaiser herzlich lachen mußte. Der
Kaiser erzählte such die Geschichte weiter. In Hofkreisen
bis herunter zu der Dienerschaft und dem Marstall-Personal,
ist seitdem das Lucke'sche Kraftwort populair geworden.
Das Festessen für die Arbeiter hat übrigens au Stelle des
Richtschmauses stattgefunden, und der Maurer-Balier Lucke
wurde dabei mit dem Allgemeinen Ehrenzeichen bedacht.
Gemeinnütziges.
— Wie macht man ein gutes Fleckwaffer -
Nehme vier Eßlöffel voll starken Salmiakgeist und einen
Eßlöffel voll Salz, schüttle in einem Glase tüchtig durchein-
ander und wende es mit einem Schwamme oder wollenen
Läppchen an. Mit dieser Flüssigkeit kann man alle Fett-
oder Oelflecken rc. auswaschen. Flecken von Harz oder
Theer auf Tuch müssen erst durch ein wenig Butter erweicht
werden.
Humoristisches.
Ein Gewisse n.
„Hast Du ein Gewissen, Anna?"
„Nee ich schwanke noch, ob ich den Kürassier oder den Füsi-
lier wähle!"
» * *
Heimgezahlt.
„Ich habe Ihrem Herrn Bruder neulich auf feinen Antrag
einen Korb gegeben!"
„Ach, wohl damit er Ihre vielen Briese hinein thun kann?"
* * *
Ein Schlauberger.
Kurz: Denken Sie doch daran, daß ich morgen mein Buch
mitnehme."
Kürzer: „Sie müssen mich aber daran erinnern."
* . *
Ko mp lim cknt.
Fräulein: „Sie sind wohl wenig zu Hause, Herr Baron?"
Baron: „Ach ja, bei mir ist's schrecklich langweilig!"
Fräulein: „Das finde ich auch!"
Verantwortlicher Redakteur: Z. Zecker in Heidelberg
Druck von Gebr. Huber in Heidelberg.
Wochmikilstgk zum Ns.lM Notm.
Nr. 22
Sonntag, den 3. Juni
1894.
Der eiserne Sarg
oder
-aß Geheimniß des Schlaffes Tolfi.
Eine wahre Geschichte aus Italien.
Im schönen Land Italien, unweit der Stelle, wo der
grausige Meeresstrudel, Scylla genannt, das Fahrzeug des
unvorsichtigen Schiffers mit geheimnißvoller Kraft erfaßt
und in den bedenlosen Abgrund zieht, erhob sich in alter
Zeit, hart an der Meeresküste, auf einem weit über Land
ins Meer hinausragenden zerklüfteten Felsen, das feste Schloß
des Ritters von Tolsi.
Noch heute, wo die Mauern und Thürme der Burg
dem Erdboden gleich gemacht sind und dorniges Gestrüpp
über den Trümmeru wuchert, kann man von der Höhe des
Felsens viele Meilen weit in das Land und über das
Meer hinansblicken; in jener Zeit aber als der alte, ge-
waltige Schloßthurm noch stand, sah mau von dessen brs
hoch in die Wolken ragender Zinne die ganze Insel Sicilieu
zu Füßen liegen.
So weit aber der Blick von der Burg reichte, war
auch der Name ihres Besitzers bekannt und gefürchtet, die
Ritter von Tolsi, welche ibrer Macht wegen den Prinzen-
titel führten, waren ein kampf- und laublustiges Geschlecht,
welches mit allen umliegenden Fürsten, Grafen und Rittern
in fortwährendem Kampfe stand.
Nicht allein, daß sie dabei raubten und plünderten
nach Herzenslust, nahmen sie außerdem noch diejenigen,
welche in ihre Gefangenschaft geriethen, mit sich auf die
Burg, wo sie in harter Gefangenschaft so lange verbleiben
mußten, bis sie von ihren Verwandten gegen hohe Summen
losgekauft waren.
Doch wohl denen, welchen überhaupt noch die Wahl
gelassen war, auf diese Weise, wenn auch mit Verlust oft
eines ganzen Vermögens, die Freiheit wieder zu erlangen;
denn wie man sich erzählte, gab es in der Burg auch Ker-
ker, aus denen noch niemals jemand das Licht der Sonne
wieder erblickt haben sollte. Freilich wußte niemand aus
eigener Erfahrung von denselben zu berichten, da sie ihre
Opfer niemals Herausgaben.
Unter denen, welche besiegt in die Gewalt der Tolsi
fielen, befand sich auch ein junger Ritter, Namens Vicen-
zio.
Tapfer hatte er gegen die kühnen Räuber gekämpft,
welche die Besitzungen seines Vaters mit Mord und Brand
überzogen und war dann, nachdem man ihm das Pferd
unter dem Leibe getödtet hatte und er von dem Sturze
bewußtlos am Boden lag, in die Hände seiner Feinde
gerathen, welche ihn bei Nacht und Nebel nach ihrer Burg
schleppten.
Als Vicencio aus seiner Betäubung erwachte, sah er sich in
einer großen Halle von bewaffneten Knechten umgeben, von
denen einige Fackeln trugen." Vor ihm stand ein Mann
mit einem harten grausamen Zuge in seinem von Leiden-
schaften jeder Art entstellten Gesichte.
„Du bist olso der junge Wolf, der sich so lange meiner
Macht widersetzt hat", sprach er mit höhnendem Tone.
„Zum Glück bist du der letzte Deines Stammes, welcher noch
zu beißen vermochte; deine beiden Brüder habe ich schon
früher unschädlich gemacht und nachdem ich nun Dich in
meine Gewalt bekommen habe, werde ich mit dem Rest der
Sippschaft auch schon fertig werden."
Vicenzio schauderte bei diesen Worten, denn er entnahm
aus ihnen, daß seine beiden Brüder, welche schon länger
als einem Jahre auf geheimnißvolle Weise verschwunden
waren, ohne daß man etwas über ihr Schicksal erfahren
hatte, ebenfalls in die Hände Tolsis gerathen seien.
„Fordert ein Lösegeld für mich und meine Brüder,"
sprach er, „mein Vater wird es Euch zahlen. Aber um der
Barmherzigkeit willen, die ihr in Eurer letzten Stunde zu
erlangen hofft, säumet nicht, meinem Vater wissen zu lassen,
daß seine Söhne leben. Er sowohl als meine Mutter
haben um das Schicksal meiner Brüder bereits der Sorge
und des Kummers genug erduldet, seine Haare sind darüber
weiß und die Augen der Mutter von allen den Thräneu
die sie geweint, blind geworden."
„Glaubt Ihr in der That," rief Tolsi hohnlachend, „daß
ich die beiden Burschen bis heute gefüttert habe, um für sie
lumpiges Lösegeld zu erhalten, während ich in kurzer Zeit
schon den ganzen Besitz Eures Vaters in meinen Händen
haben werde?
„Damit Ihr aber wisset, was aus Euren Brüdern
geworden ist, so erfahret denn daß Ihr eben dahin kommen
werdet, wo sie gewesen sind; bevor acht Tage vergangen
sind, werdet Ihr Euch dann nicht mehr über ihr Schicksal
in Ungewißheit befinden."
Damit gab er den Knechten einen Wink, den Gefan-
genen wegzuführen.
Man schleppte Bincenzio durch eine Reihe finsterer
Gänge und stieß ihn, am Ende eines derselben angelangt,
durch eine enge Thür in ein kleines enges Gemach u. warf
die Thür hinter ihm zu.
Von den Anstrengungen des Tages ermattet, sank der
Gefangene in einer Ecke seines Kerkers, in welcher sich em
Bündel Stroh statt eines Lagers befand, zusammen und fiel
in einen tiefen Schlaf, während dessen ihn der Traum in
sein väterliches Schloß und in die Mitte seiner Lieben zu»
rückführte und ihm Bilder von Freiheit und Glück vor-
zauberte.
Als er am Morgen erwachte und sich in seinem Kerker
umsah, erfaßte ihn ein Gefühl des Schauderns. Die Zelle,
in welcher er sich befand, glich mehr dem Käfig eines
wilden Thieres als einem Gefängniß, indem ihre Wände
aus festen Eisenplatten bestanden.
Der Kerker hatte nach Höhe, Breite und Tiefe nicht
mehr Raum, als daß ein ausgewachsener Mann darin liegen
oder stehen konnte und empfing sein Licht durch sieben an
der Decke angebrachte, stark vergitterte Oeffnungen. Außer
dem Strohbündel, welches die Stelle des Bettes vertrat,
befand sich noch ein Krug mit Wasser und ein Napf mit
einem ekelhaften Brei darin.
Nach den Worten Tolsis hatten also auch BincenzisS
unglückliche Brüder hier ihre letzten Tage zugebracht und
ihren letzten Seufzer auSgehaucht.
zur Besinnung brachten.
Er bedurfte einige Minuten um sich zu erinnern, was
mit ihm geschehen sei.
Er gelangte alsbald zu der Ueberzeugung, daß an dem
Mechanismus seines entsetzlichen Kerkers irgend etwas zer-
brochen sein müsse und dieser infolge dessen seinen Dienst
versagt und ihn vor dem Augenblicke, an welchem die Platten
ihn zwischen sich zerdrückten, in die Tiefe habe fallen lassen.
Durch Umhertastsn mit der Hand überzeugte sich
Bincenzio bald, daß er sich in einem weiten Raume befand,
dessen Boden aus feuchter Erde bestand.
Er erhob sich und schritt, vorsichtig Schritt für Schritt
den Boden prüfend, um nicht vielleicht abermals in einen Ab-
grund zu fallen, vorwärts.
Nach einiger Zeit gewahrte er einen matten Lichtschein,
dem er nachging, Vis er nach einer Wanderung von eini-
gen Minuten aus einer Felsenhöhle ins Freie trat.
Sich in der ihm fremden Gegend uuychauend, gewahrte
er, daß er sich am Fuße des Berges befand, auf welchem
Schloß Tolsi lag.
Es war noch früh am Tage und die Sonne noch nicht
aufgegangen; rings auf Feld, Wald und Flur lag tiefe,
frieolrche Stille, und so angstrengt Bincenzio auch in die
Morgendämmerung hinausspähte, vermochte er doch weder
etwas zu sehen noch zu hören, was ihm die Nähe eines
Menschen verrathen hätte. Zeit und Gelegenheit zum Ver-
lassen der Felsenhöhle waren also günstig und Bincenzio
säumte nicht, dieselbe zu benutzen und seiner Heimath zu-
zueilen.
Als dis Sonne sich über den waldigen Bergen empor-
hob und die Landschaft mit ihren Hellen Strahlen erleuchtete,
befand sich der Flüchtling bereits so weit von dem Schlosse
seines Feindes entfernt, daß er von dort nicht mehr gesehen
werden konnte.
Er wanderte den ganzen Tag und gönnte sich nur
von Zeit zu Zett einige Minuten Ruhe, um seine geschwun-
denen Kräfte durch eine kurze Rast wieder zu ersetzen, oder
sich mit Hüfe des Geldes, welches sich noch in seinen
Taschen befand, etwas Speise zu verschaffen.
Als der Tag zur Neigung ging und die scheidende
Sonne mit ihren letzten Strahlen die Zinnen der väter-
lichen Burg Vtnceuzros vergoldete, überschritt er den letzten
Berg, der ihn noch von den Seinen trennte, dle den schon
verloren Geglaubten mit Jubel begrüßten.
Vinzencios Mittheilungen über das. was er auf dem
Schlöffe Tolsis erlebt, erregten überall bei den benachbarte«
Rittern und Grafen den höchsten Zorn gegen diesen.
Man sammelte ein großes Heer, stürmte die Burg des
Räubers und setzte diesen zur Strafe für seine Verbrechen
selbst in den eisernen Käfig, in welchem er nach sieben
Tagen ein schreckliches Ende fand.
Beim Durchforschen des Felsengewölbes unter dem
Schlosse fand man zahlreiche Ueberreste von Menschen,
welche wahrscheinlich denselben Tod erlitten hatten, der
auch Bincenzio bestimmt gewesen war. Ihre Gebeine
fanden eine Ruhestätte in geweihter Erde.
Allerlei.
— Elektrische Schuhputzer. Seit einiger Zeit schon
sind in englischen Hotels elektrische Schuhputzer in Gebrauch,
bei denen jedoch bisher die Bürste immer noch durch eine
in der Hand eines Hotelbediensteten befindliche Stange geki»
tet werden mußte/ jetzt ist jedoch in einem in West fisth
street befindlichen Hotel eine Einrichtung getroffen, bei der
auch dies in Wegfall kommt, so daß wieder eine Menschen-
kraft erspart wird. Das Instrument besteht aus drei Bürsten,
von denen zwei einander prallet stehen, welche auch, wenn
der auf dem Fuß des Gastes befindliche Stieftl zwischen sie
gestellt wird, in ihrer Hauptrichtung durch Elektricität
gradlinig fortbewegt werden, während die dritte Bürste
zu den beiden ersten vertikal so ausgestellt ist, daß ihre
Borsten in die der andern eingreifen. Diese dritte Bürste
rotirr während der Bewegung der ersten um ihre Horizon-
talaxe. Durch die kombimrten Bewegungen dieser drei
Bürsten werden die Stiefel in sehr kurzer Zeit geputzt.
— Det ist keene dumme Idee? So lautete das
neueste geflügelte Wort in Potsdam. Die Redensart stammt
von dem Maurer-Balier Lucke aus Nowawes-Reuendorf
her, der im Sommer v. I. den Bau der Miniatur-Festung
beim „Neuen Pailais", an welcher der Kaiser große Freude
hat, leitete. Als der Bau sich seiner Vollendung näherte,
wurde er von dem Kaiser besichtigt, wobei der Monarch zu
Lucke sagte, daß er die Absicht habe, den zahlreich bei dem
Bau thätigen Arbeitern ein Festessen zu geben. Dem Lucke
sichren dabei die Worte heraus: „Det ist keene dumme
Idee!" worüber der Kaiser herzlich lachen mußte. Der
Kaiser erzählte such die Geschichte weiter. In Hofkreisen
bis herunter zu der Dienerschaft und dem Marstall-Personal,
ist seitdem das Lucke'sche Kraftwort populair geworden.
Das Festessen für die Arbeiter hat übrigens au Stelle des
Richtschmauses stattgefunden, und der Maurer-Balier Lucke
wurde dabei mit dem Allgemeinen Ehrenzeichen bedacht.
Gemeinnütziges.
— Wie macht man ein gutes Fleckwaffer -
Nehme vier Eßlöffel voll starken Salmiakgeist und einen
Eßlöffel voll Salz, schüttle in einem Glase tüchtig durchein-
ander und wende es mit einem Schwamme oder wollenen
Läppchen an. Mit dieser Flüssigkeit kann man alle Fett-
oder Oelflecken rc. auswaschen. Flecken von Harz oder
Theer auf Tuch müssen erst durch ein wenig Butter erweicht
werden.
Humoristisches.
Ein Gewisse n.
„Hast Du ein Gewissen, Anna?"
„Nee ich schwanke noch, ob ich den Kürassier oder den Füsi-
lier wähle!"
» * *
Heimgezahlt.
„Ich habe Ihrem Herrn Bruder neulich auf feinen Antrag
einen Korb gegeben!"
„Ach, wohl damit er Ihre vielen Briese hinein thun kann?"
* * *
Ein Schlauberger.
Kurz: Denken Sie doch daran, daß ich morgen mein Buch
mitnehme."
Kürzer: „Sie müssen mich aber daran erinnern."
* . *
Ko mp lim cknt.
Fräulein: „Sie sind wohl wenig zu Hause, Herr Baron?"
Baron: „Ach ja, bei mir ist's schrecklich langweilig!"
Fräulein: „Das finde ich auch!"
Verantwortlicher Redakteur: Z. Zecker in Heidelberg
Druck von Gebr. Huber in Heidelberg.
Wochmikilstgk zum Ns.lM Notm.
Nr. 22
Sonntag, den 3. Juni
1894.
Der eiserne Sarg
oder
-aß Geheimniß des Schlaffes Tolfi.
Eine wahre Geschichte aus Italien.
Im schönen Land Italien, unweit der Stelle, wo der
grausige Meeresstrudel, Scylla genannt, das Fahrzeug des
unvorsichtigen Schiffers mit geheimnißvoller Kraft erfaßt
und in den bedenlosen Abgrund zieht, erhob sich in alter
Zeit, hart an der Meeresküste, auf einem weit über Land
ins Meer hinausragenden zerklüfteten Felsen, das feste Schloß
des Ritters von Tolsi.
Noch heute, wo die Mauern und Thürme der Burg
dem Erdboden gleich gemacht sind und dorniges Gestrüpp
über den Trümmeru wuchert, kann man von der Höhe des
Felsens viele Meilen weit in das Land und über das
Meer hinansblicken; in jener Zeit aber als der alte, ge-
waltige Schloßthurm noch stand, sah mau von dessen brs
hoch in die Wolken ragender Zinne die ganze Insel Sicilieu
zu Füßen liegen.
So weit aber der Blick von der Burg reichte, war
auch der Name ihres Besitzers bekannt und gefürchtet, die
Ritter von Tolsi, welche ibrer Macht wegen den Prinzen-
titel führten, waren ein kampf- und laublustiges Geschlecht,
welches mit allen umliegenden Fürsten, Grafen und Rittern
in fortwährendem Kampfe stand.
Nicht allein, daß sie dabei raubten und plünderten
nach Herzenslust, nahmen sie außerdem noch diejenigen,
welche in ihre Gefangenschaft geriethen, mit sich auf die
Burg, wo sie in harter Gefangenschaft so lange verbleiben
mußten, bis sie von ihren Verwandten gegen hohe Summen
losgekauft waren.
Doch wohl denen, welchen überhaupt noch die Wahl
gelassen war, auf diese Weise, wenn auch mit Verlust oft
eines ganzen Vermögens, die Freiheit wieder zu erlangen;
denn wie man sich erzählte, gab es in der Burg auch Ker-
ker, aus denen noch niemals jemand das Licht der Sonne
wieder erblickt haben sollte. Freilich wußte niemand aus
eigener Erfahrung von denselben zu berichten, da sie ihre
Opfer niemals Herausgaben.
Unter denen, welche besiegt in die Gewalt der Tolsi
fielen, befand sich auch ein junger Ritter, Namens Vicen-
zio.
Tapfer hatte er gegen die kühnen Räuber gekämpft,
welche die Besitzungen seines Vaters mit Mord und Brand
überzogen und war dann, nachdem man ihm das Pferd
unter dem Leibe getödtet hatte und er von dem Sturze
bewußtlos am Boden lag, in die Hände seiner Feinde
gerathen, welche ihn bei Nacht und Nebel nach ihrer Burg
schleppten.
Als Vicencio aus seiner Betäubung erwachte, sah er sich in
einer großen Halle von bewaffneten Knechten umgeben, von
denen einige Fackeln trugen." Vor ihm stand ein Mann
mit einem harten grausamen Zuge in seinem von Leiden-
schaften jeder Art entstellten Gesichte.
„Du bist olso der junge Wolf, der sich so lange meiner
Macht widersetzt hat", sprach er mit höhnendem Tone.
„Zum Glück bist du der letzte Deines Stammes, welcher noch
zu beißen vermochte; deine beiden Brüder habe ich schon
früher unschädlich gemacht und nachdem ich nun Dich in
meine Gewalt bekommen habe, werde ich mit dem Rest der
Sippschaft auch schon fertig werden."
Vicenzio schauderte bei diesen Worten, denn er entnahm
aus ihnen, daß seine beiden Brüder, welche schon länger
als einem Jahre auf geheimnißvolle Weise verschwunden
waren, ohne daß man etwas über ihr Schicksal erfahren
hatte, ebenfalls in die Hände Tolsis gerathen seien.
„Fordert ein Lösegeld für mich und meine Brüder,"
sprach er, „mein Vater wird es Euch zahlen. Aber um der
Barmherzigkeit willen, die ihr in Eurer letzten Stunde zu
erlangen hofft, säumet nicht, meinem Vater wissen zu lassen,
daß seine Söhne leben. Er sowohl als meine Mutter
haben um das Schicksal meiner Brüder bereits der Sorge
und des Kummers genug erduldet, seine Haare sind darüber
weiß und die Augen der Mutter von allen den Thräneu
die sie geweint, blind geworden."
„Glaubt Ihr in der That," rief Tolsi hohnlachend, „daß
ich die beiden Burschen bis heute gefüttert habe, um für sie
lumpiges Lösegeld zu erhalten, während ich in kurzer Zeit
schon den ganzen Besitz Eures Vaters in meinen Händen
haben werde?
„Damit Ihr aber wisset, was aus Euren Brüdern
geworden ist, so erfahret denn daß Ihr eben dahin kommen
werdet, wo sie gewesen sind; bevor acht Tage vergangen
sind, werdet Ihr Euch dann nicht mehr über ihr Schicksal
in Ungewißheit befinden."
Damit gab er den Knechten einen Wink, den Gefan-
genen wegzuführen.
Man schleppte Bincenzio durch eine Reihe finsterer
Gänge und stieß ihn, am Ende eines derselben angelangt,
durch eine enge Thür in ein kleines enges Gemach u. warf
die Thür hinter ihm zu.
Von den Anstrengungen des Tages ermattet, sank der
Gefangene in einer Ecke seines Kerkers, in welcher sich em
Bündel Stroh statt eines Lagers befand, zusammen und fiel
in einen tiefen Schlaf, während dessen ihn der Traum in
sein väterliches Schloß und in die Mitte seiner Lieben zu»
rückführte und ihm Bilder von Freiheit und Glück vor-
zauberte.
Als er am Morgen erwachte und sich in seinem Kerker
umsah, erfaßte ihn ein Gefühl des Schauderns. Die Zelle,
in welcher er sich befand, glich mehr dem Käfig eines
wilden Thieres als einem Gefängniß, indem ihre Wände
aus festen Eisenplatten bestanden.
Der Kerker hatte nach Höhe, Breite und Tiefe nicht
mehr Raum, als daß ein ausgewachsener Mann darin liegen
oder stehen konnte und empfing sein Licht durch sieben an
der Decke angebrachte, stark vergitterte Oeffnungen. Außer
dem Strohbündel, welches die Stelle des Bettes vertrat,
befand sich noch ein Krug mit Wasser und ein Napf mit
einem ekelhaften Brei darin.
Nach den Worten Tolsis hatten also auch BincenzisS
unglückliche Brüder hier ihre letzten Tage zugebracht und
ihren letzten Seufzer auSgehaucht.