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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Februar 1897
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Nr. 48
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0193
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Wtzer Volksblatt

DMdkU WitU den 28. MlM 1897.

Daß dieselben Parteien,

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

den wir alr selbstverständlich ansehea zu dürfen. Wel-
chen Grund könnte man denn haben, heute nicht mehr
als recht und billig gelten zu lassen, was man vor 2
Jahren dafür erklärt hat. Wir hoffen sogar, daß sich
die Gegnerschaft inzwischen noch verringert hat. Der
BundeSrath aber thäte am besten, ihm den Boden zu
entziehe« durch Annahme deS früheren ReichStagSbe-
schlusseS. Hätte er dem Beschlüsse sofort zugestimmt,
dar Deutsche Reich würde heute noch gerade so fest
stehen, und kein Mensch würde sich wegen der Jesuiten
mehr aufregen. Dagegen kann er im kath. Volke nur
böses Blut machen, wenn der BundeSrath auch ferner
ohne irgend welchen faßbaren und verständigen Grund
bei seiner Weigerung verharrt.

Deutsches Reich.
Berlin, 26. Febr. Der Kaiser ist Mittag-
halb 1 Uhr aus Hubertusstock hier eingetroffen.
* Berlin, 26. Febr. Die WahlprüfungSkom-
Mission des Reichstages erklärte die Wahl de-
sozialdemokratischen Abgeordneten PeuS (8. Wahlkreis,
Potsdam) für giltig.
* München, 26. Febr. Das KriegSmini-
st erium hat aus dienstlichen und wirthschaftlichen
Gründen adgrlehnt, einen Versuch der Versorgung der
Garnison mit direkt von den Landwirthen bezogenem
Vieh und Fleisch zu machen.

Auf das
„Pfälzer Bolksblatt"
kau« schon für den Monat
März
abonnirt werden. Bestellungen nimmt jede Postaustalt
ivtvie unsere Expedition in Heidelberg, Zwivgerstraße 7,
Entgegen.
Probermuttner« werden auf Wunsch gerne Porto-
!kei Jedermann zugesandt.

cheiul täglich mit Ausnahme der Sonn- u.
ertaae. «donnemenisprei» mit dem wöchent-
en Unterhaltungsblatt «Der Sonntagsbote" für
delbera monatlich 80 H mit Trägerlohn, durch
.die Post bezogen viertelj. 1.60 franco

Die Alte schüttelte den Kopf.
„Wunderlicher Mann, der! Was mag ihn so plötzlich
für den Kranken einnehmen, von dem Niemand weiß, wo-
her er kommt, wohin er gebt und der zudem auch noch
mit einem ansteckenden Fieber behaftet ist."
Aber sie war'S doch zufrieden, die Alte, denn einmal
fürchtete ste sich vor Ansteckung, und dann wußte sie sti-
mm eines reichen Lohnes sicher; denn der Kapitän ist gut,
dachte sie.
Das Krankenzimmer nahm nun recht bald ein günsti-
geres und geordneteres Aussehen an. Stundenlang saß oft
der Kapitän am Bette des Kranken, bei Tage und bei
Nacht, nut einer zähen Ausdauer, welche Jedermann Be-
wunderung oder auch Staunen einflößte. Seinen Freunden
hatte er gesagt, er habe den Kranken auf seinem Zimmer
gefunden; er betrachte es als Gottes Fügung, und wolle
ihn nun auch Pflegen, und da ste des Kapitäns Gutherzig-
keit und Eigenheiten kannten, so forschten sie nicht nach
weiteren Gründen. Der Gastwirth aber war froh, einer
lästigen Sorge und Verantwortung enthoben und guter
Zahlung sicher zu sein.
So oft der Kranke mit seinen Phantasien begann,
horchte der Kapitän auf, und immer aufs Reue suchte er
den bei dem Namen Graham verlorenen Faden wieder an-
zuknüpfen, indeß stets vergeblich. Umsonst waren auch die
Bemühungen des Kapitäns, den Namen und Wohnort d s
jungen Mannes zu erfahren Er war am Abend im Hotel
angekommen, halte sich sofort aus sein Zimmer begebm
und seinen Namen in das Fremdenbuch nicht eingetragen;
am andern Morgen fand man ihn in Fieberphantasien
liegend. Da der Zustand des Kranken sich nicht verschlim-
merte und der Arzt die beruhigendsten Versicherungen gab,
hatte man eS bis jetzt nicht für nothwcndia gehalten, in
dem Koffer des Kranken nach Anhaltspunkten über seine
Person zu suchen. Der Kapitän wollte auch nicht indiskret
sein, so groß auch seine Neugier über die näheren Verhält-
nisse des Fremden war.
Eines Tages, als der Kapitän wieder aus dem
Krankenzimmer kam, um in dem langen Korridor Luft zu
schöpfen, blieb er in Gedanken versunken an dem Fenster

Lettischer Reichstag.
B erli n, 26. Febr.
Zweite Berathung deS Etats deS Verwaltung der
Reichseisenbahnen. Fortsetzung der Debatte bei Titel 1
Einnahmen.
Abg. Bueb (Soz.) kommt nochmals auf die Frage
der Kilometerheste zurück, deren Einführung keine
Schwierigkeiten bieten würde. Wegen deS etwa damit
getriebenen Mißbrauch- könne man die Einführung
doch nicht verbieten.
Eine Reihe von Titeln wird ohne erhebliche De-
batte angenommen.
Abg. Bueb (Soz.) bemängelt den PersonentranS-
port im Reichslande, auch hier sei bei Personentrans-
porten die Verwendung von hergerichteten Viehwagen
beliebt. Das erkläre sich aus der Personal Union mit
der preußischen Verwaltung. Redner beklagt ferner
die Unzulänglichkeit des Bahnhofes in Mülhausen im
Elsaß.
Abg. Förster (Ref.-Part.) tritt für die Besserst«!-
lung der Eisenbahndureaubeamten ein.
der Portierloge stehen, in welche« die an das Hotel adres-
strten Briefe und Telegramme für die in demselben ver-
kehrenden Gäste in alphabetischer Reihenfolge ausgestellt
waren.
Da plötzlich blieb sein Auge an einer Bnefadrefse
haften: Walter Marshall; der Aufgabeort war New-York.
Gleich daneben wiederholte dieselbe Adresse sich auf einer
Depesche. Das Datum der Aufgabe zeigte, daß sowohl
Brief als Depesche schon mehrere Wochen alt seien.
Der Kapitän stutzte. Wer ihn beobachtet hätte, würde
bemerkt haben, daß diese Adressen ihn lebhaft interessirten,
und so war eS. Es war mehr als bloße Neugierde, als
der Kapitän jetzt den Portier aufsuchte und an chn die
Frage richtete, ob der Mann dieses Namens noch immer
nicht angekommen sei, ob derselbe vielleicht früher hier
schon einmal logirt usw.
Der Portier mußte zum Leidwesen des Kapitäns
diese Frage verneinen. Jetzt hatte er zwei Namen, welche
ihn beschäftigten, ja man sah es ihm an, die Träger der-
selben batten für ihn mehr als gewöhnliches Interesse.
Seine Freunde kannten den Kapitän nicht mehr wieder,
so sehr hatte er sich in wenigen Tagen verändert. Wie ein
Philosoph, der den Stein der Wessen erforscht, ging er
gesenkten Hauptes, sinnend und brütend daher: sein heiteres,
zum Scherzen aufgelegtes Wesen war tiefem Ernst gewichen.
Wieder saß er an dem Bette des Kranken in Nach-
denken versunken. Er hatte Lre Wärterin das Zimmer ver-
lassen heißen. Der Kranke war sehr unruhig und warf sich
hin und her; seine Hände schienen etwas zu suchen, ste
tasteten unter dem Kissen, und als der Kranke sich wieder
hcrumwarf, fiel etwas auf den Boden. Jetzt merkte der
Kapitän auf und griff nach dem Gefallenen. Es war eine
kleine feine Stickerei, vielleicht ein Lesezeichen oder etwas
ähnliches, von zarter Hand verehrt, und stehe da: von
Vergißmeinnicht umrahmt, der Name „Walter Marshall"
und niedl ch und bescheiden in der Ecke rechts stand noch
ein Name: „Jessie Graham."
(Fortsetzung folgt )

Der Jesuiten-Antrsg des Centrums
freitet den politischen Zeichendeutern einige Kopf-
iLmerzen. Sie möchten doch gern wissen, was das
Zentrum bezweckt, indem eS den Antrag „gerade in
diesem Augenblicke" eindringt. Die einfachste und
Natürlichste Erklärung genügt diesen Leuten ja nicht;
Ei muß hinter allem, waS das Centrum «Hut, etwas
>avz Verschmitztes stecken. Die Voss. Ztg., die in
olchen Dingen immer am scharfsichtigsten ist, sieht in
><r Erneuerung des Antrages ein „sicheres Kennzei-
chen dafür, daß das Centrum von der Bahn der
«kgierungSsreundlichkeit entgültig abgeglitten." Schade,
daß gegenwärtig keine wichtige Frage zur Entscheidung
fleht, sonst könnte man sich die Sache sehr leicht ma-
chen, indem man sagte: das Crntrum stellt seinen
Preis für dar neue Handelsgeschäft. Doch halt, näch-
stens kommt dcr Marineetat zur Berathung; wir bit-
ten unsere guten Freunde, das im Auge zu behalten,
ES dürfte sich um das Ultimatum handeln: keine Je.
suiten, keine Kähne. Bis daS vor aller Welt offen-
mvdig wird, müssen sich die Leser schon mit der nüch-
lernen Erklärung begnügen: das Centrum war sich
und seinen Wählern die Erneuerung des Antrages
Einfach schuldig. Vor 2 Jahren (20. Febr. 1895)
hat sich der Reichstag zum zweiten Male für die Auf-
Hebung des Jesuitengesetzes ausgesprochen. Die Re-
gierung reagirte nicht darauf. Ein Jahr und vier
Monate später, am 17. Juni 1896 fragte das Cn-
lrnm an, wie es mit der Sache stehe. Der Reichs-
kanzler erklärte, der BundeSrath, der erst vor zwei
Jahren die Aufhebung deS Gesetzes abgelehnt habe,
habe keinen Anlaß gehabt, sich von neuem mit der
Frage zu beschäftigen. Es sei jedoch beabsichtigt, zu

Stotz und Liebe. M.--
*8) Dem Amerikanischen nacherzählt.
,. „Ich suche meinen Vater, gerade wie Telemach den
'Einen suchte. Laben Sie von Telemach und Ulysseus
gehört?"
. Der Kapitän schwieg; die Worte Walters hatten Er-
'Nnerungen in ihm geweckt; diese führten ihn zurück in
l-n alter, waldverlorenes Haus, wo er einstens die wunder-
baren Abenteuer des Helden gelesen hatte.
Walter suhr in seinen Phantasten fort: „Ich suche
Minen Vater, und als ich Jessie von ihm erzählte, aui
M Bank unter den Fichten — weinte ste laut, weil ihr
Vater gegen ihn gezeugt hatte. Kennen Ste Mr. Graham?"
„Wen?" rief der Kapitän aufspringend und sich ganz
dicht über Walter beugend. „Wen soll ich kennen?"
... Aber Walter antwortete ihm nicht. Die Hast des Kapi-
ians hatte ihn erschreckt m d er blieb fortan stumm und
vewegungSlos, so sehr sich auch der Kapitän bemübte, den
verlorenen Faden wieder anzuknüpfen. Aber die Nennung
ves einen Namens Graham hatte genügt, das ganze In-
E"'sse des Kapitäns für den Kranken zu erregen, als jener
scannte, daß vorläufig seine Bemühungen, mehr aus dem
Mdenden herauszubekommen, vergeblich sein würden, ver-
er sich in tiefem Nachdenken, so daß er das Eintreten
Wärterin nicht bemerkt hatte. Dieie war erstaunt, den
-Evpssän noch hier anzutreffen; erst ihr Nähertreten an
US Lager des Kranken weckte ihn aus seinem Sinnen.
Kranke hatte müde die Augen geschlossen und schlum-
«erte.
Der Kcpitän erhob sich und bemerkte der ihn verwun-
W anschauenden Pflegerin, baßer von nun an die Pflege
ve» Kranken überwachen und zum Thcil selbst übernehmen
j"Erde. Er erkundigte sich eingehend nach allem, was bis
'M für den Leidenden geschehen, und nach den Anord-
Mgen des Arztes usw. und gab der Wärterin noch den
Mellen Auftrag, wenn dcr Arzt am nächsten Morgen
wiederkehre, ihn, den Kapitän, zu rufen, da er mit dem-
'kiven wegen deS Kranken zu reden habe-

prüfen, ob etwa noch „die eine oder die andere" Con-
gregation, die durch BundesrathSverordnung unter das
Jesuitengesetz gestellt war, davon ausgenommen werden
könne. Die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen.
Nachdem im Jahre 1894 die Redemptoristen wie-
der zugelassen worden sind, fallen außer den Jesuiten
nur noch zwei Congregationen unter daS Gesetz, die
Lazaristen und die, Damen du Laerd 6oour. Fast
drei Viertel Jahre hat nun der Bundesrath Zeit ge
habt zu „prüfen", ob „die eine oder die andere" die-
ser beiden OrdenSgesellschaften wieder iu Deutschland
zugelassen sei. Wir hatten nach der Erklärung deS
Reichskanzlers bestimmt erwartet, die Prüfung werde
nächstens zuerst zu Gunsten der Lazaristen auSfallen.
Man hört aber nichts mehr von der Sache. Da hat
doch daS Centrum daS Recht und die Pflicht,
ein Mal wieder die Sache anzuregen. Und da wir
nicht damit zufrieden sind, daß „die eine oder die an-
dere" Congregation von dem Gesetze ausgenommen
werde, sondein die gänzliche Aufhebung des Gesetzes
vorbringeu müssen, so konnte das Centrum nicht au-
frogen, wie eS mit der versprochenen Prüfung stehe,
sondern es mußte seinen Antrag erneuern.
Bekanntlich sprach sich bei der vorigjährigen Inter-
pellation sogar der Abg. v. Bennigsen für die Auf-
hebung des JnternirungS- u. Extcrairungsparagra-
phen aus. Ein entsprechender Antrag würde vom
Reichstage ohne weiteres mit großer Mehrheit ange-
nommen werden. Uns könnte er freilich nicht befrie-
digen, und daS Centrum könnte ihn unmöglich ein-
bringen. Aber warum beachtet auch die Regierung
den Wink nicht und bringt eine Vorlage ein? Ihr
ganzes passives Verhalten zeugt doch von gar gerin-
ger Rücksichtnahme, wir wollen nicht sagen, auf daS
Centrum, dem sie so viel verdankt, sondern auf den
Reichstag. Und glaubt sie denn wirklich, die kath.
Bevölkerung sehe das mit Gleichmuth und Geduld an?
Da kennt sie die Stimmung schlecht. Im Volke sagt
man: wir haben von der Regierung gar nichts zu
erwarten; ob sie sich culturkämpferisch oder freundlich
uns gegenüber geben mag, in diesem Punkte bleibt ste
sich immer gleich, einerlei welche Personen an der
Spitze stehen.
Der neue Antrag hat leider aus dem vorigjähri-
gen und dem jetzigen Abschnitte der Session noch so
viele Vorgänger, daß er vorläufig nicht zur Berath-
ung kommen kann, wenn man ihm nicht einen Platz
außer der Reihe einräumt. Daß dieselben Parteien,
die ihm vor zwei Jahren zugestimmt haben, ihm auch
d es Mal die Annahme nicht versagen werden, glau-

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