Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

DOI issue:
April 1897
DOI article:
Nr. 79
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0329
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Mlzer Mksblütt

Welderg, WMlM den 8. April 1897.

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber insZH eidelbejrg.

Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
loH, Reklame 25 Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen, sowie sürJahres-Anzeigen bedeutend
Rabattbewilligung.
Expedition: Awiugerftraße 7.

»edition
>elberg,
Zwtngerftraße 7.

Druck, Verlag u Exw
Gebr. Huber in Herd

Für das Weite GuartaL 1897
^weu noch immer alle Postämler'Bestellungen auf
'k täglich erscheinende Zeitung
»Pfalzer Bottsblatt"
der wöchentlichen Gratisbeilage „Der Sonntag«-
sowie unsere Expedition Heidelberg
7 entgegen.
Expedition des „Pfälzer Volksblatt".
Heidelberg, Zwingerstraße 7.

Hrr Antrag des Centrums auf Aufhebung
j des Jejuitrngesetzes
am Samstag wiederum vom Reichstage in dritter
Mng angenommen worden, obwohl der frühere oe°
Muß des Reichstages über denselben Gegenstand noch
x, ^kr nicht vom BundeSrath erledigt worden ist. Nach
Auskunft vom Tische der BundeSratheS schwebten
^Wägungen" darüber, wie der BundeSrath zu die-
Beschlüsse des Reichstages sich stellen solle. Frü-
klaubte man, diese Erwägungen hätten zum Ge-
^Mand, ob, wie früher schon die Priester vom hl.
und die Congregation der Redemptoristen, so
auch die Congregation der Lazaristen und die
Muschaft vom hl. H rzrn Jesu als nicht mehr
^"en-verwandt- von den ungerechten Bestimmun-
»a de- JejuitengefttzeS ausgenommen werden könnten.
...Mr diese Erwägungen ist dann auch dem Bundes
dorn schlich Zeit gelassen worden. Die Gesellschaft
ril» Harzen Jesu anlangend, so ist dieselbe voto-
d.» "ur deshalb unter die „jesuitenverwandten- Or-
^ürrathen, weil im Jahre 1873 ein hoher Bundes-
,, Ansicht war, die „Gesellschaft vom h. Herzen
d iu bestehe aus Männern. Nachdem entdeckt wor-
«iik das ein kleiner Jrrthum sei, war für
. Leute die Jesuiten Verwandtschaft sofort auS-
u-^ait. Ein hoher Bundesrath jedoch konnte mit
Ole» »Erwägungen" noch immer nicht zu Ende kom-
Iii» Mrva übrigens seine eigene Weisheit zur Lö

Nach langen Jahren.
lizvon den Reisenden meinte, wenn der Inhaber
!i>>,»?aeüürzten Wagens so grobe Eile habe könne er ja
iten« er Pferde besteigen. Neue Angst! Vielleicht im, näch-
«ijj, Augenblick wieder uns voraus. Aber all da» berührte
ii> s.-s.uu'n noch, ich war zu müde und angegriffen, um noch
'Uschten oder zu hoffen.
dün Ä* dunkel erinnere ich mich noch, daß ich endlich aus
tztr<,Ll"uen sprang und einem Führer durch die lauten
i»i der großen Stadt folgte, und dann stand ich wie
»ob 7,°uwe vor Mr. Harrington in seinem Speisezimmer
er a-Aablte, gewiß so verwirrt wie möglich. Zuerst mochte
wahnfinnig halten, doch al- ich ihm die beiden
'gezeigt hatte, sprang er auf und rief:
lern»'».. haben recht und brav gehandelt; aber nun darf
k keine Minute verloren werden."
einx Awteunigft traf er die röthigen Ano dnungeu und
später war ich mit ihm schon wieder unter-
iMs - "w lag in der Wagenecke und war so müde und
lkan!^., daß ich kaum Mr. Harrington'» eilige Fragen
lejsx Arten konnte. Wieder graute der Morgen, alt er
Uwe Land berührte und ruhig sprach:
Kr stnd in Stapleford."
dvrw freundlich und sriedlich auSschauendcS Dorf lag
stiegen vor dem WirthSbause ab. Mr. Har
LrA?. erkundigte sich, ob ein Mann Namen» Re: fern im
ich«, und man zeigte ihm einen Pachthof an der B:rg-
»pHFr erklärte, diesen Gang allein machen zu wollen,
H,?. wich im Wagen zurück.
>>M»n war Müdigkeit und Abspannung wieder über-
lEder Nerv in mir zuckte vor ungeduldiger Er-
Mir Ware» wieder, als ob Mr. Harringtons
d»rStunde» »ähre. Gegen sechs Uhr Morgens
^krsab wich aus dem Wagen lehnend die Straße
welche wir gekommen waren, und da — da — ich
Mrn,f-w!ch nicht, auf der Höhe erschien Mr. Raven»-
Ubey ^-ii^"9eu. Er war noch fern, aber ich erkannte die
«en Wenn er nun doch noch eintraf, bevor wir
« verlassen hatten! Die Bewohner jenes Pachthofts

„einen Gelehrten fragen" können. Als eS galt, Cul-
turkampfSgesetze zu machen, haben die „Gelehrten" ja
ganz erstaunlich rasch gearbeitet. Vielleicht hätten sich
j»tzt, wo es gilt, thörichte CultnrkampfSbestimmungen
adzuschaffen, doch auch der eine oder andere gefunden,
der in einigen Wochen oder wenigstens Monaten mit
der schwierigen Frage fertig geworden wäre.
Kein Wunder, daß dem Centrum die Geduld auS-
ging, und eS seinen Antrag wiederholte, wenn eS auch
nur war, um den hohen BundeSrath auf'S neue vor
die Frage zu stellen. Wenn derselbe nicht den Muth
hatte, den Antrag einfach anzunehmen, so sollte er
wenigstens den Muth haben, ihn offen abzulehnen.
Der Reichstag konnte natürlich gar nicht anders, als
den Antrag wieder anzunehmen. Wenn dann der
BundeSrath wieder mit „Erwägungen" vorging, so
wurde die Lage aber endlich doch m hohem Maße
peinlich, zwar nicht für das Centrum, wohl aber für
den Bunde»rath und andere Leute, welche nun auch
„die Jesuitenfrage satt" haben, gerade wie einst Herr
v. Meyer ArnLwslde sehr bald und früher als andere
Leute „den Culturkampf satt" bekommen hatte. So
kam es, daß dem anscheinend hülfloseu und bedrängten
BundeSrath nun auf ein Mal von zwei Seiten gleich-
zeitig theilnehmende Hülfe wurde. Da der BundeSrath
den Weg nicht fand, so griffen ihm der Abz. Rickert
und der Abg. Graf Limburg-Stirum unter die Arme,
indem sie beantragten, wenigsten» den ß 2 des Je-
suitengefetzeS aufzuheben, welcher da von „Ausweisung
ausländischer" und „Jnternirung inländischer Jesuiten
handelt und als solcher in unserer ganzen Gesttzzebung
d« sonderbarste und lächerlichste Anachronismus ist,
den ein moderner Minsch sich denken kann.
Man kann beiden Antragstellern nur dankbar sein ;
sie haben sich nicht nur um den kath. VolkStheil imDeut-
schen Reiche, sondern auch um den guten Ruf der
deutschen Reichtgefttzgebuug wohlverdient gemacht. Dem
Centrum kamen beide Anträge in so fern durchaus
gelegen, als eS für de sselbe auS prinzipiellen Gründen
schwer thunlich gewesen wäre, seinerseits mit einem
solchen Anträge dem BundeSrath eine goldene Brücke
zu bauen.
Der Reichstag nahm beide Anträge mit großer
Mehrheit an. Die Freisinnige Vereinigung, deren
Führer, der Abg. Rickert, der Vater des nun ver-
wirklichten Gedankens ist, stimmte ihnen geschlossen zu,
die Freisinnige Volkspartei zum größten Theil. Ebenso
stimmte von den Nationalliberolen der größte Theil
zu, nachdem im vorigen Jahre bereits Herr v. Ben-
nigsen für seine Fraktion die Zustimmung in Aussicht
mußten mit ihm bekannt, ihm wohl verpflichtet sein, nim-
mermehr würden sie den Knaben berausgeben, falls er sich
widersetzte. Ich hielt cs an der Stelle nicht aus, sondern
ließ den Postillon in den schmalen Weg einlenken, welcher
zum Pachthof führte. Die Bäume, welche den Weg ein-
faßte», mußten unser Fuhrwerk wohl ihm verbergen,
während ich da» sciniae beobachten konnte. Ach, es kam so
furchtbar schnell näher! Ich wußte mir nicht mehr zu rathen.
Selbst zum Hause laufen, das ging nicht an, eS hätte dort
Verdacht erwecken können. Ich mußte wieder mit dem Ge-
fühl meiner Oknmachr ausharren.
Endlich, endlich vernahm ich willkommene Schritte,
hörte Stimmen und um die Biegung des Weges kam Mr.
Harrington daher mit einem Manne, der einem Pächter
glich, und zwischen Beiden der Knabe, welchen wir seit
drei Jahren betrauerten. Er war größer, sonngebräunt,
in fremder Kleidung, aber ich hatte ihn doch sofort wieder
erkannt meinen Liebling. Aber verrathen durfte ich meine
Freude nicht, durste nicht zeigen, daß ich den Kleinen kenne;
denn der Mann betrachtete mich ohnehin sehr erstaunt und
mißtrauisch. Doch Mr. Harrington hob den Knaben in den
Wagen und drückte dem Manne Geld in die Hand. Dann
gab rr Befehl zuzufahren und als der Wagen umwandte,
erblickte ich wieder die gelben Räder durch die Bäum-.
Noch einen Augenblick hielten wir an, da der Mann noch
etwas zu fragen hatte und Mr. Harrington Antwort gab.
Nun gings endlich vorwärts und ich ergriff Mr. Harring-
tons Hand und flüsterte ihm athemlos zu:
„Er kommt denselben Weg, wir können nicht aus-
weichen, wenn wir nicht eine andere Richtung nehmen."
Er verstand mich augenblicklich. Nicht weit vor uns
zweigte sich ein Weg ab. Mr. Harrington befahl dem Kut-
scher, in die Pferde zu hauen, was er könne, und dort
rechts abzubiegen. Mit klopfendem Herzen maß ich den
Raum bis dahin. Wir erreichten die Stelle, wir lenkten ab,
und nun blickten wir Beide zurück. Nicht lange, und der
gelbe Wagen brauste die Straße hin. Man hätte uns noch
sehen können. Aber Niemand zügle sich am Fenster. Wir
durften uns als gerettet betrachten und ohnmächtig sank
ich in die Kissen zurück.

gestellt hatte. Von de» Conservativen stimmte nur
der kleinere Theil unter Führung des Grafen Lim-
burg-Stirum zu, immerhin aber ein größerer Theil,
als man im vorigen Jahre hoffen konnte, wo eS für
den Grafen Limburg noch eia Wagniß zu sein schien,
daß er diesen Gedanken ongriff. Die einzige Partei,
die geschlossen gegen die Anträge stimmte, war, wie
schon betont wurde, die Deutsche Reichs Partei unter
Führung des Frhr. v. Stumm. Ueberraschen konnte
die Stellungeinuahme nicht mehr; mehr und mehr
hat Hr. v. Stumm sich dahin entwickelt, daß er, wenn
nicht den UltramontaniSmuS", wie der frühere Jesuit
Graf Hoensbroech, so doch den „JesuitiSauS" für
schlimmer und gefährlicher hält, wie die ihm so ver-
haßte Sozial-Demokratie. Da hat sein BerufSgenoffe
Krupp doch einen weiterer Blick. In diesem Jahre
war er bei der Abstimmung nicht anwesend; im
vorigen Jahre aber hat er für den CentrumS-Antrag
auf Aufhebung des ganzen Jesuitengesetzes gestimmt.
Nun hat also der hohe BundeSrath zwei fertige
Gesetz-Entwürfe zur gefälligen Auswahl vor sich
liegen, einer, welcher das ganze Gesetz aufheben will,
und einer, welcher nur Z 2 desselben beseitigt.
ES wäre vermessen zu hoffen, daß er den ersten jetzt
annehmen werde, da er sich ja durch Annahme deS
letzter» so bequem für einige Zeit loskaufen und
„weiterfretten" kann. Er wird also nur den letztem
in Betracht ziehen. Hoffentlich nimmt er aber nun
auch diesen endlich an, so bald die stille Zeit im
Sommer ihm dazu Muße gewährt. Er wird doch
endlich einsehen müssen, daß eS Dinge gibt, die man
nicht länger links liegen lassen kann, ohne ein allge-
meines Kopfschütteln hervorzurufen.
Bisher sind dem BundeSrath eingehende Reden
über die Sache erspart geblieben. Graf Hompesch als
der Wortführer der CentrumS hat sich stets darauf
beschränkt, in zwar ernster und eindringlichen, aber
doch auch verhältnißmäß'g kurzer Weise den Antrag -
zu begründen. Wenn es aber nothwendig wird,
längere Reden über die Sache zu halten, dann kann
der BundeSrath nicht zweifelhaft sein, welchen Ton
diese anschlage» werden. Sie würden einfach daS
Thema variiren: ist denn wirklich das deutsche Reich
in Gefahr, wenn den Katholiken in Dm schland einige
Jesuiten-Niederlassungen cor.cedirt werden? Kann
die große deutsche Cioilisation wirklich die Kritik nicht
aushalten, wenn sie von einigen Jesuiten in der Nähe
betrachtet wird ? Fürchten Vie gelehrten deutschen
Professoren, denen alle Machtmittel der Staates zur
Verfügung stehen und die zehn Mal so zahlreich sind,
Es machte lange gewährt haben, bi» ich wieder zu
mir kam, den frischen Wind an meinen Schläfen fühlt«
und Mr. Harrington freundlich sprechen hörte. Wie aus
einem tiefen Traume erwachte ich und da saß mir gegen-
über mein theuerer Gerald, mich aus großm Augen ver-
wundert und ängstlich anstarrend. Wir waren in der Nähe
Londons und hatten die Fahrt größentheilS ans Neben-
wegen gemacht, um Jasper Ravensbourne auszuweichen.
Alles war in Sicherheit, versicherte Mr. Harrington, und
ich glaubte ihm. Nach und nach schien auch in dem Kinde
die Erinnerung wieder lebendig zu werden, es schla- g sei
nen Arm um mich, als ich es küßte und streichelte, und-
der Mutter Augen waren es, mit welchen der Kleine mich
anschaut?.
Es wurde abgemacht, daß ich vorausreisen sollte, um
Myla y vorzubrreiten. Eine Nacht ruhte ich in Mr. Har-
ringtons Wohnung aus, dann machte ich mich wieder auf
den Weg, und am sechsten Abend nach meiner Abreise
öffnete ich wieder das kleine, grüne Gartenthor. Mit wel-
chen glücklichen Gefühlen that ich e» !
Mylady schrie vor Freuden auf, als sie mich erblickte
und streckte mir die Arme entgegen. Sie that einige Fra-
gen, aber ich antwortete nur, daß Alles gut stünde und
ich ihr morgen Bericht erstatten «ür e. Gleich mit der
Freudenbotschaft vorzurücken, konnte ich nicht wagen.
Auch am nächsten Morgen hielt ich mich so viel als
möglich fern von ihr, damit meine Freuve sich nicht zu
früh vrriethe. Von dem Kindtmädchen hörte ich, daß Mr.
Ravensbourne verreist und noch nicht zurückgekehrt sei.
Auch gegen sie schwieg ich, weil ich noch nicht wußte, wie
viel von der ganzen Geschichte überhaupt erzählt werden
dürfe- So verrichtete ich währe-d des Tages meine ge-
wöhnlichen Arbeiten und ging spät Nachmittags mit mei-
ner Näharbeit in'- Zimmer meiner Herrin. Sonnenunter-
gang war nicht mehr fern und vor Ablauf des Abend;
durste ich die Reisenden erwarten. '
(Schluß folgt)

»ffcheiut täglich mit Ausnahme der Sonn- u. _
Tr«on für Waßrkeit, Freilmi L KM
«erdelberg monatlich KV H mit Trägerlohn, durch r
Post bezogen Viertels, 1.60 franco.
 
Annotationen