alr die Jesuiten in Deutschland je werden können,
wirklich den wissentlichen Kampf mit einer Hand voll
Jesuiten, die nichts haben als ihr Wissen und denen
die Freiheit der Wissenschaft in Deutschland voraus-
sichtlich auf lange Zeit noch auch die kleinste Staats«
stelle vorenthalten wird? Der sozial-demokratische
Abgeordnete v. Vollmar war ja am Freitag schon
boshaft genug, dieses Thema anzutönen. ES kann
aber auch noch kräftiger durchgeführt werden, so daß
aus einer solchen Debatte ein sonderbarer Ehrentag
für die hochberühm'.e deutsche Wissenschaft entstehen
könnte.
Man mache also doch endlich entschlossen einen
Strich durch die rückständigen Altwriberängstlichkeiten
und die vorfindfluthlichen Vorurtheile, welche bisher
das Jcsuitengesetz aufrechterhalten haben und lasse
diesen letzten Rest des Culturkampfts in der Reichs-
gesetzgebung fallen. Der ganze nicht mit allzu wenig
Verstand begabte Theil der protestantischen Bevölker-
ung wird eben so aufathmsn wie der Bundesrath
selber, wenn letzterer endlich den Muth gefunden hat,
daS deutsche Volk von der Seeschlange zu befreien,
zu der sonst dis Jesuiten-Frage sich auszuwachsen droht.
Deutsches Reich.
* Berlin, 6. April. Der Kräftezustand des
Staatssekretärs v. Stephan ist andauernd schwach.
Gegen heute Morgen kein weiterer Rückgang. —
Staatssekretär Hollmann tritt am 11. d. M. eine
Urlaubsreise nach Italien an. Tirpitz wird die Ge-
schäfte erst im Juni übernehmen, da sein Gesundheits-
zustand ihn zwingt, vorher Urlaub zu nehmen.
* Wiesbaden, 6. April. Der NeichZtagsabge-
ordnete, Kommerzienrath Adolf Koepp ist Nachts ge-
storben. Der Verstorbene war am 16. Febr. 1830
geboren, hatte Naturwissenschaften studirt und später
eine chemische Fabrik begründet. Er wurde 1893 als
Kandidat der Freisinnigen Vereinigung in der Stich-
wahl mit 11,870 gegen 9566 Stimmen gewählt.
* Greiz, 6. April. Wie die , Greizer Zeitung"
meldet, ist der Vertreter des Landrathes in Greiz,
Freiherr von USlar Gleihen seiner Amtes enthoben
worden. Derselbe hatte bekanntlich am Tage der
Hundertjahrfeier eins preußische Fahne, die von einem
preußischen Staatsangehörigen auSgesteckt war, ent-
fernen lassen.
Deutscher Reichstag
Berlin, 6. April.
Am Bundesrathstisch Staatssekretär Nieberding.
Präsident v. Buol eröffnet die Sitzung.
Fortsetzung der 2. Berathung des Entwurfes eines
Handelsgesetzbuches nebst Einführungsgesetz. Bei Z
238 (zweites Buch, Handelsgesellschaft) begründet
Abg. Bassermann (natl.) als Referent einen Zu-
satz der Commission, daß Mitglieder des Vorstandes
und Beamte einer Aktiengesellschaft au der Wahl des
AufsichtSratheS nicht theilnehmen dürfen.
Abg. Freiherr v. Stumm (Reichsp.) beantragt,
diesen Zusatz dahin abzuändern, daß Vorstandsmit-
glieder und Beamte einer Gesellschaft, deren Aktien
nicht auf Namen lauten, an der Wahl nicht theilnehmen
sollen.
Abg. Lenzmann (freis. BolkSP.) bittet die Anträge
Stumm und Gamp abzulehnen und den Zusatz der
Commission zu streichen.
Abg. Spahn (Centr.) spricht gegen den Antrag
Gamp und für den Antrag Stumm.
Der Antrag Gamp wird abgelehnt, der Antrag
Stumm mit dem Commissionszusatz wird ebenfalls
abgelehnt.
Zu 8 240 hat die Commission einen Zusatz bean-
tragt, wonach bezüglich der Vergütung für die Auf«
sichtsrathSmitglieder festgesitzt wird: „Besteht die Ver-
gütung in einem Antheil am JahreSgewiun, so ist der
Antheil vom Reingewinn zu berechnen, welcher nach
Vornahme sämmtlicher Abschreibungen und Rücklagen,
sowie nach Abzug eines für die Aktionären bestimmten
Betrages von 4 vom Hundert des eingezahlten Grund-
kapitals verbleibt. ,
Abg. Stumm (Reichsp) beantragt den PassuS
betr. den Abzug von 4 pCt. vom Grundkapital zu
streichen.
Abg. Tnmborn (Ctr.) stellt einen neuen Antrag
zu Z 249.
Die Berothung des 8 249 wird bis zum Schluß
der Drucklegung des neuen Antrags ausgesetzt.
Eine Reihe von Paragraphen wird nach den
Kommissionsbeschlüssen erledigt.
Unter Ablehnung mchrerer unerheblicher Anträge
werden die Paragraphen bis 292 nach den Corn-
missionsbeschli ssen erledigt.
Zu 8 293 beantragt Abg. Stephan-Beuthen (Ctr.)
einen Zusatz: Stellt sich bei der Auflösung einer Ge-
sellschaft nach bereits erfolgter L-quidation nachträglich
noch weiteres der Vrrtheilung unterliegendes Vermögen
heraus, so hat auf Antrag eines Betheiligten daS
Gericht die bisherigen L quidatoren erneut zu bestellen
oder reu zu ernennen.
Nachdem die Abgg. Lrnzmann (freis. BolkSP.) und
Staatssekretär Nieberding sich dem Anträge ange-
schlossen, wird derselbe angenommen. Die HZ 294
bis 338 werden nach den CommissionSbeschlüsfen an-
genommen.
Abg. Lenzmann (frs. Bp.) beantragt, die ZZ 339
bis 343 in der Fassung der Regierungsvorlage wieder
herzustellen. Diese Paragraphen im Buch 3 (Handels-
geschäft) handeln über versprochene Vertragsstufen,
Bürgschaften, Schuldversprechrn und Schuldanrrkennt-
nisse, bszügl. deren die nach dem Bürgerlichen Gesetz-
buch geltenden Einreden von Kaufleuten nicht gelten.
Die Commission habe die Streichung dieser Para-
graphen beantragt.
Bundesrathsbevollmächtigter Dr. Klügmann-Lübeck
befürwortet die Aufrechterhaltung dieser Bestimmungen,
die geltendes Recht seien und deren B-seitigung auch
von den Kaufleuten selbst nicht gewünscht wird und
die nichts dagegen haben, unter Sen bisherigen strengen
Bestimmungen weiter zu leben.
Bundesrathsbevollmächtigter Dr. Burckhardt-Ham-
burg schließt sich dem Anträge Lrnzmann an. In
Hamburg gelten die bezüglichen Bestimmungen nicht
nur für den Handelsverkehr, sondern für den Verkehr
überhaupt und man hätte damit keine üble Erfahrung
gemacht.
Die Z 339, 340, 341 und 343 der Vorlage wer-
nach kurzer Debatte angenommen. Gestrichen wird Z
342 (Kündigungsrecht bei Schulden mit mehr als 6
PCt. Verzinsung.) Angenommen werden ferner, d'e
Pharagraphen bis 465 nZch den KommissionS-Be-
schlössen. ES folgt die Weiterberathung des Z 240.
Der Antrag Tnmborn, bestimmt außer redaktionellen
Aenderungen der Kommissionsfassung, daß, wenn Auf-
sichtsraths Mitgliedern eine Vergütung im Gesellschafts-
vertrags festgesetzt ist, eine Herabsetzung von der Ge-
neralversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit ge-
schlossen werden kann.
Der Antrag wird mit einer von Trimborn bean-
tragten Ergänzung, daß der vor Abrechnung des An-
theils am Jahresgew'mn für die Aufsichtsrathsmit-
glieder vorzunehmrnde Abzug für dir Aktionäre min-
destsrs 4pCt. des Grundkapitals betragen soll, ein-
stimmig angenommen.
Gump (Reichsp.) beantragt die Lu bloe-Aunahme
des Restes deS Gesetzes und des EinführungSqesetzes
und Verschiebung dec Resolutionen auf die 3. Lesung.
Der Antrag wird einstimmig angenommen. Nächste
Sitzung morgen 1 Uhr. 3. Lesung dsS Vertrages mit
der Schweiz. 3. Lesung des Handelsgesetzbuches.
Schluß 5 Uhr 50 Mm._
Ausland.
* Rom, 5. April. Der Int. Corr, w-rd ge-
schrieben: Leo XIII. richtete an die Bischöfe Spaniens
die Aufforderung, sich jeder Begünstigung der Car-
listenbewegung zu enthalten, vielmehr dieBevölkerung zur
Treue gegen die jetzige Dynastie zu ermahnen. Zu-
gleich überreichte der Papst als besonderes Zeichen
seiner Verehrung für die Königin Regentin Marie
Christine dem spanischen Gesandten am päpstlichen
Stuhle einen werthvoüen Rosenkranz nebst einem la-
teinischen Widmungsgedicht für die Königin. Der
Kranz ist von dem bekannten Künstler Fantoni ent-
worfen und besteht aus Brillanten und kostbaren Edel-
steinen mit reichster Goldfassung. Das Gedicht feiert
die Königin als Musterbild christlicher
Frauen.
* Wien, 6. April. Die „Wiener Ztg." veröf-
fentlicht folgendes kaiserliches Handschrei,
ben: „Lieder Graf Badeni. Im Namen des ge-
sammten Ministeriums haben S'e Mir unter Darle-
gung der Umstände, welche sich der Herstellung fester
parlamentarischer Verhältnisse zur Zeit entgegenstellen,
die Demission des KabinetS angeboten. Ich nehme
diese Demission nicht an, da Ich Gewicht darauf lege,
daß eine von Mir gewählte Regierung unbeirrt durch
zeitweilige Parteischwierigleiten ihre Thätigkeit aus-
schließlich durch daS allgemeine staatliche Interesse
bestimmen lasse. Indem Ich Sie und die Mitglieder
des CabinetS der Fortdauer Mein s vollsten Vertrau-
ens versichere, erwarte Ich, daß daS Ministerium auch
künftig in patriotischer Hingebung und nachdruckvoller
Festigkeit unentwegt an jenen Grundsätzen festhalten
wird, welche in der bei seinem Amtsantritt abgegebe-
nen programmatischen Erklärung und in der Thron-
rede vom 29. März enthalten sind."
* Wien, 6. April. Das Abgeordnetenhaus wählte
mit 258 Stimmen Dr. Kathrein zum Präsidenten.
Graf AttcmS erhielt 114 Stimmen.
Die Unruhen aus Kreta.
* London, 6. April. Die „Times" melden aus
Athen von gestern, er sei augenscheinlich, daß die
BolkSleidenschast wächst. In verschiedenen Gegenden
der Stadt hört man Rufe, welche die Unthätigkeit
des Königs und der Regierung tadeln und sofortige
Kriegserklärung fordern. ES geht das Gerede, daß
wenn die Regierung die Vollziehung des nationalen
Mandates noch länger aufschieben sollte, ein Ausbruch
der Patriotismus erfolgen dürfte und. zwar nicht art
der Grenze, sondern in Athen.
* London, 6. April. Wie die „Daily New»
aus Canea melden, wird der Plan berathen, die ganze
von den Consulu bereisen zu lassen, um dl«
Aufständischen mit den Absichten der Mächte bekannt
zu machen.
* London, 6. April. Der „Standard" meld
aus Kanea von gestern: Die Admiräle beriethm hr>st
über die Einzelheiten der in Vorschlag gebrachten W '
kade des Golfes von Athen.
* Athen, 6. April. Als König Georg heute-
als dem Tage der Unabhängigkeits - Erklärung
Griechenlands, nach der Kathedrale fuhr, wurde e
von ungeheuren Volksmassen mit schrankenlosem Juder
begrüßt. Nach dem Hochamt, dar von dem Mete»'
politen celebrirt wurde, erbebte die Kathedrale von
einem gewaltigen, dreimaligen Hoch aff den K"eg-
DaS diplomatische Corps wohnte oem Gottesdienste bel-^
Aus Baden.
Heidelberg, 7. April-,
— Zur Bismarckfeier in Heidelberg
Hauptreoe bei dem Festessen anläßlich der Enthüllung
der Bismarcksbüste hat der „Geheime Hffcath Pro'.
Erdmannsdörffer," der Erfinder des geflügelten
res vom „heiligen Namen Bismarck," gehalten. Di"»
hat er, nach dem verbürgten Wortlaut im „H"vr.'
Tagebl.", u. A. Bismarck mit dem Helden „einer
neu italienischen Stadtrepnblik in der Renaissance-Zen
im 15. Jahrhundert" verglichen, „über desfea Ehrung
die Häupter deS RatheS sich nicht einigen konnts»-
Schließlich habe einer den schlaue» Vorschlag gemE'
den Helden zu ermorden, ihn in Rom heilig sprecht"
zu lassen, ihm eine Bildsäule zu errichten und rhn
Stadtheiligen anzubeten." Doch Vielleich
sei das nur eine historische Anekdote, um uns da»
angenehme Gefühl zum Bewußtsein zu bringen,
weit wir doch in unserer hum a u e n C u l t u r üb"
jenes mit Gift und Dolch so schnell felsige Z"'
alter der italienischen Renaissance erhaben sind: ,
denken nicht mehr daran, einen unbequemen groM
Mann zu ermorden, sondern wir schicken ihn aul ?
Land; wir declariren (!) ihn auch nicht ;n den
ligen, sondern zum Herzog vonLauenb n r gi
und wenn eS sich darum handelt, ihm als Zeichn»
der nationalen Dankbarkeit bei Lebzeiten ein Mon»
ment zu errichten, für das die Nation in der Erw"^
tung, daß es alsbald geschehe, die ausreichendste"
Mittel bereitgestellt hat, so warten wir ruhig ab,
er todt ist." Die festlich gestimmten Zuhörer solle"
hei diesem Vergleich applaudirt haben wie wüthlg-
Es scheint mir aber doch nicht überflüssig, zu brm"
ken, daß Herr Erdmannsdörffer an der Heidelberg"
Hochschule einen Lehrstuhl für Geschichte einnimE'
Bei dem BiSmarck-CommerS in Maunheim schloß Bam
Präsident Eckhard, der „Altersvorsitzende der National'
liberalen Badens," die Festrede: Er glaube ul dl
Worte des patriotischen schwäbischen Dichters auSbrecye
zu müssen:
Noch eine stolze Säule
Zeugt von entschwund'ner Pracht,
Auch diese schon geborsten.
Kann stürzen über Nacht.
Die Begeisterung der Zuhörer wollte kein Ende
nehmen. Die Ironie der Zeitgeschichte will es, da»
die badische Großstadt Mannheim, die vor 2 Iah""
an der Spitze der süddeutschen Städte marschirte,
den Fürsten Bismarck meuchlings zum Ehrenbürger
machten, Heuer nicht einmal ein Glückwunsch T?"
gramm für ihn übrig gehabt hat; inzwischen ist »ämsich
die nationalliberale Mehrheit in der Stadtvertretnng
in Rauch aufgegangen.
Aus Nah und Fern.
Nachrichten für diese Rubrik sind und jederzeit willkommen. — EM"
Kosten werden stet» sofort ersetzt.»
* Heidelberg, 7. April. (Mutbmaßliches Wetter wr
Donnerstag den 8. Apnl.) B-wölktes, aber ZU
g! ößern Niederschlägen geneigtes Wetter in Ausstau »
nehmen.
* Heidelberg, 7. April. Die drei Söhne des s Ä w °
dischen Kronprinzen sind in Kreuznach wie"
zur Kur angemeldet.
* Heidelverg, 7. April. Zur allgemeinen Charaktt .
sirung des Monats April schreibt Falb: „Dieser
verspricht diesmal außergewöhnlich schön, trocken »
mito zu werden und wird also seinen bekannten .
rakter gänzlich verleugnen." (Der Wetterprophet M »
damit in April geschickt) -
* Aglasterhausen, 4. April. Am vorigen SA»
tag wurden der Wirthschaftskasse in der WirthsM"!
zum „Engel" ungefähr 200 Mark entwendet.
Thäter ist noch nicht ergriffen.
* Mudau, 4. April. Bor einigen Tagen M.
Herr Postverwalter Weidner, der sich während stt"
achtjährigen hiesigen Aufenthaltes die Hochachtung"
Bevölkerung erworben hat, von hier, um in st'"
neuen Wirkungskreis Michelfeld bei Sinsheim üverz
siedeln.
* Stein Amt Bretten, 5. April. Heute Morg
halb 11 Uhr entstaub hier auf dem Geißberg
wirklich den wissentlichen Kampf mit einer Hand voll
Jesuiten, die nichts haben als ihr Wissen und denen
die Freiheit der Wissenschaft in Deutschland voraus-
sichtlich auf lange Zeit noch auch die kleinste Staats«
stelle vorenthalten wird? Der sozial-demokratische
Abgeordnete v. Vollmar war ja am Freitag schon
boshaft genug, dieses Thema anzutönen. ES kann
aber auch noch kräftiger durchgeführt werden, so daß
aus einer solchen Debatte ein sonderbarer Ehrentag
für die hochberühm'.e deutsche Wissenschaft entstehen
könnte.
Man mache also doch endlich entschlossen einen
Strich durch die rückständigen Altwriberängstlichkeiten
und die vorfindfluthlichen Vorurtheile, welche bisher
das Jcsuitengesetz aufrechterhalten haben und lasse
diesen letzten Rest des Culturkampfts in der Reichs-
gesetzgebung fallen. Der ganze nicht mit allzu wenig
Verstand begabte Theil der protestantischen Bevölker-
ung wird eben so aufathmsn wie der Bundesrath
selber, wenn letzterer endlich den Muth gefunden hat,
daS deutsche Volk von der Seeschlange zu befreien,
zu der sonst dis Jesuiten-Frage sich auszuwachsen droht.
Deutsches Reich.
* Berlin, 6. April. Der Kräftezustand des
Staatssekretärs v. Stephan ist andauernd schwach.
Gegen heute Morgen kein weiterer Rückgang. —
Staatssekretär Hollmann tritt am 11. d. M. eine
Urlaubsreise nach Italien an. Tirpitz wird die Ge-
schäfte erst im Juni übernehmen, da sein Gesundheits-
zustand ihn zwingt, vorher Urlaub zu nehmen.
* Wiesbaden, 6. April. Der NeichZtagsabge-
ordnete, Kommerzienrath Adolf Koepp ist Nachts ge-
storben. Der Verstorbene war am 16. Febr. 1830
geboren, hatte Naturwissenschaften studirt und später
eine chemische Fabrik begründet. Er wurde 1893 als
Kandidat der Freisinnigen Vereinigung in der Stich-
wahl mit 11,870 gegen 9566 Stimmen gewählt.
* Greiz, 6. April. Wie die , Greizer Zeitung"
meldet, ist der Vertreter des Landrathes in Greiz,
Freiherr von USlar Gleihen seiner Amtes enthoben
worden. Derselbe hatte bekanntlich am Tage der
Hundertjahrfeier eins preußische Fahne, die von einem
preußischen Staatsangehörigen auSgesteckt war, ent-
fernen lassen.
Deutscher Reichstag
Berlin, 6. April.
Am Bundesrathstisch Staatssekretär Nieberding.
Präsident v. Buol eröffnet die Sitzung.
Fortsetzung der 2. Berathung des Entwurfes eines
Handelsgesetzbuches nebst Einführungsgesetz. Bei Z
238 (zweites Buch, Handelsgesellschaft) begründet
Abg. Bassermann (natl.) als Referent einen Zu-
satz der Commission, daß Mitglieder des Vorstandes
und Beamte einer Aktiengesellschaft au der Wahl des
AufsichtSratheS nicht theilnehmen dürfen.
Abg. Freiherr v. Stumm (Reichsp.) beantragt,
diesen Zusatz dahin abzuändern, daß Vorstandsmit-
glieder und Beamte einer Gesellschaft, deren Aktien
nicht auf Namen lauten, an der Wahl nicht theilnehmen
sollen.
Abg. Lenzmann (freis. BolkSP.) bittet die Anträge
Stumm und Gamp abzulehnen und den Zusatz der
Commission zu streichen.
Abg. Spahn (Centr.) spricht gegen den Antrag
Gamp und für den Antrag Stumm.
Der Antrag Gamp wird abgelehnt, der Antrag
Stumm mit dem Commissionszusatz wird ebenfalls
abgelehnt.
Zu 8 240 hat die Commission einen Zusatz bean-
tragt, wonach bezüglich der Vergütung für die Auf«
sichtsrathSmitglieder festgesitzt wird: „Besteht die Ver-
gütung in einem Antheil am JahreSgewiun, so ist der
Antheil vom Reingewinn zu berechnen, welcher nach
Vornahme sämmtlicher Abschreibungen und Rücklagen,
sowie nach Abzug eines für die Aktionären bestimmten
Betrages von 4 vom Hundert des eingezahlten Grund-
kapitals verbleibt. ,
Abg. Stumm (Reichsp) beantragt den PassuS
betr. den Abzug von 4 pCt. vom Grundkapital zu
streichen.
Abg. Tnmborn (Ctr.) stellt einen neuen Antrag
zu Z 249.
Die Berothung des 8 249 wird bis zum Schluß
der Drucklegung des neuen Antrags ausgesetzt.
Eine Reihe von Paragraphen wird nach den
Kommissionsbeschlüssen erledigt.
Unter Ablehnung mchrerer unerheblicher Anträge
werden die Paragraphen bis 292 nach den Corn-
missionsbeschli ssen erledigt.
Zu 8 293 beantragt Abg. Stephan-Beuthen (Ctr.)
einen Zusatz: Stellt sich bei der Auflösung einer Ge-
sellschaft nach bereits erfolgter L-quidation nachträglich
noch weiteres der Vrrtheilung unterliegendes Vermögen
heraus, so hat auf Antrag eines Betheiligten daS
Gericht die bisherigen L quidatoren erneut zu bestellen
oder reu zu ernennen.
Nachdem die Abgg. Lrnzmann (freis. BolkSP.) und
Staatssekretär Nieberding sich dem Anträge ange-
schlossen, wird derselbe angenommen. Die HZ 294
bis 338 werden nach den CommissionSbeschlüsfen an-
genommen.
Abg. Lenzmann (frs. Bp.) beantragt, die ZZ 339
bis 343 in der Fassung der Regierungsvorlage wieder
herzustellen. Diese Paragraphen im Buch 3 (Handels-
geschäft) handeln über versprochene Vertragsstufen,
Bürgschaften, Schuldversprechrn und Schuldanrrkennt-
nisse, bszügl. deren die nach dem Bürgerlichen Gesetz-
buch geltenden Einreden von Kaufleuten nicht gelten.
Die Commission habe die Streichung dieser Para-
graphen beantragt.
Bundesrathsbevollmächtigter Dr. Klügmann-Lübeck
befürwortet die Aufrechterhaltung dieser Bestimmungen,
die geltendes Recht seien und deren B-seitigung auch
von den Kaufleuten selbst nicht gewünscht wird und
die nichts dagegen haben, unter Sen bisherigen strengen
Bestimmungen weiter zu leben.
Bundesrathsbevollmächtigter Dr. Burckhardt-Ham-
burg schließt sich dem Anträge Lrnzmann an. In
Hamburg gelten die bezüglichen Bestimmungen nicht
nur für den Handelsverkehr, sondern für den Verkehr
überhaupt und man hätte damit keine üble Erfahrung
gemacht.
Die Z 339, 340, 341 und 343 der Vorlage wer-
nach kurzer Debatte angenommen. Gestrichen wird Z
342 (Kündigungsrecht bei Schulden mit mehr als 6
PCt. Verzinsung.) Angenommen werden ferner, d'e
Pharagraphen bis 465 nZch den KommissionS-Be-
schlössen. ES folgt die Weiterberathung des Z 240.
Der Antrag Tnmborn, bestimmt außer redaktionellen
Aenderungen der Kommissionsfassung, daß, wenn Auf-
sichtsraths Mitgliedern eine Vergütung im Gesellschafts-
vertrags festgesetzt ist, eine Herabsetzung von der Ge-
neralversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit ge-
schlossen werden kann.
Der Antrag wird mit einer von Trimborn bean-
tragten Ergänzung, daß der vor Abrechnung des An-
theils am Jahresgew'mn für die Aufsichtsrathsmit-
glieder vorzunehmrnde Abzug für dir Aktionäre min-
destsrs 4pCt. des Grundkapitals betragen soll, ein-
stimmig angenommen.
Gump (Reichsp.) beantragt die Lu bloe-Aunahme
des Restes deS Gesetzes und des EinführungSqesetzes
und Verschiebung dec Resolutionen auf die 3. Lesung.
Der Antrag wird einstimmig angenommen. Nächste
Sitzung morgen 1 Uhr. 3. Lesung dsS Vertrages mit
der Schweiz. 3. Lesung des Handelsgesetzbuches.
Schluß 5 Uhr 50 Mm._
Ausland.
* Rom, 5. April. Der Int. Corr, w-rd ge-
schrieben: Leo XIII. richtete an die Bischöfe Spaniens
die Aufforderung, sich jeder Begünstigung der Car-
listenbewegung zu enthalten, vielmehr dieBevölkerung zur
Treue gegen die jetzige Dynastie zu ermahnen. Zu-
gleich überreichte der Papst als besonderes Zeichen
seiner Verehrung für die Königin Regentin Marie
Christine dem spanischen Gesandten am päpstlichen
Stuhle einen werthvoüen Rosenkranz nebst einem la-
teinischen Widmungsgedicht für die Königin. Der
Kranz ist von dem bekannten Künstler Fantoni ent-
worfen und besteht aus Brillanten und kostbaren Edel-
steinen mit reichster Goldfassung. Das Gedicht feiert
die Königin als Musterbild christlicher
Frauen.
* Wien, 6. April. Die „Wiener Ztg." veröf-
fentlicht folgendes kaiserliches Handschrei,
ben: „Lieder Graf Badeni. Im Namen des ge-
sammten Ministeriums haben S'e Mir unter Darle-
gung der Umstände, welche sich der Herstellung fester
parlamentarischer Verhältnisse zur Zeit entgegenstellen,
die Demission des KabinetS angeboten. Ich nehme
diese Demission nicht an, da Ich Gewicht darauf lege,
daß eine von Mir gewählte Regierung unbeirrt durch
zeitweilige Parteischwierigleiten ihre Thätigkeit aus-
schließlich durch daS allgemeine staatliche Interesse
bestimmen lasse. Indem Ich Sie und die Mitglieder
des CabinetS der Fortdauer Mein s vollsten Vertrau-
ens versichere, erwarte Ich, daß daS Ministerium auch
künftig in patriotischer Hingebung und nachdruckvoller
Festigkeit unentwegt an jenen Grundsätzen festhalten
wird, welche in der bei seinem Amtsantritt abgegebe-
nen programmatischen Erklärung und in der Thron-
rede vom 29. März enthalten sind."
* Wien, 6. April. Das Abgeordnetenhaus wählte
mit 258 Stimmen Dr. Kathrein zum Präsidenten.
Graf AttcmS erhielt 114 Stimmen.
Die Unruhen aus Kreta.
* London, 6. April. Die „Times" melden aus
Athen von gestern, er sei augenscheinlich, daß die
BolkSleidenschast wächst. In verschiedenen Gegenden
der Stadt hört man Rufe, welche die Unthätigkeit
des Königs und der Regierung tadeln und sofortige
Kriegserklärung fordern. ES geht das Gerede, daß
wenn die Regierung die Vollziehung des nationalen
Mandates noch länger aufschieben sollte, ein Ausbruch
der Patriotismus erfolgen dürfte und. zwar nicht art
der Grenze, sondern in Athen.
* London, 6. April. Wie die „Daily New»
aus Canea melden, wird der Plan berathen, die ganze
von den Consulu bereisen zu lassen, um dl«
Aufständischen mit den Absichten der Mächte bekannt
zu machen.
* London, 6. April. Der „Standard" meld
aus Kanea von gestern: Die Admiräle beriethm hr>st
über die Einzelheiten der in Vorschlag gebrachten W '
kade des Golfes von Athen.
* Athen, 6. April. Als König Georg heute-
als dem Tage der Unabhängigkeits - Erklärung
Griechenlands, nach der Kathedrale fuhr, wurde e
von ungeheuren Volksmassen mit schrankenlosem Juder
begrüßt. Nach dem Hochamt, dar von dem Mete»'
politen celebrirt wurde, erbebte die Kathedrale von
einem gewaltigen, dreimaligen Hoch aff den K"eg-
DaS diplomatische Corps wohnte oem Gottesdienste bel-^
Aus Baden.
Heidelberg, 7. April-,
— Zur Bismarckfeier in Heidelberg
Hauptreoe bei dem Festessen anläßlich der Enthüllung
der Bismarcksbüste hat der „Geheime Hffcath Pro'.
Erdmannsdörffer," der Erfinder des geflügelten
res vom „heiligen Namen Bismarck," gehalten. Di"»
hat er, nach dem verbürgten Wortlaut im „H"vr.'
Tagebl.", u. A. Bismarck mit dem Helden „einer
neu italienischen Stadtrepnblik in der Renaissance-Zen
im 15. Jahrhundert" verglichen, „über desfea Ehrung
die Häupter deS RatheS sich nicht einigen konnts»-
Schließlich habe einer den schlaue» Vorschlag gemE'
den Helden zu ermorden, ihn in Rom heilig sprecht"
zu lassen, ihm eine Bildsäule zu errichten und rhn
Stadtheiligen anzubeten." Doch Vielleich
sei das nur eine historische Anekdote, um uns da»
angenehme Gefühl zum Bewußtsein zu bringen,
weit wir doch in unserer hum a u e n C u l t u r üb"
jenes mit Gift und Dolch so schnell felsige Z"'
alter der italienischen Renaissance erhaben sind: ,
denken nicht mehr daran, einen unbequemen groM
Mann zu ermorden, sondern wir schicken ihn aul ?
Land; wir declariren (!) ihn auch nicht ;n den
ligen, sondern zum Herzog vonLauenb n r gi
und wenn eS sich darum handelt, ihm als Zeichn»
der nationalen Dankbarkeit bei Lebzeiten ein Mon»
ment zu errichten, für das die Nation in der Erw"^
tung, daß es alsbald geschehe, die ausreichendste"
Mittel bereitgestellt hat, so warten wir ruhig ab,
er todt ist." Die festlich gestimmten Zuhörer solle"
hei diesem Vergleich applaudirt haben wie wüthlg-
Es scheint mir aber doch nicht überflüssig, zu brm"
ken, daß Herr Erdmannsdörffer an der Heidelberg"
Hochschule einen Lehrstuhl für Geschichte einnimE'
Bei dem BiSmarck-CommerS in Maunheim schloß Bam
Präsident Eckhard, der „Altersvorsitzende der National'
liberalen Badens," die Festrede: Er glaube ul dl
Worte des patriotischen schwäbischen Dichters auSbrecye
zu müssen:
Noch eine stolze Säule
Zeugt von entschwund'ner Pracht,
Auch diese schon geborsten.
Kann stürzen über Nacht.
Die Begeisterung der Zuhörer wollte kein Ende
nehmen. Die Ironie der Zeitgeschichte will es, da»
die badische Großstadt Mannheim, die vor 2 Iah""
an der Spitze der süddeutschen Städte marschirte,
den Fürsten Bismarck meuchlings zum Ehrenbürger
machten, Heuer nicht einmal ein Glückwunsch T?"
gramm für ihn übrig gehabt hat; inzwischen ist »ämsich
die nationalliberale Mehrheit in der Stadtvertretnng
in Rauch aufgegangen.
Aus Nah und Fern.
Nachrichten für diese Rubrik sind und jederzeit willkommen. — EM"
Kosten werden stet» sofort ersetzt.»
* Heidelberg, 7. April. (Mutbmaßliches Wetter wr
Donnerstag den 8. Apnl.) B-wölktes, aber ZU
g! ößern Niederschlägen geneigtes Wetter in Ausstau »
nehmen.
* Heidelberg, 7. April. Die drei Söhne des s Ä w °
dischen Kronprinzen sind in Kreuznach wie"
zur Kur angemeldet.
* Heidelverg, 7. April. Zur allgemeinen Charaktt .
sirung des Monats April schreibt Falb: „Dieser
verspricht diesmal außergewöhnlich schön, trocken »
mito zu werden und wird also seinen bekannten .
rakter gänzlich verleugnen." (Der Wetterprophet M »
damit in April geschickt) -
* Aglasterhausen, 4. April. Am vorigen SA»
tag wurden der Wirthschaftskasse in der WirthsM"!
zum „Engel" ungefähr 200 Mark entwendet.
Thäter ist noch nicht ergriffen.
* Mudau, 4. April. Bor einigen Tagen M.
Herr Postverwalter Weidner, der sich während stt"
achtjährigen hiesigen Aufenthaltes die Hochachtung"
Bevölkerung erworben hat, von hier, um in st'"
neuen Wirkungskreis Michelfeld bei Sinsheim üverz
siedeln.
* Stein Amt Bretten, 5. April. Heute Morg
halb 11 Uhr entstaub hier auf dem Geißberg