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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

DOI issue:
April 1897
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Nr. 96
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0399

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pscher Volksblatt

WMrg, FlÄU, den 30. AM 1897.


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»erbrtea.

Verantwortlicher Redakteur:
JoffephHuber in Heidelberg

Druck, Verlag »^Expedition
G eb r. Huber in Heidelberg,
Lwingerstraße 7.

Für die Monate
Mai unö Juni
jktzt schon alle Postämter Bestellungen auf
^glich erscheinende Zeitung
.»Pfalzer Bottsblatt"
der wöchentlichen Gratisbeilage „Der bonntagK-
sowie unsere Expedition Heidelberg
"^bgerstraße 7 entgegen.
Expedition -es „PMrr Volksblatt".
. Heidelberg, Zwiugerstraße 7.

Die VermtheitMg des Dr. Peters
^Zugleich eine empfindliche Niederlage für seine An-
"8er, die nicht nur ihren Helden unablässig und
^Mtwegt" feierten, sondern auch alle begeiferten
Ski» ermächtigten, sich weniger für ihn zu be-
vermochten. JrSbefondere den Colonial-
y,!,"^>r Dr. Kayser hat man so africanermäßig
Km» hüfsigkeiten verfolgt, bis er schließlich seines
» überdrüssig geworden war. Dabei hatte
r'Ko Yser den Dr. Peter- noch recht glimpflich be-
h,?"klt, denn bei einer früher» Untersuchung gegen
War bekanntlich nichts Sicheres erwiesen worden.
».',.Zumuthung, ihn gegen die Anschuldigungen des Ab-
jr Kneten Bebel durch dick und dünn zu ver-
war doch allzu starker Tabak für jemand,
y„großen Aftikauer" einigermaßen kannte, wie
!>j,! ' dem Colonial.Direktor der Fall war. Wenn
ikw seiner „Abschiedsrede" im Colonial-Rathe
f,^ktk, das Strafgericht sei schon über seine Ver-
hereingebrochen, so hat ihm der Spruch des
tzAipl'narhofes am Samstag recht gegeben. Die
i« ^^ute liebten eS, von Zeit zu Zeit die Nachricht
bi reiten, das Verfahren sei eingestellt, PeterS
^ 'drenvoll aus der Untersuchung hervorgegangen,
hu* es Siegesgewißheit oder die ihm eigene Dreistig.
ft.? das Pflichtgefühl des Beamten, was Dr.
ft'M veranlaßte, von London zu der GlichtS»
Wandlung herüberzukommen?
siiii.. Verhandlung hat nun zwar nicht alles be»
V ' der Abg. Bebel behauptet hatte, insbe-

LeidvoU und freudvoll,
Novelle von L> v. Neid egg.
tM'^über Fräulein l liebe Anna!" erwiderte der Hof-
bm»"U.vkwest, „kommen Eie doch zu uns, unser einfaches
inIhnen ja offen. Eie sind noch ru unerfahren,
allein Hinavszuaehen in die Welt. Ihr Brod
Aber ei" - - - L eber Gott! Wie leicht spricht sich das aus!
SIl.vAver ist dir Ausführung. Bleiben Eie bei uns, wir
dnßtn Eie von Herzen willkommen!"
Üe «rsriff di« Hand des alten Mannes und führte
»Ä^ 'dre L ppen. Tief gerührt rief sie unter Tdränen;
E>err Hosrath, Gott lot ne Ihnen diese Worte! Sie
i,r MW «brr weder für hvchmüthig, noch für undank-
«Wen. wenn ich dennoch Ihren Antrag zurückweise;
»W k "Älichsn. mich allein durchzukänipfen. Ich vermag
M Wohlthatkn zu leben . . . Es mag kleinlich, es
üti^Wkcht sein, — ich glaube aber, selbst von Ihnen er-
ks nichts
'Ms Wollen Sie ober beginnen, armes Kind?"
lla>,r^_o,anze Nacht habe ich darüber ncchgedacht. O,
tiijiN See wir, eS ist ein Glück für mich, daß ich ge-
Ivyst s bin, »« da- nackte Leben zu kämpfen I Ich müßte
h>e i» « Ehrend an die liebe Mutter denken und daran,
lange hätte behalten können, hätte der
v W,^t vorzeitig ihr das Herz gebrochen. O, Gott!
Ae1 Anf'r Neue quollen ihre Thränen hervor. - .
Mt- wpstk jhre Errcouva rasch nieder: danu snhr fie leise
habe beWrffcn, den größten Theil «einer
§»de?»?abe zu v«kaufen. l en Rest, sowie die Familien-
ISrdie mir noch geblieben find, werden Sie gewiß
AsLkn w Verwahrung nehmen? Alles will ich zu Geld
ZiNv„.and dann für zwei Jahre in ein Lehrerinnen-
"der eine ähnliche Anstalt cintreten, um später
hrlcheHw ru «erden. Wie ich das am beste» anfange,
«gen i^üalt.ich besuchen soll, das werden Eie mir wohl
'wAAiin? Ein bitteres Brod, Fräulciu Anna!"
mubru Sie, ich wüßte das nicht l" rief fie auS.

.O, ich bin wir klar darüber, welcher Demüthiguna ich
entgegengehe. Aber wenigstens wahre ich cuf diese Weise
meine Selbständigkeit. Hätten auch die Verwaudten mich
aufgefordert, zu kommen, nie hätte ich es angenommen.
Im reichen Hause, die nicht aus Liebe, nicht um Gottes
willen, nein, um des GeredeS der Menschen willen ans-
gerommene arme Verwandte zu sein — die nicht mehr in
jene Sphäre gehört! Nein, auf dem Boden, auf den man
gefüllt ist, soll man verbleiben. Ich gehöre jetzt zur ar-
beitenden Klasse."
Mit tiefer Bewegung sah derHosrath auf darin edler
Aufregung eralühende Gefickt- „Möge Gott Sie segnen,
tapferes Kind!" sagte er leise- „Die Welt ist aber raub,
selten kennt fie Erbarmen mit den Schwachen. Weit lieber
sähe ich Sie unter unserem Schutz, etwa Ihr schönes Ta-
lent für Musik verwerthend, oder sonst Unterricht crtheilend,
als in der Ferne freundlos und verlassen sich einen Weg
suchen."
Sie lächelte traurig. „Vielleicht läßt der Wandervogel
sich eines Tages mit erbrochenen Flügeln vor Ihrer Thüre
nieder, um E nlaß flehend. Sie glauben nicht, welchen
Trost ich in dem Gedanken finde, daß in Ihrer Familie
mir eipe Zufluchtsstätte geöffnet bleibt, was auch geschehen
möge. Dieses Bewußtsein wird mich stählen auf meinem
Wege. Und jetzt sogen Sie mir offen, halten Sir mich über-
haupt befähigt, als Lehrerin mein Brod zu erwerben?"
„Für vollkommen befähigt, namentlich wen» Ihr reiches
Wissen erst methodisch geordnet sein wird, wenn Eie die
richtigen Weisen gelernt haben, es Anderen milzutheilen
Mein Widerspruch richtet sich nur deshalb gegen Ihren
Entschluß, weil ich de» Beruf kenne, den Sie wählen wollen,
weil ich weiß, w'r viel Hartes er mit sich bringt."
„Mein Gott, wie vieler Menschen Leben ist ein be-
ständiges Ertragen, ein beständiges Ringen und Entsage»!
Was ist der lt ben Mutter Leben ander» gewesen? Warum
sollte ich bevorzugt sein vor so vielen Andere»? Je weni-
ger Muße man hat, über das eigene Ich uachzudenken, je
entschlossener man um Gottes Wille» sein Kreuz auf sich
nimmt, um so leichter trägt sich die Bürde... Ich bi»
auch ziemlich abgehärtet, lieber Herr Hvfrath," fuhr fie mit

sammenhang der „Hinrichtung" der fchwarze<DienerS
und der entlaufenen Negerin mit der „Untreue" der
letztem sichjnicht in der Weise, wie Bebel ihn dargestellt
hatte. Aber es blieb doch genug übrig, um den Ge-
richtshof zu der Strafe der AmtSentlasfung, der
schärfsten, die er verhängen konnte, zu veranlassen.
Hat PeterS den berichtigten Brief nicht geschrieben,
so hat er doch im Sinne dieses Briests, nur mit noch
mehr CyniSmuS, Freunden uud Bekannten gegenüber
renommistisch ausgesprochen. Auch hat der Gerichts-
hof die Ueberzeugung gewonnen, daß PeterS sich bei
der Hinrichtung des Dieners Mabruk an diesem hat
rächen wollen. Sehr stark spricht eS sodann gegen
ihn, daß er über die Hinrichtungen und seine Schnei-
digkeit gegenüber einem Häuptlinge falsche Berichte
an den Gouverneur geschickt hat; er war sich also
seines Unrechts wohl bewußt. Der Gerichtshof hat
die Verdienste der Dr. PeterS um die Colonial-
Politik anerkannt. Auch die ihm befreundete Presse
hebt die Verdienste sehr stark hervor, um den Ein-
druck deS.UrtheilS abzuschwächen, wohl auch, um anzu-
deuten, daß man gnädiger mit ihm hätte umgehen können.
Wir vermögen diese Verdienste nicht so hoch zu
werthen, zumal wenn wir ihre Motive betrachten.
Nicht um für Deutschland etwas zu thun, noch wem-
ger um den „Wilden" Sitte, Christenthum, Civili-
sation, Cultur, Freiheit und Sicherheit zu bringen,
ging Dr. Peters nach Afrika, sondern einzig und
allein um ein Mann zu werden, von dem man in
der Welt sprach. Dieser ganz gewöhnliche eigensüch-
tige Ehrgeiz gestattete ihm nicht, sich einen Namen
mit den Mtteln zu erwerben, die andere Africaforscher
angewendet hatten. Er wollte imponiren durch
„Schneidigkeil" und spielte deshalb bei deu „Wilden"
den „Uebermenschen", der erschießt, hängt, sengt und
brennt, um sich Respcct zu verschaffen, sich selbst an
keine Sitte uud Gesetz gebunden erachtet, dafür aber
die Schwarzen hangt und prügelt, sobald sie deu
Geboten seiner Tyrannenlaune nicht unbedingt ge-
horchen. Vor Europa sucht er das mit dem Gebote
der Selbsterhaltung, der Sicherheit der deutschen
Interessen u. s. w. zu entschuldigen; wenn er einen
spitzbübischen Diener oder eine entlaufene, der Prügel
überdrüssige Schwarze hängen lassen will, so tritt
ein „Kriegsgericht" zusammen, d. h. nach der Aussage
eines betheiligteu Zeugen, „man sitzt eben zusammen
und berathfchlagt, was man wohl am besten thue",
und dann erfolgt eine „Verurtheilung zum Tode";
ob das Verbrechen todeswürdig ist, ist Nebensache:
man ist ja in Afrika, wo ein Menschenleben nicht viel gilt.

Die Post meint, in England lege man an da-
Verhalten „colonialer Bahnbrecher" nicht einen solch
strengen Maßstab wie bei uns; und manche Kenner
erblicken in der Gleichgültigkeit gegen sittliche Aus-
schreitungen von Colonial-P onicen nur Lie Ursachen
der Erfolge der englischen Colsnialpolitik. Nun, wir
überlassen Herrn PeterS gern den Engländern. So
weit hat uns glücklicher Weise die Sorge um das
„Geschäft" noch nicht gebracht, daß wir ruhig zu-
sehen, wie unsere Colonialhelden bei den Wilden allen
bösen Instinkten der Wollust und Grausamkeiten die
Zügel schießen lassen, wenn ihre Thätigkeit sonst nur
Profit bringt. Gewiß kann man in Afrika ohne bei
uns unnöthige Strenge nicht auskommsn, aber wir
müssen verlangen, daß unsere Beamten auch fern von
europäischer Civilisation und deutscher Polizei die
Grundsätze der Sittlichkeit und Gerechtigkeit beobach-
ten. Unsere Colonien dürfen nicht zum Tummelplätze
für schlimme Subjekte werden, die sich ein Mal nach
Herzenslust austoben möchten. Wer eS treibt wie die
Leist, Wehlau, Schröder, PeterS, der richtet trotz aller
RenommirenS mit seinen „Verdiensten" um das Va-
terland weit mehr Schaden als Nutzen an.
Die Freunde des Verurtheilteu möchten dem Ver-
haßten frühem Colornaldirektor Herrn Dr. Kayser
schließlich noch einen Strick drehen. Man wirft dem-
selben vor, daß das Verfahren gegen PeterS nicht
aus der Initiative der Colonialverwaltung hervorge-
gangeu sei, sondern der Sozialdemokratie wieder neuen
NymbuS verleihe. Die Deutsche Tagesztg. ruft sogar
nach einem DiSciplinarverfahren gegen Dr. Kayser,
weil er PeterS noch definitiv «»gestellt und ihm die
Landeshauptmannschaft am Tanganjika-See angetra-
gen habe, nachdem er aller, was jenem zum Vorwurf
gemacht wurde, bereits gekannt und untersucht habe.
Also zuerst wüthet mau gegen den Colonialdirektor,
weil er überhaupt ein DiSciplinarverfahren gegen
PeterS einqeleitet hat, jetzt greift man ihn an, weil
er eS nicht schon früher mit Erfolg gethan hat.
Der „große Afrikaner" hat in Deutschland seine
Rolle endgültig ausgespielt, sowohl als Colonialpoli-
tiker wie als Vorkämpfer für eine „Weltflotte". Er
wird sich nun wohl ganz den Engländern zur Ver-
fügung stellen, die angeblich Persönlichkeiten seines
Schlager besser zu würdigen wissen als wir engherzi-
gen und philiströsen Deutschen. Mit seiner Verur-
theilung ist nun hoffentlich die Epoche der deutschen
Colonialpolitikendgültig abgeschlossen, dieso
voll von Scandalen, Aergernissen u. Mißgriffen war.
trübem Lächeln fort. „ES find wenia Bitterkeiten, die ich
nicht schon verkostet hätte: nichts kann mich mehr über-
raschen. als etwa uuver hoffte- Glück. Aber genug der Kla-
gen. Geben Eie mir jetzt Ihren Rath und wenn ich gehe,
Ihren Segen mit auf den Weg."
Der Hofrath sah ein, daß er den Widerspruch em-
stellen müsse, und stand ihr nun mit Umsicht und Sach-
kenntniß bei. Seine Töchter, welche wahrhaft an Anua-
hingen,'beklagten tüf, sie au- ihrer Nähe verlieren zu
müss-n, uud versuchten, fie zu überreden, in Prennberg zu
bleiben. Am wenigsten Widerstand erfuhr fie von der Hos-
räthin. Eifersüchtig auf die Zuneigung ihre» Mannes zu
dem geistvollen Mädchen, in der sie eine Verkürzung der
eigenen Töchter erblickte, dabei hausmütterlich beschränkt
in ihrer Auffassung, hätte sie Anna »ur ungern al- Mit-
glied ihre» Hauses gesehen. Das hatte Anna mit feinem
Takte herausg! fühlt; eS war ein Grund mehr gewesen für
ihren Entschluß.
Einige Wochen nach dem T-deder Baronin von Neu-
dingen war deren kleine Hinterlassenschaft geordnet- Anna
hatte Abschied genommen vom Grabe der Mutter und be,
gab sich zu ihrer Ausbildung in ein Lehrerinnen Seminar
da» der Hofra h ihr empfohlen. Unter heißen Thränen
sage sie ihm und seiner Familie Lebewohl. Warme Segens-
wünsche fr lgten ihr.
5.
Inmitten eines großartigen Parkes liegt ein stattliche»
Schloß. Eine weite Rasenfläche breitet sich vor demselben
aus; gut gehaltene Kieswege durchschneiden sie, und farben-
prächtige Blumenbeete beleben ihr Grün. Die Baumgrup-
pen gestatten an einigen Stellen schöne Durchblicke und
find hier nicht so hoch, um die Aussicht aus da» Schloß
oder den Ausblick ass dessen Fenstern zu beeinträchtigen.
Was aber dem Bilde den höchsten Zauber verleiht, da» ist
ein mächtiger Springbrunnen, der inmitten des Rasenplatzes
enporstkigt, und dessen Strahl wie ein glänzender Schleier
in da» «eite, von Blumen umsäumte Becken zurückfällt.
Zwischen den moosigen Stämmen der Baumnesen deS
Parkes hindurch erblickt man lauschige Wiesenflecke, auf
welche große Buchen ihre tiefe» Schatten werfen. Bor dem

chrt«t täglich mit Ausnahme der Sonn- u. __ Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
Grnon für Walirlieü, Fmlmt L KM.
"Werg monatlich S« H mit Trägerlohn, durch " ' Rabattbewilligung.
Post bezogen Viertels. »ft 1.60 franco. Expedition: Zwingerftratze 7._
 
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