Pfcher Volksblatt
WlldMHmristU, de» 11. März 1897.
D^gen Theil wesentlich durch die Hülfe der Sozial- der Wohlfahrt der deutschen Volker, zu der die sozial-
^»okratiegLonmnen Mandaten nn gutes DntMsdemokrat.sche Klassenhetze in direktem Widerspruch steht,
Auf dar
» Pfälzer Bottsblatt'
EW immer noch für den Monat
^uyirt werden. Bestellungen nimmt'jede Postaustalt
l«»ie unsere Expedition in Heidelberg, Zwiugerstraße 7,
«ttgkSM.
Probe««Wmer« werden auf Wunsch gerne Porto-
Jedermann zugesandt.
> Verantwortlicher Redakteur:
i JosephHuber in Heidelberg.
erschweren oder unmöglich machen, so müssen sie eben
geändert werden — um einen Bersasiungsbruch seitens
der Sozialdemokratie zu verhüten. Die Sozialdemo-
kratie ist der Feind der Verfassung, der Bruch der-
selben ist ihre ausgesprochene Absicht und für sie nur
eine Frage des günstigen Augenblicks. Wer im Kriege
nicht unterliegen will, darf das Gesetz der Schlacht
nicht vom Gegner annehmen, sondern muß es ihm
vorschreiben. In dieser Lage ist die Monarchie ge-
genüber der Sozialdemokratie. Es würde sich somit
im gegebenen äußersten Falle nicht um „Verfassungs-
bruch" handeln, sondern »meinen einmüthigen Schritt
der deutschen Fürsten und freien Städte, einem dro-
henden VcrfassungSbruch zuvor zu kommen."
Wenn man diese „Angstmeierei" liest, dann sollte
man glauben, die Sozialdemokratie schicke sich eben
Wochen so traurige Dahinleben Jessies, welches ihr jetzt
nur fast noch wie ein schwerer Traum erschien.
Die Sorge um ihre erkrankte Freundin Charlotte
brachte ihr viele Ableituna- Jessie war und blieb die ein-
zige Freundin, die Charlotte besuchen durfte, und die eS
verstand, wirksamen Trost zu spenden. Sie allein wußte
die richtigen Worte zu finden und die Zeit, in der die
Worte angebracht waren; und als endlich der entscheidende
Tag kam und der Spruch der Geschworenen auf „Schuldig"
lautete, war es wieder Jessie, die der kaum Genesenen in
der zartesten Weise die traurige Wahrheit übermittelte,
daß der Mann, der ihr Gatte hatte werden sollen, die
nächsten fünf Jahre in einem traurigen Gefängnisse ver-
bringen müsse.
In dem gleichen Maße, wie Charlotte wieder zu
Kräften kam, wuchs ihr Berlanaen, an einem ruhigen Orte
sein zu können, wo Niemand sie kenne. Jessie sprach ihr
von ihrem geliebten Deerwood, seinen schattigen Wäldern
und anmuthigen Promenaden — und Charlotte, der das
Bild gefiel, bat sie, anzufragen, ob Mr. Marshall sie auf-
nehmen wolle.
Jessie erfüllte ihre Bitte, und ehe eine Woche ver-
gangen war, sah man abermals zwei junge Mädchen, die
auf den Bergen von Deerwood umherschweisten oder sich
aus dem kleinen Kirchhofe auSruhten.
Auf dem jüngsten Grabe blühte ein Rosenstock. Jessie
pflückte eine der schönen Blumen, preßte sie sorgfältig und
sandte sie mit dem Bemerken, „sie kommen von Ellens
Grab" zu dem Unglücklichen, der jetzt in trauriger Ein-
samkeit und mühseliger Arbeit seine Tage verbrachte.
16. Kapitel.
Beglückende Nachrichten.
Kehren wir zurück in das Krankenzimmer des Ocean-
Hotels von St. Francisco. Noch immer finden wir den
Kapitän Murdock aus seinem Posten am Bette des Kranken,
obschon der Zustand desselben, welcher in Folge der günsti-
gen Gemüthsstimmung der Genesung rasch entgegenschrei-
tct, die Gegenwart des Kapitäns nickt mehr nothwendig
macht. Es find ja auch ganz andere Beweggründe, welche
täglich mit Ausnahme der Sonn- u.
fick-» Dbonnemevtsprris mit dem wöchent-
bttN-r^Eerhaltungsblatt „Der Sonntagsbvte" für
L monatlich LV H mit Trägerlohn, durch
- e Post bezogen viertelj. -ch 1.60 franco.
K 57?
Deutsches Reich.
* Berlin, 9. März. In Sachen der vorläufige»
Schließung der sozialdemokratischen Wahlvereine wegen
Verstoßes gegen ß 8 des BereinSgesetzes erkannte da-
Landgericht, daß objektiv eine Verletzung des Z 8 vor-
liege, subjectiv war jedoch die Behauptung der Ange,
klagten, nichts von der Ablieferung dec Gelder durch
ibn an seinen Posten fesseln, als die Pflege des Kranken
Nickt gar mancher Tag war seit Abgang deS Briefes nach
New-Aork vergangen, als von dort ein umfangreiches Schrei-
ben Mr. Grahams eintraf. Derselbe theilte zunächstjunter de«
Ausdrucke innigster Theflnabme mit, daß der Hochzeits-
gesang William Bellengers sich in Klagelieder verwandelt
und der glückliche Bräutigam als schwerer aber reumüthv
ger Verbrecher im Gefängnisse schmachte. Dann fuhr Mr.
Graham im Tone eines väterlichen Freundes fort: „Du
haft mir nichts Neues verrathen, lieber Walter, da Du
mir Deine Liebe zu meiner Tochter gestandest. Deine
Herzensneigung war mir längst nicht entgangen, und ich
habe Dich genau beobachtet und geprüft, ob Du meines
einzigen Kindes, mein Alles, was ich auf Erden habe, wür-
dig seiest, ob Du es wahrhaft glücklich zu machen vermöch-
test. Daß ich Dich in der That für würdig halte, will ich
Dir dadurch beweisen, daß ich Dir sage, ich kenne keinen
junge« Mann, dem ick das Glück meines Kinde« bereit-
williger anvertrauen möchte, als Dir. Hättest Du Dich
früher mir vertraut, so wäre vielleicht manche traurige
Stunde Dir, mir und Jessie erspart geblieben. Doch Gott
weiß, wozu es gut war, daß es so hat geschehen muffen.
Mrs- Bartows hatte mir zwar längst bekannt, daß sie
fälschlicher Weise Dir gesagt, ich wünsche eine iVerbindung
zwischen Jesfic und Dir nicht. Nur ihr einsält ger Stolz,
der durch die Schicksalsschläge, welche ihre Freundin Mrs.
Reeves getroffen, Gott sei Dank, gebrochen ist, kann sie
entschuldigen. Uebrigens ist sie jetzt Deine beste Freundin.
Du hast versprochen, Jessie Deine Liebe nicht zu gestehen,
bis die Unschuld Deines Vaters bewiesen ist. Dies, mein
lieber Walter, wird wohl niemals geschehen, — selbst wenn
er noch lebt, was ich aber sehr bezweifle. Warum willst
Du also zözern? Du hast meine volle Ermächtigung, ihr
Alles zu sagen, was Du für nothwendig hälft. Augenblick-
lich ist sie mit der armen Lottie in Deerwood. Für Wil-
liam thue ich, was in meinen Kräften steht; ebenso seine
Großmutter. Sein Vater dagegen will nicht einmal mehr
seinen Namen hören.
(Fortsetzung folgt.)
Druck, Verlag ». Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
_ZwingrrstraHe 7._
Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
Gragll für Walirbeit, Fmlieii L KM.
l l Rabattbewilligung.
, _Lrpedition: Jwingertzraße 7.
an, das 199. Mandat zu erobern, mit dem sie dann
die absolute Mehrheit im Reichstage haben würde,
während sie tatsächlich über 50 Mandate verfügt.
Ob diese Zahl sich bei den nächsten Wahlen noch
steigern wird, ist eine Frage, deren Beantwortung
man ganz ruhig abwarteu kann ; die Sprache Her
Reuest. Nachr. wird jedenfalls zu einer Verminderung
der sozialdemokratischen Mandate nicht beitragen. Die
Sozialdemokratie besitzt gegenwärtig die meisten gro-
ßen Städte und einen Theil der Jadustriebezirke, u.
sehr viel weiter wird sie ihren Besitzstand schwerlich-
auSdehnen können, auf 199 Mandate wird ste'eS
jedenfalls nicht bringen, um eine» Beschluß auf Ab-
schaffung der Monarchie im Reichstage durchsetzen zu
können — daran glauben ja wohl auch die größten
Angstmeier nicht.
Die Erörterung über die Zweckbestimmung der
ReichSverfassung hat auf uns schon keinen Eindruck
gemacht, als wir sie au- dem Munde, deS Fürsten
Bismarck hörten, sie leidet an dem Cardinalfehler, daß
behauptet wird, die deutschen Fürsten und freien
Städte seien einseitig befugt, die ReichSverfassung zu
ändern. Dar wäre selbst bann nicht der Fall, wenn
man sich ganz auf die Bismarck'sche Theorie von dem
Bertragscharakter der Verfassung stellte, denn zu einem
neuen Vertragsabschluß bedürften die Regierungen der
Zustimmung ihrer Landtage, wie sie 1870 71 diese
Zustimmung nöthig hatten. Eine solche Neuregelung
der staatsrechtlichen Verhältnisse könnte unter Umstän-
den das ganze Reich in Frage stelle«— wir brau-
chen da- wohl nicht weiter auszufühceu. Es wird
ferner geflissentlich übersehen, daß zu dem bestehende»
Recht, welches durch die Verfassung geschützt werde»
soll, auch das allgemeine gleiche und direkte Wahlrecht
gehört. Komischer Weise erblicken die Neuesten Nachr.
nur sozialdemkr. Gefahren gegen die Monarchie, aber
die drei Republiken in Deutschland bedürften doch eben
so sehr des Schutzes, wenn das Blatt mit seinen Be-
fürchtungen Recht hätte. Oder glaubt man, daß die
Sozialdemokratie etwa vor dem Hamburger Senat
Halt machen würde?
Das Crnkum
'st nächst brr Sozial-Demykratie an allem schuld, was
^istaatrstreichlüsternen Berliner Bismarck-Organ,
Neuesten Nachrichten, an den gegenwärtigen poli-
Wen Zuständen im Deutschen Reich mißfällt. DaS
^latt hqj vor einigen Tagen die Octroyirung eines
/uen Reichstags Wahlrechts empfohlen und brüstet
W heute wegen dieses Staatsstreichs-Vorschlags, der
btzepiljch auch seine Wirkung auf das Centrum nicht
^fehlen soll, „denn die Verminderung allein der
^^demokratischen Mandate würde noch nicht auS-
"icheo, um einen Reich-tag herzustellen, mit dem sich
W ehrliche nationale Politik treiben läßt. Auch das
T^ntrum müßte zu diesem Zweck von seinen zum nicht
verlieren."
H »Ehrliche nationale" Politik Arm in Arm mit dem
5ftrliner Bismarckblatt zu treiben — das wäre aller -
^wgs wohl das letzte, wonach das Centrum Vertan-
tragen könnte. Wir meinen, zur ehrlichen nativ-
fön Politik ist zunächst die Achtung vor der Ber-
'"Iiung erforderlich, an der kein Preßorgan scrupel-
Ar rüttelt, als die Berl. Reuest. Nachr., uneingedenk
N . Wortes Hrn. v. Bennigsen, daß der Kaiser und der
AchStag des allgemeinen Stimmrechts an einem Tage
stören worden sind. Aber daS Blatt sollte wenig
ftevz sich vor Geschichtsfälschungen hüten, auf denen
sofort ertappt wird. Wo ist denn der nicht ge-
dn Theil der CentrumSmandate, welcher wesentlich
urch die Hülse der Sozialdemokratie gewonnen wor-
'st? In einzelnen Fällen wird eS ja vorgekom-
Stotz und Liebe. «L-
) Dem Amerikanischen nacherzählt.
snAndei gestand er denn auch, wie er aus tiefem Haß gegen
M»er diesen durch schriftliche Mittherlung seiner Ver-
AMg irre geführt habe, so daß derselbe habe annehmen
d.»Iksfie sei seine Verlobte. Das sei denn auch wohl
* tu Walters plötzlicher Abreise gewesen.
»Aber meine Sünden haben mich gefunden," so schloß
Munter Th,gnen. „Könnte ich sie nur einigermaßen
Men! Walter liebt Jessie; sagen Sie ihr daS, und die
Heiterkeit, welche sie in letzter Zeit verlassen zu haben
«tzlev, wwd bald wiederkehrrn.
An seinem Besuch im Gefängniß zurückgekehlt, fand
do» Aubam zu Hause einen Brief deS alten Marshall
welcher ihm Mittheilung von der gleich nach der An-
krn«, Walters in St. Francisco erfolgten schweren Er-
«Wun« desselben machte mit dem Hinzufügen, daß die
Gott sei Dank — überstanden und recht bald
an» V.Ee Genesung zu erhoffen sei. War diese Mittheilung
viifv keineswegs erfreulich, jo entbehrte sie, in Verbindung
vem Geständnisse Williams, doch nicht des Trostes,
re» H ste geeignet war, die Räthsel zu lösen und die düste-
Keifet zu heben, welche das arme Herz Jessies peinig-
di-k-» Graham beeilte sich denn auch, seiner Tochter
tk>^5 ^oft nickt länger vorzuenthalten, und mit Freuden-
oranen in den Augen sank fie an das Herz des Vaters,
ivi- A'sfle fie sich also doch in Walter nicht getäuscht; aber
S« er so wenig Vertrauen zu ihr haben können!
"un berathschlagt, was za thun, wie Walter
und Trost zu bringen sei. Am liebsten hätte Jessie
, ihr Vater wäre mit ihr sofort an das Kranken-
unk u?b?ereist. Aber dringende Geschäfte hielten ihn zurück
E»».i Eer befand fich ja auch wieder aus dem Wege der
Bn,Mug; es mußte also doch in der nächsten Zeit eine
..sofort auf den vor Wochen an ihn gerichteten Brief
ng'fEsleu. Und diese Antwort langte denn auch nach nicht
lw^s^ en Tagen an. Sie bestätigte das Geständniß Wil-
"Uw und brachte neue Lichtblicke in das in den letzten
men sei», daß auch Sozialdemokraten in der Stich-
wähl einem Candidaten deS Centrums ihre Stimme
gegeben haben; aber auch andere Parteien haben wie-
derholt einen Stimmenzuwachs von sozialdemokrati-
scher Seite empfangen, sogar „nationale" Parteien,
und gelegentlich haben auch Nationalliberale für
Sozialdemokraten gestimmt und sie durchgebracht. Die
Reuest. Nachr. freilich kann man für derartige Vor-
kommnisse nicht verantwortlich machen, denn sie ge-
hören keiner Partei an, es steht auch keine andere
Partei hinter ihnen, sondern nur der Chefredakteur,
der sich einbildet, ungefähr so staatsmännisch zu schrei-
ben, wie der bekannte Mitarbeiter der Hamburger
Nachrichten.
Mit dem Centrum will man eS übrigen- doch
gnädiger machen, als mit der Sozialdemokratie, die
bekanntlich mit Stumpf und Stiel auSgerottet werden
soll, das Centrum soll nur um ein gute- Drittel in
feinem MaudatSbesitze geschwächt werde». Wie da-
nur zu machen wäre!
DaS Blatt entwickelt dann von neuem, dieS Mal
gegen den offiziösen Hamburger Corresp. gewendet,
die Nothwendigkeit eines VerfassunzSbruch-, indem eS
schreibt:
„Die deutschen Fürsten und freien Städte haben
1870 einen ewigen Bund „zum Schutze deS bestehen-
den Rechts und zur Pflege der Wohlfahrt de- deut-
schen Volkes" geschlossen, die heutige ReichSverfassung
ist die für diesen Bund gewählte äußere Form. Stellt
sich heraus, daß einzelne Bestimmungen der Berfas-
jung die Erhaltung deS bestehenden Rechts, wozu in
erster Linie doch die Monarchie gehört, und die Pflege
WlldMHmristU, de» 11. März 1897.
D^gen Theil wesentlich durch die Hülfe der Sozial- der Wohlfahrt der deutschen Volker, zu der die sozial-
^»okratiegLonmnen Mandaten nn gutes DntMsdemokrat.sche Klassenhetze in direktem Widerspruch steht,
Auf dar
» Pfälzer Bottsblatt'
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^uyirt werden. Bestellungen nimmt'jede Postaustalt
l«»ie unsere Expedition in Heidelberg, Zwiugerstraße 7,
«ttgkSM.
Probe««Wmer« werden auf Wunsch gerne Porto-
Jedermann zugesandt.
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i JosephHuber in Heidelberg.
erschweren oder unmöglich machen, so müssen sie eben
geändert werden — um einen Bersasiungsbruch seitens
der Sozialdemokratie zu verhüten. Die Sozialdemo-
kratie ist der Feind der Verfassung, der Bruch der-
selben ist ihre ausgesprochene Absicht und für sie nur
eine Frage des günstigen Augenblicks. Wer im Kriege
nicht unterliegen will, darf das Gesetz der Schlacht
nicht vom Gegner annehmen, sondern muß es ihm
vorschreiben. In dieser Lage ist die Monarchie ge-
genüber der Sozialdemokratie. Es würde sich somit
im gegebenen äußersten Falle nicht um „Verfassungs-
bruch" handeln, sondern »meinen einmüthigen Schritt
der deutschen Fürsten und freien Städte, einem dro-
henden VcrfassungSbruch zuvor zu kommen."
Wenn man diese „Angstmeierei" liest, dann sollte
man glauben, die Sozialdemokratie schicke sich eben
Wochen so traurige Dahinleben Jessies, welches ihr jetzt
nur fast noch wie ein schwerer Traum erschien.
Die Sorge um ihre erkrankte Freundin Charlotte
brachte ihr viele Ableituna- Jessie war und blieb die ein-
zige Freundin, die Charlotte besuchen durfte, und die eS
verstand, wirksamen Trost zu spenden. Sie allein wußte
die richtigen Worte zu finden und die Zeit, in der die
Worte angebracht waren; und als endlich der entscheidende
Tag kam und der Spruch der Geschworenen auf „Schuldig"
lautete, war es wieder Jessie, die der kaum Genesenen in
der zartesten Weise die traurige Wahrheit übermittelte,
daß der Mann, der ihr Gatte hatte werden sollen, die
nächsten fünf Jahre in einem traurigen Gefängnisse ver-
bringen müsse.
In dem gleichen Maße, wie Charlotte wieder zu
Kräften kam, wuchs ihr Berlanaen, an einem ruhigen Orte
sein zu können, wo Niemand sie kenne. Jessie sprach ihr
von ihrem geliebten Deerwood, seinen schattigen Wäldern
und anmuthigen Promenaden — und Charlotte, der das
Bild gefiel, bat sie, anzufragen, ob Mr. Marshall sie auf-
nehmen wolle.
Jessie erfüllte ihre Bitte, und ehe eine Woche ver-
gangen war, sah man abermals zwei junge Mädchen, die
auf den Bergen von Deerwood umherschweisten oder sich
aus dem kleinen Kirchhofe auSruhten.
Auf dem jüngsten Grabe blühte ein Rosenstock. Jessie
pflückte eine der schönen Blumen, preßte sie sorgfältig und
sandte sie mit dem Bemerken, „sie kommen von Ellens
Grab" zu dem Unglücklichen, der jetzt in trauriger Ein-
samkeit und mühseliger Arbeit seine Tage verbrachte.
16. Kapitel.
Beglückende Nachrichten.
Kehren wir zurück in das Krankenzimmer des Ocean-
Hotels von St. Francisco. Noch immer finden wir den
Kapitän Murdock aus seinem Posten am Bette des Kranken,
obschon der Zustand desselben, welcher in Folge der günsti-
gen Gemüthsstimmung der Genesung rasch entgegenschrei-
tct, die Gegenwart des Kapitäns nickt mehr nothwendig
macht. Es find ja auch ganz andere Beweggründe, welche
täglich mit Ausnahme der Sonn- u.
fick-» Dbonnemevtsprris mit dem wöchent-
bttN-r^Eerhaltungsblatt „Der Sonntagsbvte" für
L monatlich LV H mit Trägerlohn, durch
- e Post bezogen viertelj. -ch 1.60 franco.
K 57?
Deutsches Reich.
* Berlin, 9. März. In Sachen der vorläufige»
Schließung der sozialdemokratischen Wahlvereine wegen
Verstoßes gegen ß 8 des BereinSgesetzes erkannte da-
Landgericht, daß objektiv eine Verletzung des Z 8 vor-
liege, subjectiv war jedoch die Behauptung der Ange,
klagten, nichts von der Ablieferung dec Gelder durch
ibn an seinen Posten fesseln, als die Pflege des Kranken
Nickt gar mancher Tag war seit Abgang deS Briefes nach
New-Aork vergangen, als von dort ein umfangreiches Schrei-
ben Mr. Grahams eintraf. Derselbe theilte zunächstjunter de«
Ausdrucke innigster Theflnabme mit, daß der Hochzeits-
gesang William Bellengers sich in Klagelieder verwandelt
und der glückliche Bräutigam als schwerer aber reumüthv
ger Verbrecher im Gefängnisse schmachte. Dann fuhr Mr.
Graham im Tone eines väterlichen Freundes fort: „Du
haft mir nichts Neues verrathen, lieber Walter, da Du
mir Deine Liebe zu meiner Tochter gestandest. Deine
Herzensneigung war mir längst nicht entgangen, und ich
habe Dich genau beobachtet und geprüft, ob Du meines
einzigen Kindes, mein Alles, was ich auf Erden habe, wür-
dig seiest, ob Du es wahrhaft glücklich zu machen vermöch-
test. Daß ich Dich in der That für würdig halte, will ich
Dir dadurch beweisen, daß ich Dir sage, ich kenne keinen
junge« Mann, dem ick das Glück meines Kinde« bereit-
williger anvertrauen möchte, als Dir. Hättest Du Dich
früher mir vertraut, so wäre vielleicht manche traurige
Stunde Dir, mir und Jessie erspart geblieben. Doch Gott
weiß, wozu es gut war, daß es so hat geschehen muffen.
Mrs- Bartows hatte mir zwar längst bekannt, daß sie
fälschlicher Weise Dir gesagt, ich wünsche eine iVerbindung
zwischen Jesfic und Dir nicht. Nur ihr einsält ger Stolz,
der durch die Schicksalsschläge, welche ihre Freundin Mrs.
Reeves getroffen, Gott sei Dank, gebrochen ist, kann sie
entschuldigen. Uebrigens ist sie jetzt Deine beste Freundin.
Du hast versprochen, Jessie Deine Liebe nicht zu gestehen,
bis die Unschuld Deines Vaters bewiesen ist. Dies, mein
lieber Walter, wird wohl niemals geschehen, — selbst wenn
er noch lebt, was ich aber sehr bezweifle. Warum willst
Du also zözern? Du hast meine volle Ermächtigung, ihr
Alles zu sagen, was Du für nothwendig hälft. Augenblick-
lich ist sie mit der armen Lottie in Deerwood. Für Wil-
liam thue ich, was in meinen Kräften steht; ebenso seine
Großmutter. Sein Vater dagegen will nicht einmal mehr
seinen Namen hören.
(Fortsetzung folgt.)
Druck, Verlag ». Expedition
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_ZwingrrstraHe 7._
Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
Gragll für Walirbeit, Fmlieii L KM.
l l Rabattbewilligung.
, _Lrpedition: Jwingertzraße 7.
an, das 199. Mandat zu erobern, mit dem sie dann
die absolute Mehrheit im Reichstage haben würde,
während sie tatsächlich über 50 Mandate verfügt.
Ob diese Zahl sich bei den nächsten Wahlen noch
steigern wird, ist eine Frage, deren Beantwortung
man ganz ruhig abwarteu kann ; die Sprache Her
Reuest. Nachr. wird jedenfalls zu einer Verminderung
der sozialdemokratischen Mandate nicht beitragen. Die
Sozialdemokratie besitzt gegenwärtig die meisten gro-
ßen Städte und einen Theil der Jadustriebezirke, u.
sehr viel weiter wird sie ihren Besitzstand schwerlich-
auSdehnen können, auf 199 Mandate wird ste'eS
jedenfalls nicht bringen, um eine» Beschluß auf Ab-
schaffung der Monarchie im Reichstage durchsetzen zu
können — daran glauben ja wohl auch die größten
Angstmeier nicht.
Die Erörterung über die Zweckbestimmung der
ReichSverfassung hat auf uns schon keinen Eindruck
gemacht, als wir sie au- dem Munde, deS Fürsten
Bismarck hörten, sie leidet an dem Cardinalfehler, daß
behauptet wird, die deutschen Fürsten und freien
Städte seien einseitig befugt, die ReichSverfassung zu
ändern. Dar wäre selbst bann nicht der Fall, wenn
man sich ganz auf die Bismarck'sche Theorie von dem
Bertragscharakter der Verfassung stellte, denn zu einem
neuen Vertragsabschluß bedürften die Regierungen der
Zustimmung ihrer Landtage, wie sie 1870 71 diese
Zustimmung nöthig hatten. Eine solche Neuregelung
der staatsrechtlichen Verhältnisse könnte unter Umstän-
den das ganze Reich in Frage stelle«— wir brau-
chen da- wohl nicht weiter auszufühceu. Es wird
ferner geflissentlich übersehen, daß zu dem bestehende»
Recht, welches durch die Verfassung geschützt werde»
soll, auch das allgemeine gleiche und direkte Wahlrecht
gehört. Komischer Weise erblicken die Neuesten Nachr.
nur sozialdemkr. Gefahren gegen die Monarchie, aber
die drei Republiken in Deutschland bedürften doch eben
so sehr des Schutzes, wenn das Blatt mit seinen Be-
fürchtungen Recht hätte. Oder glaubt man, daß die
Sozialdemokratie etwa vor dem Hamburger Senat
Halt machen würde?
Das Crnkum
'st nächst brr Sozial-Demykratie an allem schuld, was
^istaatrstreichlüsternen Berliner Bismarck-Organ,
Neuesten Nachrichten, an den gegenwärtigen poli-
Wen Zuständen im Deutschen Reich mißfällt. DaS
^latt hqj vor einigen Tagen die Octroyirung eines
/uen Reichstags Wahlrechts empfohlen und brüstet
W heute wegen dieses Staatsstreichs-Vorschlags, der
btzepiljch auch seine Wirkung auf das Centrum nicht
^fehlen soll, „denn die Verminderung allein der
^^demokratischen Mandate würde noch nicht auS-
"icheo, um einen Reich-tag herzustellen, mit dem sich
W ehrliche nationale Politik treiben läßt. Auch das
T^ntrum müßte zu diesem Zweck von seinen zum nicht
verlieren."
H »Ehrliche nationale" Politik Arm in Arm mit dem
5ftrliner Bismarckblatt zu treiben — das wäre aller -
^wgs wohl das letzte, wonach das Centrum Vertan-
tragen könnte. Wir meinen, zur ehrlichen nativ-
fön Politik ist zunächst die Achtung vor der Ber-
'"Iiung erforderlich, an der kein Preßorgan scrupel-
Ar rüttelt, als die Berl. Reuest. Nachr., uneingedenk
N . Wortes Hrn. v. Bennigsen, daß der Kaiser und der
AchStag des allgemeinen Stimmrechts an einem Tage
stören worden sind. Aber daS Blatt sollte wenig
ftevz sich vor Geschichtsfälschungen hüten, auf denen
sofort ertappt wird. Wo ist denn der nicht ge-
dn Theil der CentrumSmandate, welcher wesentlich
urch die Hülse der Sozialdemokratie gewonnen wor-
'st? In einzelnen Fällen wird eS ja vorgekom-
Stotz und Liebe. «L-
) Dem Amerikanischen nacherzählt.
snAndei gestand er denn auch, wie er aus tiefem Haß gegen
M»er diesen durch schriftliche Mittherlung seiner Ver-
AMg irre geführt habe, so daß derselbe habe annehmen
d.»Iksfie sei seine Verlobte. Das sei denn auch wohl
* tu Walters plötzlicher Abreise gewesen.
»Aber meine Sünden haben mich gefunden," so schloß
Munter Th,gnen. „Könnte ich sie nur einigermaßen
Men! Walter liebt Jessie; sagen Sie ihr daS, und die
Heiterkeit, welche sie in letzter Zeit verlassen zu haben
«tzlev, wwd bald wiederkehrrn.
An seinem Besuch im Gefängniß zurückgekehlt, fand
do» Aubam zu Hause einen Brief deS alten Marshall
welcher ihm Mittheilung von der gleich nach der An-
krn«, Walters in St. Francisco erfolgten schweren Er-
«Wun« desselben machte mit dem Hinzufügen, daß die
Gott sei Dank — überstanden und recht bald
an» V.Ee Genesung zu erhoffen sei. War diese Mittheilung
viifv keineswegs erfreulich, jo entbehrte sie, in Verbindung
vem Geständnisse Williams, doch nicht des Trostes,
re» H ste geeignet war, die Räthsel zu lösen und die düste-
Keifet zu heben, welche das arme Herz Jessies peinig-
di-k-» Graham beeilte sich denn auch, seiner Tochter
tk>^5 ^oft nickt länger vorzuenthalten, und mit Freuden-
oranen in den Augen sank fie an das Herz des Vaters,
ivi- A'sfle fie sich also doch in Walter nicht getäuscht; aber
S« er so wenig Vertrauen zu ihr haben können!
"un berathschlagt, was za thun, wie Walter
und Trost zu bringen sei. Am liebsten hätte Jessie
, ihr Vater wäre mit ihr sofort an das Kranken-
unk u?b?ereist. Aber dringende Geschäfte hielten ihn zurück
E»».i Eer befand fich ja auch wieder aus dem Wege der
Bn,Mug; es mußte also doch in der nächsten Zeit eine
..sofort auf den vor Wochen an ihn gerichteten Brief
ng'fEsleu. Und diese Antwort langte denn auch nach nicht
lw^s^ en Tagen an. Sie bestätigte das Geständniß Wil-
"Uw und brachte neue Lichtblicke in das in den letzten
men sei», daß auch Sozialdemokraten in der Stich-
wähl einem Candidaten deS Centrums ihre Stimme
gegeben haben; aber auch andere Parteien haben wie-
derholt einen Stimmenzuwachs von sozialdemokrati-
scher Seite empfangen, sogar „nationale" Parteien,
und gelegentlich haben auch Nationalliberale für
Sozialdemokraten gestimmt und sie durchgebracht. Die
Reuest. Nachr. freilich kann man für derartige Vor-
kommnisse nicht verantwortlich machen, denn sie ge-
hören keiner Partei an, es steht auch keine andere
Partei hinter ihnen, sondern nur der Chefredakteur,
der sich einbildet, ungefähr so staatsmännisch zu schrei-
ben, wie der bekannte Mitarbeiter der Hamburger
Nachrichten.
Mit dem Centrum will man eS übrigen- doch
gnädiger machen, als mit der Sozialdemokratie, die
bekanntlich mit Stumpf und Stiel auSgerottet werden
soll, das Centrum soll nur um ein gute- Drittel in
feinem MaudatSbesitze geschwächt werde». Wie da-
nur zu machen wäre!
DaS Blatt entwickelt dann von neuem, dieS Mal
gegen den offiziösen Hamburger Corresp. gewendet,
die Nothwendigkeit eines VerfassunzSbruch-, indem eS
schreibt:
„Die deutschen Fürsten und freien Städte haben
1870 einen ewigen Bund „zum Schutze deS bestehen-
den Rechts und zur Pflege der Wohlfahrt de- deut-
schen Volkes" geschlossen, die heutige ReichSverfassung
ist die für diesen Bund gewählte äußere Form. Stellt
sich heraus, daß einzelne Bestimmungen der Berfas-
jung die Erhaltung deS bestehenden Rechts, wozu in
erster Linie doch die Monarchie gehört, und die Pflege