Wlzer Volksblatt
K. 115.
Nachdruck
»erbaten.
Verantwortlicher Redakteur-:
Josie pH Huber in Heidelberg.
mre nicht
stern
thum anerkennen'will und von'allgcmeiner Theilung träumt.
Was hätte Anna erwidern sollen auf solche Worte?
Jeder Widerspruch hätte den Mann nur noch mehr auf-
gebracht. Hie kreuzte die Arme über die Brust, wie um die
Gefühle der Beschämung, des Ekels, des Leides, die in ihr
wogten, einzudämmen, und saß stumm da, die Bugen auf
den Boden geheftet.
Nach einer Pause brach jener das Schweigen. .Wa-
rum antwortest Du nicht? Nimmst sie am Ende gar in
Schutz?" polterte er.
»Nein! o, nein!' entgegnete sie mit zitternder Stimme.
«Unbarmherzige Reiche werde ich niemals vertbeidigen,
Mitleid zu haben mit Jedermann, das ist Christen-
pflicht ... und diese Reiche hier erfüllen sie: sie sind gut
und wohlthatig."
Aus ihrer Rede hatte der Vater nur Eines berausge-
hört. Er unterbrach sie mit seiner gewohnten Rauheit:
«Also Mitleid soll man mit Jedermann haben? Dann
wirft Lu es auch mir nicht versagen! Du wirst Deinem
alten Vater doch aus der Noth Helsen, Anna? ' Er be-
mühte sich, der heißeren Stimme einen schmeichelnden Klang
zu geben.
Sturmvögel.
Rasch trübt sich der Himmel an. Immer dichter
Webt das Gewölle sich zusammen; cS wehrt sich die
Spannung in der Atmosphäre von Tag zu Tag.
Jupiter tonanS scheint mit aller Gewalt ein Gewitter
Herbeisühren zu wollen, und seine Sturmgeister schie-
°rn mit froher Bereitschaft die Schichten der Luft;
Mvn fegt ein heftiger Wind über das Land, die er-
M Vögel, die Sturmvögel, segeln vor dem kommen-
«en Sturme einher.
. Besser läßt die Situation, welche derzeit politisch
über Deutschland liegt, sich nicht kennzeichnen. Allge-
meine Gewitterschwüle. Der erste Sturmvogel aber
H bereits erschienen. Wir meinen die Novelle zum
^ereinSgefetz, welche im preußischen Abgeordneten-
muse in Vorlage gebracht worden ist.
UnS in Süddeutschland scheint die Preu-
«ische Vorlage wenig zu berühren. Was gehen
U«S die preußischen Gesetze au? — Aber Preu-
»en ist politisch die Vormacht im Deut-
schen Reiche; der König von Preußen ist in einer
und derselben Person, mit denselben Anschauungen
und Zielen der Deutsche Kaiser; der Rückschlag der
preußischen Politik aus die Deutsche Reichspolitik ist
Unausbleiblich. Deswegen geht uns die auf einmal
'N der neuen Vorlage zutage getretene Strömung in
Ukn regierenden Kreisen, das Oberwasser der Reaktion,
Uur allzuviel an.
Zwar ist das Schicksal der Vorlage so gut wie
^siegelt. Das Centrum hat einmüthig
Stellung dagegen genommen, auch die National-
liberalen werden, dürfen es nicht wagen, sür
Widerwillen nicht zu zeigen, der mit jeder Minute heftiger
in ihr aufstieg. Er setzte sich und sah sich langsam im Zim-
mer um. .Wie es mrr geht? Schlecht! Das siehst Du;
brauchst eigentlich gar nicht erst ru fragen. Hier aber ist
esLschön ... Du hast es gut ! Du sitzest in der Wolle,
mein Kind. Es erinnert mich hier Alles ganz an das, wie
es einst bei uns aussah ... Donnerwetter!" fuhr er heftig
auf und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß cs dröhnte.
.Warum nur einige Menschen es so gut haben und das
ihre fcstzuhalten verstehen! Arme Teufel, wie ich, kommen
um reden Groschen ihres Besitzes und wissen nicht, wohin
sie ihr Haupt legen sollen. Die Reichen, die erbärmlichen
Wichte, sehen dann verächtlich herab aus Jene, denen es
im Leben schlecht gegangen. Sie meinen wohl gar, sie hät-
ten Großmrith geübt, wenn sie Unsereinem die Th"
Wersen. Psm über die Reichen! — Dreimal Pfui!'
Augenscheinlich war der Baron nicht ganz nüchi
und bereits auf jene Stufe gesunken, wo man kein Ei,
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
Zwingerstraßr 7.
.O gewiß!" entgegnete sie, froh, eine bejahende Ant-
wort geben zu können. »So viel in meinen Kräften steht,
bin ich immer zu Deinem Beistände bereit, Vater."
»So viel in Deinen Kräften steht, — die Ausrede der
Hartherzigen. Du mußt Dir sa sehr viel erspart haben,
seit Du hier im Hause bist; es sollte dir ein Leichtes sein,
davon abzugeben."
Schweigend stand sie auf, ging an ihren Schreibtisch
und holte ein versiegeltes Päckchen hervor.
„Hier sind alle meine Ersparnisse, Vater I" sagte Anna
einfach, indem sie ihm das versiegelte Päckchen reichte.
.Ich wollte sie in die Sparkasse einlegen. Brauchst Du
aber das Geld, so will ich es Dir gern abtreten." Er
nahm dasselbe riß es auf und zählte die Banknoten. .Das
ist Alles?" sagte er enttäuscht, so wenig hast Du zurück-
gelegt !" Er dachte nach. .Du mußt von Deinem Kapital
noch übrig haben," fügte er plötzlich hinzu. .Damit wäre
mir nachdrücklich geh»lf:n."
.Du könntest wiffen. daß es sehr wenig ist, was mir
verblieb," antwortete sie mit hervorbrechender Bitterkeit
Wir mußten ja leben, nachdem Du uns verlassen hattest,
und zehrten vom Kapital- Ich mußte die Kosten «einer
Ausbildung bestreiten und auch die vom Kapital nehmen
Das Wenige, was dann noch übrig blieb, sowie der kleine
Erlös von unserem Hausrathe, von den letzten Kostbarkei-
ten unserer lieben Mutter, ist für mich angelegt worden.
Ich bi» eben darauf angewiesen, zurückzulegen, um in mei-
nen alten Tagen nicht hunger» zu müßen, Vater."
„Das heißt wohl, Du möchtest am liebsten mich in mei-
nen alten Tagen verschmachten lassen, um nur Dem liebes
Ich sicher zu stellen," war eine unfreundliche Antwort.
.Du tbuest mir Unrecht, Vater. Was ich mir erworben
habe, gebe ich Dir willig. Mißverstandener Opfermuth wäre
es aber, wollte ich den letzten Rest meines Vermögens ver-
schleudern, das Einzige, waS mir Brod für die Zukunft
sichern kann, bloß um Deine momentane Laune zu befrie-
digen." Sie hatte mit steigender Erregung gesprochen. Zor-
nig fuhr der Vater auf: „Gute Lehren und kein Geld —
die alte Geschichte. Mit dem Bettel da soll ich mich zu-
frieden geben, während . . ." (Fortsetzung folgt.)
Für den Monat
Zuni
Lehmen jetzt schon alle Postämter Bestellungen auf die
Wlich erscheinende Zeitung
„Pfälzer Bottsblatt"
(Ait der wöchentlichen Gratisbeilage „Der Eormtags-
*ote",) sowie unsere Expedition Heidelberg
«viwgerstraße 7 entgegen.
Expedition des „Pfälzer Volksblstt".
Heidelberg, Zwingerstraße 7.
Gedanken gezogen wird. Wer in unseren Tagen mit
rein äußerlichen Mitteln, mit den Mitteln der poli-
tischen Gewalt und polizeilichen Zwange- der Ent-
wicklung der Menschheit Einhalt zu gebieten, wer ganz
besonders auf politischem oder sozialem Gebiete Fesseln
und Ketten anzulegen sucht, der erreicht gar nichts,
vielmehr er selbst und die Sache, welche er vertritt,
wird zum Gegenstand tödtlichen Hasses, erbitterter
Feindschaft.
Gesetzt den Fall, wir Katholiken wären durch un-
sere in die Regierung aufgenommenen Vertreter in der
Lage, einflußreich an der derzeitigen Entwicklung uns
zu betheiligen, cs würde an unsere Vertreter die For-
derung herantreten, an dem Umschwenken zu der in
Aussicht genommenen Reaktion sich zu betheiligen,
WaS dann? Würden dieselben der ganzen Strömung
Widerstand leisten, dieselbe aufhalten können? Sollen
sie abtreten, und dem Staate durch solche Absentirung,
nach der Ansicht der bestimmenden P.-rsönlichkeiten,
gerade im Augenblick bedeutsamer Aktionen ihre Hilfe
entziehen? Soll die Vertretung des Volkes durch ein
derartiges Band an die Regierung und ihre Maß-
regeln geschmiedet werden?-Jetzt sind
wir frei.
Wohin wir treiben weiß kein Mensch. Aber so-
viel können wir in der bestehenden Situation sagen:
Der KatholiciSmuS darf froh sein, daß die Vorsehung
ihn angesichts der kommenden Entwickelung durch deu
Liberalismus aus einer allzu bedrohlichen und innigen
Umarmung der Staatsgewalt losgelöst hat. ES
wäre für die Kirche und den KatholiciSmuS das
Allerschlimmste, wenn er mit seinem Namen die ver-
schiedenen politischen Transaktionen decken müßte.
Je freier er in unserer Zeit steht, um so besser für
ihn. Er wird im Staatsleben unterstützen, WaS
wirklich dem Staate und der Regierung frommt. Er
braucht sich aber nicht in Verhältnisse verwickeln zu lassen,
welche dem Staate nichts nützen, ihm aber dem Ka-
tholicismuS, als Religion schaden.
Es war ein Glück für uns, daß in Folge des
Gegensatzes, in welchem der Staat gegen die katho-
lische Kirche stand, die Kirche bezw. der deutsche
KatholiciSmuS von den Gesetzen gegen die Sozial-
demokratie sich im großen Ganz-n fern gehalten;
dieser Verhalten war eine Lehre, welche die Vor-
sehung selbst im Culturkampf uns auf den eigenen
Leib geschrieben hatte. Es ist die Freiheit gegenüber
dem Staat, welche in sozialer Beziehung die Ka-
tholiken erfolgreich hat eingreifen lassen.
cheiut täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren'Raum
OriM für Walickert, Freiheit L KM.
selber« monatlich S« H mit Trägerlohn, durch ' Rabattbewilligung.
die Post bezogen Viertels, 1.60 franco. Expedition: Zwingerstratze 7.
Melders, SmnÄg, dm 22. W1897.
solch eine Vorlage einzutreten, die in ihrem ersten
Artikel, wie man nicht oft genug betonen kann, dem
polizeilichen Ermessen überläßt, Versammlungen,
welche ... die öffentliche Sicherheit, insbesondere
die Sicherheit des Staates oder den
öffentlichen Friedengefährden (nach dem
Ermessen der Polizei!), aufzulösen, — die in ihrem
dritten Artikel besagt, daß Vereine, deren Zweck
oder Thätigkeit ... die öffentliche Sicherheit, insbe-
sondere die Sicherheit des Staates oder den
öffentlichen Frieden gefährdet, von der Landespolizei-
behörde geschlossen werden können. Zwar hat
auch der Reichstag sofort durch Einbringung des „Roth-
vereinSgesetz-AntragS" Stellung genommen. Aber die
Situation ist einmal vorhanden; das äußere Anzeichen
der bisher im Verborgenen ruhelos thätigen Reaktion,
und zwar der Reaktion in ihrer schlimmste», geistig
und verständuißlosesten Form, liegt vor.
Gerade die jetzige Entwicklung ist ein interessan-
tes Streiflicht aus die Lage des Katholizismus in
Deutschland, der infolge der verschiedenen Publikationen
der letzten Wochen für uns in ein Stadium der Ueber-
legung und sattsamen Erwägung unter dem Gesichts-
punkte der Frage: Wo stehen wir? eingetreten ist.
Man hat in den kritischen Erwägungen von der In-
feriorität (Unterordnung) der Katholiken mit beson-
derem Pathos gesprochen. Man hat diese Inferiorität
als einen großen Schaden für den Katholizismus
auf allen Gebieten zu finden geglaubt. Sicherlich ist
auch die geringe Betheiligung und Beiziehung tüchtiger
katholischer Männer zu den höheren Stellen des
Staatsdienstes ein Theil dieser Zurücksetzung der hier-
aus sich anscheinend ergebenden Inferiorität. ES ist
auch gar nicht zu verkennen, daß diese Zurücksetzung
das Ergebniß der geschichtlichen politischen Entwickel-
ung der letzten Jahrzehnte ist. Aber, mit Virgunst
zu fragen, gerade angesichts der Entwicklung, welche
die Dinge nunmehr in Deutschland genommen haben,
angesichts der Personen, welche mit ihrem Einfluß
die Geschicke Deutschlands zu führen drohen, angesichts
der neuen Aera, in welcher wir stehen: ist er für
den Katholizismus ein Glück oder .Un-
glück, daß er sich in der scheinbar so schlimmen In-
feriorität findet?
Unsere Zeit ist eine Zeit gewaltiger Gegensätze,
zählender Entwicklung. Der geistige Verkehr ist ins
Riesige gesteigert, der Sinn für Freiheit und Selbst-
ständigkeit förmlich krankhaft geworden. Alles bäumt
sich auf gegen irgend welche Schranke, welche auf dem
Gebiete der treibenden geistigen, politischen, sozialen
LridvoU und freudvoll.
Novelle von L- v- Neid egg.
. „O nein." erwiderte der Diener verächtlich, „kein Herr,
fw Mann- Er sagt, er müsse notbwevdig mit dem Fräulein
»even ; er behauptet, ein Verwandter des Fräuleins zu sein."
. Tbomok sah unendlich stolz aus, als er so sprach.
5"irie Verwandten sahen nicht so aus. wie der Mann da
?saußer>; und dock war er nur ein Diener und mußte zu
^efem Mädchen „Fräulein" sagen.
Die arme Buna errötbete bis an die Schläfen. „Führen
den . . . führen Sie ihn herein!" sagte sie. Zitternd
«and sie auf, um den Vater zu empfangen — leider konnte
la nur der Vater sein."
Las war sreilick kein „Herr" mehr, der Mann, der
einirat. Von der Eleganz seiner junven Jatre war auch
Zucht die leiseste Spur zurückgeblieben. Selbst seit dem T"de
Aflr Mutter, dem Zeitpunkte, an welchem sie den Vater
Mtzt gesehen, war eine erschreckende Abwärtsbewegung
M ihm vorgegangen. In rasender Eile war er so ziemlich
M.Fuße der schiefen Ebene angelangt, auf welcher er seit
fahren sich bewegte. Sein verwahrlostes Aeußere entsprach
M inner» Verfall. Er stand aus jenem Punkte, wo selbst
; "Heuige Bestreben sich verloren Hai, das dem Vagabunden
M am längsten innewohnt, der Wunsch, wenigstens äußer-
W etwas vorzustellen. Die schadhaften, schmutzigen Kleider
"jfgen lose an seinem Körper; die Stiefel waren herunter-
fbHkten und zeigten bedenkliche Riffe; ein struppiger Bart
Mahmte das gervtbete Gesicht, aus dem die Augen gläsern
Mten. Der ganze Mensch verbreitete einen Duft, der be-
«tez, daß er zum Branntwein herabgesunken sei-
, „Guten Tag, Anna!" sagte er mit seiner rauhen, pol-
>'"ven Stimme und schüttelte der entsetzt dreinfchauenden
Mter derb die Hand. „Ich wollte endlich einmal bei Dir
^spreche». Wie gewöhnlich, ist Dein Empfang ein kühler.
kannst aber doch nicht behaupten, daß ich Dir zur Last
»Nallm sei in den letz-en Jahren?"
schob ihm einen Stuhl hin, nahm ihm Hut und
ab, fragte, wie es ihm ginge, und bemühte sich, Len
K. 115.
Nachdruck
»erbaten.
Verantwortlicher Redakteur-:
Josie pH Huber in Heidelberg.
mre nicht
stern
thum anerkennen'will und von'allgcmeiner Theilung träumt.
Was hätte Anna erwidern sollen auf solche Worte?
Jeder Widerspruch hätte den Mann nur noch mehr auf-
gebracht. Hie kreuzte die Arme über die Brust, wie um die
Gefühle der Beschämung, des Ekels, des Leides, die in ihr
wogten, einzudämmen, und saß stumm da, die Bugen auf
den Boden geheftet.
Nach einer Pause brach jener das Schweigen. .Wa-
rum antwortest Du nicht? Nimmst sie am Ende gar in
Schutz?" polterte er.
»Nein! o, nein!' entgegnete sie mit zitternder Stimme.
«Unbarmherzige Reiche werde ich niemals vertbeidigen,
Mitleid zu haben mit Jedermann, das ist Christen-
pflicht ... und diese Reiche hier erfüllen sie: sie sind gut
und wohlthatig."
Aus ihrer Rede hatte der Vater nur Eines berausge-
hört. Er unterbrach sie mit seiner gewohnten Rauheit:
«Also Mitleid soll man mit Jedermann haben? Dann
wirft Lu es auch mir nicht versagen! Du wirst Deinem
alten Vater doch aus der Noth Helsen, Anna? ' Er be-
mühte sich, der heißeren Stimme einen schmeichelnden Klang
zu geben.
Sturmvögel.
Rasch trübt sich der Himmel an. Immer dichter
Webt das Gewölle sich zusammen; cS wehrt sich die
Spannung in der Atmosphäre von Tag zu Tag.
Jupiter tonanS scheint mit aller Gewalt ein Gewitter
Herbeisühren zu wollen, und seine Sturmgeister schie-
°rn mit froher Bereitschaft die Schichten der Luft;
Mvn fegt ein heftiger Wind über das Land, die er-
M Vögel, die Sturmvögel, segeln vor dem kommen-
«en Sturme einher.
. Besser läßt die Situation, welche derzeit politisch
über Deutschland liegt, sich nicht kennzeichnen. Allge-
meine Gewitterschwüle. Der erste Sturmvogel aber
H bereits erschienen. Wir meinen die Novelle zum
^ereinSgefetz, welche im preußischen Abgeordneten-
muse in Vorlage gebracht worden ist.
UnS in Süddeutschland scheint die Preu-
«ische Vorlage wenig zu berühren. Was gehen
U«S die preußischen Gesetze au? — Aber Preu-
»en ist politisch die Vormacht im Deut-
schen Reiche; der König von Preußen ist in einer
und derselben Person, mit denselben Anschauungen
und Zielen der Deutsche Kaiser; der Rückschlag der
preußischen Politik aus die Deutsche Reichspolitik ist
Unausbleiblich. Deswegen geht uns die auf einmal
'N der neuen Vorlage zutage getretene Strömung in
Ukn regierenden Kreisen, das Oberwasser der Reaktion,
Uur allzuviel an.
Zwar ist das Schicksal der Vorlage so gut wie
^siegelt. Das Centrum hat einmüthig
Stellung dagegen genommen, auch die National-
liberalen werden, dürfen es nicht wagen, sür
Widerwillen nicht zu zeigen, der mit jeder Minute heftiger
in ihr aufstieg. Er setzte sich und sah sich langsam im Zim-
mer um. .Wie es mrr geht? Schlecht! Das siehst Du;
brauchst eigentlich gar nicht erst ru fragen. Hier aber ist
esLschön ... Du hast es gut ! Du sitzest in der Wolle,
mein Kind. Es erinnert mich hier Alles ganz an das, wie
es einst bei uns aussah ... Donnerwetter!" fuhr er heftig
auf und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß cs dröhnte.
.Warum nur einige Menschen es so gut haben und das
ihre fcstzuhalten verstehen! Arme Teufel, wie ich, kommen
um reden Groschen ihres Besitzes und wissen nicht, wohin
sie ihr Haupt legen sollen. Die Reichen, die erbärmlichen
Wichte, sehen dann verächtlich herab aus Jene, denen es
im Leben schlecht gegangen. Sie meinen wohl gar, sie hät-
ten Großmrith geübt, wenn sie Unsereinem die Th"
Wersen. Psm über die Reichen! — Dreimal Pfui!'
Augenscheinlich war der Baron nicht ganz nüchi
und bereits auf jene Stufe gesunken, wo man kein Ei,
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
Zwingerstraßr 7.
.O gewiß!" entgegnete sie, froh, eine bejahende Ant-
wort geben zu können. »So viel in meinen Kräften steht,
bin ich immer zu Deinem Beistände bereit, Vater."
»So viel in Deinen Kräften steht, — die Ausrede der
Hartherzigen. Du mußt Dir sa sehr viel erspart haben,
seit Du hier im Hause bist; es sollte dir ein Leichtes sein,
davon abzugeben."
Schweigend stand sie auf, ging an ihren Schreibtisch
und holte ein versiegeltes Päckchen hervor.
„Hier sind alle meine Ersparnisse, Vater I" sagte Anna
einfach, indem sie ihm das versiegelte Päckchen reichte.
.Ich wollte sie in die Sparkasse einlegen. Brauchst Du
aber das Geld, so will ich es Dir gern abtreten." Er
nahm dasselbe riß es auf und zählte die Banknoten. .Das
ist Alles?" sagte er enttäuscht, so wenig hast Du zurück-
gelegt !" Er dachte nach. .Du mußt von Deinem Kapital
noch übrig haben," fügte er plötzlich hinzu. .Damit wäre
mir nachdrücklich geh»lf:n."
.Du könntest wiffen. daß es sehr wenig ist, was mir
verblieb," antwortete sie mit hervorbrechender Bitterkeit
Wir mußten ja leben, nachdem Du uns verlassen hattest,
und zehrten vom Kapital- Ich mußte die Kosten «einer
Ausbildung bestreiten und auch die vom Kapital nehmen
Das Wenige, was dann noch übrig blieb, sowie der kleine
Erlös von unserem Hausrathe, von den letzten Kostbarkei-
ten unserer lieben Mutter, ist für mich angelegt worden.
Ich bi» eben darauf angewiesen, zurückzulegen, um in mei-
nen alten Tagen nicht hunger» zu müßen, Vater."
„Das heißt wohl, Du möchtest am liebsten mich in mei-
nen alten Tagen verschmachten lassen, um nur Dem liebes
Ich sicher zu stellen," war eine unfreundliche Antwort.
.Du tbuest mir Unrecht, Vater. Was ich mir erworben
habe, gebe ich Dir willig. Mißverstandener Opfermuth wäre
es aber, wollte ich den letzten Rest meines Vermögens ver-
schleudern, das Einzige, waS mir Brod für die Zukunft
sichern kann, bloß um Deine momentane Laune zu befrie-
digen." Sie hatte mit steigender Erregung gesprochen. Zor-
nig fuhr der Vater auf: „Gute Lehren und kein Geld —
die alte Geschichte. Mit dem Bettel da soll ich mich zu-
frieden geben, während . . ." (Fortsetzung folgt.)
Für den Monat
Zuni
Lehmen jetzt schon alle Postämter Bestellungen auf die
Wlich erscheinende Zeitung
„Pfälzer Bottsblatt"
(Ait der wöchentlichen Gratisbeilage „Der Eormtags-
*ote",) sowie unsere Expedition Heidelberg
«viwgerstraße 7 entgegen.
Expedition des „Pfälzer Volksblstt".
Heidelberg, Zwingerstraße 7.
Gedanken gezogen wird. Wer in unseren Tagen mit
rein äußerlichen Mitteln, mit den Mitteln der poli-
tischen Gewalt und polizeilichen Zwange- der Ent-
wicklung der Menschheit Einhalt zu gebieten, wer ganz
besonders auf politischem oder sozialem Gebiete Fesseln
und Ketten anzulegen sucht, der erreicht gar nichts,
vielmehr er selbst und die Sache, welche er vertritt,
wird zum Gegenstand tödtlichen Hasses, erbitterter
Feindschaft.
Gesetzt den Fall, wir Katholiken wären durch un-
sere in die Regierung aufgenommenen Vertreter in der
Lage, einflußreich an der derzeitigen Entwicklung uns
zu betheiligen, cs würde an unsere Vertreter die For-
derung herantreten, an dem Umschwenken zu der in
Aussicht genommenen Reaktion sich zu betheiligen,
WaS dann? Würden dieselben der ganzen Strömung
Widerstand leisten, dieselbe aufhalten können? Sollen
sie abtreten, und dem Staate durch solche Absentirung,
nach der Ansicht der bestimmenden P.-rsönlichkeiten,
gerade im Augenblick bedeutsamer Aktionen ihre Hilfe
entziehen? Soll die Vertretung des Volkes durch ein
derartiges Band an die Regierung und ihre Maß-
regeln geschmiedet werden?-Jetzt sind
wir frei.
Wohin wir treiben weiß kein Mensch. Aber so-
viel können wir in der bestehenden Situation sagen:
Der KatholiciSmuS darf froh sein, daß die Vorsehung
ihn angesichts der kommenden Entwickelung durch deu
Liberalismus aus einer allzu bedrohlichen und innigen
Umarmung der Staatsgewalt losgelöst hat. ES
wäre für die Kirche und den KatholiciSmuS das
Allerschlimmste, wenn er mit seinem Namen die ver-
schiedenen politischen Transaktionen decken müßte.
Je freier er in unserer Zeit steht, um so besser für
ihn. Er wird im Staatsleben unterstützen, WaS
wirklich dem Staate und der Regierung frommt. Er
braucht sich aber nicht in Verhältnisse verwickeln zu lassen,
welche dem Staate nichts nützen, ihm aber dem Ka-
tholicismuS, als Religion schaden.
Es war ein Glück für uns, daß in Folge des
Gegensatzes, in welchem der Staat gegen die katho-
lische Kirche stand, die Kirche bezw. der deutsche
KatholiciSmuS von den Gesetzen gegen die Sozial-
demokratie sich im großen Ganz-n fern gehalten;
dieser Verhalten war eine Lehre, welche die Vor-
sehung selbst im Culturkampf uns auf den eigenen
Leib geschrieben hatte. Es ist die Freiheit gegenüber
dem Staat, welche in sozialer Beziehung die Ka-
tholiken erfolgreich hat eingreifen lassen.
cheiut täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren'Raum
OriM für Walickert, Freiheit L KM.
selber« monatlich S« H mit Trägerlohn, durch ' Rabattbewilligung.
die Post bezogen Viertels, 1.60 franco. Expedition: Zwingerstratze 7.
Melders, SmnÄg, dm 22. W1897.
solch eine Vorlage einzutreten, die in ihrem ersten
Artikel, wie man nicht oft genug betonen kann, dem
polizeilichen Ermessen überläßt, Versammlungen,
welche ... die öffentliche Sicherheit, insbesondere
die Sicherheit des Staates oder den
öffentlichen Friedengefährden (nach dem
Ermessen der Polizei!), aufzulösen, — die in ihrem
dritten Artikel besagt, daß Vereine, deren Zweck
oder Thätigkeit ... die öffentliche Sicherheit, insbe-
sondere die Sicherheit des Staates oder den
öffentlichen Frieden gefährdet, von der Landespolizei-
behörde geschlossen werden können. Zwar hat
auch der Reichstag sofort durch Einbringung des „Roth-
vereinSgesetz-AntragS" Stellung genommen. Aber die
Situation ist einmal vorhanden; das äußere Anzeichen
der bisher im Verborgenen ruhelos thätigen Reaktion,
und zwar der Reaktion in ihrer schlimmste», geistig
und verständuißlosesten Form, liegt vor.
Gerade die jetzige Entwicklung ist ein interessan-
tes Streiflicht aus die Lage des Katholizismus in
Deutschland, der infolge der verschiedenen Publikationen
der letzten Wochen für uns in ein Stadium der Ueber-
legung und sattsamen Erwägung unter dem Gesichts-
punkte der Frage: Wo stehen wir? eingetreten ist.
Man hat in den kritischen Erwägungen von der In-
feriorität (Unterordnung) der Katholiken mit beson-
derem Pathos gesprochen. Man hat diese Inferiorität
als einen großen Schaden für den Katholizismus
auf allen Gebieten zu finden geglaubt. Sicherlich ist
auch die geringe Betheiligung und Beiziehung tüchtiger
katholischer Männer zu den höheren Stellen des
Staatsdienstes ein Theil dieser Zurücksetzung der hier-
aus sich anscheinend ergebenden Inferiorität. ES ist
auch gar nicht zu verkennen, daß diese Zurücksetzung
das Ergebniß der geschichtlichen politischen Entwickel-
ung der letzten Jahrzehnte ist. Aber, mit Virgunst
zu fragen, gerade angesichts der Entwicklung, welche
die Dinge nunmehr in Deutschland genommen haben,
angesichts der Personen, welche mit ihrem Einfluß
die Geschicke Deutschlands zu führen drohen, angesichts
der neuen Aera, in welcher wir stehen: ist er für
den Katholizismus ein Glück oder .Un-
glück, daß er sich in der scheinbar so schlimmen In-
feriorität findet?
Unsere Zeit ist eine Zeit gewaltiger Gegensätze,
zählender Entwicklung. Der geistige Verkehr ist ins
Riesige gesteigert, der Sinn für Freiheit und Selbst-
ständigkeit förmlich krankhaft geworden. Alles bäumt
sich auf gegen irgend welche Schranke, welche auf dem
Gebiete der treibenden geistigen, politischen, sozialen
LridvoU und freudvoll.
Novelle von L- v- Neid egg.
. „O nein." erwiderte der Diener verächtlich, „kein Herr,
fw Mann- Er sagt, er müsse notbwevdig mit dem Fräulein
»even ; er behauptet, ein Verwandter des Fräuleins zu sein."
. Tbomok sah unendlich stolz aus, als er so sprach.
5"irie Verwandten sahen nicht so aus. wie der Mann da
?saußer>; und dock war er nur ein Diener und mußte zu
^efem Mädchen „Fräulein" sagen.
Die arme Buna errötbete bis an die Schläfen. „Führen
den . . . führen Sie ihn herein!" sagte sie. Zitternd
«and sie auf, um den Vater zu empfangen — leider konnte
la nur der Vater sein."
Las war sreilick kein „Herr" mehr, der Mann, der
einirat. Von der Eleganz seiner junven Jatre war auch
Zucht die leiseste Spur zurückgeblieben. Selbst seit dem T"de
Aflr Mutter, dem Zeitpunkte, an welchem sie den Vater
Mtzt gesehen, war eine erschreckende Abwärtsbewegung
M ihm vorgegangen. In rasender Eile war er so ziemlich
M.Fuße der schiefen Ebene angelangt, auf welcher er seit
fahren sich bewegte. Sein verwahrlostes Aeußere entsprach
M inner» Verfall. Er stand aus jenem Punkte, wo selbst
; "Heuige Bestreben sich verloren Hai, das dem Vagabunden
M am längsten innewohnt, der Wunsch, wenigstens äußer-
W etwas vorzustellen. Die schadhaften, schmutzigen Kleider
"jfgen lose an seinem Körper; die Stiefel waren herunter-
fbHkten und zeigten bedenkliche Riffe; ein struppiger Bart
Mahmte das gervtbete Gesicht, aus dem die Augen gläsern
Mten. Der ganze Mensch verbreitete einen Duft, der be-
«tez, daß er zum Branntwein herabgesunken sei-
, „Guten Tag, Anna!" sagte er mit seiner rauhen, pol-
>'"ven Stimme und schüttelte der entsetzt dreinfchauenden
Mter derb die Hand. „Ich wollte endlich einmal bei Dir
^spreche». Wie gewöhnlich, ist Dein Empfang ein kühler.
kannst aber doch nicht behaupten, daß ich Dir zur Last
»Nallm sei in den letz-en Jahren?"
schob ihm einen Stuhl hin, nahm ihm Hut und
ab, fragte, wie es ihm ginge, und bemühte sich, Len