277.
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Joseph Huber in Heidelberg.
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. Heidelberg Zwingerstraße 7
Westeü'ungen
den Monat
Zur Marine-Vorlage.
r glicht nur durch Neubau von Schiffen und Ersatz-
tü» " inSgesammt 420 Millionen Mark, sondern
durch entsprechende Vermehrung des Personals
stärkere Jndiensthaltung der Kriegsschiffe wird sich
Enorme Mehrbelastung der neuen Marine-Vorlage
hMar machen. Es sollen nach dem neuen Flotten-
zs dauernd in Dienst gehalten werden: 1. Zur
. ^«ng von aktiven Formationen 9 Linienschiffe, zwei
K°be und sechs kleine Kreuzer. 2. Als Stammschiffe
Reserve Reformationen: 4 Linienschiffe, 4Küsten-
z^erschjffe, 2 große Kreuzer und 5 kleine Kreuzer.
Zur Aktivirung einer Reserve-Formation auf die
, von 2 Monaten 2 Linienschiffe. Nach Maß-
§des Bedarfs unterliegt der jährlichen Festsetzung
den Etat die Bereitstellung der für die Jndunst.
übm der Torpedofahrzeuge, Auslandsschiff-, Schul-
Spezialschiffe und Kanonenboote erforderlichen
» Was den Personalstand betrifft, so sollen nach dem
» sttzentwurf an Deckosfizieren, Unteroffizieren und
Zviiinkn der Matrosendivisionen, Werftdivisionen,
Medoabtheilung vorhanden sein: 1. die anderthalb-
^ Besatzung für die im Ausland befindlichen
2. Die volle Besatzung für die zur aktiven
Kation der heimischen Schlachtflotte gehörige«
iMe, die Hälfte der Torpedofahrzeuge, die Schul-
und die Spezialschiffe. 3. Besatzungsstämme
. Melisne. BL
'Mung von Melativ Iva. Aus dem Holländischen von
L- v. Heemftede.
bj ^ie war ja fest entschlossen, in keinem Falle
Ich,» etwas gegen Leo zu Schulden kommen ru
IL»- sie wollte Hilverda das Unpassende seiner Hand-
tkk,Mersc unter die Augen bringen, ihm mit der ganzen
i!, ? des beleidigten Weibes erklären, daß ft- nicht so leicht
^Wohnen sei, aber... sie mußte selbst über die schönen
tztzii.de lächeln; wenn sie wieder vor Erich stand, das
IU,° ne ja, würde sie sich klein, schwach und nichtig
G-L.-Nein," sagte sie ausstehend, „wenn Nette den Brief
tztzL^sckt hat, so ist eS ein Zeichen, daß ich nicht gehen
sy antwortete nichts und er kann gehen. ES ist
bsette kam nach Hause.
-sn der Brief an Tante weg?" war ihre erste Frage.
Hv„r^vch nicht; ich meinte, es wäre heute noch Zeit ge-
W, Die Wahrheit war eigentlich, daß Nette Erich alle
tz,-. Mn wollte, abzureifen, ehr der Besuch abgcmeldet
t«d i, L- fürchtete mit Recht, daß er nicht abgereift war
M ,l"te nun, ihn dadurch, daß sie ihm im letzten Augen-
Utzs-Me Enttäuschung bereitete, zu einer beschleunigten
°r«tle »u »wingen.
daun werde ich ihr schreiben." sagte Miliane,
^ktt-Brief wurde nicht geschrieben. Abends aber erhielt
Mitth-ilung: „Wir wollen doch nur gehe« !"
es Dich nicht reuen, Miliane!' sagt« die ältere
. ernst.
iltztz^ jüngere wurde feuerroth. „WaS meinst Du damit?"
" N. verwirrt.
Zj,^«chts mehr oder weniger, als ich sage," erwiderte
verstehe es nicht; warum sollte ich nicht thun,
Ä °«ne wünschte?-
Sikl N« sagte nicht- mehr und Miliane frug nicht weiter,
k »tö,, begann einrusche», daß ihre Schwester lange nicht
bws war.ßal- sie. gemeint hatte. Sie gingen also nach
für die zur Reserveformation der heimischen Schlacht
flotte gehörigen Schiffe, sowie die von der Hälfte der
Torpedofahrzeuge. 4. Der erforderliche L^ndbedarf.
5. Ein Zuschlag von 5 Prozent. Die nach Maß-
gabe dieser Grundsätze erforderliche EiaiSstärke deS
Personals für die verschiedenen Kontingente bleiben
der jährlichen Festsetzung durch den Reichshaushalts-
etat Vorbehalten. Bei einer jährlichen Einstellung
von 120 Kadetten und einer Erhöhung des Schiffs-
jungenetats von 660 auf 1000 Köpfe wird die Per-
sonalvermehrung in 7 Jahren erreicht.
Noch weit wehr aber als die Höhe der Forder-
ungen gibt daS Verlangen nach einem Septennat zu
den schwersten Bedenken Anlaß. Die Regierung hat
sich bemüht, die verfassungsmäßigen Bedenken gegen
die beabsichtigte Beschränkung deS BudgetrechtS da-
durch zu entkräften, daß die Ausgaben für jeden
einzelnen Schiffsbau nach wie vor in de» alljährlichen
Etat eingestellt werden sollen. Dadurch und indem
die Deckung ebenfalls auf budgetmäßigem Wege jähr-
lich erfolgen soll, vermeint man die verfassungsmäßigen
Rechte des Reichstags unberührt gelassen zu haben.
Ganz geschickt auSg-klügelt! Aber nimmermehr ist in
diesem Sinne je das Budgetrecht verstanden worden.
Wie liegt denn die Sache? Der Reichstag soll nicht
nur die ganze Stärke der Flotte bis 1904 st stiegen,
er soll auch die zu bauenden Schiffe im Voraus be-
stimmen und endlich die Frist sestsetzen, binnen wel-
cher der Bestand zu erreichen ist. Außerdem wird
verlangt, daß die zeitige Einstellung der Ersatzbauten
ebenfalls gleich durch die Vorlage auf 7 Jahre ge-
sichert wird, und endlich wird sogar das Maß der
Jndiensthaltung im Frieden durch den Entwurf ge-
ordnet. Jo, was in aller Welt bleibt da noch vom
wirklichen Etatsrecht übrig? Wenn die Gesommt-
summen feststehen, die Gesammtfrist für ihre Aufwen-
dung ebenfalls fixirt ist, daun hat der nächste Reichs-
tag in Wahrheit gar nichts weiter dreinzureden, wenn
auch der Form halber noch über die Schiffsbauten
bei jedem Etat extra abgestimmt wird ; denn ob wirk-
lich einmal eine Verschiebung von einem Jahr auf
das andere statifindet, daS ist herzlich gleichgiltig, da
das Tempo der Flottenbaues doch nicht beschränkt
werden darf.
Dem jetzigen Reichstage wird alfo tatsächlich
angesonnen, seinen Nachfolger einfach seines Budget-
rechtS zu berauben. Wir bezweifeln denn doch, daß
er diesen Weg betreten wird, und wir glauben auch
nicht, daß die Regierung klug operirt, wenn sie
der Volksvertretung noch dazu am Schluß der Legis-
laturperiode für den jetzigen Reichstag eine
solche Alternative stellt. Sie erschwert dadurch nur
eine rüchterne Prüfung ihrer Forderungen und setzt
sich nicht nur mit ihrer früheren Haltung in
Widerspruch, sondern beraubt fick auch selbst der
Möglichkeit veränderten Verhältnissen Rechnung zu
tragen. Sie sagt, daß sie sich ebenso binde wie der
Reichstag. Ja, wenn nun aber große Konstruktions-
änderungen eintreten, die den Schiffsbau vertheuern,
wie will sie dann ihr Programm, auf daS sie sich
flstgelegt hat, ausführen? Daß das aber nicht aus-
geschlossen ist, hat die bisherige Erfahrung genugsam
gezeigt, und deshalb hat auch Staatssekretär Hollmann
sich ausdrücklich gegen eine Bindung auf einen formellen
Plan erklärt. Das Interesse der Marine selbst also
sollte der Regierung den Verzicht auf daS Marine-
septenat nahelegen. Im Rahmen der EtatSforderungen
für ein Jahr dürfte sie eher den Reichstag bereit
finden, ihr da entgegenkommen, wie sie einen wirk-
lichen SchiffSmaogel, etwa für überseeische Stationen,
nachweisen kann.
Die Unruhen in Prag.
* Prag, 1. Dez. DieStraßen-Kravalle
finden jetzt schon ihre Fortsetzung. Soeben galoppirt
berittene Polizeiwache zum deutschen Theater und zur
deutschen Turnhalle, welche die Menge zu bombardiren
ar,fing. Die Straßen find gefüllt von Menschen-
massen.
* Prag, 1. Dez. Soeben rückt unter Trommel-
wirbel daS Prager Hausregiment aus, um die Stra-
ßen zu säubern. Die Hauptstraßen bieten ein düster
bewegtes Bild, besonders der fashionable „Traben",
wo massenhaft berittene Polizei zum Schutze deS
deutschen Casinos postirt ist. Die auf dem Graben
befindlichen Banken haben schon vor der Mittags-
stunde gesperrt, welchem Beispiele viele andere Läden
gefolgt sind. Im Hause des deutschen Turnverein-
würden alle Fenster eingeschlagen. Arge Verwüstun-
gen weist dar kürzlich neueröffnete Heim „Schlaraffia"
auf, wo die Excedenten furchtbar hausten. Die Be-
hörden bieten alle Kräfte auf, die Excesse einzudäm-
men und hintanzuhalten.
* Prag, 1. Dez. Ein großer Exceß wird
soeben aus der StefanSgasse gemeldet, woselbst die
Menge daS deutsche Gymnasium bombardirt. Kaval-
lerie säuberte die Straße. Kaum hatte sie jedoch die
Excedenten verjagt und die Straße durchritten, so fing
die Menge von neuem ihr ZerstöruugSwerk an. Jetzt
Schönburg, wo Fran Hilverda sie zum Mittagsmahl er-
wartete. Gesine saß still und fleißig wie immer in der
Fensternische zu arbeiten.
Hilverda war nicht da und Nette seufzte schon erleich-
tert auf; aber Miliane wußte es besser.
„Mein Sohn ist noch nicht absereist," sagte die alte
Dame; „es kostet ihn viel, sich von Schönburg zu trennen,
vielleicht für immer."
„Ich sehe nicht ein, warum das so sein muß," sagte
Nette trocken.
„Er sagt eS doch! O! er hängt so daran, und kein
Wunder! Von Kindheit an ist er da gewesen, aber nun
werden wir fort müssen."
Miliane sagte nichts und schien ganz in der Betrach-
tung der Figuren auf ihrem Porzcllanteller verloren; da
öffnete sich die Tbüre und Nette sah zu ihrem Schrecken,
daß Mtltaners Wangen glühten und daß ihre Hand vor
Erregung zitterte. „Gott steh'uns bei! WaS wird das
End e fein?" dachte sie für sich.
Hilverda grüßte die Damen flüchtig und nahm zwischen
seiner Mutter und Nette Platz.
Gesine fervirte den Kaffee gerade wie das erste Mal
als fi- hier waren, aber Nette fand es still und ungemüth-
lich. nun L-v's fröhliche Stimme und Helles Lachen fich
nicht vernehmen ließen und feine lebenslustigen Augen «hr
Licht nicht mehr über Alles verbreiteten.
Hilverda stützte den Kopf mit der Hand und aß nicht.
„Bist Du nicht wohl?" frug seine Mutter besorgt.
„Kopfweh!' gab er kurz zur Antwort.
„Gesine, wo ist mein Flakon? etwas Eau de Kologne
wird Dir gut thun. Oder willst Du lieber einen Zwieback ?"
„Nein, ich habe nur Ruhe uöthig."
Miliane sah Hilverda nicht an; sie frug, ob Gesine
»och viel mufizire.
„Rein, ich habe in den letzten Tagen nicht gespielt,"
gab sie zur Antwort.
„Wenn der Orgeldreher nicht da ist, schweigt die Orgel
natürlich, spöttelte Hilverda.
„Vetter, die besten Zwiebel werden wässerig, wenn sie
lang liegen, und die geistreichsten Witze fade, wenn man sie
wiederholt," sagte Gesine.
„Hat man je so was gehört!" rief die Tante, „wie
frech daS Kind wird!"
Der Vetter aber verzog feinen Mund zu einem süß-
saueren Lächeln.
„Gesine hat auch keinen Orgeldreher nöthig," sagte
Miliane, „sie belebt im Gegentheile durch ihr Talent die
stummen Möbel."
„Dann kann sie auf Kaprice gewiß nicht entbehrt wer-
den! Mama, Du darfst sie nicht mitnehmen."
Leo hat sie ganz verdorben mit seinen Faxen, man
kann gar nicht mehr mit ihr fertig werden. Sie wäre im
Stande, im Falle eines Zerwürfnisses zwischen uns u. ihm
fich ganz aus seine Seite zu schlagen, obschon er gar nicht
mit ibr verwandt ist."
„Um so mehr Grund für sie, ihm mit ihrer mächtigen
Hilfe beizustehen!" spöttelte Hilverda weiter-
„Gewiß, wenn das Recht auf seiner Seite ist!" sagte
Gesine.
„Und welcher Advokat hätte das zu entscheiden?"
„Du gewiß nicht, Vetter! Nur eia Unparteiischer darf
Richt sprechen."
„Wie Du die Gesetze kennst, kleiner Advokat! Aber
mein Kopf steht jetzt nicht darnach, mich zu zanken, selbst
nicht mit meiner sieben Koufine."
Frau Hilverda frug Nette, ob sie es hier nicht gemüth-
sicher finde, als in dem gothischen Saale von Kaprice. „Es
ist, als wenn wir da immer Komödie spielen," fügte sie
Hinz».
(Fortsetzung folgt.)