Pfälzer Volksblatt
Sl. 157.
Wkldklg, DmmistU de» 15. W18S7.
Verantwortlicher Redakteure
Joseph Hube riiinllH eidelb efr^g.
Druck, Verlag u.
Gebr. Huber i
Zwtugrrstraße 7.
ig u. Expedition
in Herd elberg,
cheint tSgltch mit Ausnahme der Sonn- u. __ . Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren'Raum
Oroait für Maßrlmt, FrMeü L KeM.
aelbera monatlich 8« mit Trägerlohn, durch " Rabattbewilligung. 8 »
die Post bezogen viertelj. 1.60 franco. Expedition: Zwin gerftratze T.
Weffeuungen
Nehmen für das
UI. Quartal
immer noch alle Postämter auf die täglich erscheinende
Zeitung
,Pfalz-r Bottsblatt"
(mit der wöchentlichen Gratisbeilage „Der Sonntag--
ö»te",) sowie unsere Expedition Heidelberg
8wivgerstraße 7 entgegen.
Expedition -es „PMxer Volksblatt".
Heidelberg, Zwingerstraße 7.
Reichstags-Ersatzwahlen und Vorboten der
Reichstags-Neuwahlen.
Im ersten Wahlkreise des Regierungs Bezirks Pots-
dam (Wefipriegritz) ist du«ch die Ernennung des bis-
herigen konservativen Abg. v. Podbielski zum Staats-
sekretär des Reichspostamts eine Reichstagsersatzwahl
Mhwendig geworden. Hr. v. Podbielski wurde 1893
Mir mit 19 Stimmen über die absolute Mehrheit ge-
wählt. Er erhielt 6265 Stimmen; 2960 fielen auf
den Candidaten der Freisinnigen Volkspartei, 1798
vuf den Sozialdemokraten und 1458 auf den Candi-
daten der Freisinnigen Vereinigung, während sich noch
einige Stimmen zersplitterten. Im konservativen
Lager besorgt man, daß der Kreis bei der Ersatzwahl
derloren gehen könne. Es stehen sich nämlich dies
Mal ein konservativer, ein antisemitischer, ein frei-
sinniger und ein sozialdemokratischer Kandidat gezerr-
ter. Der antisemitische Kandidat, Rechtsanwalt
Wohlfahrt, hat sich auf das Programm des Bundes
der Landwirthe verpflichtet, ebenso aber auch der kon-
servative Candidat, Ritterschaftsdirektor v. Saldern
(Plattenbürg). WaS wird da nun der Bund der
Landwirthe thun? Die Cons. Corresp. ist über die
antisemitische Candidatur empört, während die anti-
simitische Presse ankündigt, daß bei der nächsten
Reichstagshouptwahl die Antisemiten in der Mark
Brandenburg ganz selbstständig vorgehen würden.
Die konservativen erleben in der That an den Anti-
simiten wenig Freude. Bisher haben letztere haupt-
sächlich den konservativen Wahlkreise weggenommen.
Auch im mittelsränkischen Reichstagswahlkreise
Erlangen Fürth scheint eine Ersatzwahl bevorzustehen.
Wie die Freis. Ztg. berichtet, ist der bisherige Ver-
treter dieses Wahlkreises, der der Freisinnigen Volks-
Partei angehörige Nürnberger Lehrer Weiß, von der
Ansbacher Regierung zum Inspektor einer Knaben-
Fortbildungsschule befördert worden. Wenn damit
ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden
sein sollte, würde eine Ersatzwahl stattzufinde» haben.
Der Kreis Erlangen Fürth wird von den Sozialde-
mokraten hart bedrängt. ES wurden 1893 im ersten
Wahlgange abgegeben: 6983 sozialdemokratische, 5344
freisinnige, 4231 nationalliderale Stimmen, 2283 für
die Süddeutsche Volkspartei, 218 konservative und
188 für das Centrum. In der Stichwahl siegte
Weiß mit 10,243 gegen 9889 sozialdemokratische
Stimmen. Früher vertrat den Kreis Freiherr von
Stauffenberg.
Für die nächstjährigen Neuwahlen zum Reichstage
treffen Sozialdemokraten und Antisemiten schon jetzt
umfassende Vorbereitungen. Die Landeskonferenzen
der Sozialdemokraten haben fast überall die Candi-
datenfrage erledigt. Im Kreis Elberfeld-Barmen
wird der Sozialdemokrat Harm, der den Kreis vier-
zehn Jahre vertreten Hot, aus GeschäftSrücksichten
nicht mehr cavdidiren. An seine Stelle wird der
jetzige Vertreter des ersten Hamburger Wahlkreises
Molkenbuhr, treten, um Bebel Platz zu machen, wel-
cher in Straßburg nicht wieder candidirt. Bebel
wurde 1893 in Hamburg I und in Straßburg ge-
wählt. Er nahm für Straßburg au, mußte aber sei-
nen Hamburger Wählern versprechen, bei der nächsten
Reichstagswahl nur in Hamburg zu candidiren. Die
drei Hamburger Wahlkreise sind der Sozialdemokratie
sicher. Schon sitzt tritt eine gewisse MandatSmüdig.
leit zu Tage. Von den natiovalliberalen Abgeord-
ueten v. Bennigsen und v. Benda verlautet, daß sie
nicht wieder candidiren wollten. Das Gleiche wird
von den der Reichspartei angehörigen Abgeordneten
Frhrn. v. Stumm und Krupp berichtet.
In Westdeutschland dürften die Sozialdemokraten
bei den nächsten Wahlen wohl keine besonder« Ge-
schäfte macken. Mainz haben sie bei der Nachwahl
verloren, und in Solingen, wo sich 1893 zwei Sozial-
demokraten gegeuüberstanden und wo der jahrealte
Streit im sozialdemokratischen Lager anhält, ist das
sozialdemokratische, erst in der Stichwahl erlangte
Mandat keineswegs sicher. Auf dem zu Anfang
dieses Jahres in Essen abgehaltenen rheinischen
sozialdemokratischen Parteitag hat der Parteikassirer
Abgeordneter Gerisch ausdrücklich davor gewarnt,
zu siegesbewußt zu sein, und die Thatsache, daß die
rheinische Sozialdemokratie einen äußerst schwierigen
Standpunkt gegenüber dem Centrum habe, ist erst no<ch
anläßlich der Mainzer Wahl von der sozialdemokra-
tischen Freien Presse anerkannt worden. Dagegen
dürften die Sozialdemokraten, namentlich in Thürin-
gen und in der Mark Brandenburg neue Erfolge er-
zielen, trotz der bramarbastrenden Ankündigung der
Korrespondenz des Bundes der Landwirthe, die deut-
schen Bauern würden im nächsten Jahre den „frei-
sinnig-sozialdemokratischen Doppeladler vergnügt an
das Scheunenthor nageln".
Deutsches Reich.
* Berlin, 13. Juli. Wie aus Odde von heute
gemeldet wird, ist Lieutenant z. D. v. Hahnke vom
Stabe S M. Dacht „Hohenzollern" gestern Abend
beim Velocipedfahren gestürzt und im Sundvensee
ertrunken. — Ein weiteres Telegramm besagt: Lieute-
nannt z. D. v. Hahnke unternahm gestern eine Rad-
fahrt nach dem Skarsfos und LaalefoS. An einer
Stelle, wo der Weg steil gegen den Sundvensee
hinabgeht, stürzte v. Hahnke mit dem Rade in den
See und ertrank. Hundert Mann waren heute
Vormittag damit beschäftigt, die Leiche zu suchen.
* O-de, 13 Juli. Der Kaiser konnte bei ru-
higer müder Luft auf Deck verweilen. Die Nachtruhe
war sehr gut. Die Absorbirung des Blutergusses im
Auge vollzieht sich regelrecht.
* Detmold, 12. Juli. Nachdem der Lippische
Throastreit nunmehr abgeschlossen ist, wurde in ein-
zelnen Blättern die Behauptung aufgestellt, daß nach
wie vor die Erbberechtigung der Söhne des Grafen
Ernst zur Lippe Biesterfeld zweifelhaft sei, da die Ge-
mahlin des Grafen Ernst, eine geborene Reichsgräfiir
Wartensleben, eine bürgerliche Mutter gehabt habe.
Die betr. Ausführungen sind unhaltbar. Das Schieds-
gericht hat die Ehe des Grafen Ernst mit der Modeste
von Unruh im Jahre 1803 für ebenbürtig erklät, da
nach den im Hause Llppe geltenden Ebenbürtigkeits-
begriffen Ehen mit Damen vom alten niedern Adel
auch ohne Stiftsadel zulässig seien. Es ist also auch
die Ehe mit der Reichsgräfin von Wartensleben
eine ebenbürtige. Außerdem hat zu der Ehe der re-
gierende Fürst Leopold am 4. September 1868 seme
private, am 23. September seine amtliche Zustim-
mung gegeben. Hiermit dürfte die Frage der Eben-
6
Das große Loos.
Von Theodor Berthold.
'Ach, waS für traurige Nächte und Tage kamen jetzt
wr uns! Wir wichen nicht von dem Bettchen unseres ein-
D'gen Kindes und belauschten jeden Athemzug, in der Angst,
es sein letzter sein möge. Doktor Bergmann kam hin
«nd wieder, verordnete dies und jenes, zuckte die Achseln
M unsere Fragen und sagte, daß mau den Ausgang ab-
harten müße.
Die dritte Nacht nach meiner Rückkehr von Köln war
«le schrecklichste von allen. Das Kind war so elend, daß es
-'Nem das Herz abftieß: von der Kunst des Arztes erwar-
Wn wir keine Hilfe mehr. Verzweifelnd rang meine Frau
Lände und stöhnte: „Der Junge gebt doch von uns,
^vd ich bin schuld an seinem Tode, ich bin schuld."
„Vertrau auf Gott, Kathrin," tröstete ich; „der liebe
Mt wird uns doch das Leid nicht anthun und unfern
Lswrich von uns nehmen; der Junge ist uns lieber, als
Ms Agltz der Erbe. Wenn Du Dich gegen den himmlischen
Zater verfehlt hast, so kannst Du ihn auch wieder durch
«evete und Gelübde versöhnen "
. .»Ach, Johann," stöhnte meine Frau aus Herzensgrund,
Kbetet hab' ich all' die Tage schon unablässig, aber der
Unmlische Vater hat mich nicht erhört; jetzt wollen wir
'wie Barmherzigkeit durch ein Gelübde zu gewinnen suchen."
- Damit fiel meine Frau neben dem Bette des Kindes
" die Knie und auch mich zog sie auf den Boden nieder,
r, .„Hör uns. himmlischer Vater, barmherziger Gott,"
Me sie, .wir geloben Dir, alles Geld, das wir in der
!l> A'e gewonnen haben, an das katholische Krankenhaus
Ichenken, wenn Du unser einziges Kind, unfern lieben
«e»nr,ch, wieder gesund machst I"
z» Nach diesen, mit lauter, feierlicher Stimme gesprochenen
Sorten verweilten wir noch lange in stillen Gebeten.
,, Als der Doktor am nächsten Morgen den kleinen Kran-
^»untersuchte, fand er ihn merklich gebessert. Ein goldener
UuuungSftrahl brach in unser Herz. Wir erneuerten un-
Gebete und Gelübde. Der Himmel mußte sie gnädig
ausgenommen haben, denn nach wenigen Tagen war unser
Liebling außer aller Gefahr. —
Am Abend des Tages, wo der Doktor erklärte: „Hein-
rich ist wieder ganz gesund," trug ich das ganze große Loos
ins katholische Krankenhaus.
Und nun — so schloß der Erzähler — glaub' ich Ihnen
an meinem eigenen Beispiel bewiesen zu haben, daß Geld,
viel Geld den Menschen nicht glücklich macht. Das alte
schöne Lied, das ich noch heute bei meiner mühseligen Ar-
beit zu fingen Pflege, bleibt hundertmal wahr:
Was frag' ich viel nach Geld und Gut,
Wenn ich zufrieden bin.
Gibt Gott mir nur gesundes Blut,
So hab' ich frohen Sinn.
Ende.
Vermischtes.
— Ein zweiter furchtbarer Schiffsunter-
gang wird aus Aden gemeldet, der sich beinahe zur sel-
ben Zeit und unweit der Stelle ereignete, wo der unglück-
liche Dampfer Aden von seinem Schicksal erreicht wurde.
Das untergegangene Schiff ist der Dampfer Sultan aus
Bombay, der einige Hundert mohamedanische Indier an
Bord hatte, die sich auf der Rückreise von ihrer Pilgerfahrt
nach Mccca befanden. Am 9. v. M- wurde das Schiff von
einem furchtbaren Sturm getroffen und verlor Schraube,
Steuer und Mast binnen wenigen Minuten. Es trieb hilf-
los auf dem Wasser und hatte in Folge der furchtbaren
Hitze eine Masse Kranke an Bord. Bald fing der Dampfer
zu sinken an und eine furchtbare Panik entstand. Wahn-
sinnig vor Furcht sprangen viele Pilger über Bord und
wurden gleich von Schaaren von Haifischen, die sich ein-
gefunden hatten, verschlungen. Drei Tage und Nächte wa-
ren die Matrosen unausgesetzt an den Pumpen und wenn
das Schiff auch sank, so blieb er doch über Wasser. Dann
kam ein Dampfer in Sicht und trotz des Sturmes fetzte
man vom Sultan zwei Rettungsboote mit etwa 60 Per-
sonen aus, die aber zerschellen, ehe sie noch das Wasser
erreichten. Alle 60 Leute fielen in's Meer und waren als-
bald eine Beute der Haifische. Von beiden Schiffen sah
man das entsetzliche Schauspiel, wie die gierigen Bestien
die armen Menschen in Stücke rissen, ohne etwas zur Ret-
tung thun zu können. Trotz aller Gefahren wurde von dem
zweiten Dampfer der P. u. O- Company aus, der Ver-
such gemacht, die noch übrige Besatzung und den Rest der
Passagiere in Sicherheit zu bringen, was auch gelang. Die
Zahl der Geretteten betrug über hundert. Viele litten au
Arm- und Beinbrüchen und andern während des Sturmes
erlittenen Verletzungen, und trotz der sorgfältigen Pflege
starben noch zwanzig ehe Aden erreicht war. Der Sultan
ist gesunken.
— Versuche mit Drachen, die man bis zu Hö-
hen von ein bis zwei englischen Meile» über der Erde auf-
steigen ließ, sind bekanntlich seit längerer Zeit in Amerika
aufgestellt worden. Nun wird mitgetheilt, oaß diese Ver-
suche in so fern ein praktisches Ergebniß gehabt haben, als
es jetzt möglich erscheint, das Wetter für eine um 16 Stun-
den längere Zeit voraus zu sagen als bisher. Es soll die
Thatsache sestgestellt worden sein, daß die Winddrehung in
einer Höhe von einer englischen Meile zwölf bis sechszehn
Stunden vor der Richtungsänderung auf der Erdoberfläche
eintritt. Das Weather Bureau der Vereinigten Staaten
wird innerhalb sechs Monaten im Stande sein, telegra-
phische synchronische Karten zu veröffentlichen, die auf die
Lustverhältnisse einer englischen Meile über der Erde ge-
gründet find. Diese Karte wird sich auf das ganze Gebiet
zwischen dem Felsen- und dem Alleghang-Gebirge erstrecken.
Sl. 157.
Wkldklg, DmmistU de» 15. W18S7.
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Joseph Hube riiinllH eidelb efr^g.
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aelbera monatlich 8« mit Trägerlohn, durch " Rabattbewilligung. 8 »
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UI. Quartal
immer noch alle Postämter auf die täglich erscheinende
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ö»te",) sowie unsere Expedition Heidelberg
8wivgerstraße 7 entgegen.
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Heidelberg, Zwingerstraße 7.
Reichstags-Ersatzwahlen und Vorboten der
Reichstags-Neuwahlen.
Im ersten Wahlkreise des Regierungs Bezirks Pots-
dam (Wefipriegritz) ist du«ch die Ernennung des bis-
herigen konservativen Abg. v. Podbielski zum Staats-
sekretär des Reichspostamts eine Reichstagsersatzwahl
Mhwendig geworden. Hr. v. Podbielski wurde 1893
Mir mit 19 Stimmen über die absolute Mehrheit ge-
wählt. Er erhielt 6265 Stimmen; 2960 fielen auf
den Candidaten der Freisinnigen Volkspartei, 1798
vuf den Sozialdemokraten und 1458 auf den Candi-
daten der Freisinnigen Vereinigung, während sich noch
einige Stimmen zersplitterten. Im konservativen
Lager besorgt man, daß der Kreis bei der Ersatzwahl
derloren gehen könne. Es stehen sich nämlich dies
Mal ein konservativer, ein antisemitischer, ein frei-
sinniger und ein sozialdemokratischer Kandidat gezerr-
ter. Der antisemitische Kandidat, Rechtsanwalt
Wohlfahrt, hat sich auf das Programm des Bundes
der Landwirthe verpflichtet, ebenso aber auch der kon-
servative Candidat, Ritterschaftsdirektor v. Saldern
(Plattenbürg). WaS wird da nun der Bund der
Landwirthe thun? Die Cons. Corresp. ist über die
antisemitische Candidatur empört, während die anti-
simitische Presse ankündigt, daß bei der nächsten
Reichstagshouptwahl die Antisemiten in der Mark
Brandenburg ganz selbstständig vorgehen würden.
Die konservativen erleben in der That an den Anti-
simiten wenig Freude. Bisher haben letztere haupt-
sächlich den konservativen Wahlkreise weggenommen.
Auch im mittelsränkischen Reichstagswahlkreise
Erlangen Fürth scheint eine Ersatzwahl bevorzustehen.
Wie die Freis. Ztg. berichtet, ist der bisherige Ver-
treter dieses Wahlkreises, der der Freisinnigen Volks-
Partei angehörige Nürnberger Lehrer Weiß, von der
Ansbacher Regierung zum Inspektor einer Knaben-
Fortbildungsschule befördert worden. Wenn damit
ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden
sein sollte, würde eine Ersatzwahl stattzufinde» haben.
Der Kreis Erlangen Fürth wird von den Sozialde-
mokraten hart bedrängt. ES wurden 1893 im ersten
Wahlgange abgegeben: 6983 sozialdemokratische, 5344
freisinnige, 4231 nationalliderale Stimmen, 2283 für
die Süddeutsche Volkspartei, 218 konservative und
188 für das Centrum. In der Stichwahl siegte
Weiß mit 10,243 gegen 9889 sozialdemokratische
Stimmen. Früher vertrat den Kreis Freiherr von
Stauffenberg.
Für die nächstjährigen Neuwahlen zum Reichstage
treffen Sozialdemokraten und Antisemiten schon jetzt
umfassende Vorbereitungen. Die Landeskonferenzen
der Sozialdemokraten haben fast überall die Candi-
datenfrage erledigt. Im Kreis Elberfeld-Barmen
wird der Sozialdemokrat Harm, der den Kreis vier-
zehn Jahre vertreten Hot, aus GeschäftSrücksichten
nicht mehr cavdidiren. An seine Stelle wird der
jetzige Vertreter des ersten Hamburger Wahlkreises
Molkenbuhr, treten, um Bebel Platz zu machen, wel-
cher in Straßburg nicht wieder candidirt. Bebel
wurde 1893 in Hamburg I und in Straßburg ge-
wählt. Er nahm für Straßburg au, mußte aber sei-
nen Hamburger Wählern versprechen, bei der nächsten
Reichstagswahl nur in Hamburg zu candidiren. Die
drei Hamburger Wahlkreise sind der Sozialdemokratie
sicher. Schon sitzt tritt eine gewisse MandatSmüdig.
leit zu Tage. Von den natiovalliberalen Abgeord-
ueten v. Bennigsen und v. Benda verlautet, daß sie
nicht wieder candidiren wollten. Das Gleiche wird
von den der Reichspartei angehörigen Abgeordneten
Frhrn. v. Stumm und Krupp berichtet.
In Westdeutschland dürften die Sozialdemokraten
bei den nächsten Wahlen wohl keine besonder« Ge-
schäfte macken. Mainz haben sie bei der Nachwahl
verloren, und in Solingen, wo sich 1893 zwei Sozial-
demokraten gegeuüberstanden und wo der jahrealte
Streit im sozialdemokratischen Lager anhält, ist das
sozialdemokratische, erst in der Stichwahl erlangte
Mandat keineswegs sicher. Auf dem zu Anfang
dieses Jahres in Essen abgehaltenen rheinischen
sozialdemokratischen Parteitag hat der Parteikassirer
Abgeordneter Gerisch ausdrücklich davor gewarnt,
zu siegesbewußt zu sein, und die Thatsache, daß die
rheinische Sozialdemokratie einen äußerst schwierigen
Standpunkt gegenüber dem Centrum habe, ist erst no<ch
anläßlich der Mainzer Wahl von der sozialdemokra-
tischen Freien Presse anerkannt worden. Dagegen
dürften die Sozialdemokraten, namentlich in Thürin-
gen und in der Mark Brandenburg neue Erfolge er-
zielen, trotz der bramarbastrenden Ankündigung der
Korrespondenz des Bundes der Landwirthe, die deut-
schen Bauern würden im nächsten Jahre den „frei-
sinnig-sozialdemokratischen Doppeladler vergnügt an
das Scheunenthor nageln".
Deutsches Reich.
* Berlin, 13. Juli. Wie aus Odde von heute
gemeldet wird, ist Lieutenant z. D. v. Hahnke vom
Stabe S M. Dacht „Hohenzollern" gestern Abend
beim Velocipedfahren gestürzt und im Sundvensee
ertrunken. — Ein weiteres Telegramm besagt: Lieute-
nannt z. D. v. Hahnke unternahm gestern eine Rad-
fahrt nach dem Skarsfos und LaalefoS. An einer
Stelle, wo der Weg steil gegen den Sundvensee
hinabgeht, stürzte v. Hahnke mit dem Rade in den
See und ertrank. Hundert Mann waren heute
Vormittag damit beschäftigt, die Leiche zu suchen.
* O-de, 13 Juli. Der Kaiser konnte bei ru-
higer müder Luft auf Deck verweilen. Die Nachtruhe
war sehr gut. Die Absorbirung des Blutergusses im
Auge vollzieht sich regelrecht.
* Detmold, 12. Juli. Nachdem der Lippische
Throastreit nunmehr abgeschlossen ist, wurde in ein-
zelnen Blättern die Behauptung aufgestellt, daß nach
wie vor die Erbberechtigung der Söhne des Grafen
Ernst zur Lippe Biesterfeld zweifelhaft sei, da die Ge-
mahlin des Grafen Ernst, eine geborene Reichsgräfiir
Wartensleben, eine bürgerliche Mutter gehabt habe.
Die betr. Ausführungen sind unhaltbar. Das Schieds-
gericht hat die Ehe des Grafen Ernst mit der Modeste
von Unruh im Jahre 1803 für ebenbürtig erklät, da
nach den im Hause Llppe geltenden Ebenbürtigkeits-
begriffen Ehen mit Damen vom alten niedern Adel
auch ohne Stiftsadel zulässig seien. Es ist also auch
die Ehe mit der Reichsgräfin von Wartensleben
eine ebenbürtige. Außerdem hat zu der Ehe der re-
gierende Fürst Leopold am 4. September 1868 seme
private, am 23. September seine amtliche Zustim-
mung gegeben. Hiermit dürfte die Frage der Eben-
6
Das große Loos.
Von Theodor Berthold.
'Ach, waS für traurige Nächte und Tage kamen jetzt
wr uns! Wir wichen nicht von dem Bettchen unseres ein-
D'gen Kindes und belauschten jeden Athemzug, in der Angst,
es sein letzter sein möge. Doktor Bergmann kam hin
«nd wieder, verordnete dies und jenes, zuckte die Achseln
M unsere Fragen und sagte, daß mau den Ausgang ab-
harten müße.
Die dritte Nacht nach meiner Rückkehr von Köln war
«le schrecklichste von allen. Das Kind war so elend, daß es
-'Nem das Herz abftieß: von der Kunst des Arztes erwar-
Wn wir keine Hilfe mehr. Verzweifelnd rang meine Frau
Lände und stöhnte: „Der Junge gebt doch von uns,
^vd ich bin schuld an seinem Tode, ich bin schuld."
„Vertrau auf Gott, Kathrin," tröstete ich; „der liebe
Mt wird uns doch das Leid nicht anthun und unfern
Lswrich von uns nehmen; der Junge ist uns lieber, als
Ms Agltz der Erbe. Wenn Du Dich gegen den himmlischen
Zater verfehlt hast, so kannst Du ihn auch wieder durch
«evete und Gelübde versöhnen "
. .»Ach, Johann," stöhnte meine Frau aus Herzensgrund,
Kbetet hab' ich all' die Tage schon unablässig, aber der
Unmlische Vater hat mich nicht erhört; jetzt wollen wir
'wie Barmherzigkeit durch ein Gelübde zu gewinnen suchen."
- Damit fiel meine Frau neben dem Bette des Kindes
" die Knie und auch mich zog sie auf den Boden nieder,
r, .„Hör uns. himmlischer Vater, barmherziger Gott,"
Me sie, .wir geloben Dir, alles Geld, das wir in der
!l> A'e gewonnen haben, an das katholische Krankenhaus
Ichenken, wenn Du unser einziges Kind, unfern lieben
«e»nr,ch, wieder gesund machst I"
z» Nach diesen, mit lauter, feierlicher Stimme gesprochenen
Sorten verweilten wir noch lange in stillen Gebeten.
,, Als der Doktor am nächsten Morgen den kleinen Kran-
^»untersuchte, fand er ihn merklich gebessert. Ein goldener
UuuungSftrahl brach in unser Herz. Wir erneuerten un-
Gebete und Gelübde. Der Himmel mußte sie gnädig
ausgenommen haben, denn nach wenigen Tagen war unser
Liebling außer aller Gefahr. —
Am Abend des Tages, wo der Doktor erklärte: „Hein-
rich ist wieder ganz gesund," trug ich das ganze große Loos
ins katholische Krankenhaus.
Und nun — so schloß der Erzähler — glaub' ich Ihnen
an meinem eigenen Beispiel bewiesen zu haben, daß Geld,
viel Geld den Menschen nicht glücklich macht. Das alte
schöne Lied, das ich noch heute bei meiner mühseligen Ar-
beit zu fingen Pflege, bleibt hundertmal wahr:
Was frag' ich viel nach Geld und Gut,
Wenn ich zufrieden bin.
Gibt Gott mir nur gesundes Blut,
So hab' ich frohen Sinn.
Ende.
Vermischtes.
— Ein zweiter furchtbarer Schiffsunter-
gang wird aus Aden gemeldet, der sich beinahe zur sel-
ben Zeit und unweit der Stelle ereignete, wo der unglück-
liche Dampfer Aden von seinem Schicksal erreicht wurde.
Das untergegangene Schiff ist der Dampfer Sultan aus
Bombay, der einige Hundert mohamedanische Indier an
Bord hatte, die sich auf der Rückreise von ihrer Pilgerfahrt
nach Mccca befanden. Am 9. v. M- wurde das Schiff von
einem furchtbaren Sturm getroffen und verlor Schraube,
Steuer und Mast binnen wenigen Minuten. Es trieb hilf-
los auf dem Wasser und hatte in Folge der furchtbaren
Hitze eine Masse Kranke an Bord. Bald fing der Dampfer
zu sinken an und eine furchtbare Panik entstand. Wahn-
sinnig vor Furcht sprangen viele Pilger über Bord und
wurden gleich von Schaaren von Haifischen, die sich ein-
gefunden hatten, verschlungen. Drei Tage und Nächte wa-
ren die Matrosen unausgesetzt an den Pumpen und wenn
das Schiff auch sank, so blieb er doch über Wasser. Dann
kam ein Dampfer in Sicht und trotz des Sturmes fetzte
man vom Sultan zwei Rettungsboote mit etwa 60 Per-
sonen aus, die aber zerschellen, ehe sie noch das Wasser
erreichten. Alle 60 Leute fielen in's Meer und waren als-
bald eine Beute der Haifische. Von beiden Schiffen sah
man das entsetzliche Schauspiel, wie die gierigen Bestien
die armen Menschen in Stücke rissen, ohne etwas zur Ret-
tung thun zu können. Trotz aller Gefahren wurde von dem
zweiten Dampfer der P. u. O- Company aus, der Ver-
such gemacht, die noch übrige Besatzung und den Rest der
Passagiere in Sicherheit zu bringen, was auch gelang. Die
Zahl der Geretteten betrug über hundert. Viele litten au
Arm- und Beinbrüchen und andern während des Sturmes
erlittenen Verletzungen, und trotz der sorgfältigen Pflege
starben noch zwanzig ehe Aden erreicht war. Der Sultan
ist gesunken.
— Versuche mit Drachen, die man bis zu Hö-
hen von ein bis zwei englischen Meile» über der Erde auf-
steigen ließ, sind bekanntlich seit längerer Zeit in Amerika
aufgestellt worden. Nun wird mitgetheilt, oaß diese Ver-
suche in so fern ein praktisches Ergebniß gehabt haben, als
es jetzt möglich erscheint, das Wetter für eine um 16 Stun-
den längere Zeit voraus zu sagen als bisher. Es soll die
Thatsache sestgestellt worden sein, daß die Winddrehung in
einer Höhe von einer englischen Meile zwölf bis sechszehn
Stunden vor der Richtungsänderung auf der Erdoberfläche
eintritt. Das Weather Bureau der Vereinigten Staaten
wird innerhalb sechs Monaten im Stande sein, telegra-
phische synchronische Karten zu veröffentlichen, die auf die
Lustverhältnisse einer englischen Meile über der Erde ge-
gründet find. Diese Karte wird sich auf das ganze Gebiet
zwischen dem Felsen- und dem Alleghang-Gebirge erstrecken.